hinterhof- kunstwerke

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hinterhof- kunstwerke
Eigenbau-Motorräder
HINTERHOFKUNSTWERKE
So viel wie nötig, so wenig wie möglich – wenn MOTORRAD-Leser ihre Ideen in die Tat
umsetzen, reduzieren sich Motorräder wieder auf das Wesentliche: Kühlrippen-Motoren im
luftigen Chassis, garniert mit pfiffigen Details. Ein Genuss.
Von Werner Koch; Fotos: privat
BASIS: BMW R 80 RT. Walter Miller aus Friedrichshafen am Bodensee verwandelte diesen für 2400 Euro erstandenen Zwei-VentilBoxer­in einen klassischen Scrambler, dem nur noch eine hochgezogene Auspuffanlage fehlt. Mit Siebenrock-Zylindern (1000cm³),
Gepäckträger, bequemer Sitzbank und straßentauglichen Heidenau-Enduroreifen taugt die BMW auch für eine flotte Dolomiten-Tour.
D
ie Resonanz war gewaltig. Dem
Leser-Aufruf in MOTORRAD
3/2014 folgte eine Flut von Fotos,
Skizzen und ausführlichsten Umbau-Schilderungen. Für manche war der
Aufruf auch Anlass genug, das Winterprojekt
mit Vollgas voranzutreiben und der Redak­
tion vorzustellen. Ein Beweis mehr, dass sich
die Motorradszene in der Republik verstärkt
eigenen Kreationen widmet. Ob als Zweitmotorrad oder zum tagtäglichen Ritt, sauber
zurechtgemachtes Alteisen bringt die Her-
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zen in Wallung und das Publikum zum
Staunen. Abseits der etablierten Spe­zial­
firmen wie Walzwerk, Jens vom Brauck und
Konsorten, stellen pfiffige MOTORRADLeser Maschinen auf die Räder, die sich im
wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen
können. Eine kleine Auswahl der Einsendungen zeigt auf diesen vier Seiten, dass
für bildschöne Umbauten nicht zwingend
das Eigenheim verpfändet werden muss.
Die Kunst, Funktion und Optik zu kombinieren, liegt auch darin, sich mit passen-
den Bauteilen aus dem schier unerschöpf­
lichen Gebrauchtteilemarkt zu bedienen.
Großer Vorteil: Motorräder, die im Baukastenprinzip aufgebaut sind, lassen sich
mit passenden Hersteller-Teilen aufwerten,
die beim abschließenden Gang zu TÜV oder
DEKRA meist ohne zusätzliche Gutachten
akzeptiert werden. Gute Beispiele unserer
kleinen Präsentation sind dabei die BMWund Ducati-Kreationen, die durch hochwertige Baugruppen wie Bremsen, Gabel oder
Einarmschwinge aufgepeppt wurden.
15/2014
BASIS: DUCATI 900 SS.
Es riecht nach Spachtelmasse,
Verdünnung und Schleifstaub,
wenn Andy Batz aus Besigheim
seine Ducati 900 SS in Form
bringt. Der selbst gedengelte
Alutank und die geschwungene
Sitzbank ergeben eine lang gestreckte Linie. Das frei stehende
Rad der 916er-Einarmschwinge
und der luftgekühlte Motor
­unterstützen die luftig-leichte
Anmutung. Genau richtig für
eine puristische Fahrmaschine
BASIS: BMW R 65, BAUJAHR 1980. Für Freundin Maren
genau das richtige Motorrad, dachte sich Bernd Skatikat
aus Nienbrügge. Die Solo-Sitzbank auf dem tiefergelegten Rahmenheck (Maren ist nur 1,59 Meter groß) und
die Scheinwerfermaske sind Eigenbau, die Stollenreifen
ein optisches Bekenntnis zum Bopper
BASIS: RAU RS 1100, BAUJAHR 1996. Robin Oswald mag kräftige Vier­
zylinder wie den luft-/ölgekühlten Suzuki GSX-R 1100-Antrieb im Feinripp.
Auch hier ergänzen bewährte Großserienbauteile wie die Honda VFREinarmschwinge und edle Spezialkomponenten den Zentralrohr-Rahmen
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BASIS:
SUZUKI DR 750/
800 BIG.
Der große Suzuki-Single mit
seinen fein ziselierten Kühlrippen ist wie
gemacht für
einen klassischen Umbau. Das dachte sich auch
Volker Schmidt aus Wiesbaden, der bei seiner aufgepeppten Suzuki DR sportliche Supermoto-Elemente
mit klassischem Tropfentank und Lederhöcker-Sitzbank kombinierte
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BASIS: YAMAHA MT-01. Rattenscharfes Geschütz aus Rattenweiler am Bodensee. Eberhard Berhalter ließ sich seinen massigen MT01-Motor von UNO einrahmen und verpasste
ihm in handwerklicher Meisterleistung ein
ungemein zierliches Outfit. Mit rund 235 Kilogramm ist die VOLUNO gut 25 leichter als die
MT-01 und ein paar PS stärker. Der Hammer
BASIS: YAMAHA SRX-6. Der luftgekühlte Single wurde von Martin Krause so zurecht­
gemacht, wie man das eigentlich von Yamaha hätte erwarten können. Unterm Strich
ein zeitloses Motorrad, das die klassische Idee vom sportlichen Einzylinder mit aktuellen Fahrwerkskomponenten verbindet und mit viel Liebe zum Detail aufgebaut ist
BASIS: BMW R 80 G/S. Michael Rein kennt
bei seiner BMW-Enduro keinen Stillstand. Der
Umbau wird permanent verbessert, was man
sich beim derzeitigen Zustand kaum vorstellen kann. Verlängerte Schwinge, beste Fahrwerkskomponenten, 1043 cm³ Hubraum und
hochwertige Ausstattung. Ein Nutzfahrzeug
für ganz derbe Offroad-Abenteuer
BASIS: SUZUKI GT 250 A.
Für seinen Umbau hat sich
Michael Jakobi für den wohl
besten Jahrgang der Suzuki
GT-Baureihe entschieden. Mit
Halbschale, ähnlich der Suzuki-Cup-Maschinen, verstärktem Rahmen (Rohr zwischen
Schwinge und Tank) und
dem Verzicht auf alles, was
nicht zwingend gebraucht
wird, wurde aus der GT 250
ein nettes Rennerle, um bei
KlassikRennen anzutreten
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15/2014
BASIS: BMW R 100 RS. Mit der Unterstützung pfiffiger Helfer schuf
sich Klaus Erb seinen Traum-Boxer. Was aber nicht heißt, dass das Projekt
abgeschlossen ist. Mit offenen Dell’Orto-Vergasern, Hochschulterfelgen,
dem verrundeten Motordeckel (Luftfilter entfällt) und schlanken HoskeTüten zieren die BMW jede Menge klassische Bauteile
BASIS: SUZUKI GS 400 E, BAUJAHR 1977. Für 100 Euro
aufgekauft und in 200 Stunden aufgepeppt, hat Jürgen
Roth aus Hünfeld die eher biedere GS mit viel Liebe, aber
geringem Budget in ein wirklich sehenswertes Unikat
verwandelt. Ein Augenschmaus: der schier unkaputtbare
dohc-Motor mit den markanten Nockenwellendeckelchen
BASIS: HONDA NTV 650. „Form follows Function“, dieses Motto bestimmte bei Josef Maier­
hofer jeden Arbeitsschritt. Weil er auf Kardan steht, mutierte die NTV zur Reiseenduro, deren
Details trotz aller Nüchternheit sauber gelöst sind. Der Kardan treibt ein BMW-Hinterrad an,
vorn bügelt eine Enduro-Gabel die Falten aus der Piste. Wüstentauglich: der 30-Liter-Tank
Eigenbau-Motorräder
Anders bei den nicht tragenden Bauteilen
wie Scheinwerfern, Verkleidungen oder
Sitzbänken. Hier wird gebogen, geformt
und gedengelt, dass die Schwarte kracht.
Was allen Bastlern und Tüftlern zugutekommt, ist die riesige Auswahl an Umbauteilen aus den Regalen von Louis, Polo, LSL
und den unzähligen Zubehör-Herstellern,
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die das TÜV-Gutachten gleich als Beipackzettel mitliefern. Zwar ist ein Prüfzeichen
im Blinker- oder Scheinwerferglas nicht
zwingend eine Garantie für Qualität, aber
die Grundfunktion ist gesichert.
Denn Funktion und Optik sollten sich
nicht ausschließen. Letztendlich, und da machen die hier präsentierten Motorrad-Skulpturen keine Ausnahme, kommt die große
Freude am selbst zurechtgemachten Alt­­ei­
BASIS: SUZUKI DR BIG 800. Auch
diese Suzuki von Volker Schmidt
aus Dienheim mit dem bärenstar­
ken Single ist in Richtung Scramb­
ler/Klassik-Enduro getrimmt. Das
Schöne an einer solch technisch
­soliden Basis: Man könnte auch
bedenkenlos zur Wüstendurchquerung aufbrechen – wenn der
Tank nicht so klein wäre
sen erst auf, wenn das Ding auch ordentlich
und möglichst sogar besser als das Original
funk­tioniert. Nichts ist lästiger, als wenn stän­
dig irgendein Elektrikfips die Kiste lahm­legt
oder der Künstler am Treffpunkt unter den
mitleidigen Blicken des Publikums den Kickstarter verbiegt. Stichwort Publikum: Unter
www.motorradonline.de/eigenbauten gibt
es noch jede Menge Eigenkreationen der
MOTORRAD-Leser zu bestaunen.
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