Die Angst vor dem Bohrer ist heilbar

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Die Angst vor dem Bohrer ist heilbar
SÜDKURIER NR. 127 | MP
SAMSTAG, 4. JUNI 2016
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Leben
und Wissen
14
SÜ
AM
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6 P und Wissen
TIPPS UND TR ENDS
DER K ALENDERSPRUCH
„Manch einer sollte öfters zum Zahnarzt gehen, denn nur dort
ziemt es sich, das Maul so weit aufzureißen.“
Margot S. Baumann , Schweizer Autorin, geboren 1964
Die Angst vor dem
Bohrer ist heilbar
NAMENSTAGE
Samstag: Christa, Quirin, Werner, Eva, Franz, Hubert
Sonntag: Reginald, Hildebrand, Ferdinand, Bonifatius, Fulger, Adelar, Winfrid
DIE FALLERS
Die Gewinner und neue Rätselfrage
Der Gewinner der Fallers-Rätsel vom Mai
steht nun fest. Es ist Gisela Blum aus St. Georgen. Die richtigen Antworten waren: künftige
Hoferben, Kloster, Abfalleimer für Hundekot,
Wo´s lang geht und Respekt vor dem Ausbilder. Und hier kommt die Frage für die morgige Folge (5. Juni). Schöne Bescherung: Am Tag
der Nachprüfung des Wanderwegs muss Bea
Karl im Sägewerk helfen. Ein extrem wichtiger Auftrag muss fertig werden
und Niki fällt aus. Ihm ist was wohin gefahren? Ihre Antwort schicken Sie
bitte an: Südkurier Medienhaus, Redaktion Leben und Wissen, Stichwort
Die Fallers, Max-Stromeyer-Str. 178, 78467 Konstanz. Per Fax: 07531/9991500. Per Mail: [email protected]. Alle Monatsgewinner treffen bei einer SWR-Führung in Baden-Baden einen Fallers-Schauspieler.
Sie können Antworten auf eine oder mehrere Fragen einschicken. Viel
Glück! (bea)
SCHL AGANFALL
Kranke sollten Patientenverfügungen genau formulieren
Der Wille des Patienten spielt in der Behandlung von Schlaganfällen eine
zunehmende Rolle: So sind im Jahr 2014 in Baden-Württemberg knapp
16 Prozent (6000 Behandlungen) vom Patientenwillen beeinflusst worden. Bei Patienten, die nach einem Schlaganfall im Krankenhaus starben
(2200), liegt die Quote laut Techniker Krankenkasse (TK) bei rund 60 Prozent. Bei der Einflussnahme geht es in erster Linie darum, lebensverlängernde Maßnahmen zu verhindern. Wenn Schluckstörungen auftreten,
kann das auf unbestimmte Zeit eine künstliche Ernährung über eine Magensonde notwendig machen. Genau dies schließen aber viele Patienten
in ihren Verfügungen aus. Aus Sicht der TK sollten Patientenverfügungen
so präzise wie möglich formuliert werden. „Jeder sollte sich über die Konsequenzen einer Patientenverfügung im Klaren sein. Deshalb ist es sinnvoll, sich medizinisch beraten zu lassen“, sagte TK-Landeschef Andreas
Vogt. (dpa)
ERZIEHUNG
Kinder nicht zum Aufessen zwingen
Kleine Kinder müssen erst langsam ihr Hunger- und Sättigungsgefühl
kennenlernen. Zwischen den Mahlzeiten sollten sie ruhig mindestens
zwei oder drei Stunden nichts essen, heißt es auf dem Portal Gesund ins
Leben. So entstehe ein natürliches Hungergefühl, und bei der nächsten
Mahlzeit isst das Kind sich genussvoll satt. Wichtig ist, dass Eltern das
Kind nicht zum Aufessen zwingen. Die Experten empfehlen, dass die Eltern entscheiden, welche Speisen wann und wie sie anbieten. Aber das
Kind entscheidet, wie viel es isst. Idealerweise füllen Mütter und Väter
zunächst eine kleine Portion auf – und das Kind kann sich dann noch
nachnehmen. Dadurch lernt das Kind selbstständig seinem Hungergefühl zu vertrauen. (dpa)
DER BIBEL SPRUCH
„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn
für Zahn.“
Matthäus, Kapitel 5, Vers 38
GEW INNZ A HLEN
Eurojackpot 5 aus 50:
13, 20, 32, 34, 47
Eurojackpot 2 aus 10:
6, 9
Eurojackpot:
Gewinnklasse 1: unbesetzt
(Jackpot: 23 000 000,00 €)
Gewinnklasse 2: 538 743,40 €
Gewinnklasse 3: 380 289,50 €
Gewinnklasse 4: 6 338,10 €
Gewinnklasse 5: 273,50 €
Gewinnklasse 6: 110,30 €
Gewinnklasse 7: 74,70 €
Gewinnklasse 8: 26,20 €
Gewinnklasse 9: 19,30 €
Gewinnklasse 10: 14,70 €
Gewinnklasse 11: 12,40 €
Gewinnklasse 12: 8,70 €
Keno: Ziehung vom 03.06.2016:
9, 10, 12, 15, 16, 21, 26, 28, 29, 31,
32, 34, 45, 46, 48, 49, 55, 63, 67, 69
Plus 5: 84201
(Alle Angaben ohne Gewähr)
MENSCHEN UND MEDIEN
RTL
ARD
Umfrage ermittelt LieblingsNachrichtensprecher
Die Anwaltsserie „Die
Kanzlei“ geht weiter
Peter Kloeppel, 57, Moderator, ist der beliebteste
Nachrichtensprecher im deutschen
Fernsehen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov nannten
17 Prozent der Befragten den Kopf
von RTL Aktuell als ihren LieblingsNachrichtensprecher. Den zweiten
Platz teilen sich Claus Kleber (Heute Journal, ZDF) und Jan Hofer (Tagesschau, ARD) mit jeweils sechs
Prozent. Mit je fünf Prozent folgen
Judith Rakers (Tagesschau) und Marietta Slomka (Heute Journal). (dpa)
Sabine Postel, 62, Schauspielerin wird für weitere 13 Folgen Anwältin
Isabel von Brede spielen. Die Anwaltsserie
„Die Kanzlei“ mit ihr
und Herbert Knaup (60)
geht in die nächste Runde. 13 neue
Folgen werden derzeit in Hamburg
gedreht, wie das Erste mitteilte. „Die
Kanzlei“ war aus der Serie „Der Dicke“ entstanden, nachdem deren
Hauptdarsteller Dieter Pfaff 2013
gestorben war. Die neuen Episoden
sollen 2017 zu sehen sein. Durchschnittlich sehen 5,11 Millionen Zuschauer die Sendung. (dpa)
Bedrohlich? Die Furcht
vor dem Zahnarzt kann
so groß sein, dass eine
Totalblockade droht.
B I L D : AL PH AS P I R I T / FO TO L I A
Viele Menschen machen
einen großen Bogen um eine
Zahnarztpraxis. Professor
Hans-Peter Jöhren, Zahnmediziner und Wissenschaftler in Bochum, erklärt, wie
geholfen werden kann
Herr Jöhren, der 18-jährige Jugendliche,
der jetzt in Hamburg unter der Vollnarkose bei einer Wurzelbehandlung starb,
hatte panische Angst vor einem Zahnarzt. War der Junge damit ein Ausnahmefall oder leiden viele Menschen unter
dieser Angst?
Man muss zunächst auf klare Begriffe achten, denn hier kommt es immer
wieder zu Verwirrung. An unserer Klinik beschäftigen wir uns mit den Menschen, die aus Angst bewusst nicht zum
Zahnarzt gehen. Sie leiden unter Zahnbehandlungsphobie. Dazu haben wir
2006 in Bochum eine Straßenumfrage
gemacht. Sie ergab: Bis zu zehn Prozent
der Befragten vermeiden den Zahnarztbesuch generell. Studien gehen von drei
bis vier Prozent Zahnbehandlungsphobikern aus. Das heißt hochgerechnet
auf die deutsche Bevölkerung: Mehr als
drei Millionen Menschen gehen grundsätzlich nicht zum Zahnarzt. Eine beträchtliche Zahl. Die weniger krankhafte Form ist die Zahnbehandlungsangst.
Sie betrifft rund 70 Prozent der Bevölkerung. Sie gehen zwar regelmäßig zur
Behandlung, aber mit einem mehr oder
weniger großen Angstgefühl. Nur 20
Prozent suchen einen Arzt angstfrei auf.
Das ist doch ein verblüffend niedriger
Wert.
Genau. Die Angst vor der Zahnbehandlung ist heute noch das größte Hindernis für das Erreichen einer optimalen
Zahngesundheit in der Bevölkerung.
Ist die Angst vor dem Schmerz der
Grund für die Verweigerung?
In der Tat. 86 Prozent der Ängstlichen
gaben laut einer Studie an, dass sie früher traumatisierende Erfahrungen im
Behandlungsstuhl gemacht hätten, bei
70 Prozent geschah dies in der Kindheit.
Dabei ist, das muss man auch sagen, die
Gefahr, dass während der Behandlung
Schmerzen auftreten, sehr gering.
Irgendwann hat auch der zäheste Verweigerer Schmerzen. Und dann bleibt
keine andere Wahl, als sich in die Praxis
zu schleppen ...
Ja, diese Menschen kommen häufig,
wenn der Bereich der Frontzähne betroffen ist, weil die ja gut sichtbar sind,
und wenn die Frau, Freundin oder Kollegen am Arbeitsplatz dann etwas sagen. Oder sie kommen, wenn sie Karies-Schmerzen haben. Die Phobiker
haben seltsamerweise aber immer eine
schlechte Meinung von ihren Zähnen,
die sich gar nicht unbedingt bestätigt,
wenn sie dann beim Zahnarzt sind.
Was tut der Arzt, wenn er bemerkt, dass
ein Patient ängstlich ist?
Wer nicht gerade phobisch ist, aber
Angst beim Zahnarzt hat, sollte das
in der Praxis offen ansprechen. Man
kann vereinbaren, dass die Behandlung – wenn möglich – unterbrochen
wird; der Arzt muss sicherstellen, dass
es auch eintritt, wenn er sagt: Es tut nur
kurz weh oder: Es gibt nur einen kleinen
Piekser bei der Spritze. Er muss wissen,
wovor sich der Patient genau fürchtet.
Wir haben einen Standard-Fragebogen entwickelt, in dem der Patient dazu
genaue Angaben machen kann, bevor
die Behandlung beginnt. Dann hat der
Arzt eine gute Vorstellung und kann
entsprechende Vorbereitungen treffen.
Die meisten Praxen bemühen sich ja inzwischen um eine Art Wohlfühl-Atmosphäre. Dient das der Angst-Prävention?
Man kann das des Guten zu viel tun.
Marmor und Leder wirken zwar gediegen, können Patienten aber auch
befremden und abstoßen. Eine Praxis
sollte sich auf den Querschnitt der Bevölkerung einstellen, also auch auf die,
die nicht mit Luxus in Kontakt kommen. Oft findet man auch Bilder und
Poster, die den Zahn und die Behandlung thematisieren. Das hat in der Praxis nichts zu suchen, denn es kann irritierend wirken. Auch entsprechende
Videos auf dem Flachbildfernseher im
Wartezimmer sind nicht sinnvoll. Auch
darf man den Patienten nicht lange allein auf dem Behandlungsstuhl warten
lassen, denn das dient nicht dem Angstabbau.
Was können Eltern tun, um Kindern die
Angst zu nehmen?
Die Kinder machen das, was die Eltern
machen. Wenn Kinder früh mit ihren
Eltern zum Zahnarzt kommen und das
als normal empfinden, werden sie später nicht zu Angstpatienten. Die Kinder
werden langsam an die Sache herangeführt, etwa mit Prophylaxe oder einer Zahnstein-Entfernung. Leider geht
der Angstphobiker mit seinen Kindern
nicht zur regelmäßigen Prophylaxe
oder zur Kontrolle. So wird die Angst
Der Bohrer im Mund. Mit diesem Bild verbinden viele Menschen den Schrecken vor der
Zahnbehandlung. B I L D : BA T K E 8 2 A S / F O T O L I A
Zur Person
Hans-Peter Jöhren, 52,
ist Gründer und Leiter
der Zahnklinik Bochum
an der dortigen AugustaKranken-Anstalt. Als Professor ist Jöhren führender Experte in Diagnostik und Therapie
der Zahnbehandlungsangst und Zahnbehandlungsphobie. In der Deutschen
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde (DGZMK) leitet er den
Arbeitskreis für Psychologie und Psychosomatik. Jöhren stammt aus Recklinghausen, ist verheiratet und hat drei
Töchter. (mic)
von Generation zu Generation weitergegeben.
Gibt es für Zahnbehandlungsphobiker
Trainings oder Therapien, mit denen er
die Angst überwinden kann?
Ja. Es gibt für jede Phobie, sei es Flugangst oder Zahnbehandlungsphobie,
eine Verhaltenstherapie. Die haben wir
an der Universität Witten-Herdecke seit
Mitte der 90er-Jahre entwickelt, mit Elementen der Muskelentspannung und
der Simulation einer Behandlung. Bei
75 Prozent der Patienten führt die Therapie zur Heilung und man bringt sie
wieder auf den Zahnarztstuhl. Wenn
die Heilung nicht gelingt, bleibt nur die
Vollnarkose. Aber die ist nicht ohne Risiko, wie man jetzt in Hamburg wieder
gesehen hat.
Wo liegt das Risiko?
Die Vollnarkose ist heute im Grunde ein
sicheres Verfahren. Wenn allerdings bei
mehreren Zähnen eine Wurzelbehandlung gemacht werden muss, kann die
OP einige Stunden dauern. Wenn dann
eine Erkrankung im Hintergrund vorliegt – etwa am Herzen – steigt das Risiko. Deshalb muss das vorher abgeprüft
werden.
Übernehmen die Krankenkassen die
Kosten für eine Psychotherapie?
Ja, der Verhaltenstherapeut muss eben
eine Kassenzulassung haben. Es muss
klar sein, dass es sich wirklich um eine
Phobie handelt, also um eine psychiatrische Erkrankung gemäß dem weltweit
angewandten sogenannten Diagnostisch-Statistischen Manual Psychischer
Störungen (DSM). Eine normale Zahnbehandlungsangst gehört nicht dazu.
Man muss also vorab eine Diagnose
beim Psychotherapeuten vornehmen.
Wie lange dauert die Therapie?
Es geht meistens um vier bis fünf Sitzungen. Dazu gehören, grob gesagt,
Diagnose, Entspannungsübungen, eine
geistige, kognitive Neuausrichtung und
Umorientierung sowie die Erfolgskontrolle. Nach drei bis vier Wochen kann
die Therapie abgeschlossen sein.
Viele Zahnärzte bieten eine Behandlung
unter Lachgas an. Ist das nicht kostengünstiger als eine Therapie?
Lachgas ist zwar eine gute Behandlungsmethode. Aber bei Phobikern
verbietet es sich. Denn eines ist klar: 50
Prozent der Zahnbehandlungsphobiker
leiden an einer psychischen Basis-Erkrankung. Und die muss diagnostiziert
und behandelt werden. Lachgas eignet
sich daher nur bei normalen Angstpatienten. Das Gleiche gilt auch für eine
Behandlung unter Hypnose. Auch sie
kann eine Psychotherapie, die einer Erkrankung auf den Grund geht, nicht ersetzen. Und man darf nicht vergessen:
Mit einer lokalen Anästhesie, der berühmten Spritze, können wir heute jeden Patienten schmerzfrei behandeln.
Das steht außer Zweifel.
FRAGEN: ALE X ANDER MICHEL
.
Die zehn kuriosesten Phobien
und ein Video zur Zahnbehandlungsphobie:
www.suedkurier.de/plus