Koether 11 Presse_dt

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Koether 11 Presse_dt
Galerie Daniel Buchholz
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Jutta Koether
“Berliner Schlüssel”
7 January - 5 February 2011
Opening reception on Friday, 7 January, 7-9 p.m.
“Her touch – pinching the egg – is in itself a bit ambiguous, a kind of cruel caress.
(Imagine being an egg and having your skin pinched off your body!)”
Ewa Lajer-Burcharth, from a lecture on Chardin delivered in Frankfurt, July 2010
“The harsh constraints and exigencies of objects”: this is how Bruno Latour describes his field of inquiry in an
essay entitled “The Berlin Key, Or, How to Do Words With Things”, originally published in 1991, from which the
present exhibition takes its title.
As most Berliners will know, the Berlin key is a special key equipped with two symmetrical ends developed for
use in the outer doors of the city's apartment blocks. You put the key in the lock, turn it 270 degrees, then push
it halfway through the lock in order to retrieve it on the other side only by undoing the operation and locking the
door again. The Berlin key is an example of what Latour calls a program of action, a materialization of the
disciplinary command to lock the door behind you.
What would a painting be, if it were programmed like the Berlin key? It would insist, harshly, that you do
something with it, use it to get somewhere, but only in accordance with its logic. The paintings in “Berliner
Schlüssel” are meant to intervene in this way, with some even calculated to produce specific effects in specific
people. At a moment when electronic passcode systems are phasing out the Berlin key (and, perhaps
analogously, a model of quick decoding becoming ever more dominant for how art is looked at and talked
about), these paintings make all kinds of demands. They can be real divas.
David Joselit has argued that Koether's work renders “painting beside itself”. The mannered edifice of “Berliner
Schlüssel” – with its references to the history of Berlin architecture, specific works in museums in Berlin (such
as the Poussin self-portrait from the collection of the Alte Gemäldegalerie and the Egyptian statue from the
Neues Museum), her own past shows, the gallery stable and, most concretely, the rooms where the work is
shown – constructs a space in which, fraught to the max, a “Thirst for Aesthetics”, as she has recently called it,
might be quenched. And she does this, in part, by getting the paintings off the gallery wall.
Such a claim generates friction – if we laugh, it is because Koether, as a feminist, uses the power of the
seriously unserious. When we arch our heads to sensitively inspect the surface of a painting, after Chardin or
Francis Bacon or Frans Snyders or Bronzino or a Roman fresco from the city of Boscoreale, under the gray
light coming in through the windows of an elegant Berlin apartment, which has never looked less elegant, we
are liable to get an eyeful of iridescent paint.
Michael Sanchez, December 2010
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Jutta Koether
“Berliner Schlüssel“
7. Januar - 5. Februar 2011
Eröffnung am Freitag, dem 7. Januar, von 19 - 21 Uhr
“Ihre Berührung – beim Pellen des Eis – ist ihrerseits ein wenig mehrdeutig, eine Art grausamer Liebkosung
(man stelle sich nur einmal vor, man wäre selbst ein Ei, dem man die Haut vom Körper pellt!).”
Ewa Lajer-Burcharth, Auszug aus einem im Juli 2010 in Frankfurt gehaltenen Vortrag über Chardin
“Die strengen Zwänge und Forderungen von Objekten” – so beschreibt Bruno Latour in seinem 1991
veröffentlichten Aufsatz “Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften”, dem
sich der Titel der vorliegenden Ausstellung verdankt, sein Forschungsgebiet.
Wie den meisten Berlinern bekannt sein dürfte, verfügt der Berliner Schlüssel über zwei an beiden Seiten
symmetrisch angebrachte Bärte und wurde ursprünglich zum Abschließen der Außentüren Berliner
Mehrfamilienhäuser entwickelt. Dazu steckt man ihn zunächst ins Schlüsselloch, dreht ihn zum Aufschließen
um 270 Grad, schiebt ihn anschließend durch das Schlüsselloch, zieht ihn auf der anderen Seite heraus, um
die Tür von Innen wieder abzuschließen. Der Berliner Schlüssel ist ein Beispiel für eine Materialisierung des
Disziplinarbefehls, ständig die Tür hinter sich abzuschließen, die Latour als Handlungsprogramm bezeichnet.
Was wäre ein Gemälde, wenn wir wie der Berliner Schlüssel programmiert wären? Es würde schroff darauf
bestehen, dass man etwas mit ihm anfängt und mit seiner Hilfe ein bestimmtes Ziel erreicht, dies jedoch
ausschließlich entsprechend seiner eigenen Logik. Die Bilder der Ausstellung “Berliner Schlüssel“ sollen in
derselben Weise intervenieren, einige von ihnen sind sogar so angelegt, dass sie bei bestimmten Menschen
eine bestimmte Wirkung erzielen. Zu einem Zeitpunkt, da elektronische Passcode-Systeme nach und nach
den Berliner Schlüssel verdrängen (und vielleicht analog dazu das Modell einer schnellen Dekodierung
zunehmend die Betrachtung von Kunst und das Sprechen über sie prägt), stellen diese Bilder allerhand
Ansprüche. Sie können sich geradezu wie Diven aufführen.
David Joselit schreibt, Koethers Werk sei “Painting besides itself”. Das manierierte Gedankengebäude von
“Berliner Schlüssel” einschließlich der vielfältigen Bezüge zur Berliner Geschichte und Architektur sowie zu
einzelnen Kunstwerken aus Berliner Museen (darunter ein Poussin-Selbstbildnis aus der Sammlung der
Alten Gemäldegalerie und eine ägyptische Skulptur aus dem Neuen Museum), aber auch Koethers eigene
vergangene Ausstellungen, der Galeriezusammenhang und ganz konkret die Räume, in denen die
vorliegenden Arbeiten gezeigt werden, schaffen einen maximal aufgeladenen Ort, in dem sich womöglich ein
gewisser “Durst nach Ästhetik”, wie sie es kürzlich einmal nannte, stillen lässt. Dies gelingt ihr zum Teil,
indem sie die Bilder von den Galeriewänden nimmt.
Ein derartiger Anspruch erzeugt Reibung – wenn wir lachen, dann weil Koether sich als Feministin die Kraft
des seriös Unseriösen zunutze macht. Wenn wir uns vorbeugen, um im grauen Licht, das durch die Fenster
einer eleganten Berliner Wohnung einfällt, die übrigens niemals uneleganter wirkte, einfühlsam die
Oberfläche eines Gemäldes nach Chardin, Francis Bacon, Frans Snyders, Bronzino oder einem römischen
Fresko in Boscoreale zu inspizieren, so wird unser Blick vermutlich auf irisierende Farbe fallen.
Michael Sanchez, Dezember 2010
Übersetzung Ralf Schauff