Sardinien – Segeln im Steingarten

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Sardinien – Segeln im Steingarten
Sardinien –
Segeln im Steingarten
Die sardische Costa Smeralda ist vor allem wegen der dort anzutreffenden
Luxusyachten­und Prominenten bekannt. Doch Sonne, Wind und Meer
verwöhnen­auch ­normalsterbliche Seglerinnen und Segler – und ein Abstecher
über die Strasse von Bonifacio nach Korsika ist die Krönung jedes Törns.
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entwickelte sich zum Tourismus-Paradies der Reichen
und Schönen. Felsfarbene Villen schmiegen sich in die
von Granit und Macchia geprägte Landschaft.
Nach dem Golfo degli Aranci und dem hoch auf­
ragenden Capo Figari führt unser Kurs nordwestlich
an Porto Rotondo und Porto Cervo vorbei. Im Abendlicht leuchtet auf dem Capo Ferro der imposante
weisse Leuchtturm mit dem roten Hut. Wir runden
das Kap und steuern bei leichtem Wind zwischen
Kap und Isola delle Bisce die erste der Maddalenen
Inseln an: Caprera.
Nach Süden offen und an diesem Abend gut geschützt, offeriert sich die Bucht Porto Palma zum
Übernachten. Einige Yachten dümpeln bereits vor
Anker. Beim Schlummertrunk, einem Becher Mirto,
dem Ende Woche nicht mehr wegzudenkenden «Verdauerli», studieren wir den Wetterbericht. Drei Tage
lang soll es noch gemütlich bleiben, danach ist Starkwind aus Südost angesagt. Also aus genau jener
Richtung, in die wir unsere Mahi Mahi Ende Woche
steuern müssen. Unter diesen Umständen sind die
60 Seemeilen bis Porto Vecchio zu viel – das nähergelegene Bonifacio soll stattdessen unser Ziel sein.
Thron auf dem Fels
Text und Fotos: barbara siegrist
Bei 35 Knoten steigt der Windmesser aus. Zum Glück,
denn hätten wir gewusst, dass uns Böen von bis zu
48 Knoten jagen, wer weiss, ob wir so locker ­unbesorgt
die Segel gerefft und die sichere Bucht angesteuert
hätten. Im Juni kann ein Segeltörn in Sardinien schon
mal zum heftigen Erlebnis werden: Wenn es nicht der
Mistral ist, dann bringt der heisse Schirokko Segler
ins Schwitzen. Doch der Reihe nach.
Im Circolo Nautico von Olbia ist es fast windstill an
diesem Sonntagmorgen. Die Sonne brennt vom
­wolkenlos blauen Himmel. Der Hafen von Olbia liegt
gut geschützt in einer fast drei Seemeilen tiefen
Bucht. Zahlreiche Fähren laufen von hier aus mehrmals täglich verschiedene Städte des italienischen
Festlands an. Lotsen begleiten die Kreuzfahrtschiffe, die hier einen Zwischenhalt einlegen.
Wir, die Crew der «Mahi Mahi», einer zwölf Meter
langen Gib Sea, besorgen im nahen Supermercato
alles, was man für eine Woche auf dem Meer so
braucht. Sardischer Wein, der berühmte Schafskäse
und Früchte stehen ganz oben auf der Liste.
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Vorbei an riesigen Fähren, einem Kreuzfahrtschiff
und unzähligen Muschelzuchten steuern wir aufs
offene Meer hinaus. Im Golfo di Olbia setzen wir die
Segel und halten mit einer flotten Brise Kurs Nordost.
Unser Ziel ist der Maddalenen Archipel mit seinem
kristallklaren Wasser, das in allen Blau- und Türkistönen schillert. Die Inselgruppe besteht aus hunderten von Eilanden – die grösseren heissen Isola, die
kleineren Isolotto. Das Gebiet steht unter Naturschutz, nur in einigen ausgewählten Buchten ist Ankern erlaubt und Häfen gibt es bloss zwei. Beide
liegen auf La Maddalena, der grössten Insel des
gleichnamigen Archipels.
Ein Becher Mirto
Heute, an unserem ersten Tag, möchten wir möglichst
weit kommen, damit wir uns später im Maddalenen
Archipel Zeit lassen und sogar einen Abstecher nach
Korsika wagen können. Porto Vecchio wäre das
Wunschziel. Segelnd folgen wir der Costa ­Smeralda.
Die Küste wurde in den 60er Jahren von Aga Khan,
dem politischen und geistigen Oberhaupt der moderaten muslimischen Ismaeliten, quasi entdeckt und
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Bonifacio ist immer eine Reise wert. Landschaftlich
gibt es kaum etwas Imposanteres und der Weg dorthin durch die Strasse von Bonifacio ist ein eigenes
Abenteuer. Durch die Nähe von Korsika zu Sardinien
wird der Wind hier kanalisiert, eine Düsenwirkung
entsteht. Es bläst hier meist mit zwei Windstärken
mehr als angesagt. Unter Vollzeug und bei gut drei
Beaufort Westwind fliegen wir mit der Mahi Mahi
Richtung Korsika. Der Himmel ist strahlend blau.
Wunschloses Seglerglück. Beinahe jedenfalls. Der
Mahi Mahi liegen Hoch-am-Wind-Kurse nicht wirklich. Statt also mühselig aufzukreuzen, werfen wir für
die letzten Seemeilen die Maschine an. Vor dem Bug
stehen die steilen Kalkfelsen der Südküste Korsikas.
Unter dem Capo Pertusato planschen Badende, am
weissen Sandstrand räkeln sich Sonnenhungrige.
Dann kommt Bonifacio in Sicht. Die Korsarenstadt
thront hoch oben auf dem Fels. Der Eingang zum
Hafen beim Leuchtturm Madonetta zeigt sich erst,
wenn man kurz davor steht – im letzten Moment.
Kaum ein Hafen ist so gut geschützt: Hinter dem
Felsen, auf dem die Stadt erbaut ist, erstreckt er sich
wie ein schmaler, langer Fjord. Die Mahi Mahi erhält
einen Liegeplatz am Steg unweit der vielen Strandcafés und Läden.
Zum Nachtessen lohnt es sich, die steilen Treppen
unter die Füsse zu nehmen, von hoch oben aufs Meer
hinaus zu schauen und in einem der kleinen Bistros
einen Fisch, etwa eine Dorade, zu essen. In den kleinen Läden finden sich viele Souvenirs, Kleider und
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Bucht Porto Lungo: Hier kann
man an Bojen vor dem Hafen
festmachen, ruhiger liegen
Schiffe jedoch innerhalb der
Marina di Porto Massimo.
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Schuhe, die billiger sind, als in La Maddalena. Wohl
deshalb will eine Italienerin hier ein Kleid kaufen,
doch die Verkäuferin erklärt ihr, dass die passende
Grösse erst in zwei Tage lieferbar sei. «Solange kann
ich nicht warten», entgegnet die Kundin, «ich bin mit
einem Schiff da und Starkwind ist angesagt!»
Steingärten und Monsterfratzen
So ist die Mahi Mahi nicht die einzige Yacht, die am
nächsten Tag früh ausläuft, um die Strasse von Boni­
facio bei gutem Wetter zu überqueren. Vorbei an den
Lavezzi Inseln – sie eignen sich für Tagesausflüge –
steuern wir zurück in sardische Gewässer und wechseln die Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling.
Das Wetter ist herrlich! Keine Spur eines aufkommenden Sturms. Das pure Segelvergnügen! Und
schon bald liegt wieder der Maddalenen Archipel vor
dem Bug. Links die Isola Budelli mit ihrem berühmten
Spiagga Rosa, dem rosaroten Strand, den unzählige
­ ostkarten in die Welt hinaustragen. Rechts liegt die
P
Isola Spargi. Diesmal zielen wir auf den Porto
­Massimo in der Bucht Porto Lungo am Nordost­zipfel
von La Maddalena. Der neuere Privathafen, ein Luxus
Yacht Resort, das zum Hotel Cala Lunga gehört, sei
der schönste Hafen der Region, kündigt unser Skipper
an. Dementsprechend gross ist die Vorfreude an Bord
– obwohl wir doch durch eine paradiesische Gegend
navigieren. Und zwar hochkonzentriert, gilt es doch
ein Nadelöhr zu meistern: Zwischen Budelli und
Maddalena liegen die Isola Barrettini und östlich davon die Isolotti Barrettinelli – nur eine schmale Passage trennt Insel und Inselchen. Die zwei Eilande
stechen aus dem Meer wie Granitmonster, die Fratzen schneiden. Mit leichtem Wind segelt die Mahi
Mahi durch diesen Steingarten – wie in einem Tagtraum und bei traumhaftem Wetter.
Hinter der Punta Lunga gleich der nächste Höhepunkt: Die Marina di Porto Massimo, unser Tagesziel.
Bonifacio, ein sicherer Hafen,
den uns die Natur geschenkt
hat. Wie ein Fjord schneidet er
tief ins Land, über dem hoch
oben die Altstadt thront.
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Kurs halten zu können, das Wasser fliegt, die Gischt
spritzt und der Wind schreit. Zuerst fasziniert, dann
besorgt, beobachten wir das Spiel der Elemente. Der
Windmesser ist bei 35 Knoten stehen geblieben.
«­Segel bergen und rein in die nächste Bucht», ruft der
Skipper. Wir starten den Motor und rollen zu Dritt
die Genua Zentimeter um Zentimeter ein. Im Golfo
di Arzachena suchen wir Schutz. Eine halbe Ewigkeit dauert die Fahrt hinter die drei Berge, die Tre
Monti, wo endlich der Anker fällt. Unter Deck ist
es ruhig, wir legen uns hin, warten und lauschen,
wie eine ­veritable «Burrasca», so heisst der Sturm
in Italien, tobt.
Um 17 Uhr ist der Spuk vorbei. Die Wellen glätten
sich. Die Bucht liegt friedlich in der Abendsonne,
Seglerinnen und Segler krabbeln ringsum aus ihren
Kojen. Wir nutzen die Gelegenheit und brechen Richtung Olbia auf. Im Golfo di Cugagna – ein Etappenstop – fällt zum letzten Mal der Anker. Links liegt der
Hafen von Portisco, rechts Porto Rotondo. Hier liegen
in Reih und Glied glänzende Superyachten, die auf
ihre Ausfahrt warten. Da und dort werkelt oder
­pützelt ein Matrose an Deck. Im Golf ist es ruhig. In
unserer Pantry brutzelt, was sich im Kühlschrank
noch fand. Und bei Mondschein genehmigen wir uns
einen Mirto. Am nächsten Morgen läuft die Mahi
Mahi unter Motor am Capo Figari vorbei in die Bucht
von Olbia ein – und wir schauen wehmütig aus­
laufenden Schiffen nach.
Costa Smeralda, Maddalenen Archipel, SARDINIEN:
Anreise: Mit der Fähre oder dem Flugzeug nach Olbia, mehrere Anbieter, ein
Preisvergleich im Internet lohnt sich.
Hafeninfo: www.portomassimo.it
Unentbehrlich: Eine Flasche Mirto, typischer sardischer Likör aus Myrte. Er
fördert die Verdauung und schmeckt nach frischen Kräutern. Nebst dem Mirto
rosso, der aus den Beeren der Myrte gewonnen wird, gibt es auch den bianco
aus den Blüten und Blättern.
Karte «Europa Grundkarte» Format: 6,5 cm x 6,5 cm hoch
Cala Gavetta ist der geschäftige Hafen von Maddalena. Von
hier aus setzen mehrmals
stündlich Fähren nach Palau
über.
Hier gibts das klarste und türkisfarbenste Wasser,
das wir je gesehen haben. Am Sandstrand des Hotels
lässt es sich im Liegestuhl fläzen oder im Meer
schwimmen. Plötzlich, wie von Geisterhand bewegt,
kommt Wind auf. Wir legen uns in die Kojen, lauschen
dem Singen des Windes und der Antwort der Wellen
bis der Schlaf uns übermannt. Ob man an den Bojen
ausserhalb des Hafen auch so gut schläft?
Der Wind ist da
Am nächsten Morgen ist das Meer aufgewühlt, der
Wind braust. Wir beschliessen, La Maddalena dennoch zu umrunden und in den Hafen der Hauptstadt,
der einzigen Stadt auf der Insel, zu segeln. Alleine mit
der Genua ziehen wir westwärts um die Insel. Im
Steingarten schäumt und gurgelt es – eine Durchfahrt wäre heute unmöglich. Doch die Sonne strahlt,
es ist warm, ein Wetter für Könige und Uner­
schrockene. Mehrere Yachten sind unterwegs, haben
denselben Weg wie die Mahi Mahi. Um die Mittagszeit dreht der Wind weiter auf. Er bläst mit 30 bis 35
Knoten, mit gut acht Windstärken. Dann taucht die
Cala Gavetta, der Hafen von La Maddalena auf. Der
Hafenwart und seine Kollegen haben alle Hände voll
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zu tun: Sie helfen einlaufenden Yachten beim Anlegen.
Nach der gediegenen Ruhe von Porto Massimo ist es
hier laut und geschäftig. Wir liegen am Pier, den die
Fähren passieren, welche mehrmals stündlich nach
Palau übersetzen.
Auf dem Platz Garibaldi hupen Autos. Velofahrer,
Touristen und Einheimische huschen vorbei. Es sind
vorallem Tagestouristen, die La Maddalena besuchen.
Erst am Abend wird es ruhig. Sobald man hier eingekauft, flaniert, gegessen und dem Treiben eine Weile
zugeschaut hat, kann man getrost ­weitersegeln. Oder
doch lieber noch einen Tag ­bleiben? Wir haben indes
keine Wahl. Die Woche neigt sich bereits dem Ende
zu, wir müssen rechtzeitig Olbia erreichen – trotz
Starkwind. Also los, Richtung Capo Ferro!
Kohli Ka
KORSIKA
Porto Vecchio
Bonifacio
La Maddalena
Porto Torres
Olbia
Alghero
SARDINIEN
Hinter den drei Bergen
Zuerst geht es bei sechs Windstärken unter Genua
flott voran. Die Bucht Liscia di Vacca kurz vor dem
Kap sollten wir problemlos erreichen, meint unser
Skipper. Doch er hat die Rechnung ohne den Wind
gemacht. Denn kurze Zeit später, das Capo d’Orso
bereits im Rücken, zerrt der Wind immer stärker am
Segel. Der Steuermann braucht alle Kraft, um den
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