Sardinien – Segeln im Steingarten
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Sardinien – Segeln im Steingarten
Sardinien – Segeln im Steingarten Die sardische Costa Smeralda ist vor allem wegen der dort anzutreffenden Luxusyachtenund Prominenten bekannt. Doch Sonne, Wind und Meer verwöhnenauch normalsterbliche Seglerinnen und Segler – und ein Abstecher über die Strasse von Bonifacio nach Korsika ist die Krönung jedes Törns. april 11 marina.ch seaside 87 entwickelte sich zum Tourismus-Paradies der Reichen und Schönen. Felsfarbene Villen schmiegen sich in die von Granit und Macchia geprägte Landschaft. Nach dem Golfo degli Aranci und dem hoch auf ragenden Capo Figari führt unser Kurs nordwestlich an Porto Rotondo und Porto Cervo vorbei. Im Abendlicht leuchtet auf dem Capo Ferro der imposante weisse Leuchtturm mit dem roten Hut. Wir runden das Kap und steuern bei leichtem Wind zwischen Kap und Isola delle Bisce die erste der Maddalenen Inseln an: Caprera. Nach Süden offen und an diesem Abend gut geschützt, offeriert sich die Bucht Porto Palma zum Übernachten. Einige Yachten dümpeln bereits vor Anker. Beim Schlummertrunk, einem Becher Mirto, dem Ende Woche nicht mehr wegzudenkenden «Verdauerli», studieren wir den Wetterbericht. Drei Tage lang soll es noch gemütlich bleiben, danach ist Starkwind aus Südost angesagt. Also aus genau jener Richtung, in die wir unsere Mahi Mahi Ende Woche steuern müssen. Unter diesen Umständen sind die 60 Seemeilen bis Porto Vecchio zu viel – das nähergelegene Bonifacio soll stattdessen unser Ziel sein. Thron auf dem Fels Text und Fotos: barbara siegrist Bei 35 Knoten steigt der Windmesser aus. Zum Glück, denn hätten wir gewusst, dass uns Böen von bis zu 48 Knoten jagen, wer weiss, ob wir so locker unbesorgt die Segel gerefft und die sichere Bucht angesteuert hätten. Im Juni kann ein Segeltörn in Sardinien schon mal zum heftigen Erlebnis werden: Wenn es nicht der Mistral ist, dann bringt der heisse Schirokko Segler ins Schwitzen. Doch der Reihe nach. Im Circolo Nautico von Olbia ist es fast windstill an diesem Sonntagmorgen. Die Sonne brennt vom wolkenlos blauen Himmel. Der Hafen von Olbia liegt gut geschützt in einer fast drei Seemeilen tiefen Bucht. Zahlreiche Fähren laufen von hier aus mehrmals täglich verschiedene Städte des italienischen Festlands an. Lotsen begleiten die Kreuzfahrtschiffe, die hier einen Zwischenhalt einlegen. Wir, die Crew der «Mahi Mahi», einer zwölf Meter langen Gib Sea, besorgen im nahen Supermercato alles, was man für eine Woche auf dem Meer so braucht. Sardischer Wein, der berühmte Schafskäse und Früchte stehen ganz oben auf der Liste. 88 Seaside Vorbei an riesigen Fähren, einem Kreuzfahrtschiff und unzähligen Muschelzuchten steuern wir aufs offene Meer hinaus. Im Golfo di Olbia setzen wir die Segel und halten mit einer flotten Brise Kurs Nordost. Unser Ziel ist der Maddalenen Archipel mit seinem kristallklaren Wasser, das in allen Blau- und Türkistönen schillert. Die Inselgruppe besteht aus hunderten von Eilanden – die grösseren heissen Isola, die kleineren Isolotto. Das Gebiet steht unter Naturschutz, nur in einigen ausgewählten Buchten ist Ankern erlaubt und Häfen gibt es bloss zwei. Beide liegen auf La Maddalena, der grössten Insel des gleichnamigen Archipels. Ein Becher Mirto Heute, an unserem ersten Tag, möchten wir möglichst weit kommen, damit wir uns später im Maddalenen Archipel Zeit lassen und sogar einen Abstecher nach Korsika wagen können. Porto Vecchio wäre das Wunschziel. Segelnd folgen wir der Costa Smeralda. Die Küste wurde in den 60er Jahren von Aga Khan, dem politischen und geistigen Oberhaupt der moderaten muslimischen Ismaeliten, quasi entdeckt und marina.ch april 11 Bonifacio ist immer eine Reise wert. Landschaftlich gibt es kaum etwas Imposanteres und der Weg dorthin durch die Strasse von Bonifacio ist ein eigenes Abenteuer. Durch die Nähe von Korsika zu Sardinien wird der Wind hier kanalisiert, eine Düsenwirkung entsteht. Es bläst hier meist mit zwei Windstärken mehr als angesagt. Unter Vollzeug und bei gut drei Beaufort Westwind fliegen wir mit der Mahi Mahi Richtung Korsika. Der Himmel ist strahlend blau. Wunschloses Seglerglück. Beinahe jedenfalls. Der Mahi Mahi liegen Hoch-am-Wind-Kurse nicht wirklich. Statt also mühselig aufzukreuzen, werfen wir für die letzten Seemeilen die Maschine an. Vor dem Bug stehen die steilen Kalkfelsen der Südküste Korsikas. Unter dem Capo Pertusato planschen Badende, am weissen Sandstrand räkeln sich Sonnenhungrige. Dann kommt Bonifacio in Sicht. Die Korsarenstadt thront hoch oben auf dem Fels. Der Eingang zum Hafen beim Leuchtturm Madonetta zeigt sich erst, wenn man kurz davor steht – im letzten Moment. Kaum ein Hafen ist so gut geschützt: Hinter dem Felsen, auf dem die Stadt erbaut ist, erstreckt er sich wie ein schmaler, langer Fjord. Die Mahi Mahi erhält einen Liegeplatz am Steg unweit der vielen Strandcafés und Läden. Zum Nachtessen lohnt es sich, die steilen Treppen unter die Füsse zu nehmen, von hoch oben aufs Meer hinaus zu schauen und in einem der kleinen Bistros einen Fisch, etwa eine Dorade, zu essen. In den kleinen Läden finden sich viele Souvenirs, Kleider und april 11 marina.ch Bucht Porto Lungo: Hier kann man an Bojen vor dem Hafen festmachen, ruhiger liegen Schiffe jedoch innerhalb der Marina di Porto Massimo. seaside 89 Schuhe, die billiger sind, als in La Maddalena. Wohl deshalb will eine Italienerin hier ein Kleid kaufen, doch die Verkäuferin erklärt ihr, dass die passende Grösse erst in zwei Tage lieferbar sei. «Solange kann ich nicht warten», entgegnet die Kundin, «ich bin mit einem Schiff da und Starkwind ist angesagt!» Steingärten und Monsterfratzen So ist die Mahi Mahi nicht die einzige Yacht, die am nächsten Tag früh ausläuft, um die Strasse von Boni facio bei gutem Wetter zu überqueren. Vorbei an den Lavezzi Inseln – sie eignen sich für Tagesausflüge – steuern wir zurück in sardische Gewässer und wechseln die Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling. Das Wetter ist herrlich! Keine Spur eines aufkommenden Sturms. Das pure Segelvergnügen! Und schon bald liegt wieder der Maddalenen Archipel vor dem Bug. Links die Isola Budelli mit ihrem berühmten Spiagga Rosa, dem rosaroten Strand, den unzählige ostkarten in die Welt hinaustragen. Rechts liegt die P Isola Spargi. Diesmal zielen wir auf den Porto Massimo in der Bucht Porto Lungo am Nordostzipfel von La Maddalena. Der neuere Privathafen, ein Luxus Yacht Resort, das zum Hotel Cala Lunga gehört, sei der schönste Hafen der Region, kündigt unser Skipper an. Dementsprechend gross ist die Vorfreude an Bord – obwohl wir doch durch eine paradiesische Gegend navigieren. Und zwar hochkonzentriert, gilt es doch ein Nadelöhr zu meistern: Zwischen Budelli und Maddalena liegen die Isola Barrettini und östlich davon die Isolotti Barrettinelli – nur eine schmale Passage trennt Insel und Inselchen. Die zwei Eilande stechen aus dem Meer wie Granitmonster, die Fratzen schneiden. Mit leichtem Wind segelt die Mahi Mahi durch diesen Steingarten – wie in einem Tagtraum und bei traumhaftem Wetter. Hinter der Punta Lunga gleich der nächste Höhepunkt: Die Marina di Porto Massimo, unser Tagesziel. Bonifacio, ein sicherer Hafen, den uns die Natur geschenkt hat. Wie ein Fjord schneidet er tief ins Land, über dem hoch oben die Altstadt thront. marina.ch Ralligweg 10 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 [email protected] www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 62 56 90 Seaside marina.ch april 11 april 11 marina.ch Kurs halten zu können, das Wasser fliegt, die Gischt spritzt und der Wind schreit. Zuerst fasziniert, dann besorgt, beobachten wir das Spiel der Elemente. Der Windmesser ist bei 35 Knoten stehen geblieben. «Segel bergen und rein in die nächste Bucht», ruft der Skipper. Wir starten den Motor und rollen zu Dritt die Genua Zentimeter um Zentimeter ein. Im Golfo di Arzachena suchen wir Schutz. Eine halbe Ewigkeit dauert die Fahrt hinter die drei Berge, die Tre Monti, wo endlich der Anker fällt. Unter Deck ist es ruhig, wir legen uns hin, warten und lauschen, wie eine veritable «Burrasca», so heisst der Sturm in Italien, tobt. Um 17 Uhr ist der Spuk vorbei. Die Wellen glätten sich. Die Bucht liegt friedlich in der Abendsonne, Seglerinnen und Segler krabbeln ringsum aus ihren Kojen. Wir nutzen die Gelegenheit und brechen Richtung Olbia auf. Im Golfo di Cugagna – ein Etappenstop – fällt zum letzten Mal der Anker. Links liegt der Hafen von Portisco, rechts Porto Rotondo. Hier liegen in Reih und Glied glänzende Superyachten, die auf ihre Ausfahrt warten. Da und dort werkelt oder pützelt ein Matrose an Deck. Im Golf ist es ruhig. In unserer Pantry brutzelt, was sich im Kühlschrank noch fand. Und bei Mondschein genehmigen wir uns einen Mirto. Am nächsten Morgen läuft die Mahi Mahi unter Motor am Capo Figari vorbei in die Bucht von Olbia ein – und wir schauen wehmütig aus laufenden Schiffen nach. Costa Smeralda, Maddalenen Archipel, SARDINIEN: Anreise: Mit der Fähre oder dem Flugzeug nach Olbia, mehrere Anbieter, ein Preisvergleich im Internet lohnt sich. Hafeninfo: www.portomassimo.it Unentbehrlich: Eine Flasche Mirto, typischer sardischer Likör aus Myrte. Er fördert die Verdauung und schmeckt nach frischen Kräutern. Nebst dem Mirto rosso, der aus den Beeren der Myrte gewonnen wird, gibt es auch den bianco aus den Blüten und Blättern. Karte «Europa Grundkarte» Format: 6,5 cm x 6,5 cm hoch Cala Gavetta ist der geschäftige Hafen von Maddalena. Von hier aus setzen mehrmals stündlich Fähren nach Palau über. Hier gibts das klarste und türkisfarbenste Wasser, das wir je gesehen haben. Am Sandstrand des Hotels lässt es sich im Liegestuhl fläzen oder im Meer schwimmen. Plötzlich, wie von Geisterhand bewegt, kommt Wind auf. Wir legen uns in die Kojen, lauschen dem Singen des Windes und der Antwort der Wellen bis der Schlaf uns übermannt. Ob man an den Bojen ausserhalb des Hafen auch so gut schläft? Der Wind ist da Am nächsten Morgen ist das Meer aufgewühlt, der Wind braust. Wir beschliessen, La Maddalena dennoch zu umrunden und in den Hafen der Hauptstadt, der einzigen Stadt auf der Insel, zu segeln. Alleine mit der Genua ziehen wir westwärts um die Insel. Im Steingarten schäumt und gurgelt es – eine Durchfahrt wäre heute unmöglich. Doch die Sonne strahlt, es ist warm, ein Wetter für Könige und Uner schrockene. Mehrere Yachten sind unterwegs, haben denselben Weg wie die Mahi Mahi. Um die Mittagszeit dreht der Wind weiter auf. Er bläst mit 30 bis 35 Knoten, mit gut acht Windstärken. Dann taucht die Cala Gavetta, der Hafen von La Maddalena auf. Der Hafenwart und seine Kollegen haben alle Hände voll 92 Seaside zu tun: Sie helfen einlaufenden Yachten beim Anlegen. Nach der gediegenen Ruhe von Porto Massimo ist es hier laut und geschäftig. Wir liegen am Pier, den die Fähren passieren, welche mehrmals stündlich nach Palau übersetzen. Auf dem Platz Garibaldi hupen Autos. Velofahrer, Touristen und Einheimische huschen vorbei. Es sind vorallem Tagestouristen, die La Maddalena besuchen. Erst am Abend wird es ruhig. Sobald man hier eingekauft, flaniert, gegessen und dem Treiben eine Weile zugeschaut hat, kann man getrost weitersegeln. Oder doch lieber noch einen Tag bleiben? Wir haben indes keine Wahl. Die Woche neigt sich bereits dem Ende zu, wir müssen rechtzeitig Olbia erreichen – trotz Starkwind. Also los, Richtung Capo Ferro! Kohli Ka KORSIKA Porto Vecchio Bonifacio La Maddalena Porto Torres Olbia Alghero SARDINIEN Hinter den drei Bergen Zuerst geht es bei sechs Windstärken unter Genua flott voran. Die Bucht Liscia di Vacca kurz vor dem Kap sollten wir problemlos erreichen, meint unser Skipper. Doch er hat die Rechnung ohne den Wind gemacht. Denn kurze Zeit später, das Capo d’Orso bereits im Rücken, zerrt der Wind immer stärker am Segel. Der Steuermann braucht alle Kraft, um den marina.ch april 11 april 11 marina.ch seaside 93