- Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung
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t Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung Austrian Frederick and Lillian Kiesler Private Foundation Breton Duchamp Kiesler Surreal Space 1947 14|2013 Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung Austrian Frederick and Lillian Kiesler Private Foundation Ausstellung: 27.02.-11.05.2013 Kuratiert von Eva Kraus Exhibition: 27.02.-11.05.2013 Curated by Eva Kraus Vorwort Preface Dem sinnlichen Erleben – für die Surrealisten ebenso wie für Kiesler elementarster Bestandteil der Kunstrezeption – wurde in der Exposition Internationale du Surréalisme 1947 besondere Aufmerksamkeit zuteil. Daher sollte auch die von André Breton und Marcel Duchamp beauftragte Raumkomposition einer Salle de Superstition vor allem auf das Empfindungsvermögen der Besucherinnen einwirken. Kiesler zeichnete nicht allein für die Architektur dieses „Surreal Space“ verantwortlich; als Mediator koordinierte er zudem die Zusammenarbeit mit und unter den Künstlerinnen: „Sollte keine Übereinstimmung erzielt werden, so wäre dies ganz allein mein Fehler, denn sie [die Künstlerinnen] haben sich strikt an meinen Korrelationsplan gehalten“ (Kiesler, 1947). Wie aus diesem Bekenntnis hervorgeht, orientierte sich Kieslers Vorgehen an jenen Gestaltungsprinzipien, die er schon Ende der 1930er Jahre formuliert hatte und als eine Theorie des „Correalismus“ ausgab. Die Parameter seiner künstlerischen Haltung werden allein schon durch diese Wortschöpfung vermittelt. Die ihr immanenten Begriffe „Korrelation“ und „Korrelativismus“ verdeutlichen, dass Kiesler unser Dasein als das Wechselspiel einander bedingender Kräfte auffasste. Stellt man dem Ausdruck „Correalismus“ nun die Bezeichnung „Surrealismus“ gegenüber, so wird ein weiterer Aspekt seiner Wirklichkeitsauffassung augenscheinlich: Als Architekt fühlte sich Kiesler weniger dem „Surrealen“ („Übernatürlichen“), dem „Traum- und Triebhaften“ verpflichtet als vielmehr den faktischen Gegebenheiten im Hier und Jetzt. Mit Hilfe eines „technischen Plans“ führte Kiesler die Kunst und den Ausstellungsraum – zwei gleichwertige Elemente der „Co-Realität“ („Mit-Wirklichkeit“) – zu einer Einheit. Ein „Chaos von Materialien, Skulpturen, Fresken und antiquierten Möbeln“ stellte einen „einzigen Organismus“ dar, der sich „wie eine geballte Faust jederzeit öffnen“ konnte, um die „erforderlichen Energien“ für ein adäquates (Kunst-)Erleben freizusetzen (s. o.). Das Vorhaben, die Pariser Ausstellung von 1947 im darauffolgenden Jahr anhand einer Fotodokumentation in New York zu zeigen, wurde nie realisiert. Nun ermöglichen es die im Kiesler-Archiv verwahrten Originalabzüge, dieses Versäumnis nachzuholen und eine nahezu lückenlose Rekonstruktion dieses surrealen Ereignisses in Wien zu präsentieren. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle Eva Kraus für die kuratorische Betreuung, dem Galeristen und Sammler Julius Hummel für die wunderbaren Katalogleihgaben sowie unseren Förderern und Stiftern. Special attention was dedicated to sensory experience – the most elementary constituent of art reception for the Surrealists and for Kiesler – at the Exposition Internationale du Surréalisme in 1947. Accordingly, the spatial composition of a Salle de Superstition commissioned by André Breton and Marcel Duchamp was to appeal first and foremost to the visitors’ perceptive faculty. Kiesler was not solely responsible for the architecture of this “surreal space”. As mediator, he also co-ordinated collaboration with and among the artists: “If no consensus is achieved, that would be my fault alone, for they [the artists] have adhered strictly to my correlation plan.” (Kiesler, 1947) As this admission reveals, Kiesler’s plan was founded upon those design principles which he had already formulated at the end of the 1930s, publishing them as a theory of “Correalism”. This neologism alone reflects the parameters of his artistic stance. The inherent terms “correlation” and “correlativism” illustrate the fact that Kiesler regarded our existence as an interplay of mutually conditional forces. If we contrast the term “correalism” with the term “surrealism”, another aspect of his conception of reality becomes apparent: As an architect, Kiesler felt committed to factual conditions in the here and now rather than to the “surreal” (“supernatural”), the world of “dreams and instincts”. With the aid of a “technical plan”, Kiesler fused art and the exhibition space – two equal elements of “co-reality” – into a unified whole. The “chaos of materials, sculptures, frescoes, and antiquated furniture” represented a “single organism, which as a clenched fist, is ready to open, at any moment, and set free the necessary energy” for an adequate experience of art. (s. a.) Monika Pessler Direktorin Kiesler Stiftung Wien The plan to present the 1947 Paris show in New York the following year in the form of a series of photographs was never carried out. With the aid of the original prints stored in the Kiesler archive it is now possible to remedy this omission and present an almost complete reconstruction of this surreal event in Vienna. My sincere thanks are due to Eva Kraus for curatorial supervision, the gallery-owner and collector Julius Hummel for the wonderful catalogue loans, and our patrons and sponsors. Monika Pessler Director Kiesler Foundation Vienna Breton Duchamp Kiesler Exhibition Politics 1947 von/by Eva Kraus Weder die Poesie von Träumen noch der Materialismus der exakten Wissenschaft; weder das Individuum noch das Kollektiv; weder Induktion noch Deduktion, noch der Fortschritt der Arbeitsmethoden haben die dringenden räumlichen Forderungen der neuen Wirklichkeit erfüllt. Nur das Wechselspiel von physischen und psychologischen Kräften ruft jene Methoden hervor, die auf diese Not Antwort geben können. Neither the poetry of dreams nor the materialism of exact science; neither the individual nor the collectivity; neither induction nor deduction, nor the advancement of working methods have satisfied the urgent spatial demands of a new reality. Only a correlation of physical and psychological forces engendering these methods can respond to these necessities. Friedrich Kiesler, Manifeste du Corréalisme, 1949 1947 entwarf Friedrich Kiesler auf Einladung von Marcel Duchamp und André Breton die Salle de Superstition für die Exposition Internationale du Surréalisme in Paris. Dieses Raumkonzept gilt als erstmalige Manifestation von Kieslers architektonischen Visionen des Endless House und die Ausstellung als Höhepunkt einer Kooperation zwischen drei Protagonisten, die zweifelsohne als die wichtigsten Pioniere des Ausstellungsraums im vergangenen Jahrhundert bezeichnet werden können. Mit ihrem gemeinsamen Projekt setzten sie für die kuratorische Praxis vollkommen neue Maßstäbe, seither und durch sie haben sich die Bedingungen des Ausstellens grundlegend verändert. Zwischen Breton und Duchamp war es die dritte Zusammenarbeit an einer internationalen Gruppenausstellung der Surrealisten. Im Vorfeld entstanden ihre beiden legendären Ausstellungen Exposition Internationale du Surréalisme 1938 in Paris und First Papers of Surrealism 1942 in New York – mit Duchamps im Bildgedächtnis der Ausstellungsgeschichte verankerten Installationen: den von der Decke herab hängenden Kohlesäcken und dem quer durch den Ausstellungsraum gelegten Spinnennetz 15 Miles of Strings. Kiesler konterte im gleichen Jahr mit seiner bahnbrechenden Gestaltung von Peggy Guggenheims Galerie Art of This Century in New York. Breton und Duchamp standen seit den zwanziger Jahren in freundschaftlicher Verbindung miteinander; während Bretons Exil in New York trafen sie Anfang der 1940er Jahre häufig auch mit Kiesler zusammen. At the invitation of Marcel Duchamp and André Breton, Frederick Kiesler designed the Salle de Superstition for the Exposition Internationale du Surréalisme in Paris in 1947. This space concept is regarded as the first manifestation of Kiesler’s architectural visions of the Endless House and the exhibition as the climax of a co-operation of three protagonists who may without doubt be referred to as the most important pioneers of the exhibition space in the past century. With their joint project, they set completely new standards for curatorial practice, with exhibition conditions changing fundamentally since then and through their agency. This was Breton’s and Duchamp’s third co-operation on an international Surrealist group exhibition, preceded by their two legendary exhibitions Exposition Internationale du Surréalisme 1938 in Paris and First Papers of Surrealism 1942 in New York – with Duchamp’s installations anchored in the visual memory of exhibition history: the coal bags suspended from the ceiling and the spider’s web spun across the whole exhibition room, 15 Miles of Strings. Kiesler countered the same year with his pioneering design for Peggy Guggenheim’s Art of This Century gallery in New York. Breton and Duchamp had been friends since the twenties; they also met frequently with Kiesler during Ein wichtiger Künstlerzirkel entstand um die drei charismatischen Persönlichkeiten, dem auch einige Mitglieder der surrealistischen Gruppe angehörten, deren Kopf und selbst ernannter Führer nach wie vor Breton war1. Aus dem Exil zurückgekehrt und nahezu zehn Jahre nach der fulminanten Surrealismus-Ausstellung von 1938, war es 1947 Bretons großes Anliegen, jenes Ereignis noch einmal zu überbieten. Dies geschah zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt, um einer Auflösung der verstreuten und zerstrittenen Gruppe entgegenzuwirken. Seine längere Abwesenheit von Paris zog einen erneuten Machtkampf um die Führungsrolle in der Pariser Intelligenz und Künstlerszene nach sich. Der Stratege Breton nutzte das Mittel einer medial wirksamen Ausstellung für die Revitalisierung der angeschlagenen Bewegung. Aimé Maeght lud in seine neu gegründete Galerie in Paris ein, in der trotz relativ kleiner Räumlichkeiten und unter den schwierigen Bedingungen der Nachkriegszeit in kürzester Zeit ein enorm umfangreiches, international ausgerichtetes und hochkarätig besetztes Projekt verwirklicht wurde. Über 110 Künstlerinnen und Literatinnen aus 25 Ländern beteiligten sich mit 38 Katalogbeiträgen und über 200 ausgestellten Werken – inklusive 30 eigens für die Räume geplanten Installationen. Auch wenn die kuratorischen Ansätze in den von Breton und Duchamp organisierten Ausstellungen der Surrealisten schon immer die höchsten Ansprüche verfolgten, so erfuhr ihre inhaltliche wie Friedrich Kiesler, Studie zur Raumgestaltung der Salle de Superstition, Negativ-Repro zur Illustration von/Study for interior design of the Salle de Superstition, negative repro as illustration for Manifeste du Corréalisme, 1947 auch formalästhetische Konzeption 1947 nochmals eine Steigerung. Neben einer erstmals durchgängig gestalteten Architektur existierte schon im Vorfeld ein Motto. Das zentrale Thema war der „Neue Mythos“, der als regenerative Macht die spirituelle Neuorientierung des Surrealismus nach dem Zweiten Weltkrieg beschwor. Wirkte dieses Postulat Bretons auch sprachlich wie theoretisch bemüht, so bewies es doch sein seismographisches Gespür – da die Esoterik in den darauffolgenden Jahrzehnten an gesellschaftlicher Relevanz gewann. Breton setze seine Signatur unter den ausführlichen Einladungsbrief, Duchamp wurde namentlich an den Saaleingängen der drei thematischen Ausstellungsräume angeführt, das Konzept war wohl gemeinsam in New York entstanden. Friedrich Kiesler wurde nach der Konzeptlegung eingeladen und für die gestalterische Umsetzung der Räume herangezogen sowie mit der umfassenden Entwicklung der Salle de Superstition beauftragt. Den Auftakt der Ausstellung machte eine straßenseitige Vitrine. Einstimmig wurde beschlossen, Conglomeros von Victor Brauner auszustellen – ein Wesen, dessen drei nackte Körper zu einem einzigen Kopf verschmelzen. Bewusst wählten sie das Kunstwerk mit dem höchstem Schockpotential aus, um maximale Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Provokation war immanenter Teil der surrealistischen Strategien – das Publikum sollte nicht enttäuscht werden. Ebenfalls dort zu sehen waren die von Duchamp und Enrico Donati gestalteten Schaumstoffbrüste, welche als Cover der berühmten Luxusausgabe des Katalogs jedoch noch stärkere Irritation zu entfachen vermochten. In weiterer Folge gelangte man über eine Treppe in die Ausstellungsräume im ersten Stock. Die Stirnseiten der Stufen waren wie Buchrücken gestaltet und in Trompe-l’œil-Technik bemalt. Rote, in Leder geschlagene Buchrücken trugen in goldenen Lettern geprägte Titel der für die Surrealisten relevanten Weltliteratur. So wurde der Ausstellungsparcours als Einstieg in die surrealistische Erfahrungswelt über den Olymp literarischer Vorbilder begangen. Ein Miniaturleuchtturm streute Lichtsignale, auf dem oberen Treppenabsatz war Fruit de la Lune, eine kometenhafte Skulptur von Hans Arp, gelandet; zwischen anderen Highlights war hier auch eine jener riesigen, farbenprächtigen Leinwände von Arshile Gorky zu sehen. Der Weg durch die Ausstellung war wie ein zeremonieller Pfad angelegt, eine „parade spirituelle“; er sollte die Etappen eines Initiationsritus – Begegnung, Reinigung, Läuterung – nachzeichnen. Zur Überwindung des Aberglaubens wurde man zuerst durch die Salle de Superstition geführt. Kiesler entwarf mithilfe ausgespannter, dunkel türkisfarbener Tuchbahnen eine sphärische Höhle, einen in sich geschlossenen Kosmos. Duchamps grüner Neonbalken des Rayon Vert tauchte den dunklen Raum in magisches Licht. Die Werke waren am Boden und/oder über Kopf installiert, wie Sternbilder am Firmament asymmetrisch im Raum verteilt. Breton’s New York exile at the beginning of the 1940s. An important circle of artists grew up around the three charismatic figures, including a number of members of the Surrealist group, whose figurehead and self-proclaimed leader Breton continued to be1. Returned from exile, and almost ten years after the spectacular Surrealism exhibition of 1938, Breton’s great ambition in 1947 was to surpass that event. This happened at a strategically important juncture with the aim of stemming the dissolution of this widely scattered and divided group. His prolonged absence from Paris resulted in a renewed struggle for leadership among the Parisian intelligentsia and artists’ scene. Breton the strategist opted for a high-publicity exhibition as a means of revitalising the ailing movement. Aimé Maeght invited him to use his newly founded gallery in Paris for this purpose, and despite the relative confines of the premises and the difficult conditions of the post-war period, the outcome in a very short time was an extremely comprehensive, international project featuring many big names. More than one hundred and ten artists and writers from twenty-five nations took part with thirty-eight catalogue texts and more than two hundred exhibits – including thirty installations planned specially for the venue. Even if the curatorial strategies in the Surrealist exhibitions organised by Breton and Duchamp had always aspired to the highest standards, their concept of 1947 took yet another leap forward with regard to content and formal aesthetics. Along with the first completely integrated architectural design, there was also a motto ahead of the show. The main theme was the “New Myth”, a regenerative force invoking the spiritual reorientation of Surrealism after World War II. While Breton’s postulate seemed linguistically and theoretically contrived, it nevertheless proved his seismographic sense – with the esotericism gaining social relevance in ensuing decades. Breton put his signature under the detailed letter of invitation, Duchamp was mentioned by name at the entrances to the three themed exhibition rooms, and the concept was probably devised jointly in New York. After submitting the concept, Frederick Kiesler was invited and commissioned with designing the rooms and with the complete development of the Salle de Superstition. The exhibition kicked off with a road-side display case. It was unanimously decided to exhibit Conglomeros by Victor Brauner – a creature whose three naked bodies merge into a single head. They deliberately opted for the artwork with the greatest shock potential so as to achieve maximum attention. Duchamp und Kiesler, die sich während der Entwicklungsphase in New York aufhielten, luden Künstler aus ihrem Umkreis ein, Bildnisse des Unheils und die damit verbundenen gängigen Arten des Aberglaubens darzustellen. Es beteiligten sich Max Ernst mit Le Lac, Source d’Angoisse und Euclide, David Hare mit L’homme-angoisse, Joan Miró mit La Cascade architecturale, Roberto Matta mit Le Whist, Enrico Donati mit Le Mauvais Œil, Yves Tanguy mit L’Échelle qui annonce la mort wie auch Kiesler selbst, der erstmals mit skulpturalen Arbeiten, der Figue anti-tabou und Le Totem des religions, in Erscheinung trat. Im kollektiven Prozess entstand ein Gesamtkunstwerk, eine gemeinschaftliche, sich wechselseitig bedingende Einheit von Kunst und Architektur. Es war ein Raum im Raum, ein endloses Raumkontinuum. Kiesler nennt ihn in seinem Correalistischen Manifest von 1949 „Realité Plastique“ – eine Synthese von Mensch, Kunstwerk und Raum. Ziel war es, die Kunst in den unmittelbaren Umraum des Menschen zu setzen. Diese energetische Form schafft, ähnlich einem magnetischen Feld, einen Nukleus von kontinuierlicher Spannung, in dem alle Teile miteinander in Verbindung stehen. Kiesler lag daran, die Trennung zwischen den Genres aufzulösen, um eine Metamorphose der Elemente Malerei, Skulptur und Architektur zu schaffen, damit „ein Bild zu Architektur, eine Skulptur zu einem Bild und die Architektur zu Farbe wird“2. Jahre später kommentierte Duchamp seinen Beitrag in der Salle de Pluie, dem nächsten Raum im Parcours der Ausstellung, in gewohnt zurückhaltender Weise, er habe lediglich darum gebeten, es darin regnen zu lassen3. Das Durchschreiten der Regenvorhänge diente nicht nur symbolisch der Reinigung und gleichzeitigen Befreiung von einer tradierten Rezeption von Kunst. Diese physische Benetzung – aus Wasserleitungen unter der Decke regnete es auf einen Plankenboden herab – war nicht nur ein Akt der Provokation, sondern laut Presse zudem auch eine willkommene körperliche Erfrischung bei den hochsommerlichen Temperaturen. Der Regen ergoss sich ebenso auf die raumgreifende bronzene Skulpturengruppe von Maria Martins – eine pikante Geste, wenn man weiß man, dass es sich um einen privaten Gruß Duchamps an die Künstlerin handelte. Ein Billardtisch lud zur Partizipation ein – das Publikum wurde indirekt aufgefordert „mitzuspielen“. Diese Eingriffe in den Ausstellungsraum realisierte Duchamp trotz seiner jahrelang anhaltenden Verweigerung künstlerischen Tuns.4 Im nächsten Raum erreichte der Initiationsritus seinen Höhepunkt. War der Aberglaube überwunden und der Körper/Geist gereinigt, gelangte der Besucher in einen Altarraum (Le Dédale). Hier konnte man nun unvoreingenommen den magischen „Dingen“ aus dem schier unerschöpflichen poetischen Reservoir der Surrealisten begegnen. 13 Altäre waren in dieser nach heidnischem Vorbild geschaffenen Kultstätte Phänomenen gewidmet, die unter Verdacht standen, Provocation was an integral element in the Surrealists’ strategies – and they did not want to disappoint the public. Also on show were the foam rubber breasts designed by Duchamp and Enrico Donati, the source of even greater vexation, however, on the cover of the famous luxury edition of the catalogue. Up a flight of stairs, the show continued in the exhibition rooms on the first floor. The face edges of the steps were designed in the form of book spines, painted in the trompe l’œil technique. Red leather book spines bore the titles of international literature relevant to the Surrealists in gold-embossed letters. The tour of the exhibition served as an introduction to the Surrealists’ world of experience through the Olympus of their literary models. A miniature lighthouse emitted light signals, while Fruit de la Lune, a cometlike sculpture by Hans Arp, had alighted on the top half-landing; also on show here, amidst other highlights, was one of those giant, colourful canvases by Arshile Gorky. The path through the exhibition was laid out in the manner of a ceremonial path, a “parade spirituelle”, and was intended to trace the stages of an initiation rite – meeting, cleansing and purification. First the visitor was guided through the Salle de Superstition in order to overcome superstition. Kiesler designed with the aid of lengths of dark-turquoise cloth, a spherical cave, a self-contained universe. Duchamp’s green neon bar, the Rayon Vert, bathed the room in magical light. The works were installed on the floor and/ or overhead, spread out asymmetrically like celestial constellations. Duchamp and Kiesler, who were staying in New York during the development phase, invited artist acquaintances to create images of doom and the common types of superstition related with this. Contributors were Max Ernst with Le Lac, Source d’Angoisse and Euclide, David Hare with L’homme-angoisse, Joan Miró with La Cascade architecturale, Roberto Matta with Le Whist, Enrico Donati with Le Mauvais Œil, Yves Tanguy with L’Échelle qui annonce la mort, and Kiesler himself, putting in his first appearance with sculptural works, Figue anti-tabou and Le Totem des religions. The outcome of this collective process was a total work of art, a joint, mutually contingent fusion of art and architecture. It was a space within a space, an endless space continuum. In his Manifeste du Corréalisme of 1949, Kiesler referred to it as “Realité Plastique” – synthesis of the human being, the artwork and space. The aim was to place art in people’s immediate environment. Not unlike a magnetic field, this energy-charged form Friedrich Kiesler, Entwurf zur Salle de Superstition/Draft of the Salle de Superstition, Manifeste du Corréalisme, in: L‘Architecture Aujourd‘hui, 1949. creates a nucleus of continuous tension in which all parts are connected. Kiesler sought to overcome the distinction between the genres so as to create a metamorphosis of the elements paintings, sculpture and architecture such that “a picture becomes architecture, a sculpture becomes a picture, and architecture becomes colour”2. Years later, Duchamp remarked with his usual reticence on his installation in the Salle de Pluie, the next room in the exhibition, that he “just asked to have it rain”3. Stepping through the curtains of rain not only served as a symbolic cleansing and as a liberation from a traditional reception of art. This physical wetting – with the rain falling onto a plank flooring from water pipes below the ceiling – was not simply an act of provocation but, according to the press, also a welcome physical refreshment in hot summer temperatures. The rain also poured down on the space-embracing bronze sculpture by Maria Martins – a piquant gesture when you know that this was a private greeting from Duchamp to the artist. A billiard-table invited people to take part, indirectly prompting the public to “join in the game”. Duchamp carried out these interventions in the exhibition space despite having refused to engage in any kind of artistic activity for many years.4 mit mythischem Leben erfüllt zu sein. Auf diesem „Prozessionsweg“ begegnete man den „Großen Transparenten“ (Les Grands Transparents, Jacques Hérold), auch wurde dem Diener der Schwerkraft aus Duchamps „Großem Glas“ gehuldigt (Le Soigneur de Gravité, Ehepaar Matta). Berühmten Romanfiguren wie Jeanne Sabrenas (Jindřich Heisler) oder Léonie Aubois d’Ashby (André Breton) wurden ebenso Altäre gewidmet wie dem Literaten Raymond Roussel (Matta). Zudem wurde mit La Chevelure de Falmer (Wifredo Lam) und Le Tigre mondain (Frédéric Delanglade) an literarische Sternstunden erinnert. Seltenen, der Zivilisation entfremdeten Tieren, wie zum Beispiel dem Sekretär-Vogel, L’Oiseau Sécretaire (Victor Brauner), einer Wüstenechse, L‘Héloderme suspect (Jaroslav Serpan) oder dem Sternnasenmaulwurf, La Taupe étoilée (Ehepaar Seigle), waren Opferstätten eingerichtet, ebenso den Fantasieobjekten Le Louptable (Victor Brauner) und La Fenêtre de Magna Sed Apta (Toyen). Die letzte Station L’Athanor, „der Schmelztiegel“, war das Werk des Alchimisten Maurice Baskine und galt der kontinuierlichen Suche nach dem Stein der Weisen bzw. der Rezeptur, die gewöhnlichen Stein in Gold verwandelt. Opfergaben, Devotionalien und Reliquien waren beigegeben, zahlreiche Künstler trugen zu der eklektischen Vielfalt dieses Raumes bei. Präsentiert wurden diese Altäre als dreidimensionale Schaukästen, eingelassen in rechteckige Säulen. Diese Stationen waren wiederum durch Wände verbunden und formierten Friedrich Kiesler Réalité plastique Skizze/sketch Paris 1947 sich zu einem Irrgarten. Durch diesen zog sich der mythologische „Faden der Ariadne“ – ein von Kiesler gemaltes, kontinuierliches Band. Die Desorientierung im Labyrinth5 wie auch der Initiationsritus sind wohl als Symbole für die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg (für die Entwurzelung und Invasion fremder Kräfte) zu verstehen, die auf das Erkennen und Erleben mythischer Kraft ausgerichtet war. Die „Reinwaschung“ aktivierte die multisensorische Stimulation des Besuchers als eine nicht nur rein retinale, sondern ebenso physische und damit auch psychische Wahrnehmung. Die „Bibliothek“, der letzte Raum der Ausstellung, beinhaltete Tisch- und Schrankvitrinen mit Büchern, Manuskripten, Photographien und Memorabilia zu Themen des Surrealismus, wie zum Beispiel Bretons Anthologie de l’humour noir (1940). Diese referentielle Schatzkammer bot einen weiteren Fundus surrealistischen Gedankenguts und fungierte somit als ein Vorläufer der „Reading Rooms“ – für Ausstellungen eingerichtete, mit Sekundärliteratur bestückte Leseecken. Diesem Format ähnlich funktioniert der Katalog als „Reader“ mit 38 unterschiedlichen Beiträgen von Künstlern und Literaten zu surrealistischen Forschungsgebieten und Themen der Zeit – ein Konglomerat aus Lyrik und Prosa, Manifest, kollektiver Deklaration und vielem mehr. Damit ist diese Publikation weniger ein Dokumentationswerkzeug oder eine bloße Zusammenstellung kunsttheoretischer Texte, als vielmehr eine offene literarische Plattform, die als Erweiterung zum The initiation rite reached its climax in the next room. With superstition overcome and the body/mind cleansed, the visitor entered an altar room (Le Dédale), where he or she could now impartially view the magical “things” from the seemingly inexhaustible poetic reservoir of the Surrealists. In this cultic site styled on heathen precursors, thirteen altars were devoted to phenomena suspected of being imbued with mythical life. Featuring along this “procession path” were the “Great Transparents” (Les Grands Transparents , Jacques Hérold), and an homage to the Juggler of Gravity in Duchamp’s “Large Glass” (Le Soigneur de Gravité, the Mattas). Altars were dedicated to famous novel characters such as Jeanne Sabrenas (Jindřich Heisler) or Léonie Aubois d’Ashby (André Breton) as well as to the novelist Raymond Roussel (Matta). Great moments in literature were also commemorated with La Chevelure de Falmer (Wifredo Lam) and Le Tigre mondain (Frédéric Delanglade). Altars were erected to rare animals which shun civilisation, for instance the Secretary Bird, L’Oiseau Sécretaire (Victor Brauner), a desert lizard, L‘Héloderme suspect (Jaroslav Serpan) or the star-nosed mole, La Taupe étoilée (the Seigles), as well as to fantasy objects Le Louptable (Victor Brauner) and La Fenêtre de Magna Sed Apta (Toyen). The last stage, Ausstellungsraum gedacht war. Explizit zu nennen ist Georges Batailles wichtiger Text „L’Absence du mythe“, in dem dieser die Abwesenheit eines Mythos als einen legitimen Mythos deklariert. Seine Unsterblichkeit erreichte das Buch jedoch dank der legendären auf dem Cover präsentierten, schon erwähnten Schaumstoffbrust. Auch wenn die Zahl von 40.000 Besuchern – bzw. 150.000 (sic) laut Angaben des Galeristen – bezweifelt werden darf, ist der enorme Andrang, den die Ausstellung verzeichnen konnte, beeindruckend und Beleg für den „Hunger nach Kunst“ im kulturellen Vakuum der Nachkriegszeit. Die Ausstellung wurde in der Presse mit über 30 ausführlichen internationalen Artikeln stark rezipiert. In der damals üblichen Manier wurde das Resultat heftig kritisiert, und gleichzeitig scheint die Unternehmung doch wenig ernst genommen worden zu sein. Die Resonanz, die der ungeheure Aufwand der internationalen Zusammenkunft vieler großartiger Künstler verdient hätte, stellte sich nicht ein: Duchamps Biograf Calvin Tomkins nannte die Ausstellung „das letzte Hurra der Bewegung“6. Wenn sich die Ausstellung in der Geschichtsschreibung auch nicht wie jene von 1938 behauptete, sind aus kuratorischer Sicht jedoch weitaus komplexere Strategien erkennbar. Bahnbrechend für die damalige Praxis ist es, dass eine Kunstausstellung – abseits der politisch aufgeladenen Weltausstellungen – derart André Breton und/and Roberto Matta beim Ausstellungsaufbau/at the installaton of the exhibition bewusst als strategisches Instrument von einem Kurator eingesetzt wird. Das Thema nicht nur für eine Ausstellung, sondern damit auch allgemein eine gesellschaftliche Direktive vorzugeben, zeugt von einem neuen, progressiven Anspruch, der die Bedeutung der Kunstpräsentation an sich steigert. Ein Ereignis von einer derartigen Dimension zu kreieren, findet selbst heute nur in den groß angelegten und über Jahre geplanten Biennalen eine Entsprechung. Ein internationales Netzwerk zu generieren, das sich seiner Ausrichtung über kriegsbedingte Grenzen hinwegsetzt, Alt und Jung, Profis wie auch Laien vereint und darüber hinaus von hoher Interdisziplinarität wie auch kooperativem Arbeiten unterstützt wird – folgt jenem methodischen Ansatz, mit dem Breton schon erfolgreich das internationale System der surrealistischen Gruppe in die Kunstwelt implementierte. Die Ausstellung als narrativen Weg anzulegen und gleichzeitig als BetrachterInitiation zu konzipieren, war ein besonderer Kunstgriff. Duchamp setzte mit seinen Untersuchungen der Wahrnehmung und der Beschäftigung mit dem Rezipienten Meilensteine in der Kunsttheorie. Durch seinen „Regen“ 1947 erfährt die Interaktion mit dem Besucher einen Höhepunkt. Mit seiner geplanten, aber nicht realisierten Küche hätte er die sensuelle Erfahrung zumindest noch um den Geschmackssinn erweitert. Kiesler weiß die Ausstellung als Instrument zur Entwicklung einer programmatischen Architektur zu nutzen. Ihm gelingt eine kohärente Gestaltung einer Ausstellung L’Athanor, “the melting-pot”, was the work of alchemist Maurice Baskine and was dedicated to the ongoing search for the Philosopher’s Stone and the recipe to turn common stone into gold. Sacrificial offerings, devotional objects and relics were added, with numerous artists contributing to the eclectic diversity of this room. These altars were presented as three-dimensional display cases embedded in rectangular columns. These units, in turn, were connected by walls so as to form a maze, with the mythological “Ariadne’s thread” – an endless strip painted by Kiesler – running alongside the walls. Both the lack of orientation in the maze5 and the initiation rite can be seen as symbols of the situation after World War II (of uprooting and invasion by foreign forces) designed to recognise and experience mythical power. The “cleansing” activated the multi-sensory stimulation of the visitor as not just retinal, but equally physical and thus emotional perception. The “Library”, the final room in the exhibition, contained tabletop and cabinet display cases with books, manuscripts, photographs and memorabilia on Surrealist topics, for example Breton’s Anthologie de l’humour noir (1940). This treasure-chamber of reference works provided another trove of Surrealist thought, thus serving as a precursor of “reading rooms” – special areas set aside at exhibitions for secondary literature. Similar to this format, the catalogue served as a “reader”, with thirty-eight different essays by artists and writers on areas of Surrealist research and topics of the day – a conglomerate of poetry and prose, manifesto, collective declaration, and much more. As such, this publication was not so much a tool for documentation or a mere collection of art historical texts as an open literary platform conceived as an extension of the exhibition space. Explicit mention should be made of Georges Bataille’s vanguard treatise “L’Absence du mythe”, in which he declares the absence of myth to be a legitimate myth. However, the book was immortalised by the aforementioned legendary foam rubber breast displayed on the cover. Even if the number of visitors, 40,000 – or 150,000 (sic!) according to the gallery owner – is doubtful, the tremendous popularity of the exhibition is nevertheless impressive and proof of the “hunger for art” in the cultural vacuum of the post-war period. Press coverage was excellent, with more than thirty international feature articles. In the manner customary of the time, the result was severely criticised, but the undertaking also seems not to have been taken particularly seriously. The response worthy of the tremendous effort made by Künstler der/Artists of the Exposition Internationale du Surréalisme: (vordere Reihe von links nach rechts/front row from left to right) Frédéric Delanglade, Roberto Matta, Friedrich Kiesler, Jindřich Heisler, Jacques Hérold, Aime Maeght, Henri Goetz, Jaroslav Serpan (mittlere Reihe von links nach rechts/middle row from left to right) Maurice Baskine, Pierre Demarne, Maurice Henry, Jerzy Kujawski, Claude Tarnaud, Francis Bouvet, Victor Brauner, Sarane Alexandrian, Toyen, No Seigle, Nora Mitrani, Hans Bellmer, André Breton, [unbekannt/unknown], Henri Pastoureau, Bernard Gheerbrant (hinterste Reihe von links nach rechts/back row from left to right) Antonio Dacosta, Marcel Jean, Jacques Kober, Stanislav Rodanski, Gaston Criel this international gathering of many great artists did not materialise: Duchamp’s biographer Calvin Tomkins called the exhibition “the movement’s last hurrah”6. Even if the exhibition did no go down in history in the same way as that of 1938, it does reveal far more complex strategies in terms of curating. Pioneering for curatorial practice at that time is the fact that a curator used an art exhibition – beyond the politically charged world fairs – so consciously as a strategic instrument. Not only defining the theme for an exhibition, but thereby also issuing a general social directive, testifies to a new, progressive ambition that augments the significance of presenting art per se. Even today, the large-scale biennials planned for several years are the only equivalent to creating an event of such dimensions. Generating an international network whose organisation transcended war-induced boundaries, uniting old and young, professionals and amateurs alike, and that was backed up by a high degree of interdisciplinarity and co-operative works, follows that methodical approach with which Breton had already successfully implemented the international system of the Surrealist group in the art world. Creating the exhibition as a narrative path and conceiving it as an initiation of the viewer was a particularly ingenious idea. Duchamp created milestones mit eigens konzipierten Räumen und Werken als Symbiose zwischen Form und Inhalt. Duchamp und Kiesler ermutigen zur Kooperation, mit der Salle de Superstition entsteht symbiotisch zwischen Architekt und Künstlern ein Gesamtkunstwerk im Ausstellungsraum – ein kollektiv gestaltetes „Environment“, Jahre bevor dieser Begriff überhaupt geboren war. Die drei Protagonisten arbeiteten an der Modifikation des Ausstellungsformats und einer kontinuierlichen Erweiterung des Kunstbegriffs. Ihre Beiträge für 1947 entstanden nach jahrelangen intensiven Auseinandersetzungen mit der Wahrnehmung, mit dem Ausstellungsraum, mit den Themen des Displays und der (Re-)Präsentation von Kunst. Gemeinsam haben sie die Bedingungen des Ausstellens (Exhibition Politics) neu definiert – die Ausstellung von 1947 markiert einen Wendepunkt in der Ausstellungsgeschichte, und das reformatorische Potential der Protagonisten gilt der zeitgenössischen kuratorischen Praxis noch heute als Vorbild. in the theory of art with his exploration of perception and his study of the recipient. His “rain” of 1947 was a climax in visitor interaction. His kitchen, planned but never built, would have added the sense of taste at least to the sensory experience. Kiesler knew how to use the exhibition as an instrument for developing a programmatic architecture. He succeeded in achieving a coherent exhibition design with specially conceived rooms and works as a symbiosis of form and content. Duchamp and Kiesler encouraged co-operation, with the Salle de Superstition constituting a total work of art in the exhibition space, created symbiotically by the architect and artists – a collectively designed “environment”, years before this concept was even coined. The three protagonists worked on modifying the exhibition format and continuously extending the concept of art. Their contributions for 1947 were made after studying perception, the exhibition space, the subjects of display and (re)presenting art in great depth for many years. Together they redefined the conditions of exhibition politics – the show of 1947 marked a paradigm shift in exhibition history, and the reformatory potential of the protagonists continues to be an exemplar for modern curatorial practice. Anmerkungen 1 Duchamp und Kiesler gehörten den Surrealisten nie offiziell an. 2 Friedrich Kiesler, „Manifeste du Corréalisme“, in L’Architecture d’Aujourd’hui, No. 2, Juni 1949. S. 80-105. 3 Pierre Cabanne, Marcel Duchamp: Entretiens avec Pierre Cabanne, Somogy, Paris 1995, S. 107 f. 4 Arthuro Schwarz’ Catalogue Raisonné zu Marcel Duchamp listet den Regen in der Salle de Pluie nicht als eigenständiges Werk. 5 Vgl. die Anmerkungen zu Georges Batailles Labyrinth von 1936 in T.J. Demos „Duchamps Labyrinth“ in October 97, MIT 2001. 6 Calvin Tomkins, Duchamp – A Biography, Henry Holt & Co., New York 1996, S. 361. Notes 1 Duchamp and Kiesler never officially belonged to the Surrealists. 2 Frederick Kiesler, “Manifeste du Corréalisme”, in: L’Architecture d’Aujourd’hui, No. 2, June 1949. P. 80–105. 3 Pierre Cabanne, Marcel Duchamp: Entretiens avec Pierre Cabanne, Somogy, Paris 1995, p. 107 f. 4 Arthuro Schwarz’s catalogue raisonné of Marcel Duchamp does not list the rain in the Salle de Pluie as a distinct work. 5 Cf. the notes on Georges Bataille’s Labyrinth from 1936 in T.J. Demos’s “Duchamps Labyrinth” in October 97, MIT 2001. 6 Calvin Tomkins, Duchamp – A Biography, Henry Holt & Co., New York 1996, p. 361. Die Treppe im Eingangsbereich der Galerie Maeght zierten Buchrücken mit Titeln von literarischen Vorbildern der Surrealisten. The stairs in the entrance area of Gallery Maeght were ornamented with books spines showing titles of literary role models of the Surrealists. (J.M.). In der oberen Etage stand Hans Arps Skulptur Fruit de la lune (1936) vor Victor Brauners Gemälde Le Chant des Libertés. Durch das Treppengeländer erkennt man den Leuchtturm, der mit rotierenden Lichtsignalen den Aufgang erhellte. On the upper floor was Hans Arp’s sculpture Fruit de la lune (1936) in front of Victor Brauner’s painting Le Chant des Libertés. Through the stairrail one can see the lighthouse that illuminated the stairs with rotating light signals. (Rechts oben/right above, J.M.) Vor dem Fenster Arshile Gorkys Le Foie est la tête du coq (1944), rechts davor ein mobiles Objekt von Alexander Calder. In front of the window Arshile Gorky’s Le Foie est la tête du coq (1944), on the right side a mobile object by Alexander Calder. (Rechts unten/right below, J.M.) Eingang zur Salle de Superstition mit Kieslers Figue Anti-Tabou, einer überdimensionalen Faust aus Gips, deren Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger steckt – eine traditionelle apotropäische Geste. Über dem Türstock hing L’Oiseau de mauvais augure von Julio de Diego, ein Werk aus gebogenem Wurzelholz in Gestalt eines Vogels, der als Vorbote des Unglücks fungierte. Entrance to the Salle de Superstition with Frederick Kiesler’s Figue Anti-Tabou, an oversized fist made from plaster with the thumb stuck between index and middle finger - a traditional apotropaic gesture. Above the doorframe hung Julio de Diego’s L’Oiseau de mauvais augure, a work made of curved root wood indicating the shape of a bird functioning as a harbinger of misfortune and bad news. (J.M.) Friedrich Kieslers Le Totem des religions vereinte Symbole diverser Weltreligionen und brachte damit seine Intention zum Ausdruck, sämtliche Glaubensrichtungen zu vereinen. Le Mauvais Œil von Donati (links) war erhöht im Zentrum der Salle de Superstition installiert. Ernsts Gemälde Euclide (rechts) war hinter einer textilen Wand befestigt und nur durch ein „Guckloch“ zu sehen. Frederick Kiesler’s Le Totem des religions combined symbols of different world religions and expressed his intention to unite all beliefs. Donati’s Le Mauvais Œil (left) was installed at an elevated point in the center of the Salle de Superstition. Ernst‘s painting Euclide (right) was installed behind a textile wall and could only be seen through a peephole. (J.M.) Blick in die Salle de Superstition mit Max Ernsts Euclide (1945) im Hintergrund. Kiesler konzipierte den Raum als sphärische Höhle, die sowohl schützend als auch mystisch wirken sollte. Der kubische Saal wurde mithilfe dunkeltürkiser Tuchbahnen in ein endlos fließendes Raumkontinuum ohne Ecken und Kanten verwandelt. View into the Salle the Superstition with Max Ernst’s Euclide (1945) in the background. Kiesler designed the room as spheric cave that should have the effect of security as well as mysticism. The cubic hall was transformed with dark turquoise cloth into an endlessly flowing space continuum without corners and edges. (J.M.) La Cascade architecturale zog sich als breites, gelbes Band in einer schwungvollen Welle von der Decke bis zum Boden. Darauf war ein bunt bemaltes Fries von Joan Miró befestigt, dessen Motive die Präsenz des Aberglaubens versinnbildlichten; davor David Hares Skelett-Skulptur L‘homme-angoisse, rechts daneben Yves Tanguys L‘Échelle qui annonce la mort; im Hintergrund Le Whist von Roberto Matta. La Cascade architecturale, a broad yellow belt, stretched from the ceiling to the floor like an undulating wave. Attached to it was a colourful frieze by Joan Miró symbolising the presence of superstition; in front of it David Hare‘s skeleton sculpture L‘homme-angoisse, on the right side Yves Tanguy‘s L‘Échelle qui annonce la mort; in the background Le Whist by Roberto Matta. (Rechts oben und unten/right above and below, J.M.) Einblick in die Salle de Pluie mit dem Regenvorhang von Marcel Duchamp, im Raumzentrum Maria Martins‘ Le chemin, l‘ombre, trop longs, trop étroits. Die Bronzeskulptur stellte die Verkörperung des weiblichen Prinzips in Gestalt von Amazonen und ihrer Schlangengöttin dar. Duchamp ließ es direkt auf die Skulpturengruppe regnen, das Wasser versickerte in einem mit Erde gefüllten Trog, in dem Gras wachsen sollte – ein Sinnbild der Erneuerung. Die körperliche Sensation des Regens sollte die Besucher endgültig aus ihrem Dämmerzustand erwecken und zur Aktivierung ihres Sensoriums führen. Insight into the Salle de Pluie with Marcel Duchamp‘s rain curtain, in the center of the room Maria Martins‘ Le chemin, l‘ombre, trop longs, trop étroits. The bronze sculpture embodied the female principle in the shape of amazons and their serpent goddess. Duchamp let it rain directly on the sculpture group, the water drained away in the sculpture‘s base, a tub filled with earth that was supposed to let grass grow - a symbol for renewal. The physical sensation of the rain should finally wake up the visitors from their semi-consciousness and lead to an activation of their senses. (J.M.) Der Altar von Victor Brauner L‘Oiseau Secrétaire ou Serpentaire war dem mystischen „Sekretär-Vogel“ gewidmet. Dem „Zoo“ der Surrealisten huldigten mit der Gila-Krustenechse und dem Sternnasenmaulwurf auch zwei weitere Altäre. Unter der Skulptur hing das eigens für die Ausstellung angefertigte Gemälde Les Amoureux, Messagers du Nombre, welches André Breton und Max Ernst zugedacht war. Die Künstlerkollegen wurden anhand zweier Tarotkarten, „Magier“ und „Päpstin“, symbolisch portraitiert. Die Opfergabe wurde von Jacques Hérold beigesteuert: eine Madonna mit Kind, von einer Schlange umschlungen (Les vases communicants). The altar L‘Oiseau Secrétaire ou Serpentaire by Victor Brauner was dedicated to the mystic „secretary bird“. Two other altars also paid homage to special specimen of the surrealist “zoo”: the gila monster and the star-nosed mole. Below the sculpture was the painting Les Amoureux, Messagers du Nombre, which was made especially for this exhibition, paying respect to André Breton and Max Ernst. The fellow artists were portrayed symbolically with two tarot cards, the “Magician” and the “High Priestess”. Jacques Hérold contributed the sacrificial offering: a madonna with child, entwined by a snake (Les vases communicants, J.M.) Jindřich Heislers Altar war Jeanne Sabrenas gewidmet, der Protagonistin in Alfred Jarrys Roman La Dragonne. Er bestand aus drei übereinander montierten Flaschen, auf denen ein Medaillon mit dem Gesicht Sabrenas‘ angebracht war, deren durchdringende Augen die Betrachter fixierten. Das Frauenbildnis drehte sich wie eine Wetterfahne und wurde zur allgemeinen Begeisterung von weißen Mäusen in einem Laufrad angetrieben. An der Wand verlief Kieslers Fil d’Ariane (Ariadnefaden) - ein krokusgelbes gemaltes Band, das eine Verbindung zwischen den Altären herstellte und sich kunstvoll um Gemälde und Opfergaben rankte (links zB das aufgehängte Schwert Sculpture physique). Jindřich Heisler‘s altar was dedicated to Jeanne Sabrenas, protagonist of Alfred Jarry‘s novel La Dragonne. It consisted of three bottles mounted one above the other carrying a medallion with the face of Sabrenas, whose piercing look fixated the viewers. The female portrait rotated like a weather vane powered by white mice in a running wheel. Kiesler painted the Fil d’Ariane (Ariadne’s thread) on the wall, a yellow coloured ribbon that connected the altars and entwined artistically paintings and sacrificial offerings (for example, the sword Sculpture physique on the left side, J.M.) Der von Toyen gestaltete Altar La Fenêtre de Magna Sed Apta basierte auf Georges du Mauriers Roman Peter Ibbetson (1891), der von einem Fenster als Projektionsfläche menschlicher Phantasien handelt. Aus zwei Fensterflügeln ragten eine Frauen- und eine Männerhand, die einander durchdrangen. Unterhalb befand sich eine Opfergabe von Jindřich Heisler: ein aufgeklapptes Buch, in dem zeilenartig diverse Steine und Perlen angeordnet waren. Rechts der Blick zurück in den Parcours mit seiner labyrinthischen Raumstruktur; im Hintergrund Victor Brauners Altar Le Louptable. The altar La Fenêtre de Magna Sed Apta by Toyen was based on Georges du Maurier’s novel Peter Ibbetson (1891) that dealt with a window as a projection screen for human phantasies. Two joining hands – one female and one male - that pervade each other stuck out of two casements. Below the altar was Jindřich Heisler’s sacrificial offering: an open book with various stones and pearls arranged in lines. On the right side is the view back into the parcours with its labyrinthine spatial structure; in the background Victor Brauner’s altar Le Louptable. (J.M.) Im letzten Raum der Ausstellung, der „Bibliothek“ (La Librairie), befand sich eine Schrankvitrine. Diese war mit Literatur und Photographien bestückt, unter anderem André Bretons Anthologie de l’humour noir (Anthologie des Schwarzen Humors). Mit diesen Objekten, die vermutlich nach Belieben entnommen und studiert werden konnten, illustrierten die Ausstellungsmacher den geistigen Nährboden des Surrealismus. Zudem wurde damit der Bogen zum Anfang der Ausstellung, zur Eingangstreppe mit ihren literarischen Hinweisen, gespannt. In the last room of the exhibition, the “library” (La Librairie), there was a wall cabinet. It assembled literature and photographs, among them also André Bretons Anthologie de l’humour noir (Anthology of Black Humor). By means of these objects which presumably could be taken from the cabinet and studied, the exhibition organizers illustrated the intellectual breeding ground of Surrealism, thereby creating a bridge to the beginning of the exhibition, the staircase with its literary notes. (J.M.) Das Katalogbuch Le Surréalisme en 1947 anlässlich der Ausstellung in der Galerie Maeght wurde von Enrico Donati und Marcel Duchamp gestaltet. Es wurden zwei Versionen des Katalogs gedruckt. Die Luxusausgabe mit einer Auflage von 999 Exemplaren war mit einem zusätzlichen Umschlag versehen: Die Vorderseite ziert eine handbemalte Schaumstoffbrust, die auf schwarzem Samt montiert ist; auf der Rückseite klebt eine Etikette mit der subversiven Aufforderung „Prière de Toucher“ („Bitte berühren“). Rémy Duval griff diese Idee auf und lieferte zwei Aufnahmen einer Frauenbrust als Sujets für den Katalogeinband. Die hier abgebildete Brust in Dreiviertelansicht wurde für die Luxusausgabe verwendet. The catalogue Le Surréalisme en 1947 published on the occasion of the exhibition at the Gallery Maeght was designed by Enrico Donati and Marcel Duchamp. Two versions of the catalogue were published. The luxury edition with a print run of 999 copies is wrapped in an additional cover decorated with a hand-painted foam rubber breast on the front; on the back is a label with the subversive invitation “Prière de toucher” (“Please touch”). Rémy Duval took up this idea and shot two photographs of a female breast to be used for the catalogue cover. The three-quarter view of the breast shown above was used for the luxury edition. (G.Z.) Abbildungsnachweis/Photocredits Abb./Fig. Seite/page 14: André Breton und/and Roberto Matta, Photo: Denise Bellon © Les Films de l’équinoxe–Fonds photographique Denise Bellon Abb./Fig. Seite/page 16: Künstler der/Artists of the Exposition Internationale du Surréalisme, Photo: Denise Bellon/© Les Films de l’équinoxe–Fonds photographique Denise Bellon Abb./Fig. Seite/page 20-21: Treppe zur Ausstellung in der Galerie Maeght; Vorraum zur Ausstellung/Stairs to the exhibition in the Gallery Maeght; Entrance area, Photos: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 22-23: Eingang zur/entrance to the Salle de Superstition; Blick in die/view into the Salle de Superstition, Photos: Rémy Duval Abb./Fig. Seite/page 24-25: Friedrich Kiesler, Le Totem des religions; La Cascade architecturale, Photos: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 25: La Cascade architecturale, Photo: Rémy Duval Abb./Fig. Seite/page 26-27: Salle de Pluie, Photos: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 28: Roberto und/and Patricia Matta, Le Soigneur de Gravité, Photo: Denise Bellon/© Les Films de l’équinoxe–Fonds photographique Denise Bellon Abb./Fig. Seite/page 29: Victor Brauner, L‘Oiseau Secrétaire ou Serpentaire, Photo: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 30-31: Jindřich Heisler, Jeanne Sabrenas; Toyen, La Fenêtre de Magna Sed Apta, Photos: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 32: Schrankvitrine in der „Bibliothek“/wall cabinet in the “Library”, Photo: Willy Maywald/© VBK, Wien 2013 Abb./Fig. Seite/page 33: Katalogcover/catalogue cover, Le Surréalisme en 1947, Photo: Rémy Duval Abb./Fig. Seite/page 34-36: Ausstellungsansicht/exhibition view Breton Duchamp Kiesler. Surreal Space, Kiesler Stiftung Wien, 2013, Photos: cKg Bildnachweis falls nicht anders angegeben Unless otherwise indicated, all images are © Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien © Austrian Frederick and Lillian Kiesler Private Foundation, Vienna Dank an/Thanks to: Stefan Flunger und/and Team, Sophie Haaser, Julius Hummel, Gerhard Kristöfel, Helene Lassl, Eric LeRoy, Wolfgang Mattiasch, Astrid Sapotnik-Watts und/and Richard Watts Leihgaben/Loans: Sammlung Hummel, Wien Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung Austrian Frederick and Lillian Kiesler Private Foundation Stifter und Förderer Founders and Donors Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Kunstsektion/Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Kulturabteilung der Stadt Wien Oesterreichische Nationalbank UniCredit Bank Austria AG BAWAG PSK Gruppe Österreichische Lotterien Wittmann Möbelwerkstätten Wiener Städtische Versicherung AG Hannes Pflaum John Sailer Gertraud Bogner Dieter Bogner Vorstand Board of Directors Dieter Bogner Birgit Brodner Thomas Drozda Andrea Ecker Sylvia Eisenburger Michael P. 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