Besser, schneller, weiter?

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Besser, schneller, weiter?
Universität Potsdam // Fachhochschule Potsdam
Seminar: „Hauptsache Musik“
Dozent: Prof. Winfried Gerling
Sommersemester 2008
Besser, schneller, weiter?
Der Wandel der medialen Aufbereitung des Popkonzertes
im audiovisuellen Bereich
Mischa Simon Karth
Europäische Medienwissenschaft BA, 6. FS
Humboldtring 21/75, 14473 Potsdam
0331-2314696 // [email protected]
Abgabetermin: April 2010
Abstract
Das Popkonzert hat sich in Gestalt und (wirtschaftlicher) Bedeutung seit seinen
Anfängen in den 1950er Jahren stark gewandelt. Zugleich machten auch die
audiovisuellen Medien in dieser Zeit einen steten Wandel durch, der sich durch den
Anbruch des digitalen Zeitalters in den 1990er Jahren beschleunigt hat.
Popkonzert und seine mediale Repräsentation ließen sich indes nie auseinander denken,
beide bedingten und bedingen einander. Die vorliegende Arbeit skizziert die beiden
Prozesse und bringt sie in einem weiteren Schritt zusammen. Es entsteht eine knappe
Geschichte des Popkonzertes als audiovisuell vermitteltes Ereignis.
2
I. Einleitung...................................................................................................................04
II. Das Popkonzert als kulturelles Phänomen seit den 1950er Jahren.....................05
II.I. Das Popkonzert – eine Definition................................................................05
II.II. Das Popkonzert im Wandel.........................................................................07
III. Die Übertragung audiovisuellen Inhalts im technologischen Wandel
– vom Fernsehbeitrag zum Live-Stream.........................................................10
IV. Das Popkonzert als audiovisuell vermitteltes Ereignis.........................................13
IV.I. Von den Anfängen biszum Zeitalter von MTV...........................................13
IV.II. Die digitale Ära..........................................................................................17
V. Zusammenfassung und Ausblick.............................................................................21
VI. Abbildungen.............................................................................................................23
VII. Quellenverzeichnis.................................................................................................24
3
I. Einleitung
„Ein Konzert lässt sich nicht stehlen. Eine Band lässt sich nicht
herunterladen und dann auf dem Notebook umhertragen – ebenso wenig wie
die verschwitzten Fans in der ersten Reihe, wie der Merch-Verkäufer oder
der Sound-Techniker. Konzerte sind anders als Alben – nicht zu brennen,
nicht zu kopieren und nicht an Freunde zu verteilen. Wenn Sie und Ihre
Freunde das Konzerterlebnis miteinander teilen wollen, müssen Sie alle eine
Karte kaufen.“1
Dieses Zitat der Wirtschaftsjournalistin Jillian Cohan aus dem Jahr 2008 enthält
gleich mehrere interessante Gedanken: Zum einen fasst Cohan in sehr bildlicher
Sprache zusammen, was die Besonderheit eines Konzertbesuches ausmacht. In Zeiten,
in denen (Pop-)Musik dank digitaler Distribution immer leichter verfügbar wird und den
Hörer nahezu ununterbrochen begleitet, bildet das Konzert als einmaliges Ereignis einen
physischen Gegenpol. Es bringt zudem Menschen zusammen, was im Zuge einer sich
(musikalisch) diversifizierenden Gesellschaft die soziale Dimension unterstreicht.
Zwischen den Zeilen klingt auf der anderen Seite die wirtschaftliche Relevanz
des Popkonzertes mit. Für die Musikindustrie, deren Absatzverluste bei den physischen
Tonträgern durch digitale Downloads nur unzureichend kompensiert werden konnten,2
stellt das Konzert eine zunehmend wichtigere Einnahmequelle dar. Ethan Smith, Autor
des Wall Street Journals, untermauert diese Tendenz in einem Artikel aus dem Mai
2005:
„Last year, accoding to Pollstar, a trade magazine that follows the concert
business, the average ticket price for the 100 top-grossing tours hit a record
high of $52.39, more than double the average seat in 1996.“3
Die Nachfrage nach dem „echten“, dem „authentischen“ Konzerterlebnis, wie es
implizit angepriesen wird, ist also größer denn je. Selbst immer höhere Eintrittspreise
schrecken das Publikum (bislang) nicht ab.
Interessanterweise verliert die mediale Aufbereitung des Popkonzertes im
Gegenzug keineswegs an Bedeutung. Es wäre ja anzunehmen, dass das Bedürfnis nach
dem unmittelbaren Erlebnis zu einer gewissen Medienmüdigkeit führt. Doch weit
gefehlt: Während Wolfgang Hoffmann-Riem bereits 1985 formulierte, dass „schon
1 Cohan (2008), Übersetzung durch M.K.
2 So sank beispielsweise der Umsatz der deutschen Musikindustrie von 2,25 Mrd. € (1998) auf 1,8 Mrd.
€ (2009). Vgl. Schuler (2010)
3 Smith (2005)
4
gegenwärtig [...] Musikereignisse nur als Medienereignisse denkbar [sind]“4, gilt heute:
Nie zuvor gab es derart vielfältige Möglichkeiten der audiovisuellen Teilhabe an einem
physisch unerreichbaren Ereignis. Es scheint schwer vorstellbar, dass heutzutage der
Mitschnitt eines großen Konzertes im Anschluss nicht auf DVD vertrieben wird, und
das Abrufen eines Videomitschnitts bei YouTube am Folgetag des Veranstaltungsabends
ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Aber sowohl die DVD als auch
YouTube sind – verglichen mit gut 50 Jahren Popgeschichte – recht junge Phänomene
und zudem nur zwei willkürlich ausgewählte Beispiele.
Spannend wäre es nun, der Frage nachzugehen, wie sich der Besuch eines
Popkonzertes und dessen mediale Aufbereitung gegenseitig bedingt haben. Wie haben
sich die Erwartungen des Konzertbesuchers gegenüber den Anfängen des Popzeitalters
gewandelt? Um es vorweg zu nehmen: Diese Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht
geklärt werden. Das Problem ist, dass der Zusammenhang zwischen Popkonzert und
seiner medialen Repräsentation kaum aufgearbeitet ist und selbst grundlegende
Untersuchungen fehlen. Insbesondere zu den jüngsten Entwicklungen des digitalen
Zeitalters gibt es nahezu keine wissenschaftlichen Quellen, und so muss es das alleinige
Anliegen dieser Arbeit sein, lediglich den Wandel der audiovisuellen Aufbereitung des
Popkonzertes in den letzten 50 Jahren zu skizzieren.5 Damit lässt sich dann zumindest
eine Antwort auf die Frage finden, welche Möglichkeiten die Zuschauer überhaupt
hatten und derzeit haben, ein Konzert fernab des Veranstaltungsortes zu verfolgen.
Diese Erkenntnisse können als Basis für weitergehende Untersuchungen angesehen
werden.
II. Das Popkonzert als kulturelles Phänomen seit den 1950er Jahren
II.I. Das Popkonzert – eine Definition
Um die audiovisuelle Vermittlung des Popkonzertes aufarbeiten zu können,
muss zunächst festgelegt werden, was ein Popkonzert im Sinne dieser Arbeit ist – denn
eine einheitliche Definition des Begriffes ist schon deshalb nicht möglich, weil bereits
4 Hoffmann-Riem (1986), S. 26
5 Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass dabei innerhalb der Arbeit immer wieder wirtschaftliche
Aspekte des Popbusiness tangiert werden – woraus sich durchaus interessante Fragestellungen
ergeben, die an anderer Stelle ebenfalls erläutert werden könnten / sollten.
5
die Teilbegriffe „Pop“ und „Konzert“ jeweils sehr unterschiedlich gelesen werden
können.
Der Teilbegriff „Pop“ bezieht sich hier auf die Kurzform von „Popmusik“ bzw.
„Populäre Musik“. Bei Betrachtung des Diskurses zeigt sich jedoch, dass „Popmusik“
nicht einfach nur die Kurzform von „Populäre Musik“ ist, sondern dass sich die Begriffe
in ihrer Bedeutung voneinander unterscheiden.6 Um den Schlussfolgerungen dieser
Arbeit ein Fundament geben zu können, wird im Folgenden dennoch kurz erläutert, in
welchem Sinne das „Popkonzert“ hier verstanden wird.
Nähern wir uns zunächst der „Popmusik“. „Popmusik“ ist im Sinne dieser Arbeit
ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Phänomen, das sehr unterschiedliche MusikGenres der letzten fünfzig Jahre – wie Rockmusik, HipHop oder Techno – vereint.
Johannes Ullmaier definiert dies so:
„Als Pop soll hier also schlicht gesagt einfach alles das gelten, was sich aus
dem ursprünglichen Pop, dessen Wiege als Jugendkultur irgendwo in den
frühen 50er Jahren stand, genetisch herleiten läßt; also in letzter Konsequenz
auch Erscheinungen, die mit dem Ausdruck des ursprünglichen Pop faktisch
nichts mehr gemeinsam haben, wie z.B. Aphex Twin oder Negativland.“7
Gesellschaftliche Bedeutung besitzt Popmusik folglich insbesondere aufgrund
ihrer Nähe zur Jugendkultur, hier liegen ihre Wurzeln. Tom Holert spezifiziert dies und
zeigt in seinem Text Abgrenzen und durchkreuzen – Jugendkultur und Popmusik im
Zeichen des Zeichens auf, dass die Jugendlichen durch die Popmusik und die
dazugehörigen kulturellen Riten und Zeichen stets darauf bedacht waren (und noch
heute darauf bedacht sind), sich vom Etablierten abzugrenzen.8
Diese Abgrenzungsstrategien sollen innerhalb dieser Ausführungen jedoch keine
Rolle spielen. Wichtiger ist im Rahmen der Arbeit Popmusik als Massenphänomen zu
betrachten, das unzählige Menschen erreicht und dadurch wirtschaftliche Bedeutung
erlangt.9 Bereits mit dem Aufkommen der Beat-Bewegung in Großbritannien, welche
hier als Geburtsstunde der Popmusik im gemeinten Sinne angesehen werden soll,
erkannte die Kulturindustrie das wirtschaftliche Potential der Popmusik.10 Schließlich
6
7
8
9
Vgl. Ziegenrücker / Ziegenrücker / Wicke (2007), S. 542ff.
Ullmaier (1995), S. 9
Vgl. Holert (1999), S. 21
Allerdings ist es die Synthese aus Abgrenzungsstrategien der jungen oder „jung gebliebenen“
Menschen in Verbindung mit der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, die Popmusik von ebenfalls
kommerziell relevanter Musik wie Klassik oder Jazz abgrenzt.
10 Vgl. Holert (1999), S. 23
6
ließ diese sich mittels Tonträgern und Marketing in Kombination mit oben genannten
Abgrenzungsstrategien leicht vermarkten.11
Das Popkonzert nun resultiert als Aufführungspraxis aus der Popmusik. Der
Einfachheit halber sei an dieser Stelle eine Definition aus dem „Handbuch der
populären Musik“ übernommen:
„Konzert: Form der öffentlichen Aufführung von Musik, meist gegen
Entgelt, in einem bestimmten Rahmen (Saal, Freilichtbühne usw.) und von
einer bestimmten Zeitdauer (normalerweise zwei bis drei Stunden), wobei
die Musik um ihrer selbst willen der Anlass der Veranstaltung ist [...] Mit der
expandierenden Tonträgerindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt es
dann für alle Formen der populären Musik eine spezifische Funktion, erwies
es sich doch als äußerst wirksames Stimulans für den Verkauf von
Tonträgern. Seither sind Konzerte die zumeist mit immensem technischem
Aufwand verbundenen Live-Aufführungen von zuvor auf Tonträger
produziertem Material und werden nach bzw. zur Veröffentlichung einer
Platte als großangelegte Promotion-Tourneen, nicht selten weltweit,
organisiert.[...]“12
II.II. Das Popkonzert im Wandel
Das letzte Zitat deutet bereits an, dass das (Pop-)Konzert einen Wandel durchlebt
hat. Diesen Wandel zu skizzieren, gestaltet sich aufgrund einer diffusen Quellenlage
jedoch als schwierig. Insbesondere Zahlen zu Zuschauern, Gagen und Anzahl an
Konzerten sind rar gesät.
Festhalten lässt sich, dass es zu allen Zeiten Konzerte jeder Größenordnung gab.
Angefangen bei kleinen Gigs in Bars und Kneipen, über größere Veranstaltungen vor
mehreren hundert Zuschauern bis hin zu riesigen Konzerten in Mehrzweckhallen und
Stadien.
So spielten beispielsweise The Beatles bereits 1965 das erste Stadionkonzert der
Popgeschichte in New York vor circa 55.000 Zuschauern.13 Das Konzert bildete damals
nicht nur in seinen logistischen Dimensionen eine Ausnahme, sondern stellte auch
wirtschaftlich neue Bestmarken auf. Der Gesamtumsatz des Konzertes betrug gut
300.000$, von denen die Band 100.000$ bekam.14 Der Stadionauftritt der Beatles sollte
11 Vgl. Frith (1981), S. 10
12 Ziegenrücker / Ziegenrücker / Wicke (2007), S. 384f.
13 http://www.bbc.co.uk/music/sevenages/events/stadium-rock/beatles-at-shea-stadium/ [zuletzt
abgerufen am 28.03.2010]
14 http://knol.google.com/k/gary-west-wilhelm/beatles-at-shea-stadium-1965/39pzekxl56j9r/3# [zuletzt
abgerufen am 26.03.2010]
7
für eine gewisse Zahl an Bands, die heute in der Lage sind Stadien zu füllen,
richtungsweisend werden.15
Die Einnahmen des Beatles-Konzertes in New York fielen jedoch aus dem
Rahmen: In der Regel dienten die Konzerterlöse in jenen Tagen lediglich der
Kostendeckung. Wirtschaftlich gesehen war der Verkauf von Tonträgern wichtiger und
so war das Ziel der Tourneen in der Regel, neues Material vorzustellen und unbekannte
Bands zu bewerben. Die gesamte Europa-Tour der Rolling Stones 1976, bestehend aus
immerhin 41 Konzerten,16 kostete beispielsweise zwei Millionen Pfund; auch hier
profitierten Band und Label jedoch nicht direkt von den Konzerterlösen, denn „es war
nicht so sehr ihr Zweck Geld einzuspielen, als vielmehr 'die Verkaufszahlen für die
jüngste Langspielplatte um 300.000 oder 400.000 Stück zu erhöhen'“. 17 Diese Praxis
war lange Zeit verbreitet in der Musikbranche. Erst mit dem massiven Anstieg von
Raubkopien und dem damit verbundenen Rückgang der Erlöse aus Tonträgerverkäufen
Ende der 1990er Jahre erkannte die Branche langsam das direkte wirtschaftliche
Potential der Konzerte (siehe Einleitung).18 Und so haben sich 30 Jahre später die
Vorzeichen komplett gewandelt: 2006 spielten die Rolling Stones mit ihrer US-Tour die
beträchtliche Summe von 437 Millionen US-Dollar ein.19 Die Wirtschaftswoche
beziffert den Anteil der Konzerteinnahmen an den Gesamteinnahmen der Band
mittlerweile auf 90%.20
Im Zuge der gewachsenen Bedeutung des Popkonzertes lässt sich auch
konstatieren, dass der technologische und logistische Aufwand für große wie für
mittelgroße Konzerte stark gestiegen ist. Nimmt man als Ausgangspunkt wiederum das
15 Folgende englischsprachige Bands/Künstler gaben in den letzten 3 Jahren ein oder mehrere
Stadionkonzerte (diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit): U2, The Rolling
Stones, Genesis, Muse, George Michael, Tina Turner, Madonna, AC/DC, Depeche Mode, Green Day,
Coldplay, Oasis, Take That, Foo Fighters, Metallica, Bon Jovi, Guns N'Roses, Radiohead, Red Hot
Chili Peppers, Elton John, Paul McCartney, R.E.M., Iron Maiden, The Police, Rod Stewart, Peter
Gabriel, Bruce Springsteen, Céline Dion, Justin Timberlake, Aerosmith, Roger Waters
16 http://www.rockundliebe.de/rolling_stones/rollingstones_konzerte.php [zuletzt abgerufen am
26.03.2010]
17 Frith (1981), S. 112
18 Obwohl der Diskurs um das Raubkopieren auch im Zeitalter bespielbarer Kassetten bereits existierte,
wurde das Problem erst mit der Kombination aus Internet und beschreibbaren CDs gravierend. Hierzu
seien zwei Indizien genannt: 2001 wurden erstmals mehr unbespielte (305 Mio.) als bespielte (244
Mio.) CDs verkauft (Vgl. www.glossar.de/glossar/z_cd.htm) und bei der Online-Tauschbörse Napster
wurden im Januar 2001 zwei Milliarden Dateien getauscht (Vgl.
http://moritzlaw.osu.edu/lawjournal/issues/volume63/number2/green.pdf, S. 2) [beide Seiten zuletzt
abgerufen am 01.04.2010]
19 Vgl. Cohan (2008), Abbildung
20 Vgl. Kiani-Kress / Salz (2006)
8
Konzert der Beatles von 1965 in New York, stellt man fest, dass damals keinerlei
Videotechnik verwendet wurde (außer jene, um das Konzert für die Nachwelt
festzuhalten).21 Zudem war die Soundanlage völlig unterdimensioniert, sowohl
Publikum als auch Band konnten die Musik durch den Umgebungslärm hindurch kaum
hören.22
Heute ist kein Konzert dieser Größenordnung denkbar ohne riesige
Videoleinwände, aufwändige Lichtshows und gigantische Boxen – gewissermaßen zur
Verstärkung einer sich in der Masse verlierenden Band.23
Die Mehrzahl der Konzerte war und ist allerdings wesentlich kleiner angelegt:
Tagtäglich finden Konzerte in einer Größenordnung von einer Handvoll Zuschauer in
kleinen Kneipen bis hin zu circa 15.000 Besuchern in größeren Mehrzweckhallen statt.
Feste Veranstaltungsorte haben sich insbesondere in Ballungszentren gebildet, um die
für unterschiedlich aufwändige Konzerte notwendige Logistik bereitstellen zu können.
Auch hier ist der verstärkte Einsatz professioneller Technik bereits bei „kleinen Bands“
zu verzeichnen.
III. Die Übertragung audiovisuellen Inhalts im technologischen Wandel – vom
Fernsehbeitrag zum Live-Stream
Nach einem Blick auf das Popkonzert als solches soll nun die Geschichte
audiovisueller Übertragungswege skizziert werden.
Die audiovisuellen Massenmedien nehmen ihren Ausgangspunkt bei den ersten
erfolgreichen Kinovorstellungen mit Ton Ende der 1920er Jahre. Obwohl der Kinofilm
bereits 1895 zeitgleich in Frankreich und Deutschland der Öffentlichkeit präsentiert
wurde, dauerte es gut 30 Jahre, bis Bild und Ton zusammen abgespielt werden
konnten.24 Zuvor hatten Orchester oder Solo-Musiker vor Ort für die musikalische
21 Vgl. Fotografie des Konzertes von „The Beatles“ im New Yorker Shea-Stadion am 23. August 1966
von „TonyG“. Quelle: http://www.pbase.com/tg6string/image/109021080 [zuletzt abgerufen am
10.04.2010]
22 http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/zeitwort//id=3583348/property=download/nid=660694/v79qig/swr2-zeitwort-20080829.rtf [zuletzt abgerufen
am 17.03.2010]
23 Vgl. Fotografie des Konzertes von U2 am 30. Juni 2009 in Camp Nou, Barcelona, von Getty Images.
Quelle: http://www.independent.ie/multimedia/archive/00350/U2-01_Getty_350942s.jpg [zuletzt
abgerufen am 10.04.2010]
24 Vgl. Beier / Stahl (1994), S. 8 / S. 68f.
9
Untermalung der Bilder gesorgt. Sowohl dem Stummfilm als auch dem Tonfilm ist
jedoch gemein, dass sich das Publikum an einen Vorführungsort außerhalb der eigenen
vier Wände begeben musste, um einen Film sehen zu können.
Daher lässt sich bei der Einführung des Fernsehens ab Ende der 1930er Jahre
von nicht weniger als einem Paradigmenwechsel sprechen. Erstmals kamen Bild und
Ton direkt zu den Zuschauern nach Hause. Das Medium Fernsehen stellte zunächst ein
Statussymbol dar, entwickelte sich jedoch schnell in den USA und daraufhin in weiten
Teilen der Welt zum Massenphänomen.25 Heute gibt es weltweit geschätzte 1,5 Mrd.
Empfangsgeräte.26
Parallel zur Entwicklung der ersten Fernsehgeräte kam in den 1940er Jahren eine
Technologie auf, die insbesondere aus musikgeschichtlicher Perspektive interessant ist –
und auf die an späterer Stelle im Text noch einmal verwiesen wird: Kurze Musikfilme,
so genannte „Soundies“, wurden produziert und an öffentlichen Orten wie Gaststätten
oder Diskotheken in speziellen Geräten, den „Panoramas“, nach Münzeinwurf
abgespielt. Die Technologie verschwand aber bereits wenige Jahre nach ihrem
erstmaligen Erscheinen wieder.27 Das Verschwinden der in erster Linie in den USA
verbreiteten Soundies dürfte mit der Entwicklung des Fernsehens zusammenhängen.28
Bereits 1951 wurden in den USA die ersten Fernsehsendungen in Farbe
ausgestrahlt,29 allerdings war die Zahl der Empfangsgeräte zunächst sehr klein. Es
dauerte bis 1972, ehe sich in den US-Haushalten mehr Farbfernsehgeräte als Schwarzweiß-Geräte befanden.30 In Deutschland wurde der Sendebetrieb des Farbfernsehens erst
1967 aufgenommen.31
Das Schwarz-weiß- und das Farb-Programm eint, dass beide in der Anfangszeit
stets live produziert wurden. Die Ausstrahlung zuvor aufgezeichneten Materials wurde
erst mit der Erfindung der Videotechnik Anfang der 50er Jahre möglich. Sie zeichnete
parallel Bild und Ton elektromagnetisch auf.32
25
26
27
28
29
30
31
Vgl. http://www.tvhistory.tv/Annual_TV_Sales_39-59.JPG [zuletzt abgerufen am 20.03.2010]
http://www.nationmaster.com/graph/med_tel-media-televisions [zuletzt abgerufen am 24.03.2010]
Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 261f.
Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 263
http://www.tvhistory.tv/History%20of%20TV.htm [zuletzt abgerufen am 24.03.2010]
Vgl. http://www.tvhistory.tv/Color_Households_64-78.JPG [zuletzt abgerufen am 20.03.2010]
http://www.wasistwas.de/aktuelles/reportagefilm/hintergruende/artikel/link//62bacdea6f/article/farbfernsehen-in-deutschland.html [zuletzt
abgerufen am 28.03.2010]
32 Vgl. Wicke [Hrsg.] (2001), S. 191
10
In der Folge erweiterte sich durch die Einführung des Kabelfernsehens das
Programmspektrum, wobei auch hier die USA eine Vorreiterrolle einnahmen.33 In
Deutschland dauerte es bis 1984, ehe Kabelfernsehen flächendeckend verfügbar wurde
und somit auch private Fernsehsender ihr Programm ausstrahlen konnten.34
Ab den 1970er Jahren bestand die Möglichkeit für die Zuschauer, bestimmte
Filme auf Datenträgern zu erwerben bzw. zu leihen und diese dann zu einem von ihnen
gewählten Zeitpunkt zu Hause zu sehen. Dieses wurde mit der Einführung der
Bildplatte möglich.35 Kurz darauf kamen VHS und Betamax auf den Markt.36 Sie sollten
die Bildplatte bald ablösen, denn beide erlaubten neben dem Abspielen auch das
Aufzeichnen auf Datenträgern (obwohl dies in der Anfangszeit noch mit hohen Kosten
verbunden war). Das VHS-System (1976 eingeführt) setzte sich schließlich gegen das
technisch überlegene, aber teurere Betamax-System durch – nicht zuletzt, weil die
Porno-Industrie auf die billigere VHS-Technik setzte.37 Die anfängliche Befürchtung,
der Verkauf von Filmträgern könnte den Tod des Kinos bedeuten, erfüllte sich indes
nicht.
Ebenfalls
in
die
1970er
Jahre
fiel
die
Erfindung
handlicher
Schmalspurfilmkameras, die dem Privatmenschen die Technik an die Hand gab, um
selbst Videos aufzuzeichnen (siehe Punkt IV.).
Den nächsten großen Umbruch markiert der Beginn des digitalen Zeitalters.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist es nicht mehr möglich, ein lineares Bild zu zeichnen.
So erreichte der PC ab den 1980er Jahren immer mehr Heimanwender und obwohl
Multimedia-Anwendungen noch nicht in Sicht waren, verdeutlichen die Rechner
bereits, was durch das Digitale alles möglich werden sollte.38
1983 wurde mit der CD ein digitaler Datenträger für Audio-Dateien eingeführt, 39
in den späten 1980er Jahren konnten dann auch Videospiele und Filme sowie
Multimedia-Inhalte mittels CD-ROM übertragen werden – ein einheitliches
33 http://www.ncta.com/About/About/HistoryofCableTelevision.aspx [zuletzt abgerufen am 28.03.2010]
34 http://www.rp-online.de/gesellschaft/medien/Wie-das-Kabelfernsehen-in-Deutschlandentstand_aid_63774.html [zuletzt abgerufen am 28.03.2010]
35 Vgl. Brand (1990), S. 51
36 Das zur selben Zeit eingeführte, aber wenig erfolgreiche System Video 2000 sei hier nur am Rande
erwähnt.
37 Vgl. Brand (1990), S. 50ff.
38 Eine gute grundlegende Gegenüberstellung der spezifischen Aspekte von digitalen und analogen
Medien findet sich in Lev Manovichs „The Language of New Media“ (Cambridge, 1999).
39 Vgl. Jacboshagen/Reininghaus [Hrsg.] (2006), S 91
11
Massenspeicher-Medium für den Computer war gefunden.40 Während sich allerdings
auf dem kommerziellen Markt kein einheitliches digitales Filmformat auf CD
durchsetzen konnten, wurde das Brennen und Verbreiten von Filmen für Heimanwender
Mitte der 1990er Jahre populär. Erst mit der Einführung der DVD Ende der 90er Jahre
gelang es der Filmindustrie langsam einen erfolgreichen Nachfolger für die analoge
VHS zu etablieren.41 Die DVD bot die Vorteile des Digitalen: Die direkte Anwahl von
Kapiteln war ebenso möglich wie die Auswahl der Tonspur, der manuelle Wechsel
zwischen Kameraperspektiven (falls vorgesehen) oder das Abspielen umfangreicher
Bonus-Materialien. Zudem verfügte die DVD gegenüber der VHS über bessere Bildund Tonqualität.
Damit der Qualitätszuwachs der DVD dem Heimanwender auch sicht- und
hörbar wurde, wurden größere und flachere Fernsehgeräte entwickelt. Beamer wurden
für Privatpersonen erschwinglich, sie konnten ein um vielfach größeres Bild projizieren.
Zudem kamen neue digitale Soundformate wie 5.1 oder 6.1 auf den Markt. Sie
ermöglichten einen simulierten Surroundklang zu Hause.
Während die genannten Technologien gemeinsam unter dem Begriff Heimkino
vertrieben wurden, gewann parallel auch der Heimcomputer Ende der 1990er Jahre
mehr und mehr an Bedeutung. Größere Festplatten ermöglichten das massenhafte
Abspeichern und Archivieren von Filmen, die dann vom Computer direkt abgespielt
und am Monitor angezeigt werden konnten. Nicht zuletzt das Internet gab dem
Heimcomputer einen weiteren Schub. Über Tauschbörsen wie Napster konnten weltweit
ganze Filme – illegal – getauscht werden. Aber auch legaler audiovisueller Inhalt wurde
dank schnellerer Internetverbindungen leichter abrufbar.
Die schnellen Internetverbindungen ermöglichten auch erstmals StreamingTechnologien42 zur direkten Übertragung von Bild- und Tonmaterial, wobei die Qualität
in der Anfangszeit selbst gegenüber Material auf der veralteten VHS stark abfiel.
Der steigende Absatz von Laptops und mobilen Endgeräten wie Handys sorgte
40 Die erste „'populäre' Veröffentlichung“ auf CD-Rom war laut Brand Stewart 1986 die Academic
American Encyclopedia – Vgl. Stewart, S.45
41 Erst 2002 wurden mehr DVDs als VHS-Kassetten abgesetzt. Vgl. Jahresbericht des Bundesverbands
Audiovisuelle Medien e.V. 2002, S.4. Quelle: http://www.bvv-medien.de/jwb_pdfs/JWB2002.pdf
[zuletzt abgerufen am 19.03.2010]
42 Ein Video-/Live-Stream lädt fortlaufend Bild- und Ton-Informationen herunter, um diese nach einer
kurzen Verzögerung fließend abzuspielen – der Prozess des Herunterladens und zeitverzögerten
Abspielens wird Buffering genannt. Prinzipiell gilt dabei: Je schneller die Internetverbindung ist, desto
höhere Qualität kann das übertragene Material aufweisen.
12
ab den 2000er Jahren zusätzlich dafür, dass viele Nutzer beim Betrachten von
Filmmaterial nicht mehr an einen Ort gebunden waren.
Neben einer gesteigerten Mobilität lässt sich auch ein Qualitätszuwachs
feststellen: Streams können in immer höherer Qualität betrachtet werden, die DVD wird
wohl in naher Zukunft durch die hochauflösende Blu-ray-Disc abgelöst werden, zudem
wird das ebenfalls hochauflösende HD-Fernsehen langsam populär. Trotz Einführung
von Blu-ray-Discs könnten – ähnlich wie bei reinen Musikveröffentlichtungen – nicht
trägergebunden gespeicherte Videos („Video-On-Demand“) innerhalb der nächsten
Jahre zum führenden Vertriebsweg werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
ein Verschmelzen von Heimkino- und Computer-Technik zu beobachten ist.
Um den Kreis zu schließen sei zum Abschluss dieses Abschnittes noch einmal
auf das Kino verwiesen. Auch wenn die 3D-Technik bereits in der Frühphase des 20.
Jahrhunderts entwickelt wurde,43 erlebt sie seit 2009 einen regelrechten Boom. Der Film
„Avatar“ von Regisseur James Cameroon wurde zum kommerziell erfolgreichsten Film
aller Zeiten44 und 3D-Filme sollen nach dem Willen der Industrie in naher Zukunft auch
für Heimanwender zur Verfügung stehen.
IV. Das Popkonzert als audiovisuell vermitteltes Ereignis
IV.I. Von den Anfängen bis zum Zeitalter von MTV
Nach der Betrachtung der Geschichte des Popkonzertes sowie der audiovisuellen
Übertragungstechniken sollen beide Aspekte im folgenden Abschnitt miteinander
verknüpft werden. Wie bereits die eingangs zitierte Aussage von Hoffmann-Riem
verdeutlicht, ist das Popkonzert seit seinen Anfängen als audiovisuell vermitteltes
Ereignis zu betrachten. Das Aufkommen der Popmusik und die Verbreitung des
Fernsehens fallen nicht zufällig zusammen. Auch wenn für den nachhaltigen
finanziellen Erfolg einer Band die Schallplattenverkäufe entscheidend waren, so trug
das Fernsehen maßgeblich zur Bekanntmachung einer Band bei. Das prominenteste
Beispiel hierfür ist Elvis Presley, bei dem erste Charterfolge und Auftritte im Fernsehen
43 http://www.cineplex.de/kino/tree/node2468/city24/ [zuletzt abgerufen am 28.03.2010]
44 Vgl. Lindner (2010)
13
Mitte der 1950er Jahre eng miteinander verwoben sind;45 seinen Auftritt bei The Ed
Sullivan Show verfolgten immerhin 52 Millionen Zuschauer.46 Auch die Beatles hätten
kaum den großen Weltruhm erlangen können, wäre das Medium Fernsehen nicht in den
1950er Jahren so populär geworden – schließlich bot das Fernsehen gegenüber dem
Radio den strategischen Vorteil, dass nicht nur die Musik selbst, sondern auch das
Erscheinungsbild (Frisuren, Mode, Gesten) einer Band verbreitet werden konnten. Oder
anders gesagt: Das Fernsehen erlaubte es, Bands und Künstler nicht nur auditiv, sondern
auch visuell zu vermarkten.47
Die Möglichkeiten Popkonzerte audiovisuell aufzubereiten waren zu dieser Zeit
noch recht eingeschränkt, allerdings darf nicht vergessen werden, dass die telemediale
Präsenz von Musik-Acts zu allen Zeiten weit über das eigentliche Konzert
hinausreichte. Der Normalfall war, dass Bands oder Künstler in festen Sendeformaten
im Studio auftraten und einen Song Playback performten, während sie von einem
Orchester begleitet wurden. Während in den USA in den 1950er Jahren die Sendungen
American Bandstand und die Stage Show aufkamen, etablierten sich in England in den
1960er Jahren Top of the Pops und Juke Box Jury.48 Auch wenn die Sendungen durchaus
unterschiedlich konzipiert waren – so zeigte American Bandstand in erster Linie zu
Popsongs tanzende Teenager –,49 einte sie der Auftritt einer oder mehrerer Bands
innerhalb der Show. 1963 startete in England Ready Steady Go!, eine Sendung, die auf
Playback verzichtete und nicht-synchronisierte Live-Performance eines Acts darbot.50
Die Beatles und die Rolling Stones reizten die Möglichkeiten des Fernsehens
dagegen weiter aus: Sie drehten in den 1960er Jahren die ersten Musikfilme. 51
Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen kurzen Filmen, die in der Tradition der
„Soundies“ (s.o.) standen und nicht zuletzt Vorreiter für das später erfolgreiche Format
des Videoclips sein sollten, und jenen Musikfilmen, die in Spielfilmlänge produziert
wurden.
Als Plattform für die kürzeren Videos, die dann in den 1970er Jahren zunehmend
auch von anderen Bands produziert wurden, dienten neben den zum Teil bereits
45
46
47
48
49
50
51
Vgl. Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 263
Vgl. Reiter (2008), S. 8
An dieser Stelle sei noch einmal an die Abgrenzungsstrategien nach Holert verwiesen.
Vgl. Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 263
Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=h3CHr6imxPk [zuletzt abgerufen am 28.03.2010]
Vgl. Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 263
Vgl. Reiter (2008), S. 8f.
14
genannten Sendungen Top of the Pops, Ready Steady Go!, Juke Box Jury (alle England),
In Concert, Midnight Special und Rock Concert (alle USA) sowie der Beat-Club in
Deutschland. An dieser Stelle verschmolzen zum Teil die von der jeweiligen Band im
Studio präsentierten Songs mit den Videos von abwesenden Gruppen.52
Allerdings entfernt sich der Fokus dieser Arbeit an dieser Stelle ein wenig, denn
in die Videos flossen zunehmend nicht-performative Bildsequenzen ein. 1976
beispielsweise drehten Genesis mit „Robbery, Assault and Battery“ ein komplett
narratives Musikvideo, dass auf bis dahin übliche Performance-Aufnahmen der Band
gänzlich verzichtete.53
Während die Auftritte und kurzen Videos, die im Fernsehen gezeigt wurden, in
erster Linie Promotionszwecken dienten, gab es auch reflexivere bzw. aufwändigere
Projekte wie den Film zu Woodstock. 1970 fertiggestellt, wurde der gleichnamige Film
im Kino gezeigt und sehr bald zu einem großen finanziellen Erfolg.54 Neben den
performativen Elementen wartete
Woodstock
mit jeder Menge collagenartig
angeordneten Interviews und Impressionen des Geländes auf, die teilweise auf die
Musik geschnitten wurden.55
Einen ersten Einschnitt in die audiovisuellen Möglichkeiten bildet in den 1970er
Jahren die Verbreitung der Videotechnik. Auf der einen Seite konnten mit der
Einführung der Videorekorder erstmals Privatpersonen gezielt bestimmte Bands oder
Songs aufzeichnen. Dies war beispielsweise für Diskothekenbesitzer interessant, die die
Performances bestimmter Acts nun unabhängig von den Ausstrahlungszeiten der
Fernsehsender
zeigen
konnten.
Gleichzeitig
entstand
ein
neuer
Markt
für
Konzertmitschnitte auf Filmträgern.
Zudem boten sich durch die Einführung der Videotechnik mit handlichen
Kameras nun Gelegenheiten für Privatleute u.a. Aufzeichnungen von Konzerten
anzufertigen. Auch wenn gegenüber professionellen Formaten Abstriche in puncto
Qualität zu machen waren und der Kreis der Rezipienten von privaten Videos sehr
gering war, bildete dies doch eine weitere Möglichkeit, um Popkonzerte fernab ihres
Veranstaltungsortes sehbar zu machen. Auf der anderen Seite profitierten auch
52 Vgl. Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 264
53 Vgl. Kloppenburg [Hrsg.] (2000), S. 265
54 http://www.arte.tv/de/summer-of-love/Das-Programm/Die-Filme/1592476.html [zuletzt abgerufen am
28.03.2010]
55 Vgl. Woodstock (Film)
15
professionelle Fernseh- und Kinofilmer von der Tendenz zur Verkleinerung der Technik:
Wirkungskreis und Möglichkeiten wuchsen. Im Übrigen sind private Konzertmitschnitte
– so genannte Bootlegs – heute bei Fans und Sammlern sehr begehrt. Den Nachfolger
der Schmalspurfilmtechnik bildeten ab den frühen 1980er Jahre die Camcorder, die
nochmals kompakter waren.
Den zweiten Einschnitt markiert 1981 der Beginn des Sendebetriebs von MTV.
Innerhalb kürzester Zeit sorgte der amerikanische Musikkanal für einen Umbruch in der
Popmusiklandschaft. Während zuvor einzelne Formate nur wenige Stunden im
allgemeinen Programm der unterschiedlichen Sender beanspruchten – Popmusik trotz
allem also immer noch als Randerscheinung im Fernsehen betrachtet werden konnte –,
gab es nun einen eigenen Sender für Popmusik. Obwohl MTV in seiner knapp 30jährigen Geschichte nie über den Status eines Spartenprogramms hinausgekommen ist,
fand es eine feste Anhängerschaft, insbesondere bei den Jugendlichen. Peter Wicke geht
sogar so weit, die Popmusikgeschichte in eine Ära vor MTV und eine danach zu
unterteilen: „Zwar spielte das Fernsehen für die Popularisierung dieser Musik [d.h.
Popmusik, M.K.] seit Beginn des Rock'n'Roll eine nicht unwesentliche Rolle, aber zum
konstituiven
Faktor
von
(Jugend-)Musikkultur
wurde
es
erst
mit
der
Institutionalisierung des Videoclips in MTV.“56
Zu beachten ist allerdings, wie oben bereits erwähnt, dass die Videoclip-Ästhetik
sich mit den Jahren vom Popkonzert entfernte. Narrative oder künstlerisch-ästhetische
Videos dominierten, der Anteil der Konzertbilder sank. Auch heute gibt es noch
Musikvideos, die Live-Bilder hinter einen Song legen, aber sie sind die Ausnahme
geworden.
Um den Fokus dieser Arbeit zu wahren, sind daher die Möglichkeiten
interessanter, die MTV in Hinblick auf die Übertragung von Konzerten bot.
Überraschenderweise
spielten
Live-Übertragungen
von
Auftritten
nur
eine
untergeordnete Rolle in der Programmgestaltung von MTV. Neben Musikvideos
dominierten später Formate, die sich dem Thema Musik magazinartig widmeten oder
nur am Rande mit Musik zu tun hatten. Dennoch zeigen / zeigten Formate wie MTV
Live oder MTV World Stage Live-Mitschnitte von Konzerten oder zumindest Teile
davon. Manche Konzerte werden live aufgezeichnet und dann zeitversetzt ausgestrahlt,
56 Wicke [Hrsg.] (2001), S. 190
16
teilweise übertragt der Sender wichtige Konzerte auch direkt (also live im Sinne der im
Deutschen gebräuchlichen Verwendung).
Neben MTV haben sich einige andere Sender des Mitschnitts von Konzerten
angenommen. In Deutschland ist beispielsweise der noch vor MTV eingeführte WDR
Rockpalast für seine nächtliche Ausstrahlung von Popkonzerten bekannt geworden. Die
Konzerte werden in der Regel aufgezeichnet ausgestrahlt.
Die gesendeten Konzerte wurden häufig von Fans, die über einen Videorekorder
verfügten, mitgeschnitten, um dann gegen andere Mitschnitte getauscht zu werden. So
entstand in der Szene der Musikinteressierten ein regelrechter Tauschhandel in der
rechtlichen
Grauzone.
Kommerziell
–
und
somit
völlig
legal
–
gab
es
Konzertmitschnitte ebenfalls, der Markt dürfte aufgrund der hohen Kosten anfangs
jedoch noch überschaubar gewesen sein.
Die bisher festgestellten Entwicklungen seien im Folgenden noch einmal kurz
zusammengefasst: Bis Anfang der 1990er Jahre waren die Möglichkeiten, Popkonzerte
an einem Bildschirm zu verfolgen, recht übersichtlich: Es gab ab Mitte der 1950er Jahre
ein zu festen Zeiten ausgestrahltes Angebot an Sendungen im Fernsehen. Anfangs
playback, später teilweise live, traten Bands zunächst speziell für das Fernsehen auf.
Später kamen Übertragungen von Konzerten, die unabhängig vom Fernsehmitschnitt
statt fanden, sowie fiktionale und non-fiktionale Musikfilme hinzu – letztere wurden
mitunter im Kino gezeigt. Seit den 1970er Jahren entwickelte sich ein Tauschhandel mit
VHS-Bändern und einigen exotischen Formaten in begrenztem Umfang. Zusätzlich
entstand erstmals ein kommerzieller Markt für Konzertvideos.57 MTV schließlich sorgte
ab den 1980er Jahren zwar dafür, dass Popmusik an sich mehr audiovisuelle Präsenz
gewann, das Konzert spielte hierbei jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Dominierend
war der Videoclip, dessen Bildmaterial sich nach und nach vom Konzert entfernte.
IV.II. Die digitale Ära
Der Beginn der digitalen Ära mit der Verbreitung des Computers sowie des
Internets sorgte dann ab den 1990er Jahren für radikal neue Möglichkeiten, um
Popkonzerte zu verfolgen. Komplette Konzerte wurden auf DVD veröffentlicht und
57 Leider lassen sich keine sicheren Zahlen finden, die Aufschluss über die wirtschaftliche Bedeutung
dieses Marktes geben würden.
17
gegenüber der VHS kam der Eigenart des Konzertes entgegen, dass das neue Medium
die direkte Anwahl einzelner Tracks ermöglichte. Zusätzlich konnten HintergrundInformationen, Backstage-Bilder oder Interviews mit der Band angefügt werden.
Manche DVDs beinhalteten auch die Möglichkeit, innerhalb einzelner Songs zwischen
verschiedenen Kameraeinstellungen manuell zu wechseln. Der Heimzuschauer wurde
somit, wenn auch eingeschränkt, zu seinem eigenen Regisseur.
Große Bedeutung kam der Streaming-Technologie zu. Diese brauchte jedoch
einige Jahre, bis sie uneingeschränkt genutzt werden konnte. So war „NetAid“
(09.10.1999) eines der ersten größeren Konzertereignisse, das als Video-Stream
übertragen wurde. Die drei Teilkonzerte wurden im Real-Media-Format übertragen und
waren „noch durch schlechte Bild- und Tonqualität, Asynchronität und Stockungen
gekennzeichnet.“58 Beim „Live 8“-Konzert „fielen die Eindrücke [...] am 2. Juli 2005
deutlich günstiger aus – wenngleich auch hier die technischen Grenzen deutlich wurden.
Laut America Online (AOL) hatten sich im Verlauf der Konzertübertragung mehr als
fünf Millionen Internet-Nutzer eingeloggt; bis zu 160.000 Zuschauer verfolgten die
verschiedenen Live Streams gleichzeitig.“59 Obwohl die Qualität der Streams immer
noch unter der lag, die im herkömmlichen Fernsehen übertragen wurde, „konnte man
hier nach eigenem Willen zwischen den zehn Veranstaltungsorten weltweit wählen bzw.
'zappen'.“60
Der Zuschauer konnte also wählen, ob er lieber das Konzert, welches sein
nationaler Fernsehsender übertrug, in guter Qualität schaute oder seine Aufmerksamkeit
einem mäßigen Live-Stream eines anderen Veranstaltungsortes widmete. Die Live 8Konzerte wurden übrigens hinterher auch – in guter Qualität – auf DVD veröffentlicht.
Waren NetAid und Live 8 Veranstaltungen gigantischer Dimensionen, die nur
dank leistungsfähiger Sponsoren wie AOL kostenlose Live-Streams anbieten konnten,
sind letztere inzwischen auch für kleinere Bands interessant geworden. Die Firma
livedome hat sich beispielsweise darauf spezialisiert, Konzerte im Internet zu
übertragen. So ließ sich der Auftritt der kalifornischen Band Dredg in der Kölner Live
Music Hall (November 2009) via Live-Stream in passabler Qualität verfolgen. Dieser
Service war kostenlos. Für die Fans bestand allerdings die Möglichkeit einen
58 Ziegenrücker / Ziegenrücker / Wicke (2007), S.701
59 Ebd.
60 Ebd.
18
Videomitschnitt des Streams auf einem USB-Stick für knapp 20 Euro zu erwerben.61
Auch YouTube bot in der Vergangenheit vereinzelt Konzerte per Live-Stream an,
die von mehreren 100.000 Menschen verfolgt wurden, so zum Beispiel einen Auftritt
von U2 im Oktober 2009.62 Da dieser Service ebenfalls kostenlos war, dürften hier
Marketing-Gründe den Ausschlag gegeben haben.
YouTube hat allerdings weniger wegen dieser sporadisch übertragenen Konzerte
einen solch hohen wie auch umstrittenen Stellenwert in der Musikbranche erreicht, als
vielmehr wegen unzähliger dort veröffentlichter Amateur-Mitschnitte. Durch immer
kleinere und leistungsfähigere Videokameras in Mobiltelefonen und Digitalkameras ist
es mittlerweile für viele Besucher von Popkonzerten zum Hobby geworden, Teile des
Auftritts zu filmen und diese Aufnahmen zeitnah auf großen Videoportalen wie
YouTube oder Vimeo online zu stellen. Obwohl die Qualität (noch) zwischen
katastrophal und sehr mäßig schwankt, erfreuen sich die Videos insbesondere in den
ersten Tage nach dem Konzertende – je nach Konzertgröße – durchaus passabler
Zugriffsraten.63 Für die Konzertbesucher ist es eine Möglichkeit die auf Video
festgehaltenen Momente mit ihren eigenen Erinnerungen abzugleichen, während Fans
aus der ganzen Welt zeitversetzt an einem Ereignis teilhaben können, welches sie nicht
besuchen konnten. Die Videomitschnitte der Konzertbesucher sind zwar prinzipiell
illegal, sie werden aber in der Regel aufgrund der unzureichenden Qualität toleriert.
Eine weitere rechtliche Grauzone ist der durch das Internet vereinfachte
Austausch von Bootlegs. War es beim Tausch von Videobändern noch recht
zeitaufwändig diese zu vervielfältigen und zu versenden, kann dies dank digitaler
Technologien wie „p2p“ oder „Torrents“ mittlerweile massenhaft geschehen. Zwar sind
die meisten Mitschnitte qualitativ hochwertiger als jene bei YouTube & Co zur
Verfügung gestellten, es handelt sich aber in der Regel um von Zuschauern angefertigte
oder aus dem Fernsehen bzw. von Live-Streams mitgeschnittene Aufnahmen.
Kommerzielle Veröffentlichungen – deren Weitergabe definitiv illegal ist – werden von
„Bootleggern“ nicht getauscht. Alles in allem ist das „Bootlegging“ aber ein
Randphänomen geblieben und wird wohl auch deshalb von den Rechteinhabern
61 http://www.nolivelost.com/?p=94 [zuletzt abgerufen am 28.03.2010]
62 Vgl. Terdiman / Kaden (2009). Aus dem Artikel geht auch hervor, dass U2 schon 1997 ein Konzert
gaben, welches per Live-Stream verfolgt werden konnte, also noch 2 Jahre vor oben erwähntem
NetAid-Event. Analog zu NetAid dürfte die Qualität allerdings sehr mäßig gewesen sein.
63 Siehe Abb. I im Anhang
19
geduldet.
Mitunter treibt die Popularität von Live-Streams auch kuriose Blüten: Im Jahr
2006 hatten die Nutzer von T-Mobile die Möglichkeit, die Europa-Tour von Robbie
Williams u.a. über ihr Mobiltelefon mitzuverfolgen. Über den Service MobileTV
wurden neben exklusiven Mitschnitten einzelner Songs und Backstage-Material ganze
Konzerte, wie das am 28. Juli in Berlin, via UMTS live übertragen. Der monatliche
Pauschalpreis für MobileTV betrug damals 7,50€.64 Obwohl der Trend zu mobilen
Endgeräten und „Internet auf dem Handy“ geht, darf der Unterhaltungswert eines
Konzertes auf einem 3“-Display zumindest angezweifelt werden.
Gegenläufig zum Konzert im Miniformat auf dem „Jederzeit-Medium“
Mobiltelefon präsentiert sich die Möglichkeit, Konzerte im Kino zu verfolgen. David
Bowie stellte sein neues Album „Reality“ 2003 beispielsweise in ausgewählten Kinos
vor.65 Unabhängig davon, wie gut die Übertragungsqualität an jenem Abend tatsächlich
war, besitzt das Medium Kino natürlich ein ganz anderes Immersionspotential als das
Mobiltelefon.
Während hinter Live-Streams von Konzerten im Internet und im Kino durchaus
ein tragfähiges Geschäftskonzept stehen könnte – wobei die Frage ist, wie viele Leute
tatsächlich bereit sind, Geld hierfür auszugeben – scheint dem Popkonzert im Fernsehen
keine Renaissance bevorzustehen. Trotz der Einführung von Sendern wie „EinsFestival“
oder „ZDF Theaterkanal“, bei denen die Übertragung von Popkonzerten einen gewissen
Stellenwert einnimmt, nimmt die Präsenz von Konzerten in den großen Sendern eher
(oder vielleicht gerade deshalb) ab. Fernab der beliebten Samstagabendshows wie
„Wetten, dass...?“, in denen Superstars meist nicht mehr als einen Song zum Besten
geben dürfen, und den ewig wiederkehrenden Casting-Shows herrscht gähnende Leere
auf den großen Sendern. ProSieben nahm im November 2009 den halbherzigen Versuch
vor, mit Hilfe eines „Robbie-Williams-Tages“ Zuschauer zu gewinnen. In Berlin wurde
extra ein kostenloses Konzert mit 10.000 Besuchern organisiert, welches der Sender
zeitversetzt übertrug, doch der Erfolg für ProSieben lässt sich als sehr mäßig bezeichnen
– die durchschnittliche Einschaltquote des Tages lag unter dem Monatsschnitt des
Senders.66
64 Vgl. Fischer (2006)
65 Vgl. Winckler (2003)
66 Vgl. Ruoff (2005)
20
V. Zusammenfassung und Ausblick
Beim Betrachten von Popkonzerten lassen sich zwei Entwicklungen ausmachen:
Auf der einen Seite nimmt das Angebot für den Zuschauer rasant zu. Er kann aus immer
mehr Bands auswählen, kann einzelne Songs sehen oder ganze Konzerte verfolgen.
Dies geschieht weltweit und dank einfacher verfügbarer Live-Streams häufig
unmittelbar – die bloße Tatsache, dass ein Fan an einem Konzert an einem anderen Ort
teilhaben kann, ist natürlich keine neue, aber mittlerweile ist dies auch bei Bands
möglich, die noch nicht mehrere Millionen Platten verkauft haben. Durch die
vereinfachten audiovisuellen Distributionsmöglichkeiten bieten sich dem Künstler
weitaus mehr Freiheiten bei der Ausgestaltung dessen, was er sendet. Im Hintergrund
halten sich keine Fernsehsender mehr auf, die Einfluss auf den Auftritt haben.
Neben dem erweiterten Angebot ist der zweite Aspekt, dass die qualitativen
Unterschiede der abrufbaren Mitschnitte (unabhängig davon ob live oder aufgezeichnet)
stärker auseinander gehen. Während die Übertragungsqualität im professionell
aufbereiteten Fernsehen über die Jahre hinweg als recht konstant bezeichnet werden
konnte, divergiert die Qualität im Zuge der Multimedialisierung der letzten 20 Jahre
mehr und mehr. Völlig verpixelte und verwackelte Videos werden ebenso betrachtet wie
hochauflösende Konzertübertragungen, die mit dutzenden Profi-Kameras zugleich
gefilmt werden.
Neben quantitativen und qualitativen Veränderungen ist auch ein Wandel bei der
Produktion von audiovisuellem Material festzustellen. Der Zuschauer wird vom bloßen
Konsumenten zum Produzenten. Durch ihn gibt es Videos, die nicht nur formal, sondern
auch inhaltlich von den professionellen Konzertmitschnitten abweichen. Er nimmt eine
ganz andere Perspektive als die exponiert stehenden Kameras ein, verfolgt ein Konzert
viel subjektiver. Durch seine Position innerhalb der Menge ergeben sich neue Bilder.
Am Anfang schwang u.a. die Frage mit, warum Konzertmitschnitte und
-übertragungen überhaupt noch eine Relevanz besitzen, wo doch das Konzert scheinbar
das genaue Gegenteil ist – physisch, authentisch, selten – und genau deshalb attraktiver
denn je.
Vielleicht lässt sich dies so erklären: Je mehr die Labels die audiovisuelle
21
Präsenz ihres Künstlers forcieren, desto stärker hebt sich das Konzert als Ausnahme
hiervon ab. Es ist dabei im Interesse der Labels, Stream oder Mitschnitte kostenlos
anzubieten – schließlich bilden diese ab, was demjenigen entgeht, der ein Konzert nicht
selbst besucht. Das Internet ist durch seine digitalen Distributionsmöglichkeiten
prädestiniert dafür, die Verfügbarkeit entsprechender Videos zu erhöhen. Den Labels
kommen dabei nicht zuletzt die Mitschnitte zugute, die Fans bei den Konzerten
anfertigen. Da die Qualität (noch) zu Wünschen übrig lässt, bilden diese Mitschnitte
keine Konkurrenz zu den eigenen kommerziellen Veröffentlichungen. Zugleich stärken
sie aber die mediale Präsenz eines Künstlers, ohne das Label einen Cent zu kosten. Der
produzierende Zuschauer, der seine Videos auf der Suche nach Anerkennung online
stellt, wird also (un-)freiwillig zum globalen Werbeträger.
Interessant zu beobachten ist, wie sich die Situation weiter entwickeln wird. Die
Qualität
kleiner
Kameras
wird
zunehmen,
die
Mitschnitte
ambitionierter
Konzertbesucher könnten also schon in wenigen Jahren die Qualität aufweisen, die vor
wenigen Jahrzehnten noch dem professionellen Bereich vorbehalten war. Zugleich
werden auch dort neue Standards entwickelt. Fliegende Kameras oder 360°-Aufnahmen
in hochauflösenden Bildern sind vielleicht nur den Anfang.
Was die Distribution angeht, wird die Bedeutung des Prädikats „live“
möglicherweise noch an Bedeutung gewinnen. Ähnlich dem physischen Konzertbesuch,
an dem ich eben nur zu einem bestimmten Zeitpunkt teilnehmen kann, ist auch bei
einem Live-Stream – unabhängig von der Plattform – das Besondere, das er genau in
jenem Moment des tatsächlichen Ereignisses gesendet wird. Auf der anderen Seite geht
der Trend selbst beim Fernsehen immer mehr zu zeitversetzem Schauen und zu Videoon-Demand. Bei immer flexibleren Tagesabläufen ist vielen Interessierten schlicht nicht
die Möglichkeit gegeben, zu einem vorgegebenen Zeitpunkt ein Konzert zu verfolgen.
Ob sich in beiden Fällen – Live-Stream und aufgezeichnete Übertragung – damit Geld
verdienen lässt, steht auf einem anderen Blatt, aber wie vorhin festgestellt, ist dies für
die großen Labels auch nur von sekundärem Interesse, sondern vielleicht eher eine
Nische für kleinere Unternehmen.
Die technologische Entwicklung wird in jedem Fall weitergehen und so werden
sich neue Möglichkeiten ergeben. Das Popkonzert wird in weiteren 50 Jahren noch
existieren, aber welche Bedeutung es haben und wie es vermittelt wird ist völlig offen.
22
Abbildungsverzeichnis:
Abb. I – Dieser verwackelte Mitschnitt des Songs Bombtrack der Band Rage Against The Machine von
Rock am Ring 2008 verzeichnete innerhalb des Zeitraums 10. Juni 2008 – 23. März 2010 immerhin
knapp 130.000 Aufrufe. Die Zahl der Aufrufe liegt deutlich über der Zahl der Besucher des Festivals.
Interessant ist die Anmerkung des Nutzers Laturbo: „[...] gutes vid :D gibt ja keine von dem auftritt
ansonsten :/“. Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=ujVUfCpCdQg
23
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Online-Version. http://www.american.com/archive/2008/march-april-magazinecontents/the-show-must-go-on [zuletzt abgerufen am 23.03.2010]
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25
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Filmverzeichnis:
Wadleigh, Michael: Woodstock (USA, 1970)
26

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