BlickpunktFilm 37-2012

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BlickpunktFilm 37-2012
KINO MAGAZIN
Wortmeldung
Die Deutsche Filmakademie redet mit
Foto: Florian Liedel / Deutsche Filmakademie
Der syrische Freund
von Alfred Holighaus
An dieser Stelle bezieht die deutsche Filmakademie exklusiv in regelmäßigen
Wortmeldungen Stellung zu neuen Aktivitäten, neuen Entwicklungen und
neuen Diskussionen rund um den deutschen Film. Alfred Holighaus, einer der
beiden Geschäftsführer der Filmakademie, koordiniert die Inhalte.
Seit dem 23. August ist der syrische Filmeund Festivalmacher Orwa Nyrabia verschwunden. Eine an diesem Tag geplante
Flugreise von Damaskus nach Kairo konnte
er nicht antreten. Er wurde verhaftet. Bis
heute ist sein Aufenthaltsort nicht bekannt.
Die Familie hat keine Nachricht, wie es ihm
geht. Die anlässlich des Berufsverbots und
Hausarrests für den iranischen Regisseur Jafar Panahi („Offside“) gegründete Initiative
„Filmmakers in Prison“ der Deutschen Filmakademie versucht die Öffentlichkeit und
die Branche regelmäßig über den Fall zu informieren und auf dem Laufenden zu halten. Deshalb haben wir auch mit einen Kollegen gesprochen, der Orwa Nyrabia und
seine Arbeit gut und aus persönlicher Erfahrung kennt: Hans Robert Eisenhauer,
langjähriger Arte-Redakteur, Dokumentarfilmspezialist und -produzent.
Herr Eisenhauer, Sie kennen den Filmemacher Orwa Nyrabia nicht nur als Festivalmacher und bekannten Namen der
jungen arabischen DokumentarfilmSzene, sondern aus der konkreten Zusammenarbeit. Was macht diesen Filmemacher aus?
Hans-Robert Eisenhauer: Wir haben uns
erst vor zehn Monaten persönlich kennengelernt. Das Dokumentarfilmfestival von
Amsterdam hatte uns in eine der Festivaljurys eingeladen. Ich kannte seinen Namen,
wusste, dass er einer der Hoffnungsträger
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des arabischen Dokumentarfilms ist. Außerdem kannte ich ihn als Schauspieler in
dem Spielfilm „das Tor zur Sonne“ von Yusri
Nasrallah, in dem er einen jungen Palästinenser spielt. Wir haben über Filme und natürlich die Situation in Syrien und den arabischen Frühling gesprochen. Orwa kommt
aus einer Familie, in der Sunniten und Allawiten zusammenleben. Das hat ihn geprägt, und diese Herkunft beeinflusst natürlich auch seine Vorstellung von der Zukunft seines Heimatlands. Wir haben am
Weltweite Solidaritätskampagne
für Orwa Nyrabia
Ende des Festivals beschlossen zusammenzuarbeiten. Es gibt ja, abgesehen von
Frankreich, wenige Koproduktionen zwischen dem arabischen Kulturraum und
Europa. Aber das Genre Dokumentarfilm
erlebt zwischen Syrien und Marokko einen
vor einigen Jahren nicht für möglich gehaltenen Aufschwung. Und Orwa Nyrabia ist
einer derjenigen, die die Zukunft des Dokumentarfilms in der Region und darüber hinaus entscheidend beeinflussen werden.
Das Verschwinden von Orwa Nyrabia ist
kein Zufall. Wie schätzt sein persönliches
und berufliches Umfeld das ein?
Das Verschwinden von Orwa ist sicher kein
Zufall. Sonst wäre er längst wieder frei. Es
gibt keinerlei Informationen über die Gründe, seinen Aufenthaltsort und seine Gesundheit. In dieser Diktatur sind ja auch die
Möglichkeiten von Anwälten mehr als begrenzt. Die Familie, vor allem seine Frau
Diana, sind sehr aktiv und versuchen alles,
was unter den begrenzten Umständen
möglich ist. Wir haben viele Kollegen und
Freunde alarmiert. Es gibt eine weltweite
Solidaritätskampagne mit dem Ziel, Einfluss auf die syrischen Behörden zu nehmen. Es ist eine schreckliche Vorstellung,
hier in Berlin zu sitzen und nicht mehr tun
zu können, als Mails zu schreiben und zu telefonieren. Aber seine Familie, sein Team
und alle, die Orwa als Freund und Kollege
schätzen, hoffen, dass er bald frei sein wird.
Orwa Nyrabia hat in Damaskus ein
Filmfestival (Dox Box) geleitet, das nicht
nur für die Region eine Bedeutung hat,
sondern für den internationalen Dokumentarfilm. Hat dieses Festival eine
Zukunft?
Eines der größten Verdienste von Orwa Nyrabia ist die Gründung des Dox Box Filmfestivals in Syrien. Gemeinsam mit seiner Frau,
der Filmemacherin Diana El Jeiroudi, hat er
dieses Festival 2008 gegründet. Es fand bis
zu diesem Jahr in drei syrischen Städten
statt und brachte den internationalen Dokumentarfilm und zahlreiche seiner prominentesten Protagonisten ins Land. Eine kulturelle Leistung erster Ordnung. Nicolas
Blickpunkt:Film 37/12
Blickpunkt:Film Special
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DEUTSCHE FILMAKADEMIE
Die Deutsche Filmakademie e.V. vereint
mehr als 1300 Mitglieder aus allen künstlerischen Sparten des deutschen Films.
Sie will für die Filmschaffenden das
zentrale Forum sein.
Die Filmakademie im Netz
Alle weiteren Informationen zu den Aktivitäten der Filmakademie finden Sie unter
www.deutsche-filmakademie.de.
Philibert, Viktor Kossakowsky und viele
andere Filmemacher waren dabei und haben diese kulturelle Brücke zwischen Orient und Europa belebt. In diesem Jahr
fand das Festival nicht statt, aus Protest
gegen die Gewalt des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Es ist sehr zu
hoffen, dass diese wunderbare Initiative
weiterleben wird in Syrien und im arabischen Raum und junge Autoren, Regisseure zusammenbringt, die die Hoffnung
nicht aufgeben wollen, dass es eine friedliche Zukunft in der Region geben kann.
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!! Der deutsche TV-Markt im Überblick
Die Fragen stellte Alfred Holighaus
!! Aktuelle Entwicklungen der Branche
P.S.: In der vergangenen Woche hat sich
auch der Regisseur Martin Scorsese zu
dem Fall Orwa Nyrabia geäußert:
!! Interviews mit Branchenkennern
„Ich war erschrocken über die Nachricht,
dass der syrische Schauspieler und Produzent Orwa Nyrabia vom syrischen Regime
festgenommen wurde. Dass er an einem
unbekannten Ort festgehalten und ihm
jegliche Kommunikation mit der Außenwelt, auch seiner engsten Familie, untersagt wird. Die internationale Film-Community muss wachsam bleiben und auf
jede Ungerechtigkeit, die gegen Kollegen
verübt wird, aufmerksam machen. Wir
müssen den Druck aufrecht erhalten,
um die unmittelbare Freilassung Orwa
Nyrabias zu bewirken.“
Blickpunkt:Film 37/12
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Susanne Heßlenberg
E-Mail: [email protected]
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