Nobistorpfeiler - Denkmalverein Hamburg

Transcrição

Nobistorpfeiler - Denkmalverein Hamburg
Nobistorpfeiler
Die Restaurierung begann
mit dem Abtransport ...
2008
Foto: Wolfgang Vacano, Altonaer Stadtarchiv (c)
Dokumentation von Wolfgang Vacano, Altonaer Stadtarchivs, 2013 (c)
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Was lange währt, wird endlich gut!
Die Restaurierung
des Nobistor-Pfeilers
hat begonnen …
Von Wolfgang Vacano ©
Foto: W. Vacano, 2008 (c)
In diesem Zustande war der Nobistorpfeiler auf der Reeperbahn schon im Jahre 2008 bei einer
Voruntersuchung für eine Restaurierung durch das Altonaer Stadtarchiv ...
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Teil I
Zur Einstimmung
Keine „Torschlusspanik“ mehr …
Wie heißt es doch so schön? „Es geschehen noch
Zeichen und Wunder!“ So offensichtlich auch im
Falle eines der ältesten „Denkmäler“ Altonas, dem
sog. „Nobistorpfeiler“.
Ein „Denkmal“, welches ursprünglich gar nicht als
Denkmal gedacht war. Jedoch, mit diesem Umstand beginnt aber auch schon eine ganze Reihe von
Merkwürdigkeiten, die unmittelbar mit der Altonaer
Stadtgeschichte sind.
Denn schaut man einmal in die sehr, sehr wechselvolle Geschichte der beiden „Schwestern“ Ham-
burg und Altona, wird man sich auch zwangsläufig
etwas mit der sehr belastenden Konkurrenz zwischen den beiden Städten beschäftigen müssen, um
verstehen zu können, warum es überhaupt notwendig war, dass solche „Stadttorpfeiler“ vor mehr als
einhundertfünfzig Jahren notwendig waren.
Hamburg war vor mehr als einhundertfünfzig Jahren
eine durch enge Stadtmauern stark geschützte Hansestadt. Ins Stadtgebiet gelangte man damals nur
durch die verschiedenen Stadttore, die auch noch
strengsten bewacht worden waren.
Wie auf dem Stadtplanausschnitt aus dem Jahre 1836
gut zu erkennen ist, gab es
zwischen den Städten Altona
und Hamburg mehrere Möglichkeiten, von Altona nach
Hamburg zu gelangen und
umgekehrt.
Auf dem Stadtplan ist aber
auch die frühere Anlage der
beiden Verkehrswege,
Königstraße und Gr. Bergstraße festgehalten worden.
diese beiden Hauptverkehrsadern mündeten an
ihren Enden gemeinsam in
die kurze Straße Grund und
zuletzt in der Reichenstraße,
die direkt am Nobistor
endete.
Dieses Stadttor wurde mit
einem roten Punkt gekennzeichnet.
Der Stadtteil St. Pauli entwickelte sich erst später
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die Konkurrenzstadt in der unmittelbaren Nachbarschaft, Altona (Altena) hatte von Beginn an darauf
verzichtet, sich „einzumauern“. Denn man hatte andere Probleme zu lösen als Hamburg. Denn während Hamburg bereits an den Stadttoren eine gewisse Auswahl derer traf, die überhaupt ins Stadtgebiet hinein durften, war Altona im Gegenteile
geradezu darauf angewiesen, dass Menschen in die
Stadt kamen, die hier leben und arbeiten wollten.
günstiger anbieten! Deshalb wurde darüber genauso
heftig gestritten, wie über die gemeinsame Fischerei
auf der Elbe. Der allgemeine Ärger dauerte über
zahllose Jahrzehnte an! Zahllose Prügeleien und
Sachbeschädigungen waren eine der schlimmen
Folgen.
In diesem Sinne bestand zwischen Hamburg und
Altona ein riesiger Unterschied. Während Hamburg
z. B. Handwerker, die früher einem strengen Zunftzwang unterlagen und deshalb einer Zunft angehören mussten, um überhaupt eine Arbeitserlaubnis
erhalten zu können, ging Altona einen anderen Weg,
der sich schon bald als großer Vorteil erweisen
sollte: Denn die nichtzünftigen Handwerker waren
ja zwangläufig nicht schlechter als ihren zünftigen
Handwerkerkollegen.
Jedoch waren solche Stadttore nur so gut, wie es
die Regeln waren, unter denen ein solches Tor betrieben wird. Die ständigen Streitigkeiten zwischen
dem Hamburger Rate, den Schauenburger Grafen
und dem Dänischen Königshause führten immer
wieder dazu, dass auch diese Regelungen einer
ständigen Veränderung unterlegen waren. Denn
schließlich darf man nicht vergessen, dass Hamburg
ein riesiger Marktplatz war, den es zu schützen galt.
Eine Metropole, die sich u. a. deshalb mit allen
Möglichkeiten dagegen wehrte, dass ihr mit Altona
als „Stadt“ eine unangenehme Konkurrenz erwächst. Jedoch vergeblich!
Dabei profitierten die Altonaer Handwerker von
dem Umstand, dass sie durch besondere Privilegien
von Steuern und Abgaben freigestellt waren. Somit
konnten die Altonaer Handwerker ihre Waren sehr zum Ärger der Hamburger Handwerker - viel
Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass alle Versuche und Bemühungen, Altona zu schaden, nichts
genutzt haben. Viel prekärer für die Hamburger
Kaufleute war, dass Altona später sogar zu einer
Großstadt heran wuchs.
Das enge Nobistor mit seinen beiden Pfeilern um 1880. Die Tore waren bereits 1861 entfernt worden
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Hier ist um 1890 noch ein Pfeiler des sog. „Hummeltors“ zu sehen - verziert mit einem preußischen Adler, denn Altona war einst sehr stolz auf seine Zugehörigkeit zu Preußen - nach der
zuletzt unerfreulichen „Dänischen Oberhoheit“! Verkehrte Welt könnte man meinen, denn zu
dieser Zeit hatte dieses Stadttor schon lange keine „politische Bedeutung“ mehr
Zur Verwendung der Stadttore:
Nach langen Jahren mit teilweise heftigen Grenzstreitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Altona und Hamburg, schlossen die beiden Nachbarstädte am 17.
November 1740 einen sog. „Vergleich“ in dem man festschrieb, die Grenze zwischen
den beiden Städten mittels von Grenzsteinen festzulegen.
Anschließend gab es zu Hamburg hin u. a. die Stadttore, die derzeit als „Pfohrten“
bezeichnet wurden und mit so klangvollen Namen ausgestattet waren, wie: Millerntor
(steht heute für den FC St. Pauli), das Trommeltor (Trommelstraße), das Schlachterbudentor, das Hummeltor, das Pinnastor und vor allem das Nobistor. Es gab sogar
ein sog. „Judentor“. Alle Tore hatten schwere Holztüren.
Für die Tore gab es genau festgelegte Öffnungszeiten für die Sommer- und die
Winterzeit. Das geschäftstüchtige Hamburg ließ es sich nicht entgehen, eine Torgebühr für das „Durchschreiten“ oder „Durchfahren“ zu kassieren. Bei großen
Kutschen kam so schon manches Mal ein „hübsches Sümmchen“ zusammen.
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die Toröffnungszeiten wurden jeweils sehr penibel gehandhabt. Um das Publikum auf die
nahende Schließung des Tores aufmerksam zu machen, läutete eine „Torglocke“ drei
Male.
Beim dritten Male setzte nicht selten ein richtiger Run auf das sich unbarmherzig schließende Tor ein. Ganz Eilige versuchten es immer wieder, im letzten Augenblick durch zu
schlüpfen. Da dieses Glockenläuten fast stetig auch zu einer gewissen Panik bei den
Frauen führte, entstand hier schon bald der Begriff „Torschlusspanik“ Und das zu Recht!
Denn wer nicht mehr durchs Tor kam, musste entweder in Hamburg übernachten, oder
den Weg zu dem Stadttore antreten, welches nur noch allein in dieser Nacht offen hatte!
Am Neujahrstag 1861 wurde diese Hamburger Torsperre endlich aufgehoben und die
Altonaer Tore wurden aufgrund eines Beschlusses der Altonaer Kollegien vom 13. März
1861 - im Mai 1861 - aufgelöst. Vom Nobistor blieben lediglich die zwei aus Gusseisen
bestehenden Pfeiler übrig. Darauf sind zwei Medaillons im Lorbeerkranz zu erblicken, die
außer dem Altonaer Stadtwappen das Monogramm König Christian VIII von Dänemark
aufweisen, weshalb die Aufstellung in dessen Regierungszeit (3. Dezember 1839 - 20.
Januar 1848), wohl eher zu ihrem Ende, anzunehmen ist. Die Gaslaternen wurden den
Pfeilern vermutlich erst später aufgesetzt, denn eine Gasbeleuchtung führte Altona erst
1857 ein.
Foto: Holger Schmidt-Altonaer Stadtarchiv (c)
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Nach der Aufhebung Torsperre gab es die meisten Stadttore nicht mehr. Nur noch ihre
klangvollen Namen sorgen für Erinnerung, bei denen, die sich etwas damit auskennen.
Dazu gehört noch ein Pfeiler des sog. Nobistors. Wie der Name schon klingt, muss das
doch etwas ganz Besonderes sein, oder? Ist es auch! Denn schon allein die wunderbar
künstlerische Ausgestaltung vor langer Zeit macht ihn einzigartig. Mit dazu trägt auch der
nachdenklich stimmende Spruch bei, der den Pfeiler noch zusätzlich schmückt: „Nobis
bene, nemini male“, heißt übersetzt: „Allen Gutes, niemandem Schlechtes“.
Seit Jahrzehnten hätte dieser Pfeiler - zuletzt immer dringlicher - Hilfe gebraucht. Aber
zahlreiche Bemühungen, u. a. in den letzten zehn Jahren, liefen jeweils ins Leere, da der
Pfeiler auf der sog. „Lustmeile“ (Reeperbahn) offensichtlich nicht das Interesse fand,
welches dringend erforderlich gewesen wäre, um dieses „Wahrzeichen von Altona“ in
seiner früheren Schönheit erhalten zu können.
Hinzu kam noch, dass der Torpfeiler
bis heute nicht einmal eine (sehr
wichtige) blaue Denkmaltafel erhalten hatte.
So gingen und gehen die Passanten
jeweils ahnungslos an diesem Pfeiler
mit „Denkmalscharakter“ vorbei,
ohne auch nur zu ahnen, was sie
über Hamburgs und Altona gemeinsame Geschichte alles erfahren hätten können!
Bis unlängst hatte man sogar fast
schon frevelhaft, eine unattraktive
öffentliche Telefoneinrichtung direkt
neben den Pfeiler aufgestellt. Diese
wurde jedoch vor einiger Zeit wieder entfernt. Da waren wohl einige
Beschwerden erfolgreich, oder? Viel
schlimmer war und ist aber immer
noch der Umstand, dass der Pfeiler
stetig an Müllabholtagen von
scheußlichen Mülltonnen zugestellt
wird. Ein grauenvolles Bild, wenn
man das Denkmal achtet.
Diese Aufnahme aus dem
Jahre 2008 zeigt, wie sehr
dieses „Altona-Denkmal“ von
„Unwissenden“ nicht geachtet
wurde. Es war eine Schande!
Foto: Holger Schmidt-Altonaer Stadtarchiv (c)
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Auch der Standort mit mehreren herrlichen Laubbäumen, die mit ihren Kronen z. B. die
Laterne auf dem Pfeiler fast unsichtbar erscheinen ließen, schien in eine spätere Diskussion mit einbezogen worden zu sein. Denn es hieß bei einer Nachfrage, dass dieser
Standort auch nach einer Restaurierung des Pfeilers hier bleiben sollte!
Unlängst geschah dann doch noch das „Wunder“, dass sich die Stiftung „Denkmalpflege“ die baldige Restaurierung des Pfeilers auf die „Fahnen geschrieben hatte“.Dabei gab
es einen engen Kontakt zwischen dem Vorsitzenden dieser wunderbaren Stiftung
„Denkmalpflege“, Herrn Helmuth Barth und dem Altonaer Stadtarchiv.
Ihm wurde von den bisherigen Bemühungen des Altonaer Stadtarchivs - zuletzt aus dem
Jahre 2008 und 2009 - berichtet, eine Rettung des Pfeilers zu organisieren. Diese sehr
positiv angelaufene Aktion endete u. a. damit, dass ein von der Altonaer Bezirksversammlung zur Verfügung gestellter höherer Geldbetrag im Bezirk Mitte wegen einer
„Residenzpflicht“ des Geldes für Altona nicht im Bezirk Mitte ausgegeben werden
konnte.
Das führte letztendlich dazu, dass sich ein Abgeordneter der GAL in der Bezirksversammlung Mitte für eine Restaurierung einsetzen wollte.
Nach langer Wartezeit, in der viele Altonaer schon die Hoffnung auf eine gelungene
Restaurierung verloren hatten, war es am 6. August 2013 endlich so weit. Wie angekündigt, hatten die Abbauarbeiten um 08. 30 Uhr begonnen. Sogar bei strahlendem
Sonnenwetter, obwohl auch Regen und Gewitter nicht auszuschließen waren.
Zur Geschichte der Region
Wer im Jahre 2013 am Nobistorpfeiler vorbei
geht oder gar vorbei fährt, kann sich kaum mehr
vorstellen, wie es hier einmal zur Zeit aussah, als
man die Stadttore einrichtete. Während Hamburg auf einem guten Wege war, Großstadt zu
werden, hatte die Stadt Altona, deren Namen
auf der Stadturkunde zuvor noch „Altena“
lautete, nur einige Tausend Einwohner - aber
auch mit stark steigender Tendenz.
Hamburg hatte sich mit seinen Stadttoren gegen
Altona (Altena) ziemlich abgeriegelt. Das Nobistor war zu dieser Zeit der wohl am meisten genutzte „Durchgang“ zwischen Hamburg und Altona. Alte Darstellungen zeigen, dass die sog
„Reichenstraße, die einst auch nach diesem
Stadttor führte, bis an die Hamburger „Stadtmauer“ heran, mit Häusern an beiden Straßenrändern mit Häusern bebaut worden war.
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Im Jahre 1813 spielte das Nobistor, welches in
dieser Zeit noch anders gestaltete Pfeiler hatte,
eine ganz wichtige Rolle in der gemeinsamen Geschichte der beiden Schwesterstädte. Denn eine
längere Belagerung Hamburgs durch die französische Armee unter Marschall Davoust, machte es
erforderlich, dass all die Hamburger ihre Stadt zu
verlassen hatten, die sich wenigsten drei Monate
lang nicht selbst „proviantieren“ konnten, das
Stadtgebiet zu verlassen hatten.
Als Altona seine Hilfe anbot, die Flüchtlinge aufzunehmen, erfolgte am 24. Dezember 1813 der
„Auszug der Flüchtlinge“ nach Altona. Dabei
kamen die meisten durch das Nobistor in Altona an.
So kam es, das später etwa achttausend Altonaer
etwa fünftausend Hamburger Flüchtlinge über
mehrere Monate lang anhaltend beherbergte und
verpflegte.
Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die bedeutendste Darstellung dieses wichtigen Altona-Themas ist auf dem riesigen Gemälde von
Ludwig Dettmann zu sehen, welches er im Jahre 1900 für den Kollegiensaal des Altonaer Rathauses angefertigt hatte. Es zeigt Graf Blücher zu Altona bei der Begrüßung der Hamburger
Flüchtlinge in Altona. Leider war hier kein Nobistor zu sehen!
Auf dieser
kaum bekannten Darstellung
kommen hier
1813 Hamburger Flüchtlinge
offensichtlich
durch das
Millerntor
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Dieses Gemälde, welches den Einzug der
Glaubensflüchtlinge in Altona zeigt, hängt im
Flur des Altonaer Rathauses und wurde vom
Maler Friedrich Klein-Chevallier geschaffen.
Diese künstlerisch eindrucksvoll dargestellte
Szene zeigt, dass hier der „Einmarsch“ offensichtlich durch das Nobistor erfolgte.
Denn hier sind zweifelsohne die beiden Nobistorpfeiler zu erkennen - mit dem Hamburger
Michel im Hintergrund.
Fest steht in jedem Falle, dass der im Jahre
1862 in Düsseldorf geborene o. a. Künstler
kein Zeitzeuge sein konnte. Trotzdem hat er
sich, wie auch andere Maler intensiv mit dem
Thema künstlerisch sehr stark auseinandergesetzt!
Trotzdem wirft diese großartige Darstellung
einige Fragen auf.
2. Frage:
Wo ist das Holztor zwischen den Pfeilern?
3. Frage:
Warum befinden sich schon 1813 Laternen auf
den Pfeilerspitzen?
Antwort:
Auf alle Fragen gibt es wohl nur eine Antwort
und die alles unter dem Motto erklärt: Die
künstlerische Freiheit der Darstellung. Denn
stellen Sie sich dieses Bild u. a. mit dem geöffneten Tore und mit dort befindlichen Stadtmauern vor.
Das Bild würde gewaltig an seiner künstlerischen Wirkung einbüßen. Also seien wir nachsichtig!
Und die Gaslaternen?
Fest steht, dass Altona seine Gasbeleuchtung
erst 1857 einführte. Vielleicht fehlte dem
Künstler diese Information?
1. Frage:
Wo sind die Hamburger „Stadtmauern“ zwischen Altona und Hamburg?
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Wegen der enormen Bedeutung dieser erwähnten Ereignisse für die Altonaer Geschichte, beschäftigten sich mehrere Künstler mit der malerischen Darstellung dieses Themas. U. a. war es
der Maler Ludwig Dettmann (das riesige Gemälde hängt im Kollegiensaal des Altonaer Rathauses) und Otto Marcus. Sein Gemälde ist im Flure der ersten Etage des Altonaer Rathauses zu
besichtigen.
Nach der - von den NS-Schergen initiierte Eingemeindung Altonas 1937 / 38 in das
Hamburger Stadtgebiet, war die einst selbstständige Stadt „nur“ noch ein Stadtteil der
Hansestadt, wenn auch sein wichtigster!
In den Bombennächten im Juli 1943 versank
Altona im Bombenhagel britischer Bomber.
Etwa achtzig Prozent der Häuser fielen entweder
den Bomben zum Opfer oder wurden nach dem
Kriege abgerissen, um u. a. eine neue Gestaltung
der Region um das Nobistor ermöglichen zu
können. Dadurch war es möglich geworden, die
kurze - in Schlangenlinie verlaufene - „ClausStallknecht-Straße“ zwischen der Königstraße
und der Reeperbahn zu „entfernen“ und die
beiden Straßenzüge in gerader Linie zu vereinigen.
Gleichzeitig wurde der neu angelegte untere Teil der
Holstenstraße an die dabei neu entstandene Straßenkreuzung angeschlossen. Diese „Modernisierung“ hatte später zur Folge, dass die Straße „Nobistor“ nur noch eine kleine Querstraße der Holstenstraße war!
Dabei lautete u. a. die wichtige Frage: „Wohin mit
den Nobistorpfeilern?“ Man stellte einfach einen
davon in Ortsnähe auf dem Gehweg der Reeperbahn auf - direkt vor einem heutigen „Lusttempel“.
Man könnte meinen, das war eine gute Lösung? Na
ja, vielleicht, wenn da nicht die Umsetzung des
Nobistorpfeilers aus dem Hamburger Bezirk Altona
in den Hamburger Bezirke Mitte gewesen wäre!
Denn damit waren offensichtlich auch die - in den
nachfolgenden Jahren aufgetretenen (zuvor beschriebenen) - Probleme verbunden. Ganz offensichtlich schien sich niemand mehr für den Erhalt
dieses historischen Kunstwerks zu interessieren und
sich für seinen Erhalt einzusetzen? Der langwierige
Prozess dauerte zuletzt bis zum 6. Juli 2013, wo
nun endlich seine lang, lang ersehnte Restaurierung
mit dem Abtransport begonnen hatte …
Diese Stadtkarte
des Altonaer
Kerngebiets an
der Grenze zu St.
Pauli stammt aus
dem Jahre 1928
und befindet sich
im Bestand des
Altonaer Stadtarchivs.
Im blauen Kreise
ist das Nobistor
zu entdecken.
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die Restaurierung begann mit der Demontage
des Nobistorpfeilers
Die sehr engagierte und nette Diplomrestauratorin, Frau Beatrix Alscher, war aus Berlin-Schönhausen mit ihrem netten Kollegen, Herrn Thorsten Knaak, angereist, der u. a. als Ziseleurmeister
die spätere Metallrestaurierung übernehmen sollte und hatte viele fleißige Handwerker zum Abbau
des Nobistorpfeiler mitgebracht.
Verlauf der des Abbaus
1.
Schritt:
Abbau der Laterne
Bevor es mit dem Abbau der Laterne los gehen konnte, musste
erst einmal der elektrische Strom
sicher abgeschaltet sein. Das hatten Mitarbeiter von Vattenfall vor
Ort bereits erledigt.
Mittels einer Leiter gelangte einer
der engagierten Handwerker ganz
nach oben zur Laterne, die sich –
wie der gesamte Pfeiler - in einem sehr schlechten „Pflegezustand“ befand. Ihm gelang es, mit
etwas Mühe und Kraftaufwand,
die Befestigungsschrauben zu
lösen. Als der Lampenzylinder frei
stand, wurden an diesem Laternenkörper zwei Tragegurte befestigt und mehrfach gesichert.
Mittels eines Krans, welcher sich
auf einem direkt daneben abgestellten Lastwagens befand,
wurde die Laterne fast mühelos
aus der Verankerung gehoben und
konnte anschließend problemlos
auf dem nebenliegenden Gehwegbereich abgelegt und gelagert
werden. Später wurde die Laterne für den Abtransport nach
Berlin in einem „Last-Pkw“
verladen.
Gleich zu Beginn des Abmontierens der Laterne wurden
die unterhalb der Laterne befindlichen Abdeckungen
geöffnet, um ungehindert die elektrische Zuleitung zur
Laterne entfernen zu können
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Reeperbahn / Gr. Freiheit - Standplatz der Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Impressionen von Schäden am Laternenkörper
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die traurig machenden Aufnahmen von zahlreichen Rost- und Wetterschäden am
Laternenkörper zeigen auf, wie lange der
Nobistorpfeiler schon restauratorische Hilfe
benötigt hätte ...
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
2.
Schritt:
Abbau des Pfeilerkörpers
Nach dem Entfernen der Gehwegplatten sollten
nun die vier Muttern von den Haltebolzen abgeschraubt werden. Ein Ding der Unmöglichkeit.
Denn der Rost hatte in den zurückliegenden
Zeiten ganze Arbeit geleistet und wehrte sich
mit mehr Kräften als die, über die der stärkste
Arbeiter hier verfügte. So blieb nichts anderes
übrig, als die Muttern mit einer „Flex“ aufzusägen. Dabei kam zur Überraschung zu Tage,
dass nur zwei Muttern aus Eisen und die anderen aus Messing angefertigt worden waren.
Waren nun die eisernen Muttern original oder
nicht. Die Frage war müßig, denn sie mussten
so oder so entfernt werden.
Wer nach dem fast reibungslosen Abbau der
Laterne hoffte, dass man nun mit einem ebenso
mühelosen Abbau des Pfeilerkörpers rechnen
könnte, sah sich schon bald getäuscht, denn der
Pfeiler war auf einem mächtigen Betonsockel
mit vier Gewindebolzen aufgeschraubt worden,
der sich unter den bereits entfernten Gehwegplatten befand.
Die sehr stark vom Rost befallenen Schraubenmuttern ließen sich trotz größter Kraftanstrengung nicht lösen. Hier sollte ein - den
Rost lösendes - Spray helfen. Doch leider
zeigte dieses Mittel keine Sofortwirkung ...
Die viel zu kurzen Maulschlüssel konnten
nicht genug Hebelwirkung erzielen
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Nach dem alle Muttern entfernt worden waren,
wurden nun auch am Pfeilerkörper entsprechende Tragegurte angebracht und wie zuvor
auch gut gesichert. Zwei, drei Anhebeversuche
mittels des „Autokrans“ verliefen eher kläglich,
da der Kran nur eine Hebeeinrichtung war und
deshalb keine „Ruckelgewalt“ ausüben konnte.
Die Ursache war schnell ausgemacht. Denn wie
schon zuvor vermutet, hatte der Rost die Gewindebolzen mit dem Pfeilerkörper verbunden.
Gut war es deshalb, dass man Vorsorge für solche Fälle getroffen hatte. Denn nun kam ein anderer kräftiger Arbeiter mit seinem riesigen
Presslufthammer zu seinem „Auftritt“. Mit einem
breiten Meißel ausgestattet, ging der Mann ans
Werk. Dabei gelang es nicht, mit dem Meißel
unter den Pfeiler zu gelangen - zu stark sprang
der Meißel hin und her. Nach mehreren Bohrversuchen gelang es dann doch, den Pfeiler aus
seiner Verankerung zu lösen!
Nun hatte der Kran wieder eine neue Chance
bekommen, den Pfeiler anzuheben und ihn auf
einen nebenstehenden Lkw abzulegen. Dieser
Schritt klappte reibungslos. Anschließend verzurrten Beatrice Alscher und ihr Kollege,
Thorsten Knaack sehr, sehr sorgfältig den
Pfeilerkörper mit Keilen und Tragegurten auf
der Ladefläche ihres Berliner Lkws.
Als auch ein Hammereinsatz nichts brachte,
mussten die Muttern aufgesägt werden
Ansicht einer der vier verrosteten Muttern
Eine der aufgesägten eisernen Muttern
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Impressionen vom Abbau
Der mit Tragegurten aus seiner Verankerung (links unten) herausgehobene Nobistorpfeiler
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Die Endlagerung auf dem Lkw für den Transport nach Berlin
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Impressionen von der Transportsicherung
Beatrix Alscher
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Torsten Frank
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
3.
Schritt:
Entfernung der alten elektrischen
Leitung
Zuletzt musste noch die alte und dicke elektrische Zugangsleitung für den Pfeiler aus dem
Betonsockel entfernt werden. Was zuerst als
sehr einfach vermutet wurde, stellte sich anschließend als eine kraftraubende Tätigkeit
heraus. Denn das ungewöhnlich dicke Kabel
wollte sich weder in die eine noch in die andere
Richtung nicht herausziehen lassen. Da mussten
schon zwei kräftige Arbeiter zugleich ran. Als
nach einigen Minuten der Mühen das Kabel
entfernt werden konnte, sollte nun ein wesentlich dünneres Kabel in den dafür vorgesehenen
Kanal eingezogen werden. Da auch dieser
Schritt nicht auf Anhieb gelang, kam einer der
Mitarbeiter auf die tolle Idee, den Kabelkanal
mit Pressluft durchzupusten. Und siehe da,
diese Maßnahme war so erfolgreich, dass das
neue Kabel nun „durchflutschte“.
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
4.
Schritt
Schließung der Gehwegfläche
Im Anschluss daran konnte der Gehweg wieder
mit den entsprechenden Gehwegplatten wieder
verschlossen werden.
Bis es mit der Schließung der Lücke im Gewegbereich so weit war, wurde die
„Baustelle“ von den fleißigen Arbeitern auch fachgerecht gesichert
5.
Termin für die
Wiederaufstellung:
Derzeit konnte noch kein konkreter Termin für
die Wiederaufstellung des Torpfeilers genannt
werden, da erst einmal in Berlin eine korrekte
„Schadensfeststellung“ stattfinden müsse.
Erst dann könne nach erfolgter Restaurierung
ein etwaiges Datum für die Wiederaufstellung
genannt werden.
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Zum Abschluss
Wie Sie wissen, begleitet dass Altonaer Stadtarchiv
seit mehr als fünfundzwanzig Jahren das Schicksal
aller Altonaer Denkmäler mit besonderer Nachhaltigkeit. Dazu gehören u. a. der Stuhlmann-Brunnen,
das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das Blücher-Denkmal, der „Schwarze Block“, das Helgoland-Denkmal, vor allem ist aber auch der Nobistorpfeiler zu
nennen! Zu allen erwähnten Denkmälern hat das
Altonaer Stadtarchiv teilweise sehr umfangreiche
Sammlungen schaffen können, die auch als elektronische Sammlungen existieren.
Wir begrüßen es deshalb in diesem Sinne sehr, dass
nun auch unser stetiges Engagement Früchte trägt
und das kleine „Wunder der Restaurierung“ begonnen hat. Wunderbar und großer Dank an die Institutionen, die diese längst überfällige Maßnahme nun
endlich möglich gemacht haben!
Es war deshalb eine Selbstverständlichkeit, dass der
Abbau des Torpfeilers vom Altonaer Stadtarchiv
intensiv mit der Kamera begleitet wurde. Während
des Gesamtabbaus des Pfeilers sind um 270 Fotos
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und ca. zwanzig Minuten Video-Film entstanden,
um eine möglichst gute und informative Dokumentation über die Restaurierung des historischen
Kleinods erstellen zu können.
In diesem Sinne wurde Frau Beatrix Alscher
gebeten, in ihrer Berliner Werkstatt eine möglichst
lückenlose Foto- und Video-Dokumentation zu
erstellen, damit dieses in Berlin spielende Kapitel
der Altonaer Geschichte so gut wie möglich festgehalten und erzählt werden kann.
Das Altonaer Stadtarchiv wird dann wieder bei der
Aufstellung des Pfeilers aktiv werden und diese
Dokumentation dann zum Abschluss bringen.
Wer mehr über die wunderbare Restautorin, Frau
Beatrix Alscher, wissen möchte, dem sei ihre
Webseite, unter: www.alscher-restaurierungen.de
empfohlen.
Wolfgang Vacano Altonaer Stadtarchiv
Im August 2013
Restaurierung des Nobistorpfeilers
Zum Abschluss dieser Dokumentation
noch einige Impressionen am Rande
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Michael Borkowski hilft Beatrix Alscher beim Tragen ...
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Rostteile als Archivalien
für das Stadtarchiv
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Foto: M. Borkowski (c)
V.l.n.r.: Beatrix Alscher,
Michael Borkowsi und
Thorsten Frank
Foto: W. Vacano (c)
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
V.l.n.r.: Beatrix Alscher,
Wolfgang Vacano und
Thorsten Frank
Foto: M. Borkowski (c)
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Ansichten vom Nobistorpfeiler - 2008
Auf Initiative das
Altonaer Stadtarchivs sollte der
Nobistorpfeiler
bereits 2008 durch
den Metallrestaurator Ole
Eichler restauriert
werden. Das Vorhaben scheiterte leider
an nicht zu vertretenden Umständen!
Es entstanden jedoch die nachfolgenden Aufnahmen.
Foto: Holger Schmidt, Altonaer Stadtarchiv (c)
Ole Eichler u. W. Vacano
Fotos: Ole Eichler, Altonaer Stadtarchiv (c)
So sah es bereits im Jahre 2008 im Inneren des Pfeilerkörpers aus. Der Rost hatte bereits
schwere Schäden angerichtet
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Restaurierung des Nobistorpfeilers
Innenansichten vom
Nobistorpfeiler
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40
Impressum
Altonaer Stadtarchiv e. V.
Leitung: Wolfgang Vacano
Max-Brauer-Allee 134, 22765 Hamburg
Tel.: 040-50 74 72 24
Mail: [email protected]
www.altonaer-stadtarchiv.com
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