Wenn Helfer Hilfe brauchen
Transcrição
Wenn Helfer Hilfe brauchen
SEITE 30 D I E W E LT M I T T WO C H , 16 . F E B RUA R 2 011 BERLIN & BRANDENBURG KOMPAKT STAATSANWALT Revision nach Freispruch für Landowsky eingelegt Nach dem Freispruch für den Berliner Ex-Bankmanager und früheren CDUPolitiker Klaus Landowsky vom Vorwurf der Untreue hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof solle das Urteil überprüfen, sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner. Im zweiten großen Prozess um die Berliner Bankenaffäre hatte das Landgericht Landowsky (68) und elf weitere frühere Banker am Montag freigesprochen. Das Gericht konnte keine Pflichtverletzung feststellen. dapd Wenn Helfer Hilfe brauchen Gabriele Tammen-Parr gründete vor elf Jahren „Pflege in Not“. Jetzt hat sie den Gesundheitspreis erhalten, den AOK und Ärztekammer bundesweit ausgelobt hatten Pflegende Angehörige sind oft mit der Situation überfordert. Ist der Stress zu groß, kann es auch zu Gewaltausbrüchen kommen Parr spricht mit ihnen über Gewalt, Sexualität, Ekel oder Zärtlichkeit – Tabus gibt es für sie keine. „Die emotionale Unterstützung ist wichtig“, sagt sie. In den Gesprächen versucht die Sozialpädagogin herauszufinden, wie sie helfen kann. Kürzlich rief ein Sohn an, der zeitlebens zu Hause wohnte und der plötzlich aggressiv auf die immer kränker werdende Mutter reagierte. „Er hatte Angst, dass sie inkontinent werden könnte“, stellte Tammen-Parr fest. Sie riet ihm, stundenweise eine Pflegekraft zu engagieren. „Viele Probleme lassen sich telefonisch lösen“, sagt Tammen-Parr. Sie redet auch mit den Pflegebedürftigen, ihren Freunden oder mit Menschen, die im T 57-Jährige versucht, die Menschen zu unterstützen und zu vermitteln T UNGLÜCK Berliner Bauarbeiter stirbt bei Arbeitsunfall Ein Bauarbeiter ist nach einem Unfall am Potsdamer Olympiastützpunkt am Montagabend im Krankenhaus verstorben. Der Berliner stürzte bei Bauarbeiten für eine neue Sporthalle aus etwa drei Metern Höhe von einer Holzleiter. Dabei habe sich der 40-Jährige schwere Kopfverletzungen zugezogen. Es gebe nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keinen Hinweis auf eine Einwirkung Dritter. Es geht nun um die Frage, ob alle Arbeitsschutzbestimmungen korrekt eingehalten wurden. dapd BAUBEGINN 120000000 Euro sind für den Neubau des Brandenburger Landtagsschlosses veranschlagt. Am heutigen Mittwoch erfolgt die Grundsteinlegung für den Bau in Form des alten Stadtschlosses. Bei der Zeremonie wird eine Kupferhülse mit Tageszeitungen, Bauplänen und Münzen in das Fundament eingelassen. Zu dem Festakt werden Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erwartet. Der Neubau soll frühestens Mitte 2013 fertig sein. ANZEIGE Stil und Design für das Büro STUDIO GLOBE-WERNICKE® www.luxus-moebel.com ZUSAMMENSTOSS Rangierunfall auf dem Ostbahnhof Auf dem Berliner Ostbahnhof ist es am Dienstagmorgen zu einem Rangierunfall gekommen. Nach Angaben der Bundespolizei mussten rund 20 Reisende den betroffenen Nachtzug aus Amsterdam verlassen. Ein Mann, der über Augenschmerzen klagte, wurde mit dem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. An den Nachtzug sollten zwei Waggons eines Eurocity-Zuges aus Warschau angekoppelt werden. Die beiden Wagen wurden dabei jedoch nicht rechtzeitig abgebremst und fuhren auf. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Nachtzug sechs bis acht Meter vorgeschoben. dapd INA BRZOSKA BERLIN Ü ber Monate pflegte Heidemarie K. ihre Mutter zu Hause. Die Demenzkranke musste gewaschen, gefüttert und betreut werden. Während der Zeit kam es immer häufiger zu Konflikten, die Heidemarie K. ab einem gewissen Zeitpunkt überforderten. Als die Mutter sich wieder einmal nicht kämmen lassen wollte, schlug die Tochter der Mutter mit der Bürste auf den Kopf. Erschrocken über sich selbst, rief sie bei „Pflege in Not“ an und erzählte ohne Umschweife, was sie getan hatte. „Ich kann sie doch so nicht vor die Tür lassen“, entschuldigte sie sich. Wenn Gabriele Tammen-Parr Gewaltsituationen in der häuslichen Pflege beschreiben soll, erzählt sie von Angehörigen wie Heidemarie K. Die Mediatorin kennt viele solcher Fälle. Manchmal sind es gewaltsame Wutausbrüche, manchmal laufen die Aggression subtiler ab – belastend sind solche Vorkommnisse für alle Beteiligten. Die Rolle von Opfern und Tätern sei nicht immer eindeutig geklärt, erklärt die 57-Jährige. „Wenn sie viele Jahre pflegen, sind sie oft beides.“ Das Projekt „Pflege in Not“ will in solchen Situationen Familien beratend zur Seite stehen. „Die Praxis zeigt sehr deutlich, dass auch Helfer dringend Hilfe brauchen“, sagt Tammen-Parr. Sie will nicht verurteilen, sondern die Menschen und ihr Handeln verstehen und weiterhelfen – nur so kann langfristig Gewalt in der häuslichen Pflege zu verhindert werden. Dreiviertel aller Pflegebedürftigen werden ohne fremde Hilfe von Angehörigen zu Hause versorgt, somit ist die Familie der größte Pflegedienst Deutschlands. „Wenn wir den Menschen Mut machen wollen, das auch weiterhin zu übernehmen, müssen wir sie besser unterstützen“, sagt Tammen-Parr. Ein Problem, das dringender wird, denn die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, die der Beitragszahler sinkt – ein Problem, das auch die Kassen belastet. 2011 hat Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zum Jahr der Pflege erklärt. Tammen-Parr und ihren zwei Kolleginnen überreichte er am Montag den Berliner Gesundheitspreis, den die AOK und die Ärztekammer bundesweit ausgelobt hatten. 80 Projekte waren beteiligt, die Kreuzberger belegten den ersten Platz. Für sie gibt es nun 20 000 Euro. Geld, das Tammen-Parr für weitere Therapieangebote nutzen will. Sowohl die telefonische als auch die persönliche Beratung sollen bei „Pflege in Not“ ausgebaut werden. Ende der 90er- „Bevor sich zu Hause Dramen abspielen, ist es besser nach einer anderen Lösung zu suchen“ Gabriele Tammen-Parr, Mediatorin Ausgezeichnet für ihr Engagement: Gabriele Tammen-Parr vor dem „Pflege in Not“Büro in Kreuzberg MASSIMO RODARI Jahre stieß die Sozialpädagogin auf das Thema Gewalt in der Pflege. Damals leitete sie eine Gesprächsgruppe mit pflegenden Ehepartnern. „Sie leiden unter der Situation besonders“, sagt TammenParr. „Träume platzen, die Beziehung ändert sich radikal“, sagt sie. In den Gesprächsrunden berichteten Teilnehmer von enormen physischen und psychischen Belastungen, von der fehlenden Anerkennung. Sie redeten offen über ihre Wut, ihre Aggressionen. Probleme, die sie mit der Familie nicht besprechen konnten, weshalb die Gewalt in der häuslichen Pflege nicht an die Öffentlichkeit gelang. Als Tammen-Parr 1999 eine Art Anlaufstelle für pflegende Angehörige gründen wollte, stieß sie nicht nur auf Widerstand, sie wurde gar angefeindet. „Niemand wollte dieses Fass öffnen“, erinnert sie sich. Damals war das Problem tabu, im häuslichen Umfeld sogar noch mehr – bis heute gibt es dazu keine offiziellen Fallzahlen. Erst in den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit gewachsen. Inzwischen gibt es deutschlandweit 13 Beratungs- und Beschwerdestellen zum Thema Gewalt in der Pflege. Doch das Team aus Kreuzberg ist noch immer das einzige Projekt, das sich auf den häuslichen Bereich spezialisiert hat. Wie dringend nötig die Einrichtung ist, erlebt Tammen-Parr jeden Tag. 1800 Menschen melden sich pro Jahr – weitaus mehr, als „Pflege in Not“ bewältigen kann. Für das erste Gespräch nimmt sich Tammen-Parr 45 Minuten Zeit, hört erst einmal intensiv zu. Dann verabredet sie sich zu Folgegesprächen. Tammen-Parr hat beobachtet, dass pflegende Angehörige sich selbst vernachlässigen, dass sie nicht loslassen können. „Weniger ist manchmal auch genug“, sagt sie dann. Pflegende Angehörige, die nicht loslassen können, leiden nicht selten unter Burnout, Depressionen, haben Selbstmordgedanken. 80 Prozent der Anrufer sind Frauen, was auch die Realität bei der häuslichen Pflege widerspiegelt. „Frauen fühlen sich eher verantwortlich, Männer entscheiden sich eher für ein Pflegeheim.“ Unter den Anrufern seien viele „Täter“. Tammen- Pflegeberuf arbeiten. Sehr oft geht es um finanzielle Dinge oder um die Suche nach dem passenden Pflegeheim. Nicht jeder Angehörige müsse daheim betreut werden. „Bevor sich zu Hause Dramen abspielen, ist es besser nach einer anderen Lösung zu suchen“, sagt Tammen-Parr. Das galt auch für Heidemarie K., die sie nach dem Telefonat zum persönlichen Therapiegespräch einlud. In solchen Fällen kommt dann Kollegin Dorothee Unger zum Einsatz. Die 56 Jahre alte Psychologin bietet kostenlose Sitzungen an. „Oft ist es so, dass pflegende Angehörige zu lange warten, bis sie sich melden“, sagt sie. So war es auch im Fall Heidemarie K., bei der Unger nach einigen Gesprächen feststellte, dass die Mutter-Tochter-Beziehung schon früher sehr problematisch war – auch deshalb sei der Fall idealtypisch. „Die alten Konflikte kehren während der häuslichen Pflege oft zurück“, sagt Unger. Geschwisterkonflikte, Ehekonflikte und andere unverarbeitete Probleme, die über die Jahre verdeckt waren, treten plötzlich wieder auf. Meist übernehme ausgerechnet das Kind die Pflege der kranken Mutter oder des kranken Vaters, das sich früher von ihnen vernachlässigt fühlte. „Sie erhoffen sich dann ein Stück Nähe, das sie damals nicht bekommen haben“, sagt Dorothee Unger. Das müsse nicht immer schlecht sein, manchmal funktioniere diese Situation in späteren Jahren sehr gut, manchmal führe sie aber auch zu unerträglichen Spannungen. Nach einigen Gesprächen entschied Heidemarie K., die Mutter in Pflege zu geben. Nur so konnte sich das Verhältnis der beiden entspannen. S-Bahn droht Streik der Lokführer Kunden sollen mit neuer Technik besser informiert werden MARKUS FALKNER BERLIN – Müssen sich die Berliner auf einen weiteren Streik bei der Berliner SBahn einstellen? Die Antwort will die Lokführergewerkschaft GDL an diesem Mittwoch bei einem Aktionstag in Berlin geben. Frühestens am Donnerstag sollen die Lokführer im bundesweiten Schienenverkehr zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen werden, teilte die Gewerkschaft am Dienstag mit. Die Geschäftsführung der Berliner SBahn hofft, dass das seit zwei Jahren krisengeschüttelte Tochterunternehmen der Deutschen Bahn von möglichen Arbeitsniederlegungen ausgenommen wird. In einem Brief an den GDL-Bundesvorsitzenden, Claus Weselsky, verweisen die S-Bahn-Chefs auf die „äußerst schwierige Situation“. Weselsky, pikanterweise stellvertretender Aufsichtsratschef der SBahn, solle seinen Einfluss geltend machen, um einen Streik im Berliner Nahverkehr zu verhindern. Das Verständnis der Kunden sei erschöpft, heißt es in dem Schreiben. Die S-Bahn-Geschäftsführer warnen vor drastischen Folgen eines möglichen Streiks. Fahrgäste würden weitere Einschränkungen als „Beweis für die Unzulänglichkeit des Unternehmens und nicht als Mittel einer Tarifauseinandersetzung“ sehen, befürchten sie. „Auch könnte das in der Vergangenheit schon spürbar gewachsene Aggressionspotenzial gegenüber den Kolleginnen und Kollegen eine weitere Eskalationsstufe erreichen.“ Zuletzt hatte Weselsky betont, auch die Berliner S-Bahn solle bestreikt werden. Immerhin soll bei der Fahrgast-Information in diesem Jahr aber vieles besser werden. 12,5 Millionen Euro investiert das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn bis Ende 2011 in neue elektronische Anzeigetafeln und Beschallungssysteme. Weitere Millionen kommen von der Konzerntochter DB Station&Service. Das kündigte am Dienstag Dominik Schäfer, bei der S-Bahn verantwortlich für das Betriebs- und Informationssystem, an. Bis Jahresende sollen nach seinen Angaben 36 zusätzliche Bahnhöfe mit den blauen LCD-Anzeigern ausgestattet werden, die über die genaue Abfahrtszeit und die Wagenzahl der nächsten Züge informieren. 34 Bahnhöfe im Randbereich des Netzes sollen sogenannte „dynamische Schriftanzeiger“ erhalten, die Störungen, Ausfälle oder Verspätungen anzeigen. Die Einfach-Variante soll dort eingesetzt werden, wo nur eine Linie verkehrt und die Endbahnhöfe nicht wechseln. Nur am Bahnhof Warschauer Straße und den Ost-West-Bahnsteigen am Ostkreuz dauert es länger, bis die Fahrgäste von der modernen Technik profitieren können. Erst wenn der Umbau abgeschlossen ist, voraussichtlich 2016, werden auch dort die neuen Informationssysteme installiert. Fahrgast auf dem U-Bahnhof Lichtenberg ins Koma geprügelt 30-Jähriger in Lebensgefahr – Vier Jugendliche festgenommen Video-Aufnahmen führen auf die Spur der mutmaßlichen Täter T MICHAEL BEHRENDT BERLIN V ier Jugendliche haben einen 30Jährigen bei einem Raubüberfall im Berliner U-Bahnhof Lichtenberg lebensgefährlich verletzt. Das Opfer wurde so schwer zusammengeschlagen, dass der Mann im Koma liegt. Die Ärzte fürchten schwere bleibende Schäden bei dem Patienten. Am Dienstag konnte die 2. Mordkommission vier Tatverdächtige im Alter zwischen 14 und 17 Jahren festnehmen Gegen sie wird wegen versuchten Raubmordes und gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der 30 Jahre alte Maler und ein gleichaltriger Kollege waren am Freitag nach einem Lokalbesuch gegen 23.50 Uhr auf dem Heimweg, als sie auf dem Bahnsteig von den vier Jugendlichen angegriffen Sudoku In jeder Zeile, Spalte und in jedes 3x3-Feld muss jede Zahl von 1 bis 9 genau einmal eingetragen werden. Auflösungen der letzten Rätsel + wurden. Während der Kollege leicht verletzt flüchten konnte, wurde der 30-Jährige mit „äußerster Brutalität zusammengeschlagen und -getreten“, teilte die Polizei mit. Die Täter raubten danach persönliche Gegenstände des Opfers und flüchteten. Passanten entdeckten wenig später den Mann, der bewusstlos auf dem Bahnsteig lag, und riefen Polizei und Feuerwehr. Ein Rettungswagen brachte das Opfer in ein nahe gelegenes Krankenhaus. Im Laufe des Sonntags verschlechterte sich der Zustand des 30-jährigen Komapatienten so dramatisch, dass die Ärzte mit dem Schlimmsten rechneten. Inzwischen habe sich der Zustand stabilisiert, der Mann schwebe jedoch weiter in Lebensgefahr. Wie diese Zeitung erfuhr, soll er durch die Schläge und Tritte schwerste Schädel- und Hirnverletzungen erlitten haben. „Sollte er jemals wieder erwachen, wird er wahrscheinlich schwer behindert sein“, so ein Polizeibeamter. Bei den Ermittlungen stützten sich die Beamten der Mordkommission auf die Aufzeichnungen der Überwachungskameras, auf denen die Täter gut zu erkennen sind. Sie zeigten Kopien davon den Beamten der für Lichtenberg zuständigen Kriminalpolizei. Dabei erinnerte sich ein Ermittler an einen Jungen, den er vor drei Jahren bei einer Präventionsveranstaltung an einer Lichtenberger Schule kennengelernt hatte. Ein Gespräch mit dem Rektor wenig später führte zur Identifizierung eines 17 Jahre alten Kenianers, der gestern Mittag in der Schule festgenommen wurde. Im Laufe des Tages ermittelte die 2. Mordkommission mit Hochdruck weiter und startete auch eine Öffentlichkeitsfahndung, durch die erstmals über den Fall informiert wurde. Bis 16.30 Uhr konnten die Ermittler alle vier Tatverdächtigen stellen. Unter den weiteren Festgenommenen sind ein Iraker und ein Mann aus dem Kosovo. Zunächst wurde der 17-jährige Kenianer vernommen.