Kleine Anfrage Antwort LANDTAG RHEINLAND
Transcrição
Kleine Anfrage Antwort LANDTAG RHEINLAND
LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 14. Wahlperiode Drucksache 14/ 09. 11. 2005 4633 Kleine Anfrage der Abgeordneten Marlies Kohnle-Gros (CDU) und Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport Softair-Waffen Die Kleine Anfrage 2743 vom 14. Oktober 2005 hat folgenden Wortlaut: In diesen Tagen erreichen Werbeprospekte z. B. über Versandhäuser die Haushalte, in denen so genannte Softair-Waffen unter der Überschrift „Softair – the cool game“ angeboten werden. Bereits ab 14 Jahre dürfen Jugendliche diese täuschend echt aussehenden Softair-Waffen (etwa Kalaschnikows, israelische Utzis oder Nato-Sturmgewehre) besitzen und nutzen. In einem Werbeprospekt heißt es: „Softair-Waffen verschießen statt Diabolos oder Stahlkugeln leichte Kunststoffgeschosse. Leichte Geschosse benötigen weniger Antriebsenergie. Weniger Energie = Mehr Sicherheit!“ Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der bundesweite Stand zur Diskussion über den Handlungsbedarf bei dieser Problematik? 2. Welche Haltung vertritt die Landesregierung? 3. Hat die rheinland-pfälzische Polizei bereits Vorfälle mit solchen Waffen (z. B. beim Gebrauch in der Öffentlichkeit) registriert? 4. Wie viele Straftaten, die unter Einsatz von so genannten Softair-Waffen als Tat- bzw. Drohmittel ausgeführt wurden, so z. B. Schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. b StGB, sind in den Statistiken der Landesverwaltung für das Jahr 2004 registriert? 5. In wie vielen Fällen wurde in den letzten fünf Jahren das Mitführen von Softair-Waffen durch Schüler (bitte auflisten nach Jahren und Schule) in die Schule festgestellt? 6. In wie vielen Fällen kam es in den letzten fünf Jahren zu welchen Verletzungen von Personen durch Softair-Waffen? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. November 2005 wie folgt beantwortet: Das Waffengesetz von 1976 sah umfassende Umgangsverbote für Schusswaffen vor, die ihrer äußeren Form nach den Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe hervorrufen, ebenso für Nachbildungen von Kriegswaffen und unbrauchbar gemachte, ehemalige vollautomatische Kriegswaffen. Dieses so genannte „Anscheinswaffen-Verbot“ wurde im Zuge der Novellierung des Waffenrechts 2002 unter Federführung des Bundesministeriums des Innern, nicht zuletzt auch aufgrund einschlägiger Forderungen seitens der für die Einstufung und Abgrenzung solcher Waffen zuständigen Kriminalämter des Bundes und der Länder sowie auch der einschlägigen Interessenverbände (aus der Wirtschaft, einzelne Schießsport- und Waffensammlerverbände) aufgegeben. Der in diesem Zusammenhang entstandene Verwaltungs- und Begutachtungsaufwand war erheblich, selbst nach langjähriger Rechtsprechungspraxis konnte bis zuletzt dem Bestimmtheitsgebot oftmals nur unzureichend Rechnung getragen werden; demgegenüber waren relevante Auswirkungen auf die Belange der Inneren Sicherheit nicht zu verzeichnen. Seit In-Kraft-Treten des neuen Waffengesetzes ist festzustellen, dass Industrie und Handel intensiv nach neuen Absatzmöglichkeiten gerade auch im Bereich der nicht erlaubnispflichtigen Modell- und Spielzeugwaffen suchen und eine entsprechend offensive Marketingkampagne speziell auch bezüglich so genannter „Softair-Waffen“ betreiben. Softair-Waffen kann man allgemein – und dies schon unter den Vorgaben des alten Waffengesetzes – den Druckluftwaffen mit einer relativ geringen Geschoss-Energie von unter 0,5 Joule zuordnen. Im Sinne des neuen Waffengesetzes dürfen Druckluft-, Gasdruck- oder Federdruckwaffen, welche Geschosse Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22, Dezember 2005 Drucksache 14/ 4633 Landtag Rheinland-Pfalz – 14. Wahlperiode mit einer Bewegungsenergie von mehr als 0,08 Joule bis maximal 7,5 Joule verschießen, grundsätzlich nur von volljährigen Personen erworben werden. Schusswaffen unter 0,08 Joule gelten als Spielzeug, sofern sie nicht „getreue Nachahmungen“ sind. Das Bundeskriminalamt, welches in Zweifelsfällen nunmehr bundesweit verbindlich darüber entscheidet, ob und wie ein Gegenstand waffentechnisch einzustufen ist, hat am 18. Juni 2004 per Feststellungsbescheid die Energiegrenze für Spielzeugwaffen faktisch auf 0,5 Joule heraufgesetzt. Dieser Feststellungsbescheid war mit dem Bundesministerium des Innern abgestimmt und wurde mit der Beseitigung einer Diskrepanz zwischen deutschem Waffenrecht und europäischem Spielzeugrecht, die zu einem unzulässigen Handelshemmnis geführt hätte, begründet. Bereits durch Feststellungsbescheid vom 3. Mai 2004 hat das Bundeskriminalamt für Spielzeugwaffen den Begriff der „getreuen Nachahmung von Schusswaffen“ definiert. Danach werden Spielzeugwaffen nur dann als getreue Nachahmungen einer „echten“ Schusswaffe angesehen, „wenn sie ihrem äußeren und inneren Erscheinungsbild (Vorhandensein baulicher Komponenten einer solchen Schusswaffe bis in ihren inneren Mechanismus hinein, z. B. durch Lademechanismus für Patronen und patronenähnliche Gegenstände) sowie ihren Maßen nach einer echten Schusswaffe täuschend ähnlich sehen“, also nahezu originalgetreu, aber nicht mit „scharfer“ Munition schussfähig sind. Nachahmungen von Schusswaffen, die nicht unter die vorgenannte, enge Definition fallen, unterliegen folglich nicht dem Waffengesetz und können daher auch von Minderjährigen erworben werden, soweit die Geschosse (i. d. R. 5 mm große Plastikkügelchen) eben nur mit weniger als 0,5 Joule beschleunigt werden. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtslage nach dem Waffengesetz von 1976. Die Polizeiliche Kriminalstatistik beinhaltet keine eigene Schlüsselzahl für Verstöße im Zusammenhang mit Softair-Waffen. Es wird lediglich die Verwendung von Schusswaffen statistisch erfasst, eine Unterscheidung nach Waffenarten erfolgt nicht. Vor diesem Hintergrund kann sich die Beantwortung der Fragen 3 bis 6 nur auf die in den polizeilichen Informationssystemen vorhandenen Daten stützen. Aufgrund der einschlägigen Regelungen des Datenschutzes beträgt die Aufbewahrungszeit für die der Anfrage zugrunde liegenden Fälle, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, 36 Monate. Somit können nur Angaben zu den Jahren 2002 bis 2004 gemacht werden. Wegen der unvollständigen Daten des Jahres 2005 und der damit einhergehenden mangelnden Aussagekraft wurden diese nicht berücksichtigt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1.: Bereits seit Sommer 2004 ist das Bundesministerium des Innern gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt und anderen Bundesressorts bemüht, eine alle Belange berücksichtigende Lösung zu erreichen. Seitens der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wurde im März 2005 ein Antrag zum „Verbot des Führens von Anscheinswaffen“ eingebracht (Bundestagsdrucksache 15/5106 vom 15. März 2005). Auch seitens der Länder wurden restriktivere gesetzliche Regelungen hinsichtlich des Führens besagter Anscheinswaffen gefordert. Der in diesem Zusammenhang formulierte Prüfauftrag der Innenministerkonferenz vom 24. Juni 2005 unterscheidet zwischen so genannten Spielzeugwaffen (Verwechselung mit Kriegs-, aber auch anderen Schusswaffen) und echten Schusswaffen, die den Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe hervorrufen. Der Bundesminister des Innern soll hierzu bis zur nächsten Innenministerkonferenz einen einschlägigen Prüfbericht vorlegen. Zu 2.: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich in diesem Jahr bereits wiederholt in Sitzungen des Ministerrats mit dieser Problematik befasst und sieht grundsätzlich Handlungsbedarf. Aus der erhöhten Nachfrage nach möglichst exakten Waffen-Imitaten (gerade auch von vollautomatischen Einsatzwaffen des Militärs und der Polizei) kann unter gewissen Umständen durchaus ein Bedrohungspotential resultieren. Die Problematik „Anscheinsgefahr“ besteht allerdings dem Grunde nach schon seit jeher; eine Fehleinschätzung („Spielzeug, nicht Waffe“ oder umgekehrt) kann bei Laien, aber auch bei Polizisten in Stress-Situationen, auf Entfernung und vor allem bei Dunkelheit, praktisch mit jedem Gegenstand entstehen. Ein generelles Verbot von sämtlichen Gegenständen, die wie echte Waffen aussehen oder mit solchen verwechselt werden können (Wasserpistolen, Zündblättchenrevolver etc.), stünde jedoch außer Verhältnis zur bestehenden Erlaubnispflicht bei echten Schusswaffen. In der gegenwärtigen Diskussion muss allerdings auch darauf geachtet werden, dass es nicht durch unverhältnismäßige oder ungenaue Verbotsregelungen zu einer unbegründeten Kriminalisierung von Kindern, Jugendlichen oder deren Eltern kommt. Die sehr komplexe Problematik kann leider nicht allein mit restriktiven Verboten des Waffenrechts gelöst werden. Das Waffengesetz selbst kann nur den Umgang mit Waffen erfassen. Sofern es sich tatsächlich und rechtlich um Spielzeug handelt, müssen ergänzend auch über andere Rechtsbereiche (Jugendschutz, Produktsicherheits- und Spielzeugrecht, Gewerberecht etc.) Lösungen erarbeitet werden. Dem Missbrauch gerade solcher, eigentlich für das gefahrlose Schießen auf Zielscheiben konzipierten Softair-Waffen in der Form, dass damit grober Unfug durch das Führen in der Öffentlichkeit, Bedrohungen oder das – meist dennoch spielerisch begründete – Beschießen von Menschen betrieben wird, kann nicht nur mit einer bloßen Gesetzesverschärfung begegnet werden. Hier müssen auch Eltern und Pädagogen eine kritische Aufklärungsarbeit leisten. Eine Mitnahme solcher Gegenstände in die Schulen und andere öffentliche Einrichtungen muss jedenfalls unterbleiben, hier müssen die Schul- und Hausordnungen problemorientiert Einhalt gebieten und konsequent umgesetzt werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 14.Wahlperiode Drucksache 14/ 4633 Ein sanktioniertes Verbot des Führens solcher Spielzeug- bzw. Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit könnte aber gegebenenfalls mithelfen, die Missbrauchszahlen und etwaige Verwechselungsgefahren zu reduzieren. Abhängig von der weiteren Entwicklung auf Bundesebene hat sich die rheinland-pfälzische Landesregierung eine entsprechende Gesetzesinitiative vorbehalten bzw. würde eine solche auch unterstützen. Vor diesem Hintergrund wird dem für die nächste Innenministerkonferenz angekündigten Prüfbericht des Bundesministers des Innern mit Interesse entgegengesehen. Zu 3.: Ja. In den Jahren 2002 bis 2004 stellte die Polizei durchschnittlich 100 Softair-Waffen im Jahr sicher und leitete sie dem Landeskriminalamt zur kriminaltechnischen Begutachtung (insbesondere zur Prüfung der maximalen Geschoss-Energie) zu. Anlass der Sicherstellungen waren sowohl Fälle des Besitzes als auch Fälle, in denen die Waffen in der Öffentlichkeit geführt wurden. So waren bereits das schlichte Mitführen der Waffen auf offener Straße oder das Anbieten auf einem Flohmarkt aufgefallen. Es wurden auch Sachverhalte angezeigt, in denen gleich mehrere Personen mit ihren Waffen im Gelände oder an sonst frei zugänglichen Orten spielten bzw. Schießübungen abhielten. Ferner wurden Fälle angezeigt, in denen andere Personen von zumeist Minderjährigen bedroht wurden bzw. sich bedroht fühlten oder gar beschossen wurden. Zu 4.: Von den sichergestellten Softair-Waffen, die dem Landeskriminalamt im Jahr 2004 zur kriminaltechnischen Untersuchung zugeleitet wurden, waren 23 Waffen als Tat- oder Drohmittel bei Straftaten eingesetzt worden. Davon fanden nur zwei bei einem Raubdelikt Verwendung. Mit den anderen Softair-Waffen wurden im Wesentlichen Bedrohungen, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen begangen. Zu 5.: Für die Jahre 2002 bis 2004 wurden die nachfolgend aufgelisteten 36 Fälle des Mitführens einer Softair-Waffe in die Schule bekannt: Jahr Fallzahl 2002 2002 2002 2002 2002 2002 2002 2002 2002 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2 2 1 3 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 2 1 Schule Hauptschule Hermeskeil Hauptschule Prüm Schule Guntersblum Barbarossaschule Kaiserslautern Schule, Mühlaustraße, Ludwigshafen Berggartenschule Siershahn Realschule am Römerkastell Bad Kreuznach Hauptschule Westerburg Hauptschule Altendiez Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun Sonderschule Zell Realschule Zell Hauptschule Bitburg Berufsbildende Schule Simmern Römerwallschule Rheinbrohl Hauptschule Westerburg Schule Götzenfelsstraße, Bad Münster a. St./E. Regionalschule Kirchheimbolanden Berufsbildende Schule Hermeskeil Goethehauptschule Koblenz-Lützel Hauptschule Kirn Franz-von-Sickingen-Schule, Bad Münster a. St./E. Weierhof-Heimschule Bolanden Hauptschule Bad Sobernheim Hauptschule Zweibrücken In je einem weiteren Fall wurde ein Mitführen einer Softair-Waffe auf dem Schulweg und an einer Schulbushaltestelle und in zwei weiteren Fällen im Schulbus festgestellt. 3 Drucksache 14/ 4633 Landtag Rheinland-Pfalz – 14. Wahlperiode Zu 6.: Insgesamt wurden in den Jahren 2002 bis 2004 in 24 Fällen Personen durch Softair-Waffen verletzt. Dabei wurden 21 Waffen kriminaltechnisch untersucht. Die jeweilige Waffen-Sprengstoff-Meldung enthält dabei in der Regel nur in allgemeiner Form Angaben zu erlittenen Verletzungen. Jahr Ort Verletzung 2002 2002 2002 2002 2002 2002 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2004 Ingelheim Kaiserslautern Bad Bergzabern Germersheim Bad Kreuznach Bad Ems Bad Münster a. St./E. Rüdesheim Höhr-Grenzhausen Kirchheimbolanden Kell am See Herdorf Worms Hergenroth Diez Koblenz Haßloch Hermeskeil Berg (Pfalz) Trier Wörth am Rhein Bolanden Lahnstein Cochem Rückenprellung Prellungen und Rötungen am Bein Geschoss gelangte ins Ohr und musste von einem Arzt entfernt werden Verletzung am Auge leichte Verletzung am Oberschenkel drei Kinder verletzt, Hämatome an Händen und Unterschenkel Hautrötung und leichtes Hämatom Hämatome bei zwei Kindern Verletzung am unteren Augenlid leichte Verletzung an der Hand Verletzungen vorhanden, Näheres nicht bekannt mehrere Kinder leicht verletzt leichte Verletzung im Rückenbereich zwei im Bus mitfahrende Schüler verletzt Rötung auf der Haut Verletzung vorhanden, Näheres nicht bekannt mehrere Kinder leicht verletzt Verletzung am Oberschenkel am Hinterkopf, Gesäß und Rücken getroffen am rechten Ohr getroffen ins Auge getroffen Verletzung neben dem Auge Netzhautschädigung beim Opfer leichtes Hämatom Karl Peter Bruch Staatsminister 4