Perspektiven_Juli_2015 [Kompatibilitätsmodus]
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Perspektiven_Juli_2015 [Kompatibilitätsmodus]
Investmentstrategie Perspektiven Juli 2015 Erholung im Euroraum: Strohfeuer oder nachhaltiger Aufschwung? Die Politik ist gefordert! Privater Verbrauch treibt das Wachstum Gesunkener Ölpreis lässt Realeinkommen kräftig steigen Investitionen entscheiden über mittel- bis langfristigen Konjunkturausblick Konjunktureller Rückenwind sollte für strukturelle Reformen genutzt werden EWU-Konjunktur: Erholung setzt sich in gleichbleibendem Tempo fort Einkaufsmanagerindizes und ifo-Index mit gegenläufigen Signalen Binnennachfrage trägt das Wachstum EWU-Inflationsprognose für 2015 auf 0,3% angehoben US-Konjunktur: Wachstumsbeschleunigung nur in Teilbereichen erkennbar Arbeitsmarkt nimmt wieder Fahrt auf BIP-Prognose für 2015 leicht gesenkt Inflationsrate zieht leicht an Rentenmarkt: Griechenlandkrise hält Märkte in Atem Grexit wahrscheinlicher geworden Auswirkungen auf die Märkte sollten begrenzt bleiben EZB stört sich nicht an erhöhter Marktvolatilität Aktienmarkt: Langfristig bleiben wir optimistisch Aktionäre rund um den Globus reagieren nervös Fundamentale Fakten werden wieder in den Fokus rücken Hoffen auf das 2. Halbjahr Investmentstrategie Seite 1 Perspektiven Juli 2015 Team Investmentstrategie Dr. Marco Bargel Chefinvestmentstratege [email protected] Heinrich Bayer [email protected] Heinz-Gerd Sonnenschein [email protected] www.postbank.de Redaktionsschluss: 29.06.2015 Deutsche Postbank AG Zentrale Friedrich-Ebert-Allee 114-126 53113 Bonn Telefon: (0228)920-0 Disclaimer: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen Informationsmaterial dar, also weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapiers. Die Informationen in diesem Dokument wurden aus Daten erarbeitet, von deren Richtigkeit ausgegangen wurde; Postbank Investmentstrategie garantiert diese jedoch nicht. Die Angaben dienen ausschließlich zur Information, die dem Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll. Investmentstrategie Seite 2 Perspektiven Juli 2015 Erholung im Euroraum: Strohfeuer oder nachhaltiger Aufschwung? Die Politik ist gefordert! Privater Verbrauch treibt das Wachstum Der Euroraum befindet sich zurzeit auf einem konjunkturellen Erholungskurs. Im 1. Quartal wuchs das BIP immerhin um 0,4% gegenüber der Vorperiode. Dabei stand der Zuwachs auf einer breiten Basis. Privater Verbrauch, Staatskonsum, Bruttoanlageinvestitionen und Exporte expandierten nahezu im Gleichschritt. Allerdings bremste der Außenhandel das BIPWachstum, da die Importe noch stärker zulegten als die Exporte. Gleichwohl ist die Zusammensetzung als positiv zu werten, da Ausgewogenheit in der Regel auch ein klares Anzeichen für die Stabilität eines Aufschwungs ist. Wir rechnen denn auch für das zu Ende gehende und für die kommenden Quartale mit Zuwachsraten in etwa der gleichen Größenordnung. Dies dürfte dann 2015 für ein BIP-Wachstum von 1,4% reichen, das sich 2016 auf 1,6% beschleunigen sollte. Bezieht man aber auch die Vorquartale mit in die Betrachtung ein, dann zeigt sich, dass die seit Mitte 2014 zu beobachtende Wachstumsbeschleunigung fast ausschließlich dem privaten Verbrauch zu verdanken ist. Übertraf dieser im 2. Quartal 2014 sein Vorjahresniveau noch um 0,8%, so stieg die Zuwachsrate bis zum 1. Quartal 2015 auf 1,7%. Dies ist der höchste Wert seit mehr als sieben Jahren. Auch der Staatskonsum zeigte noch eine gewisse Beschleunigung. Die Vorjahresrate erhöhte sich hier auf zuletzt 1,1% und lag damit noch leicht über der Wachstumsrate des BIP von 1,0%. Dagegen ist der Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen im gleichen Zeitraum gefallen und lag zuletzt nur bei 0,8%. Zudem ist der reale Außenbeitrag in der genannten Zeitspanne spürbar gesunken. Investmentstrategie Konsum profitiert von kräftigem Anstieg der Realeinkommen % gg. Vj. 6 6 4 4 2 2 0 0 -2 -2 -4 -4 02 04 06 08 10 12 14 Realer privater Verbrauch Verfügbares Einkommen Reales Verfügbares Einkommen Quelle: Thomson Reuters Datastream Gesunkener Ölpreis lässt Realeinkommen kräftig steigen Der deutlich überproportionale Anstieg des privaten Verbrauchs kommt ebenso wenig von ungefähr, wie die Auswahl unserer Vergleichszeiträume 1. Quartal 2015 vs. 2. Quartal 2014. Ziemlich exakt zur Jahresmitte 2014 setzte nämlich der massive Rückgang der Ölnotierungen ein, der den Preis für ein Fass der Sorte Brent von 110 US-Dollar auf bis zu 45 US-Dollar im Januar 2015 fallen ließ. Dies führte zu einem beschleunigten Anstieg der Realeinkommen der privaten Haushalte, der zu Beginn dieses Jahres mit geschätzten 2,0% im Vorjahresvergleich einen Wert erreichte, der innerhalb der letzten zwölf Jahre nur von Mitte 2006 bis Mitte 2007 übertroffen wurde. Kein Wunder also, dass der private Verbrauch eine Rally hingelegt hat, die noch vor Jahresfrist in dieser Form überhaupt nicht zu erwarten war. Hier schließt sich dann allerdings die Frage an, ob der private Verbrauch die derzeitige Dynamik halten kann. Skepsis ist angebracht. Der Ölpreiseffekt wird nämlich, selbst bei konstanten Ölnotierungen, im weiteren Verlauf dieses Jahres auslaufen und im Zusammenspiel mit Nachlaufeffekten der Euro-Abwertung zu einem markanten Anstieg der EWU-Inflationsrate führen. Diese dürfte von durchschnittlich -0,3% im 1. Quartal 2015 auf 1,7% im 1. Quartal Seite 3 Perspektiven Juli 2015 Anlageinvestitionen bestimmen den Trend am Arbeitsmarkt Besserung am Arbeitsmarkt spricht für Aufwärtstrend bei den Löhnen Prozent 13 % gg. Vj., invers 1,0 nom., in % d. BIP Prozent, invers 7 23 12 8 1,5 11 2,0 10 2,5 9 22 9 21 10 8 3,0 20 7 3,5 19 11 12 02 04 06 08 10 12 14 16 EWU-Al.-Quote (li. S.) Lohn je Arbeitnehmer (re. S.) 02 04 06 08 10 12 14 EWU-Investitionsquote (li. S.) EWU-Arbeitslosenquote (re.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Quelle: Thomson Reuters Datastream 2016 steigen. Ohne eine Beschleunigung des Zuwachses der nominalen Einkommen würde dies das Wachstum der Realeinkommen zumindest zwischenzeitlich in etwa auf Stagnation drücken. Verbesserungen festzustellen. So hat die EWU-Arbeitslosenquote bereits im Juni 2013 mit 12,1% ihren Höhepunkt überschritten und ist seitdem kontinuierlich auf zuletzt 11,1% gefallen, wobei sich der Rückgang seit der letzten Jahreswende spürbar verstärkt hat. Hierin zeigen sich vor allem die positiven Auswirkungen der Belebung des privaten Konsums sowie der verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen infolge der Euro-Abwertung, die jeweils zu einer Zunahme der Nachfrage nach Arbeitskräften geführt haben. Grundsätzlich könnte dem staatlicherseits durch Erleichterungen bei der Einkommensteuer, durch Absenkungen von Verbrauchssteuersätzen oder Sozialversicherungsbeiträgen sowie einer Steigerung der monetären Sozialleistungen entgegengesteuert werden. Dies scheidet aber in den meisten EWU-Mitgliedsländern aufgrund der vielfach immer noch angespannten Haushaltslage aus. Da auch seitens der Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen keine großen Sprünge zu erwarten sind, bleibt als realistische Möglichkeit zur Steigerung der Realeinkommen lediglich ein beschleunigter Zuwachs der Lohn-und Gehaltseinkommen. Letzterer könnte wiederum aus zwei Quellen gespeist werden. Einerseits wäre es möglich, dass sich der Zuwachs bei den Lohn- und Gehaltseinkommen je Arbeitnehmer verstärkt. Zwar gibt es hier erste vorsichtige Anzeichen einer allmählichen Verbesserung. Rasche Fortschritte sind aber angesichts der immer noch hohen Arbeitslosigkeit in den meisten Mitgliedsländern nicht zu erwarten. Damit bleibt als letzte Möglichkeit ein spürbarer Anstieg der Beschäftigung, der dann auch mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit einherginge. Auf diesem Feld sind bereits klare, wenn auch zumeist noch als sehr unbefriedigend aufgenommene Investmentstrategie Investitionen entscheiden über mittelbis langfristigen Konjunkturausblick Dies reicht aber noch nicht aus, um einen dauerhaften Aufschwung am Arbeitsmarkt zu etablieren. Mittel- und langfristig wird dessen Entwicklung von den Bruttoanlageinvestitionen dominiert. Steigt deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt, sinkt die Arbeitslosigkeit, geht der Anteil zurück, nimmt sie zu. Über ihren Einfluss auf die Beschäftigung und damit auch den privaten Verbrauch wird letztlich die Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen darüber entscheiden, ob sich die derzeitige, vom Ölpreis angetriebene Konjunkturerholung lediglich als Strohfeuer erweist, das von einem kraftlosen Dahinplätschern der Wirtschaftsleistung abgelöst wird, oder ob diese Erholung in einen dauerhaften, sich selbst tragenden Aufschwung übergeht. Bislang ist auf EWU-Ebene noch nicht klar zu erkennen, wohin die Reise geht. Die Seite 4 Perspektiven Juli 2015 Frankreich leidet unter einem Rückgang der Investitionen nom., in % d. BIP 24 Trendwende in Italien greifbar nah, aber noch sehr viel Nachholbedarf Prozent, invers 6 24 7 23 23 8 22 9 22 10 21 21 11 02 04 06 08 10 12 14 Franz. Investitionsquote (li. S.) Franz. AL-Quote (re.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream Investitionen haben zwar ihren Tiefpunkt, was das absolute Niveau betrifft, schon vor über zwei Jahren durchschritten, eine kraftvolle Erholung ist aber noch nicht zu erkennen. Der detailliertere Blick auf die größten vier Mitgliedsländer zeigt zudem sehr verschiedene Ausgangslagen, aber auch wo derzeit die größten Herausforderungen und damit auch Lösungsansätze liegen. Vergleichsweise komfortabel ist die Situation in Deutschland. Die Investitionsquote liegt derzeit in etwa auf ihrem Durchschnittsniveau seit der Jahrestausendwende. Zudem ist ein niedriges und derzeit auch noch weiter rückläufiges Niveau der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Gleichwohl wäre ein Anstieg der Investitionen zu begrüßen, um den Aufschwung abzusichern und ihm zusätzliche Schwungkraft zu verleihen. Hierzu sollten dann auch zusätzliche staatliche Investitionen gehören, da Deutschland hinsichtlich seiner Infrastruktur seit einiger Zeit in Teilbereichen auch von der Substanz lebt. Allerdings hätte ein Anstieg der Investitionsquote aufgrund zunehmender Engpässe am Arbeitsmarkt wohl nur noch geringe Auswirkungen auf die Beschäftigung. Eher wäre damit zu rechnen, dass sich der Auftrieb bei den Löhnen und Gehältern verstärken würde, was aber ebenfalls zu einem zusätzlichen Impuls für den privaten Verbrauch führen würde. Zudem hätte dies den angenehmen Nebeneffekt, dass sich über eine steigende Binnennachfrage die Importe beleben würden, was zu einem Investmentstrategie partiellen Abbau der Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen innerhalb der EWU beitragen würde, wovon die anderen Länder dann profitieren würden. Vielversprechend ist die Entwicklung in Spanien. Die Konjunktur befindet sich in einem ansehnlichen Aufschwung. Nach einer ersten Schätzung der Bank von Spanien übertraf das BIP im 2. Quartal sein Vorjahresniveau um 3,1%. Besonders erfreulich ist dabei, dass die Erholung mittlerweile von den Bruttoanlageinvestitionen angeführt wird. Im 1. Quartal war deren Wachstumsrate mit 6,0% doppelt so hoch, wie die des BIP insgesamt. Bei gleichzeitig spürbarer Besserungstendenz am Arbeitsmarkt und beim privaten Verbrauch hat die Konjunktur bereits eine Eigendynamik entwickelt, und die Voraussetzungen für eine Fortsetzung sind positiv. Der größte Hemmschuh für ein weiterhin kräftiges Wachstum der Investitionen oder gar eine weitere Beschleunigung dürfte derzeit noch der beschränkte Zugang zu Krediten sein. Dieses Problem könnte sich aber im Zuge einer fortschreitenden Konjunkturerholung und einer sich damit verbessernden Bonität der Unternehmen zumindest teilweise von selbst erledigen. In Italien zeichnet sich eine sehr zaghafte Verbesserung des Investitionstrends ab. Von einer Trendwende kann aber noch keine Rede sein. Ein positiver Impuls für die Konjunktur im Allgemeinen aber auch für die Investitionen im Speziellen könnte über die Euro-Abwertung kommen, da die Preissensibilität der Nachfrage nach Seite 5 Perspektiven Juli 2015 italienischen Produkten sehr hoch ist. Dies sollte jedoch lediglich ausreichen, um für einen begrenzten und zudem auch nur temporären Schub bei den Investitionen zu sorgen. Auf längere Sicht leidet Italien unter einem erheblichen Reformstau, insbesondere in den Bereichen Arbeitsmarkt und Rentensystem, sowie unter einer Bürokratie, die die wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere auch die Investitionstätigkeit grundlegend lähmt. Die Voraussetzungen, dass die derzeitige oder auch zukünftige Regierungen immer wieder vorgebrachte Reformvorhaben auch durchsetzen kann, haben sich durch die jüngste Wahlrechtsreform verbessert. Bevor diese umgesetzt werden und ihre positive Wirkung auf das Wachstum entfalten können, dürfte aber noch einige Zeit vergehen. Ein spezieller Fall ist Frankreich. Dort hatten sich die Investitionen nach der großen Rezession anders als in der EWU insgesamt zunächst rasch erholt, was auch mit einem gewissen Rückgang der Arbeitslosenquote einherging. Treiber dieser Entwicklung waren aber fast ausschließlich die besonderen Finanzierungsbedingungen. So wird die französische Wirtschaft von Großunternehmen dominiert, die ihre Investitionen zu einem erheblichen Anteil über die Emission von Anleihen finanzieren. Aufgrund der deutlich gesunkenen Kapitalmarktzinsen kam die französische Wirtschaft in den Genuss sehr günstiger Konditionen für die Fremdfinanzierung, während viele Unternehmen in anderen Teilen des Euroraums unter dem begrenzten Zugang zu Bankkrediten litten. Der hiervon ausgehende Impuls erwies sich aber als kurzlebig. Seit nunmehr fast drei Jahren befindet sich die französische Investitionsquote im Sinkflug. Dabei hat sich der Abwärtstrend in den letzten Quartalen noch beschleunigt. Auch in absoluter Betrachtung verzeichnet Frankreich einen Rückgang der Investitionen. Auch wenn das französische BIP im 1. Quartal dank eines Schubs bei den privaten Konsumausgaben erstmals seit längerer Zeit wieder deutlich gewachsen ist, ist eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung unter diesen Umständen weit entfernt. Vielmehr droht Frankreich Investmentstrategie mittel- bis langfristig in seiner Entwicklung hinter den Rest des Euroraums zurückzufallen. Die Ursachen hierfür liegen recht klar auf der Hand. Die französische Regierung hat sich zu lange auf die trügerische Stärke der Wirtschaft des Landes verlassen und auf die Umsetzung grundlegender struktureller Reformen weitgehend verzichtet. Dies rächt sich jetzt. Der Reformstau müsste dringend aufgelöst werden, um zu verhindern, dass sich Frankreich zum „Kranken Mann Europas“ entwickelt. Konjunktureller Rückenwind sollte für strukturelle Reformen genutzt werden Vor dem Hintergrund der sehr differenzierten Tendenzen in den großen Mitgliedsländern sehen wir die ökonomischen Perspektiven des Euroraums über das Jahr 2016 hinaus als sehr unsicher an. Dabei besteht durchaus die Chance, dass die Impulse, die derzeit von dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Euro und der extrem expansiven Geldpolitik ausgehen, in einen dauerhaften, sich selbst tragenden Aufschwung übergehen. Der Weg dorthin wird aber nicht zum Selbstläufer. Vielmehr dürfte hierbei der Verbesserung der Investitionsbedingungen eine wichtige Rolle zukommen. Die Frage, ob sich die derzeitige Konjunkturerholung in der EWU als Strohfeuer oder als dauerhaft erweist, dürfte letztlich in Frankreich und Italien entschieden werden. Beide Länder nutzen seit längerer Zeit ihr Potenzial bei weitem nicht aus und hemmen damit als ökonomische Schwergewichte die Entwicklung des gesamten Euroraums. Es wäre daher von essenzieller Bedeutung, wenn der derzeitige konjunkturelle Rückenwind nicht als Grund missbraucht würde, Strukturreformen aufzuschieben, sondern als Chance genutzt würde, diese anzuschieben. Dies bietet sich nicht zuletzt deshalb an, da soziale Härten, die im Zuge von Strukturreformen oft nicht ganz zu vermeiden sind, in Aufschwungphasen besser abgefedert werden können. Heinrich Bayer Seite 6 Perspektiven Juli 2015 EWU-Konjunktur: Erholung setzt sich in gleichbleibendem Tempo fort Einkaufsmanagerindizes und ifo-Index mit gegenläufigen Signalen Die EWU-Einkaufsmanagerindizes für Juni überraschten positiv. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe stieg um 0,3 auf 52,5 Punkte, der Index für den Servicesektor sogar um 0,6 auf 54,4 Punkte, womit er ein Vier-Jahres-Hoch erreichte. Eine vergleichbare Entwicklung nahmen auch die deutschen PMIs. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe kletterte von 51,1 auf 51,9 Punkte, der Serviceindex von 53,0 auf 54,2 Punkte. Nachdem beide in den beiden Vormonaten recht deutlich nachgegeben hatten, ist dies als besonders erfreulich zu werten, da die aktuellen Verbesserungen untermauern, dass sich der konjunkturelle Aufschwung fortsetzen sollte. Dagegen ist der ifo-Geschäftsklimaindex im Juni von 108,5 auf 107,4 Punkte gefallen. Dies resultierte sowohl aus einer weniger positiven Einschätzung der aktuellen Lage, als auch einer skeptischeren Bewertung der Aussichten für die kommenden sechs Monate. Auffällig war dabei, dass der Stimmungsdämpfer von den stark exportorientierten Sektoren, insbesondere dem Verarbeitenden Gewerbe, ausging. Dagegen blieb der ansteigende Trend in den überwiegend auf den Binnenmarkt ausgerichteten Sektoren, abgesehen von einer leichten Korrektur im Einzelhandel, weiterhin intakt. Dies weist auf eine unverändert gut laufende Binnenkonjunktur hin, während die Exportwirtschaft durch die verhaltene Weltkonjunktur gebremst wird. Auch könnte die Zuspitzung der GriechenlandProblematik die Stimmung gedämpft haben. Vor diesem Hintergrund ist der zweite Rückgang des ifo-Geschäftsklimas in Folge nicht als Beginn einer Trendwende nach unten zu werten, zumal die bisher gesehenen Abschläge doch eher moderat sind. Überdies fielen die ´harten` deutschen Konjunkturdaten zuletzt positiv aus. Die Auftragseingänge legten gegenüber dem Vormonat um 1,4% zu, die Industriepro- Investmentstrategie Verhaltener Aufwärtstrend in der EWU-Industrie bleibt intakt % gg. Vj. 3 Index 0 -2 -4 -6 -8 -10 -12 -14 -16 -18 2 1 0 -1 -2 -3 -4 2012 2013 2014 EWU-Industrieproduktion (li. S.) EWU-Industrievertrauen (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream duktion um 0,9%. Auch der deutsche Außenhandel entwickelte sich im April unerwartet positiv. Die Exporte stiegen gegenüber März um 1,9%, während die Importe um 1,3% nachgaben. In der Folge stieg der saisonbereinigte Handelsbilanzüberschuss auf 22,3 Mrd. Euro und damit auf ein neues Rekordhoch. Binnennachfrage trägt das Wachstum In der Summe weisen die ´weichen` und die ´harten` Indikatoren darauf hin, dass sich der Wachstumstrend sowohl in Deutschland als auch im Euroraum fortsetzt. Basis ist eine weiter anziehende Binnennachfrage. Dagegen ist der Außenhandel ein unsicherer Kantonist. Zwar profitieren die Exporte vom schwachen Euro. Dem stehen aber dämpfende Effekte durch die verhaltene Weltkonjunktur gegenüber. Zudem dürften spürbar steigende Importe vorläufig verhindern, dass der Außenhandel einen positiven Wachstumsbeitrag liefert. Insofern rechnen wir für den weiteren Jahresverlauf auch nicht mit einer grundlegenden Wachstumsbeschleunigung, sondern erwarten sowohl für Deutschland als auch für die gesamte EWU Quartalszuwächse in der Größenordnung von 0,4%. Dies entspricht unserer bisherigen Einschätzung, sodass unsere Wachstumsprognosen unverändert bleiben. Seite 7 Perspektiven Juli 2015 EWU-Inflationsprognose für 2015 auf 0,3% angehoben Die EWU-Inflationsrate ist im Mai überraschend deutlich von 0,0% auf 0,3% gestiegen. Zu dieser Entwicklung haben alle großen Gütergruppen beigetragen. So ließ der Abwärtsdruck seitens der Energiepreise weiter nach. Dienstleistungen verteuerten sich um 1,3% nach 1,0% im Vormonat. Die Steigerungsrate bei den Nahrungsmittelpreisen kletterte von 1,0% auf 1,2% und die von Industriegütern ohne Energie von 0,1% auf 0,2%. Die Kerninflationsrate, die ohne die Komponenten Energie, Nahrungsmittel, Tabak und Alkoholika berechnet wird, erhöhte sich von 0,6% auf 0,9%. Der Anstieg der Inflationsrate stand damit auf einer breiten Basis. Allerdings dürfte er durch die monatliche Volatilität der Preise für Reisen in einigen Ländern etwas überhöht sein. Kurzfristig könnte die Inflationsrate deshalb wieder nachgeben, worauf auch die vorläufige deutsche Inflationsrate, die im Juni von 0,7% auf 0,3% nachgegeben hat, hindeutet. Dennoch ist inzwischen klar zu erkennen, dass der grundlegende Trend die Talsohle durchschritten hat. Zudem ist noch im Verlauf dieses Jahres eine Verstärkung des Aufwärtstrends zu erwarten. Einen Schlüsselfaktor bildet dabei die importierte Inflation, die die Inflation erholt sich etwas schneller als erwartet Prozent 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 08 10 12 14 16 Inflationsrate Kerninflationsrate Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Trends in den letzten Jahren maßgeblich geprägt hat. Derzeit ist nun vor allem zu erwarten, dass der schwache Euro einen Inflationsanstieg in den kommenden Quartalen unterstützt. Dazu kommen die zu erwartenden Basiseffekte aus der Ölpreisentwicklung, die vor allem gegen Jahresende die Inflationsrate deutlich steigen lassen werden. Aufgrund der unerwartet schnellen Rückkehr der EWUInflationsrate in den positiven Bereich heben wir unsere Inflationsprognose für 2015 von 0,0% auf 0,3% an. Für 2016 rechnen wir unverändert mit einer Beschleunigung auf 1,4%. Heinrich Bayer Prognosen Postbank Deutschland Euroraum 2014 2015e 2016e 2014 2015e 2016e 1,6 1,6 1,7 0,9 1,4 1,6 Privater Verbrauch 1,1 2,1 1,0 1,0 1,7 1,6 Bruttoanlageinvestitionen Staatsverbrauch Exporte 3,3 1,1 3,8 2,8 1,7 4,7 2,7 0,4 5,0 1,0 0,6 3,7 1,8 0,9 4,3 3,0 0,4 4,9 Reales BIP (% ggü. Vj.) Importe 3,5 5,8 4,4 4,0 4,9 5,4 Außenbeitrag* 0,4 0,0 0,4 0,0 -0,1 0,1 Lagerinvestitionen* -0,3 -0,2 0,1 -0,1 0,0 0,1 Arbeitslosenquote (in %) 6,7 6,4 6,5 11,6 10,9 10,1 Inflation (in %) 0,9 0,5 2,0 0,4 0,3 1,4 Staatl. Finanzierungssaldo (in % des BIP) 0,7 0,6 0,7 -2,4 -2,1 -1,8 * Wachstumsbeiträge in % des BIP Investmentstrategie Seite 8 Perspektiven Juli 2015 US-Konjunktur: Wachstumsbeschleunigung nur in Teilbereichen erkennbar Die Erholung der US-Wirtschaft von dem schwachen 1. Quartal, in dem das BIP mit einer annualisierten Rate von 0,2% geschrumpft ist, kommt nur schleppend voran. Enttäuschend war bis zuletzt die Entwicklung in der Industrie. So fiel die Produktion im Mai um 0,2%, nachdem sie im April um 0,5% reduziert worden war. Insgesamt deuten die Produktionsdaten für April/Mai daraufhin, dass die Industrie das BIP-Wachstum im 2. Quartal erneut belastet haben sollte. Zudem machen die Auftragseingänge für langlebige Güter keine Hoffnung, dass sich die Lage kurzfristig ändern sollte. Die Aufträge ohne den schwankungsanfälligen Transportsektor zogen im Mai zwar um 0,5% gegenüber dem Vormonat an. Jedoch gaben die Aufträge insgesamt aufgrund rückläufiger Flugzeugbestellungen um 1,8% nach. Zudem wurden die Ordereingänge für April in beiden Abgrenzungen deutlich nach unten korrigiert. In der Summe hat sich damit die Auftragslage nach einem schwachen Winter noch nicht verbessert. Rückgang der Arbeitslosenquote sollte sich fortsetzen Überraschend positiv entwickelten sich dagegen die Einzelhandelsumsätze. Sie nahmen im Mai mit einer Zunahme um 1,2% gegenüber April deutlich Fahrt auf. Dabei stand die Verbesserung auf einer breiten Basis. Die erwarteten und erhofften Nachholeffekte nach einem witterungsbedingt schwachen Winter scheinen damit mit Verzögerung endlich in Gang gekommen zu sein. Der Schub bei den Einzelhandelsumsätzen deutet zudem darauf hin, dass sich das Wachstum des privaten Verbrauchs im 2. Quartal insgesamt wieder verstärkt haben sollte. Unter-mauert wird dies durch die Ausweitung der realen privaten Konsumausgaben um 0,6% im Mai. Der US-Arbeitsmarktbericht für Mai zeigte einen sehr kräftigen Stellenaufbau, der zudem mit einer kumulierten Aufwärtsrevision für die beiden Vormonate einherging. Außerhalb des Agrarsektors wurden 280 Tsd. Stellen neu geschaffen, deutlich mehr als vom Markt erwartet. Dadurch stieg der 3-Monats-Durchschnitt um 5 auf 207 Tsd. Der Stellenaufbau über die letzten zwölf Monate hinweg verharrte bei 3,1 Mio. Zugleich erhöhte sich aber die Arbeitslosenquote von 5,4% auf 5,5%. Dies lag aber ausschließlich daran, dass sich mehr Personen um die Aufnahme einer Beschäftigung bemühten. Dadurch stieg zwar die Zahl der Beschäftigten um 272 Tsd., gleichzeitig aber auch die Zahl der Arbeitslosen um 125 Tsd. Wir werten dies nicht als Rückschlag, sondern lediglich als Pause innerhalb des trendmäßigen Rückgangs der Arbeitslosenquote. Hierauf deuten auch die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe hin, die sich inzwischen auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen und sich Gute Nachrichten kamen auch aus dem Bausektor. Die Zahl der Baubeginne hat sich im April/Mai im Vergleich zum 1. Quartal deutlich belebt, sodass sich das Wachstum der Wohnungsbauinvestitionen im 2. Quartal spürbar beschleunigt haben Investmentstrategie %-P. gg. Vj. 4 in Tsd. 700 3 600 2 500 1 400 0 300 -1 -2 200 00 02 04 06 08 10 12 14 US-Arbeitslosenquote (li. S.) Erstanträge auf AL-Hilfe (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream sollte. Überdies erreichten die Baugenehmigungen im Mai ihr höchstes Niveau seit fast acht Jahren, was aufgrund ihres Vorlaufcharakters auf eine anhaltend hohe Dynamik auch jenseits der Jahresmitte hindeutet. Arbeitsmarkt nimmt wieder Fahrt auf Seite 9 Perspektiven Juli 2015 dabei immer noch im Abwärtstrend befinden. Zunehmende Arbeitskosten sprechen für weiteren Anstieg der Servicepreise BIP-Prognose für 2015 leicht gesenkt In der Summe zeigen die jüngsten Daten, dass die US-Wirtschaft im Aufwärtstrend bleibt, die Dynamik aber nicht allzu hoch ist. Dies liegt nicht zuletzt an der weit unterdurchschnittlichen Entwicklung in der Industrie, die wiederum eine Folge des Verlusts an preislicher Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der kräftigen Aufwertung des Dollars ist. Dagegen scheint die Binnennachfrage wieder deutlich an Schwung zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund bleiben wir verhalten optimistisch für die US-Konjunktur. Nach einer erwarteten BIPWachstumsrate von 2,5% im 2. Quartal sollten in der 2. Jahreshälfte wieder Raten von 3% oder knapp darüber erzielt werden. Dies sollte dann auch die Basis für eine Beschleunigung des BIP-Wachstums auf rund 3% in 2016 legen, während wir für 2015 nur noch von eher mäßigen 2,2% ausgehen, nachdem wir bislang einen Zuwachs von 2,4% erwartet hatten. % gg. Vj. 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 00 02 04 06 08 10 12 14 Preise für Dienstl. ohne Energie Employment Cost Index Quelle: Thomson Reuters Datastream % ggü. Vj. 2014 Reales BIP 2,4 2,2 3,0 Privater Verbrauch 2,5 2,8 3,0 Bruttoanlageinvestitionen Staatsverbrauch Exporte 5,3 -0,2 3,2 4,9 1,1 -0,1 7,2 3,0 -1,2 Preissteigerungen in Grenzen. Die Preise für Nahrungsmittel verharrten auf dem Niveau des Vormonats. Die Kernverbraucherpreise, die ohne die Komponenten Energie und Nahrungsmittel berechnet werden, zogen lediglich um 0,1% an. Die Inflationsrate kletterte im Mai von -0,2% auf 0,0%, dagegen fiel die Kerninflationsrate von 1,8% auf 1,7%. Damit setzte sie aber ihre nunmehr bereits seit mehr als zwei Jahren anhaltende Seitwärtsbewegung fort. Innerhalb der Kernverbraucherpreise ist zudem unverändert eine gespaltene Entwicklung zu beobachten. Während die Preissteigerungsrate bei Waren immer noch negativ ist, liegt die von Dienstleistungen (jeweils ohne Energie) recht stabil bei rund 2,5%. Bei der erstgenannten Gruppe sollte sich in ansehbarer Zeit wenig ändern, da der starke Dollar der Etablierung eines Aufwärtstrends entgegen steht. Dagegen könnte sich der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen etwas verstärken, sofern sich die Steigerungstendenz bei den Arbeitskosten fortsetzen sollte. Das Risiko einer spürbaren Zunahme der Preisdynamik ist aber bislang nicht zu erkennen. Insofern rechnen wir für dieses Jahr unverändert mit einer Inflationsrate von 0,2%. Für 2016 erwarten wir zwar eine deutliche Zunahme auf 2,5%, was aber überwiegend an Basiseffekten aus der Ölpreisentwicklung liegt. Importe Außenbeitrag* 4,0 -0,2 4,8 -0,8 4,4 -0,9 Heinrich Bayer Lagerinvestitionen* 0,0 0,1 0,0 Inflation 1,6 0,2 2,5 Inflationsrate zieht leicht an Die US-Verbraucherpreise sind im Mai kräftig um 0,4% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Verantwortlich hierfür war vor allem ein Anstieg der Energiekosten um 4,3%. Ansonsten hielten sich die Prognosen Postbank USA 2015e 2016e * Wachstumsbeiträge in % des BIP Investmentstrategie Seite 10 Perspektiven Juli 2015 Rentenmarkt: Griechenlandkrise hält Märkte in Atem Anfang Juni kam es erneut zu einer starken Aufwärtskorrektur der 10-jährigen Bundrendite. Innerhalb weniger Tage stieg die Rendite dabei um rund 40 Bp auf knapp 0,9%. Zur Monatsmitte rentierten Bundesanleihen zeitweise sogar über einem Prozent, bevor die Renditen in den darauffolgenden Wochen wieder nachgaben. Treiber des Anstiegs waren starke makroökonomische Daten und ein unerwartet deutliches Anziehen der Inflation im Euroraum. Neben den Fundamentaldaten spielte für die Entwicklung am Rentenmarkt aber vor allem die Unsicherheit über den Fortgang der Griechenlandkrise eine Rolle. Je nachdem, ob die Sorge vor einem Grexit oder die Hoffnung auf eine baldige Einigung Griechenlands mit den Gläubigern überwog, waren Bundesanleihen als sicherer Hafen für Anleger mehr oder weniger gefragt. Am aktuellen Rand führte die Ablehnung neuer Hilfen durch die griechische Regierung und die gestiegene Wahrscheinlichkeit eines Grexit zu einem starken Rückgang der Renditen von Bundesanleihen. Anleihen der EWU-Peripheriestaaten leiden unter Griechenlandkrise Prozent 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 0,0 0,0 O N D J 2014 Deutschl. Portugal F M A M 2015 Italien J Quelle: Thomson Reuters Datastream Banken bei einem Volumen von 89 Mrd. Euro eingefroren. Die griechische Regierung verkündete daraufhin Kapitalverkehrskontrollen und die Schließung der Banken bis kurz nach dem Referendum. Ansonsten hätte ein Risiko bestanden, dass griechische Banken infolge weiterer Bargeldabhebungen durch Kunden und begrenzter Notkredite der EZB in einen Liquiditätsengpass geraten wären. Grexit wahrscheinlicher geworden Wenige Tage vor Auslaufen des zweiten Hilfspakets legten EWU-Staaten und IWF Griechenland ein neues Angebot für weitere Hilfen vor. Die griechische Regierung lehnte den Vorschlag mit Verweis auf die aus ihrer Sicht unannehmbaren Reformauflagen ab und möchte bereits am kommenden Wochenende eine Volksabstimmung über die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen durchführen. Es ist nun äußerst unwahrscheinlich, dass Griechenland die am 30.06. fällige Rate in Höhe von 1,6 Mrd. Euro an den IWF überweisen wird. Auch eine Verlängerung des noch laufenden Hilfspakets ist angesichts der verhärteten Fronten nicht mehr wahrscheinlich. Damit müsste selbst bei einem positiven Votum des griechischen Volkes formal ein neues, drittes Hilfspaket geschnürt werden. Die EZB hat auf das Scheitern der Verhandlungen reagiert und die Obergrenze für Notkredite an griechische Investmentstrategie Sofern sich Griechenland und seine Gläubiger in den kommenden Wochen nicht auf neue Hilfskredite und/oder eine Umschuldung einigen, dürfte nicht nur bei den IWF-Forderungen, sondern auch bei den von der EZB gehaltenen Griechenlandanleihen ein Zahlungsausfall eintreten. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die EZB vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios die Notkredite an griechische Banken erhöhen wird. Griechenland könnte angesichts einer drohenden Liquiditätskrise im Bankensektor und der mangelnden Fähigkeit, Gehälter und Renten in Euro auszuzahlen, sehr bald in eine ökonomische Zwangslage geraten. Die griechische Regierung müsste dann entweder eine Art Parallelwährung neben dem Euro verwenden oder aus der Eurozone austreten und wieder eine eigene Währung einführen. Seite 11 Perspektiven Juli 2015 Auswirkungen auf die Märkte sollten begrenzt bleiben Die wachsende Sorge vor einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone führte auch zu einem markanten Anstieg des Risikoaufschlags von Anleihen der EuroPeripheriestaaten gegenüber Bundesanleihen. Bei italienischen und spanischen Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit stieg der Aufschlag auf bis zu gut 150 Bp an, wobei die Renditen erstmals seit einem halben Jahr auch wieder oberhalb der 2%Marke liegen. Im Falle eines Grexit ist durch eine allgemeine höhere Unsicherheit mit weiteren Rückschlägen im Marktsegment der Peripherieanleihen zu rechnen. Renditeanstiege sollten aber im Ausmaß und in der Dauer begrenzt bleiben. Denn die von der Griechenlandkrise ausgehenden Ansteckungsrisiken sollten sich in Grenzen halten, da sich die anderen Peripherieländer in einer fundamental deutlich besseren Situation befinden und mit den Anleihekäufen durch die EZB ein wirksames Instrument zur Begrenzung von Renditeanstiegen zur Verfügung steht. Italienische und spanische Banken haben ihre Forderungen gegenüber dem griechischen Staat, ebenso wie die Banken in anderen EWU-Ländern, auf annähernd Null heruntergefahren. Dementsprechend wären Banken außerhalb Griechenlands von einem Zahlungsausfall oder Grexit kaum direkt betroffen. Daher bleiben wir grundsätzlich bei unserer positiven Einschätzung der Anleihen von EWU-Peripheriestaaten und rechnen mit einem Rückgang der Risikoaufschläge, sobald sich eine Lösung für die Griechenlandkrise in der einen oder anderen Form abzeichnet. bis einschließlich September 2016 monatlich Anleihen im Volumen von 60 Mrd. Euro zu erwerben, auf jeden Fall aber bis die Inflation dauerhaft mit ihrem mittelfristigen Inflationsziel von knapp unter 2% vereinbar ist. In der Frage-Antwort-Runde legte der EZB-Präsident allerdings noch etwas nach, indem er ausführte, dass die EZB, falls überhaupt etwas geändert würde, ihr Maßnahmenpaket nochmals ausweiten würde. Wir halten dies durchaus für möglich, wenn die Griechenlandkrise doch noch zu größeren Marktverwerfungen führen sollte. Dagegen sprechen allerdings Draghi’s Aussagen zum Renditeanstieg und der erhöhten Marktvolatilität in den vorangegangenen Wochen. Danach zeigt sich die EZB bisher wenig besorgt über die Marktentwicklung und sieht diesbezüglich keinen Anpassungsbedarf bei ihrer Geldpolitik. Marktteilnehmer sollten sich an eine höhere Volatilität, die für Zeiten eines niedrigen Zinsniveaus kennzeichnend ist, gewöhnen. Die Marktreaktion auf Draghi’s Äußerungen – die Renditen zogen kräftig an – zeigt, dass sich Marktteilnehmer hier offensichtlich eine aktivere Rolle der EZB im Sinne einer Dämpfung der Renditebewegungen erhofft hatten. Dr. Marco Bargel Prognosen Postbank 29.06. EZB stört sich nicht an erhöhter Marktvolatilität Die Sitzung des EZB-Rates Anfang Juni hat erwartungsgemäß kaum neue Erkenntnisse gebracht. Der Rat bestätigte das Leitzinsniveau und nahm auch keine Änderungen an seinen unkonventionellen Maßnahmen vor. Insbesondere bekräftigte EZBPräsident Draghi in der anschließenden Pressekonferenz, dass die EZB beabsichtigt Investmentstrategie Leitzinsen Euroraum % USA % Japan % Großbritannien % Renditen 10 Jahre Bundesanleihen % US-Treasuries % Japanische JGB's % Britisc he Gilts % Spreads ggü. Bunds 10j. Swap Bp EWU-Corporates Bp in 3 M in 12 M 0,05 0,05 0-0,25 0,50 0-0,10 0-0,10 0,50 0,50 0,05 0,75 0-0,10 0,50 0,80 2,32 0,45 2,07 0,90 2,30 0,50 2,10 1,20 2,70 0,60 2,70 36 82 30 75 30 70 Seite 12 Perspektiven Juli 2015 Aktienmarkt: Langfristig bleiben wir optimistisch Griechischer Leitindex hat sich seit März 2014 im Wert nahezu halbiert Seit dem Jahreswechsel weisen alle vier Indizes Kurszuwächse auf Indizes, indexiert 31.12.14 = 100 130 Index Index 1400 4000 125 125 3800 120 120 3600 115 115 110 110 105 105 100 100 1200 1000 3400 3200 800 3000 600 2800 2014 Quelle: Thomson Reuters Datastream Aktionäre rund um den Globus reagieren nervös Seit Wochen, ja fast seit Monaten, dominiert ein Thema die Diskussionen der Aktieninvestoren in Europa: die griechische Schuldenkrise. Harte fundamentale Fakten wie solide Daten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum und mehrheitlich überzeugende Bilanzen der im DAX und Euro Stoxx 50 gelisteten Unternehmen zum Geschäftserfolg im 1. Kalenderquartal verhallten meist ungehört. In normalen Zeiten hätten diese harten Fakten die Kursentwicklung beispielsweise von DAX und Euro Stoxx 50 positiv beeinflusst. Stattdessen sind beide Indizes de facto seit Anfang April unter dem Eindruck der Schuldenkrise auf dem Rückzug. Von ihren am 10. bzw. 13. April erreichten bisherigen Jahreshöchstständen bis zum jeweiligen Schlussstand vom 26. Juni betrugen die Kursverluste beim DAX 7,1% und beim Euro Stoxx 50 5,4%. Längst beschäftigt das Thema aber nicht ausschließlich die Investoren an den europäischen Börsen, sondern auch an der Wall Street, am Kabutocho und an vielen anderen Börsenplätzen weltweit. Mit dem Abbruch der Gespräche am letzten Wochenende und der Schließung der griechischen Banken bis zum 7. Juli ist die Krise in eine neue Stufe eingetreten. Die Reaktionen auf dem Parkett waren entsprechend nervös. Am Kabutocho Investmentstrategie 95 95 Jan Feb 2015 Athex Composite Euro Stoxx 50 (r. S.) 130 DAX S&P 500 Mrz Apr 2015 Mai Jun Euro St. 50 Topix Quelle: Thomson Reuters Datastream schloss der Topix Montag, den 29. Juni, 2,5% niedriger im Vergleich zu seinem Schlussstand vom Freitag letzter Woche. Auch an anderen Börsen im asiatischpazifischen Raum gaben die Kurse nach. In Sydney und Seoul betrugen die Kursrückgänge der Leitindizes beispielsweise 2,2% bzw. 1,4%. Auch in Europa haben die meisten Börsen mit Kursverlusten eröffnet. Der DAX beispielsweise gab im frühen Handel vorübergehend mehr als 500 Punkte nach und rutschte unter die Marke von 11.000 Punkten. Inzwischen hat er sich schon wieder deutlich erholt. Aktuell, 12 Uhr, notiert der deutsche Leitindex fast 160 Zähler über seinem Tagestief. Auch der Euro Stoxx 50 konnte sich, zwar nicht so deutlich wie der DAX, wieder von seinem Tagestief lösen. Beide schlossen deutlich über ihren Tagestiefständen. Nach unserer Einschätzung ist das heutige Marktgeschehen von einer hohen Nervosität auf Seiten der Anleger geprägt. Diese dürfte auch in den kommenden Tagen anhalten und für eine sehr schwankungsfreudige Kursentwicklung sorgen. Damit sich die Lage an den Börsen endgültig wieder beruhigen kann, bedarf es nach unserer Ansicht einer tragfähigen, abschließenden Lösung der Krise. Einen deutlichen Kurseinbruch erwarten wir auch bei einer weiteren deutlichen Eskalation nicht. Der DAX beispielsweise sollte spätestens im Bereich von 10.000 Punkten einen Boden ausbilden. Seite 13 Perspektiven Juli 2015 Fundamentale Fakten werden wieder in den Fokus der Anleger rücken Nach unserer Ansicht sind die Unternehmen der Eurozone im Allgemeinen und die deutschen im Speziellen aktuell sehr gut für weitere Gewinn- und auch Umsatzsteigerungen aufgestellt. Dies zeigen besonders die aggregierten Konsensgewinnerwartungen für den DAX für das laufende und das kommende Kalenderjahr. Die Revisionstrends haben in den letzten beiden Monaten deutlich gedreht und zeigen einen Trendwechsel an. Ganz so dynamisch präsentieren sich die Konsensgewinnerwartungen für den Euro Stoxx 50 noch nicht. Die deutlich erkennbare Stabilisierung in den letzten Monaten und die guten Einkaufsmanagerindizes deuten nach unserer Ansicht aber auch auf Zuwächse bei den Gewinnerwartungen füre 2015 und 2016 hin. Wir erwarten, dass deutsche und auch die Firmen der Eurozone (ohne Griechenland gerechnet) mehrheitlich überzeugende Bilanzen für das 2. Kalenderquartal präsentieren werden. Sobald sich die Sorgen um die weitere Entwicklung der griechischen Schuldenkrise lichten, sollte dies Kurspotenzial für beide Indizes eröffnen. Zumal sich die Bewertungen beider Indizes gemessen an den Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) in den letzten Monaten deutlich verringert haben. Auf Basis der Gewinnerwartungen für 2015 wurden DAX und Euro Stoxx 50 im April dieses Jahres mit einem KGV von 15,8 bzw. 16,4 bewertet. Aktuell sind es nur noch 14,3 bzw. 15,4. So erwarten wir auch auf Sicht von zwölf Monaten zwar beide Indizes deutlich über den aktuellen Kursniveaus. Der DAX sollte aber eine leicht bessere Performance aufweisen. Gewinnerwartungen für DAX und Euro Stoxx 50 steigen bzw. stabilisieren sich DAX EPS in Euro 900 Euro Stoxx 50 EPS in Euro 320 880 300 860 840 280 820 260 800 240 780 760 220 2013 2014 2015e (l.S.) 2015e(r.S.) 2015 2016e (l.S.) 2016e(r.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream, IBES fielen sehr gemischt aus. Während FedEx, Oracle und Micron Technology mit ihren Quartalszahlen enttäuschten, konnten Nike, Adobe und Red Hat überzeugen. Selbst für ein erstes Fazit ist es natürlich noch zu früh. Aber es lässt sich schon jetzt konstatieren, dass auch viele Bilanzen für die Geschäftsentwicklung der Unternehmen im 2. Kalenderquartal deutliche Belastungen der Dollar-Aufwertung und des ÖlPreisverfalls zeigen werden. Dies dürfte kurzfristig die Kursentwicklung des USLeitindex bremsen. Zudem weist er im Vergleich zu DAX und Euro Stoxx 50 eine deutlich höhere Bewertung gemessen am KGV für die Gewinnerwartungen 2015 von 17,8 auf. Dies gilt mit einem KGV von 16,0 auch für den japanischen Topix. Auf Jahressicht erwarten wir beide Indizes zwar über den aktuellen Kursniveau. An die Kursentwicklung von DAX und Euro Stoxx 50 sollten sie aber nicht heranreichen. Heinz-Gerd Sonnenschein Hoffen auf das 2. Halbjahr Dies ist nach einem schwachen Start ins laufende Jahr die Devise an der Wall Street. So enttäuschten uns die im S&P 500 gelisteten Unternehmen mehrheitlich mit ihren ausgewiesenen Gewinnen und Umsätzen. Die ersten Unternehmen aus dem S&P 500 haben schon ihre Bilanzen für die Geschäftsentwicklung im 2. Kalenderquartal präsentiert und diese Investmentstrategie Prognosen Postbank 29.06. in 3 M in 12 M DAX 11.083 10900-11100 12400-12600 Euro Stoxx 50 S&P 500 3.469 2.058 3350-3550 1950-2050 3800-4000 2175-2275 Topix 1.625 1550-1650 1725-1825 Seite 14 Perspektiven Juli 2015 Marktprognosen Juli 2015 Zinsen in % Euroraum Refisatz 3-Monats-Euribor 2-j. Bunds 10-j. Bunds USA Fed Funds Rate 3-Monats-Libor 2-j. Treasuries 10-j. Treasuries EUR/USD-Spreads in Basispunkten 3-M-Geld: Euribor ./. USD-Libor 29.06.15 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 0,05 -0,02 0,05 -0,10 0,05 -0,10 0,05 -0,10 0,05 -0,10 -0,21 0,80 -0,20 0,90 -0,20 1,00 -0,10 1,10 -0,10 1,20 0-0,25 0,28 0,63 0,5 0,50 0,90 0,75 0,75 1,20 1,00 1,15 1,60 1,25 1,40 1,80 2,32 2,30 2,40 2,50 2,70 -30 -60 -85 -125 -150 10 J.: Bunds ./. Treasuries -152 -140 -140 -140 -150 Japan Overnight Call Rate 10-j. Staatsanleihen (JGB’s) 0-0,10 0,45 0-0,10 0,50 0-0,10 0,55 0-0,10 0,60 0-0,10 0,60 UK Base Rate 10-j. Staatsanleihen (Gilts) 0,50 2,07 0,50 2,10 0,50 2,30 0,50 2,50 0,50 2,70 36 -20 in 3 Monaten 30 -15 in 6 Monaten 30 -15 in 9 Monaten 30 -15 in 12 Monaten 30 -15 82 384 75 370 70 360 70 350 70 350 1,1214 in 3 Monaten 1,06 in 6 Monaten 1,00 in 9 Monaten 0,98 in 12 Monaten 0,98 137,32 0,7142 1,0387 132 0,73 1,07 125 0,74 1,10 123 0,74 1,10 123 0,74 1,10 60,51 in 3 Monaten 61 in 6 Monaten 63 in 9 Monaten 65 in 12 Monaten 67 1.180 1150 1125 1125 1100 KGV KGV Kursziel Kursziel DAX Euro Stoxx 50 Standard & Poors 500 * 11.083 3.469 2.058 2015e 13,8 14,8 17,4 2016e 12,5 13,3 16,1 in 3 Monaten 10900-11100 3350-3550 1950-2050 in 12 Monaten 12400-12600 3800-4000 2175-2275 Topix 1.625 15,6 14,3 1550-1650 1725-1825 Swap/Credit Spreads in Basispunkten 10-j. Swaps ./. Bunds 5-j. Pfandbriefe ./. Swaps EWU Corporates A-Rated ./. Bunds US Corporates B-BB-Rated ./. Treasuries Wechselkurse US-Dollar (EUR/USD) Japanischer Yen (EUR/JPY) Britisches Pfund (EUR/GBP) Schweizer Franken (EUR/CHF) Commodities Rohöl Brent Spot ($/Barrel) Gold Spot ($/Feinunze) Aktien * KGV mit operativen Gewinnen gerechnet Konjunkturprognosen Juli 2015 2014 2015 BIP Inflation in % YoY in % YoY BIP, real in % QoQ, sa Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2e Q3e Q4e 2014 2015e 2016e 2014 2015e 2016e Deutschland 0,8 -0,1 0,1 0,7 0,3 0,4 0,5 0,3 1,6 1,6 1,7 0,9 0,5 2,0 Euroraum USA 0,3 -0,5 0,1 1,1 0,2 1,2 0,3 0,5 0,4 0,0 0,4 0,6 0,4 0,8 0,3 0,8 0,9 2,4 1,4 2,2 1,6 3,0 0,4 1,6 0,3 0,2 1,4 2,5 Japan 1,1 -1,7 -0,5 0,3 1,0 0,3 0,5 0,5 -0,1 1,1 1,8 2,7 0,9 1,0 Investmentstrategie Seite 15