Zur Zwangsarbeit

Transcrição

Zur Zwangsarbeit
Wer von „Zwangsarbeit in DDR-Gef•ngnissen“ spricht, ignoriert das
nationale und internationale Recht.
Eine Studie im Auftrag des schwedischen M€belherstellers IKEA untersuchte
die Behauptungen von Opferverb•nden, politische Gefangene h•tten unter
Zwangsarbeit in DDR-Gef•ngnissen f‚r IKEA arbeiten m‚ssen. Die Studie
kommt zu der sachlichen Feststellung, „dass politische H•ftlinge und
Strafgefangene in Teilen an der Produktion von Komponenten oder
M€belst‚cken, die vor 25 bis 30 Jahren an Ikea geliefert wurden, beteiligt
waren.“
Kein Wort von Zwangsarbeit. Diese falsche Behauptung findet man nur bei den
…u†erungen von Vertretern der Opferverb•nde oder bei dem f‚r seine
unseri€sen …u†erungen bekannten Hubertus Knabe. Laut der Zeitung „Die
Welt“ fordert er eine Stiftung, die sich um die Entsch•digung von
Zwangsarbeitern aus der DDR k‚mmert. Es geht also neben der Verleumdung
der DDR um Geld.
Warum verwenden die vielen h€rigen Journalisten und Redaktionen den Begriff
„Zwangsarbeit“ oder „Zwangsarbeiter“, obwohl die Studie solche Begriffe
meidet? Diese Begriffe sind in Deutschland und den L•ndern der Anti-HitlerKoalition besetzt mit den Verbrechen der deutschen Faschisten an den
Zwangsverschleppten, den KZ-H•ftlingen, vor allem den Juden und dem
brutalen Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen.
Wer hat ein politisches Interesse an der Verharmlosung dieser Verbrechen durch
Gleichsetzung mit Verh•ltnissen in der DDR? Wer hat ein €konomisches
Interesse und wer ein pers€nliches?
Jeder Strafgefangene, der w•hrend seiner Haftzeit gearbeitet hat und jetzt
erf•hrt, es sei Zwangsarbeit gewesen, muss sofort zu dem Schluss kommen, dass
die Zwangsarbeit bei den Nazis gar nicht so schlimm war.
Das Hauptinteresse am Wachhalten der L‚ge von der Zwangsarbeit liegt aber
bei der Stasi-Industrie. Zum Komplex der Stasi-Industrie z•hlen all jene
Institutionen, die nun schon ‚ber zwanzig Jahre durch die Stasi-Hetze und StasiHysterie gutes Geld verdienen und mit Steuergeldern promovieren. Man kann
auch die Nutznie†er dazu z•hlen, die vom Ausschalten der Konkurrenten und
dem Freischie†en gut bezahlter Posten profitieren.
Was ist Zwangsarbeit?
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definierte 1930 in Artikel 2 Abs. 1
des ‡bereinkommens ‚ber Zwangs- und Pflichtarbeit die Zwangsarbeit als
unfreiwillige Arbeit oder Dienstleistung, die unter Androhung einer Strafe
ausge‚bt wird.
Im Abs. 2 hei†t es weiter dazu: „ Als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses
€bereinkommens gelten jedoch nicht …..c) jede Arbeit oder Dienstleistung, die
2
von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird,
jedoch unter der Bedingung, dass diese Arbeit oder Dienstleistung unter
€berwachung und Aufsicht der ‚ffentlichen Beh‚rden ausgefƒhrt wird und dass
der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und
Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfƒgung gestellt wird.“
Der Einsatz der Gefangenen zur Arbeit im Strafvollzug der DDR erf‚llte alle
internationalen Bedingungen und ging dar‚ber hinaus. Gefangene arbeiteten
nicht f‚r Privatunternehmen und es gab auch kein auf privatkapitalistischer
Basis betriebenes Gef•ngnis, wie dies heute leider immer mehr zugelassen wird.
Wie sah es in der DDR in den 70-er Jahren aus?
Die Verfassung der DDR garantierte jedem B‚rger ein Recht auf Arbeit. Dies
galt auch f‚r gerichtlich zu Freiheitsentzug verurteilte B‚rger. Der
Strafvollzugseinrichtung war es nicht erlaubt, einen Gefangenen vom
Arbeitsproze† auszuschlie†en. Dieses Verfassungsrecht konnte in den Mauern
der Gef•ngnisse nicht verwirklicht werden und f‚hrte zu dem breiten System
des Einsatzes Strafgefangener in den volkseigenen Betrieben fasst aller
Wirtschaftszweige. Mehr als 65 % aller Strafgefangenen arbeiteten au†erhalb
der Vollzugseinrichtung in volkseigenen Betrieben. Dort wurden sie von
Betriebsangeh€rigen fachlich angeleitet und kontrolliert, arbeiteten teils
gemeinsam mit ihnen. W•hrend des Arbeitseinsatzes galten die gleichen
Lohnbestimmungen, Arbeitszeit-, Arbeitsschutz und Gesundheitsbestimmungen
wie f‚r freie B‚rger/Arbeiter dieses Betriebes. Was und wie produziert wurde,
entsprach den Richtlinien der Betriebe f‚r ihre Arbeiter. ‡ber den Verkauf der
produzierten G‚ter entschied der Betrieb. Viele Betriebe, in denen auch
Strafgefangene arbeiteten, lieferten ihre Waren oft unter hohen Verlust zu
Niedrigpreisen an Unternehmen der BRD und des westlichen Auslandes, weil
Devisen gebraucht wurden. Wenn alle Strafgefangenen eines Landes nicht in
gef•ngniseigenen Werkst•tten, sondern integriert in den Betrieben fasst aller
Wirtschaftszweige arbeiten, dann bleibt es nicht aus, dass sie durch Teilprodukte
und Zulieferketten an einer breiten Warenpalette beteiligt sind. In der DDR
waren Strafgefangene in Bezug auf die produktive Arbeit gleichberechtigte
Arbeitskr•fte und wurden zentral vermittelt.
Das Strafvollzugsgesetz der DDR legte, wie auch das der Bundesrepublik
Deutschland, f‚r alle Strafgefangenen eine Arbeitspflicht fest. Warum nun die
Arbeitspflicht im Strafvollzug der DDR Zwangsarbeit sein soll und die der
Gefangenen in der Bundesrepublik nicht, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.
Der Unsinn geht ja noch weiter: Alle Strafgefangenen, egal nach welchem
Gesetz sie verurteilt waren, mit oder ohne politische Hintergr‚nde und
Begleitumst•nde, waren zur produktiven, gesellschaftlich n‚tzlichen Arbeit
eingesetzt und erhielten die gesetzlich festgelegte Verg‚tung (18 % des Lohnes
eines freien Arbeiters und 100% aller Zuschl•ge und Pr•mien). Warum nun
politische Gefangene eine Entsch•digung bekommen sollen und die anderen
Gefangenen nicht, kann uns bisher keiner sagen.
3
IKEA, Neckermann und andere Abnehmer von Waren, an deren Herstellung
Strafgefangene beteiligt waren, hatten keine Kenntnis von den Verflechtungen
der DDR-Wirtschaft und welche Betriebsabteilungen am Produkt arbeiteten.
Auf Wunsch der Abnehmer wurde die Ware so verpackt und deklariert, dass
deren Herkunft aus der DDR nicht erkennbar war. Es gab schlie†lich den Kalten
Krieg, Hallstein-Doktrin und Boykottaufrufe
Wer Gefangenen w•hrend der Haft einen bezahlten und mit freien Arbeitern
vergleichbaren Arbeitseinsatz erm€glicht, macht nichts moralisch oder juristisch
Anst€†iges. Gesellschaftlich n‚tzliche Arbeit tr•gt zur Resozialisierung bei, dies
wei† jeder, der sich mit Fragen der Behandlung von Strafrechtsverletzern und
deren Wiedereingliederung besch•ftigt.
Der Arbeitseinsatz machte erst die sozialen Komponenten f‚r den
Strafgefangenen und deren Angeh€rige m€glich. Wie in jedem Strafvollzug
dieser Welt, erhielten die Strafgefangenen in der DDR nicht den vollen,
erarbeiteten Lohn ausgezahlt, sondern nur einen kleinen Prozentsatz. Die Masse
beh•lt der Staat als Kompensation f‚r seine Aufwendungen f‚r Unterbringung,
Versorgung, med. Betreuung, Bewachung und Sicherstellung ein.
Strafgefangene in der DDR erhielten 18 % des Nettolohnes eines vergleichbaren
freien Arbeiters, jugendliche Strafgefangene 35 % des vergleichbaren
Lehrlingsentgeltes als Verg‚tung ausgezahlt. Alle Zuschl•ge wegen
Nachtschicht, gesundheitsgef•hrdender Arbeit und alle Pr•mien (f‚r
Materialeinsparungen, Planerf‚llung, Neuerervorschl•ge usw.) wurden zu
100 % gezahlt.
In der DDR stand die F‚rsorge f‚r Kinder im Mittelpunkt sozialer
Anstrengungen. Die Sicherstellung des Unterhalts f‚r Kinder der
Strafgefangenen wurde gesetzlich verankert. Die Angeh€rigen bekamen den
Unterhalt von der Strafvollzugseinrichtung monatlich ‚berwiesen, auch wenn
der unterhaltsverpflichtende Vater nicht leistungsf•hig war. Dies traf zu, wenn
ein Strafgefangener durch Gerichtstermine, Krankheit, Verb‚†ung von
Arreststrafen oder Verweigerung einer Arbeit nicht von seinem Recht auf Arbeit
Gebrauch machen konnte. Eine solche Situation sollte sich nicht auf die
unschuldige Familie auswirken. Die H€he des Unterhalts war abh•ngig vom
Nettoverdienst des Strafgefangenen, also von dem was ein freier Arbeiter
verdiente, also von den 100 %, nicht den 18 %, die der Gefangene als Verg‚tung
bekam.
…hnlich verhielt es sich mit der Sozialversicherung f‚r Gefangene. In der DDR
war die Dauer des Arbeitseinsatzes der Gefangenen einer
versicherungspflichtigen T•tigkeit gleichgestellt, d. h. der Gefangene war
kranken- und rentenversichert. Damit wurde verhindert, dass f‚r ihn und seine
Familie noch lange nach der Entlassung aus dem Strafvollzug, finanzielle
Auswirkungen der Straftat das Leben belasteten.
4
Wer Angesichts eines solchen sozial gefederten Arbeitseinsatzes der
Strafgefangenen in der DDR von Zwangsarbeit spricht, kann nur b€swillig oder
aus Unwissenheit handeln. Letztere k€nnen hinzu lernen, die B€swilligen tun
dies aus politischer Blindheit nicht.
Wie ist die Lage im Strafvollzug der Bundesrepublik Deutschland im Jahre
2012?
Nach der F€deralismusreform ist der Vollzug von Freiheitsstrafen L•ndersache.
Jedes Land hat eine eigene Strafvollzugsgesetzgebung. Dadurch liegen
Gesamtzahlen zur Arbeit der Gefangenen und anderen Fragen nicht vor.
Nach dem Grundgesetz besteht f‚r alle Gefangenen eine Arbeitspflicht, aber
kein Recht auf Arbeit. Sollten Gefangene die zugewiesene Arbeit verweigern,
kann der Staat ihnen die Gef•ngnisunterbringung in Rechnung stellen. Zudem
drohen Sanktionen innerhalb des Vollzuges, wie Isolationshaft und
Einschr•nkung der Bildungs- und Informationsrechte.
Der Leiter des Strafvollzugsarchivs in Bremen, Johannes Feest sch•tzte in einen
Gespr•ch mit der Zeitung „Junge Welt“ am 19.07.2011 die Lage so ein:
Frage: „L•ngst nicht alle Strafgefangenen erhalten die M€glichkeit, einer
Ausbildung oder einer Arbeit nachzugehen – wovon h•ngt das ab?“
„Das kommt darauf an, wie viel Arbeit in der jeweiligen Anstalt vorhanden ist.
Ob Firmen Auftr†ge dorthin vermitteln oder die Anstalt ƒber eigene Betriebe
verfƒgt, beispielsweise eine W†scherei oder Druckerei. Tats†chlich haben
mitunter nur die H†lfte der Gefangenen einer Anstalt Arbeit.“
Frage: „Wie sind denn die Strafgefangenen, denen es gelungen ist, Arbeit zu
ergattern, ansonsten sozial abgesichert?“
„In die Unfall- und Arbeitslosenversicherung sind sie minimal einbezogen, aber
nicht in die Krankenversicherung…. Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall gibt
es nicht, weil der Arbeitslohn zu gering ist. Sie erhalten nur neun Prozent
dessen, was durchschnittlich au‡erhalb gezahlt wird.“
Im Gespr•ch informierte er auch, dass Gefangene in der Bundesrepublik
Deutschland nicht in die Rentenversicherung einbezogen sind, obwohl dies im
Strafvollzugsgesetz von 1977 vorgesehen war. Es fehlt bis heute ein damals
dazu versprochenes Bundesgesetz.
Im Jahre 2008 arbeiteten in NRW 60 % der 17 000 Inhaftierten und
erwirtschafteten 48 Millionen Euro. Sie arbeiten bis zu 41 Stunden in der Woche
und erhalten daf‚r durchschnittlich 13 Euro pro Tag. Von dieser Verg‚tung
d‚rfen sie 50 % zum Einkauf als Hausgeld behalten.
In Berlin erhalten Gefangene, die f‚r ein Modeunternehmen arbeiten einen
Tageslohn von 8 bis 14 Euro. Das entspricht einem Stundenlohn von 1,75 Euro.
Rechtlich sind diese L€hne nicht zu beanstanden. Sie liegen f‚r Gefangene
zwischen 1,01 bis 1,68 Euro.
5
Um die laufenden Unterhaltszahlungen k‚mmern sich die
Vollzugseinrichtungen nicht.
Fazit:
In beiden Teilen Deutschlands wurden und werden die Strafgefangenen einer
Arbeitspflicht unterworfen. Der Gesundheits- und Arbeitsschutz unterscheidet
sich im Arbeitsprozess nicht von dem freier Arbeiter. Die Entlohnung ist in
beiden Systemen gesetzlich geregelt, ein unmittelbarer Nutzen aus der Arbeit
versp‚rte jeder arbeitende Gefangene.
Die Einbeziehung arbeitender Gefangener in die Rentenversicherung erfolgte
nur in der DDR. Die F‚rsorge der Vollzugseinrichtung f‚r die regelm•†ige
Unterhaltszahlung an die Kinder war in der DDR ein Akt der Menschlichkeit.
Es gibt und gab nach 1945 in Deutschland keine Zwangsarbeit, weder in der
DDR noch in der BRD.
Dieter Winderlich
Chefinspekteur a. D.
Letzter Chef der Deutschen Volkspolizei
November 2012