Der Wandel des Frankreichbildes in den Lehrwerken für die Oberstufe

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Der Wandel des Frankreichbildes in den Lehrwerken für die Oberstufe
Adelheid Schumann
Der Wandel des Frankreichbildes
in den Lehrwerken für die Oberstufe
1. Oberstufenlehrwerke für den Französischunterricht seit 1945
Das deutsche Frankreichbild hat im Verlauf der letzten Jahrzehnte einen deutlichen Wandel erfahren. Während die Deutschen in den 50er und 60er Jahren die
Douce France und ihr Savoir vivre bewunderten und Frankreich als privilegiertes
Ferienziel betrachteten, ist heute ein realistischer, um nicht zu sagen nüchterner
Blick auf Frankreich zur Regel geworden. Dank zahlreicher Städtepartnerschaften
und Jugendkontakte kennt man sich gegenseitig gut, besser jedenfalls als alle anderen Europäer, und diese Nähe hat zweifellos zu einer Entmythologisierung der
gegenseitigen Vorstellungen beigetragen. Insbesondere bei der Jugend ist eine
zunehmende Distanz zu der Französischen Kultur und der Französischen Sprache
festzustellen. Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen der Schülerzahlen im
Fach Französisch,1 so stellt man fest, dass seit den 80er Jahren besonders in der
Oberstufe ein stetiger Rückgang im Fach Französisch zu verzeichnen ist. Zwar hat
sich der Anteil der Französischlernenden in der Sekundarstufe I seit den 60er Jahren kaum verändert, und konnte Französisch sich eindeutig gegenüber Latein
durchsetzen als zweite Fremdsprache nach Englisch,2 doch es nutzen mittlerweile
etwa drei Viertel der Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit, das Fach nach der
11. Klasse abzuwählen. Die Gründe für diese Abkehr vom Französischen sind häufig beschrieben worden:3 Französisch gilt bei den Schülern und Schülerinnen als
eine schwere Sprache und der Französischunterricht als grammatiklastig und zu
wenig kommunikationsfördernd, mit Spanisch steht zudem eine attraktive Alternative zur Verfügung. Im außerschulischen Alltag spielt Französisch für die Jugendlichen anders als Englisch keine große Rolle, und deshalb stellt seine Beherrschung für sie offensichtlich kein lebensnotwendiges und erstrebenswertes Lernziel dar.
Für den Französischunterricht bedeutet das, dass die Motivation für das Fach
sich heute nicht mehr auf außerschulische gesellschaftliche Faktoren stützen kann
wie noch in den 60er und 70er Jahren, als vor dem Hintergrund des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags sich jeder Französischlernende auf der Höhe
seiner Zeit fühlen durfte, sondern aus dem schulischen Arbeitsprozess heraus
entwickelt werden muss. Das bedeutet, dass eine positive Einstellung zu Frankreich, seiner Sprache und Kultur nur dann entstehen kann, wenn die fachlichen
Inhalte des Französischunterrichts von den Schülern als interessant und für sie
relevant erlebt werden, d.h. wenn sich bei ihnen ein positives Frankreichbild ent43
wickelt, das den Wunsch weckt, mit Franzosen kommunizieren zu können. Alle
aktuellen Untersuchungen zur Einstellung von deutschen Jugendlichen gegenüber
dem Französischunterricht4 kommen zu dem Schluss, dass die Unterrichtsinhalte
für die Motivation eine zentrale Rolle spielen und dass das Frankreichbild der Lernenden maßgeblich von den im Französischunterricht behandelten Themenbereichen und Textsorten (Literatur, Landeskunde, Film) beeinflusst wird.
Es erscheint deshalb notwendig, sich genauer mit den Inhalten auseinanderzusetzen, die den Französischunterricht der Oberstufe bestimmen, insbesondere denen der Übergangsphase (10./11. Klasse), die offensichtlich für das Abwahlverhalten der Schülerinnen und Schüler ausschlaggebend sind, und der Frage
nachzugehen, wie die Auseinandersetzung mit der französischen Gesellschaft und
Kultur in der Schule angeleitet und welches Frankreichbild vermittelt wird. Dabei
soll ein kurzer Blick zurück auf die Lehrwerke und Lehrmaterialien für den fortgeschrittenen Französischunterricht seit den 50er Jahren dazu beitragen, die Wandlungen im schulisch vermittelten Frankreichbild aufzuspüren und die Besonderheiten der aktuellen Wahrnehmung und Darstellung Frankreichs deutlich zu machen.
Zu unterscheiden ist bei diesem Blick auf den Französischunterricht auch zwischen dem Frankreichbild der westdeutschen Lehrwerke und dem der ostdeutschen Lehrwerke, die sich erheblich voneinander unterscheiden. Im Rahmen der
vorliegenden Studie werden jedoch nur die Entwicklungen in der Bundesrepublik
berücksichtigt. Für das Frankreichbild in den schulischen Lehrwerken der DDR
liegen jüngere Untersuchungen von Dorothee Röseberg, Françoise Bertrand und
Marc Thuret vor, auf die hier verwiesen werden soll.5
Als Jürgen Krauskopf in den 80er Jahren6 die letzte groß angelegte Inhaltsanalyse von Französischen Oberstufenlehrwerken in der Bundesrepublik durchführte,7
konnte er noch davon ausgehen, dass Lehrwerke die zentrale Text- und Arbeitsgrundlage für den schulischen Französischunterricht darstellen. Das hat sich seitdem grundlegend geändert. Die zahlreichen für die Sekundarstufe II konzipierten
Lese- und Arbeitsbücher liefern nur noch einen kleinen Teil der Unterrichtsmaterialien, daneben kommen themenorientierte Dossiers oder frei gewählte Pressetexte,
literarische Ganzschriften und Jugendlektüren und zunehmend auch Spiel- und
Dokumentarfilme zum Einsatz. Eine informelle Umfrage bei Französischlehrern
und Fachleitern in Nordrhein-Westfalen ergab, dass die meisten Oberstufenlehrwerke von den Lehrenden als Steinbruch benutzt werden und höchstens noch in
der 10./11.Klasse als vollständiges Grundlagenwerk Verwendung finden. Die bundesweite Einführung des Zentralabiturs8 führt darüber hinaus dazu, dass die Themenbereiche der Oberstufe sich zukünftig immer enger nach den staatlichen Vorgaben richten müssen und der Spielraum für Themenvielfalt geringer wird.
Doch auch in den vergangenen Jahren war schon ein enger Zusammenhang
zwischen den inhaltlichen Vorgaben der Rahmenrichtlinien und den für die Oberstufe produzierten Unterrichtsmaterialien festzustellen und wenig Mut zur Innovation auszumachen. Das gilt insbesondere für das literarische Profil des fortgeschrittenen Französischunterrichts, das sich, wie Franz Rudolf Weller in seiner in der
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zweiten Hälfte der 90er Jahre durchgeführten Untersuchung zum Lektürekanon
des Französischunterrichts konstatiert, seit den 60er Jahren kaum verändert hat
und sich im Wesentlichen auf einen Kern von ca. 12-16 literarischen Werken
stützt.9 Aber auch bei der Auswahl der landeskundlichen Themen sind eindeutige
Präferenzen und Konzentrationen auf einige wenige Bereiche erkennbar. In den
Lehrwerken für die Oberstufe findet man sie modellhaft bearbeitet.
Auch wenn die Oberstufenlehrwerke heute also nicht mehr als zentrale Textgrundlage für den Französischunterricht in der Oberstufe gelten können, so bieten
sie auf Grund ihrer inhaltlichen Orientierung an den Rahmenrichtlinien und ihrer
Modellfunktion für landeskundliche Einzeldossiers10 dennoch einen guten Überblick über die Themenschwerpunkte, die vorzugsweise behandelt werden und stellen eine wichtige Grundlage für das Frankreichbild der Schüler dar. Bei der folgenden Analyse sollen sie deshalb im Mittelpunkt stehen und die landeskundlichen
Dossiers und literarischen Textausgaben für die Schule nur ergänzend in die Betrachtung einbezogen werden.
2. Kriterien für die Analyse des Frankreichbildes in Lehrwerken
Wenn man im Sinne der imagologischen Forschung davon ausgeht, dass das Bild
eines Landes das Ergebnis des Zusammenspiels von Kenntnissen über landeskundliche und kulturelle Sachverhalte, von medial und sozial vermittelten Vorstellungen und von eigenen Erfahrungen mit dem Land und seinen Bewohnern darstellt,11 dann muss sich die Analyse seiner Vermittlung im Lehrwerk mit folgenden
Fragen befassen:
• Welches Wissen wird von den Texten und den Bildern transportiert? Welche
landeskundlichen Inhalte im Bezug auf Räume, Zeiten, Menschen und ihre Kultur werden präsentiert? Welche Schwerpunktsetzungen und Selektionen werden dabei vorgenommen und welche gesellschaftlichen Bereiche werden ausgespart?
• Welche Vorstellungen werden erweckt, bestätigt oder widerlegt? Werden nationale Stereotypen bedient oder dekonstruiert? Werden Kulturkontraste oder Kulturvergleiche evoziert, Gegensätze oder Gemeinsamkeiten herausgestellt?
Handelt es sich eher um harmonisierende bzw. idealisierende Darstellungen
des Landes oder ist der Zugang problemorientiert und kritisch? Bieten die Textund Bildmaterialien unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven und Darstellungsmodi?
• Welche Erfahrungen werden im Sinne einer Lernerorientierung einbezogen und
aktiviert? Auf welche Begegnungssituationen und interkulturellen Erfahrungen
wird vorbereitet: Jugendaustausch, Ferienaufenthalte, europäische Partnerschaft? Werden Identifikationsangebote gemacht und jugendkulturelle Erfahrungsbereiche angesprochen? Welche fremdsprachendidaktischen Zielvorstel-
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lungen werden entwickelt: interkulturelle Verständigung, Orientierungskompetenzen in der Zielkultur, kulturelle Partizipation, allgemeine Bildung?
Diesen Analysefragen liegt die Vorstellung zu Grunde, dass das Frankreichbild eines Lehrwerks sich einerseits aus der Zusammenstellung seiner landeskundlichen
und kulturellen Inhalte sowie ihrer medialen Präsentation in Form von verschiedenen Textsorten und Wahrnehmungsperspektiven zusammensetzt, sein Wirkungspotential aber andererseits davon abhängt, wie weit es ihm gelingt, die Vorstellungswelten und Erfahrungsbereiche der jugendlichen Lerner anzusprechen oder
herauszufordern.
Entsprechend der genannten Kriterien soll im Folgenden eine Analyse der Oberstufenlehrwerke für den Französischunterricht durchgeführt werden,12 die zwischen Inhalten, Perspektiven und Orientierungen unterscheidet:
• Die Inhaltsanalyse umfasst die Darstellung von Räumen (Stadt/Land, Frankreich/Frankophone Länder), Zeiten (Vergangenheit/Gegenwart), Gesellschaft
(soziale Schichten, ethnische Zusammensetzung, Wirtschaft, Umwelt, Politik),
Kultur (Alltagskultur/Hochkultur, Feste und Traditionen).
• Die Perspektivenanalyse zielt auf die Verteilung von Textsorten (Literatur,
Presse, Wissenschaft), Bildmedien (Typen, Funktionen), Wahrnehmungsperspektiven (Eigenwahrnehmung/Fremdwahrnehmung).
• Die Orientierungsanalyse gilt der Lernerorientierung des Materials im Sinne
seines Aktivierungspotentials von Erfahrungsbereichen (Jugendkultur, Begegnungssituationen), Erfahrungsperspektiven (Innensicht/Außensicht), Zielperspektiven (Orientierungskompetenz, Interkulturelle Kompetenz, Kommunikative
Kompetenz).
3. Landeskundliche und kulturelle Inhalte der Oberstufenlehrwerke
Wenn man sich die Lehrwerke für den fortgeschrittenen Französischunterricht seit
den 50er Jahren ansieht, so lassen sich deutlich drei Generationen voneinander
unterscheiden. Die in den 50er und 60er Jahren erschienenen Werke geben einen
repräsentativen Überblick über Frankreich, der zentrale Bereiche der Landeskunde
und die wichtigsten Epochen der Literatur umfasst und darauf abzielt, das Land als
eine territoriale und kulturelle Einheit zu präsentieren, wie das Epitaph des Prosalesebuches Etudes Françaises deutlich ausweist:
La France est de tous les pays, je ne dirai pas le plus uni, mais le plus un. Ses divergences se fondent en une vaste synthèse. (Paul Gautier, né en 1872)
Seit Mitte der 70er Jahre lässt sich eine Tendenz zur größeren Diversifizierung erkennen. Landeskunde und Literatur werden voneinander getrennt und in unterschiedlichen Oberstufenlehrwerken präsentiert. Am deutlichsten sichtbar wird
diese Tendenz in der Neuauflage von La Civilisation Française von 1974, die nun
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in zwei Bände aufgeteilt ist: Teil 1: La France et les Français, Teil 2 : La littérature
française. Gleichzeitig beginnen im Zuge der Diskussion um eine landeskundliche
Neuorientierung des Französischunterrichts13 landeskundliche Dossierreihen aus
dem Boden zu schießen und die inhaltliche Ausrichtung des Französischunterrichts zu verändern. Die Dossiers tragen exemplarische Problembereiche der französischen Gesellschaft in den fremdsprachlichen Unterricht und haben das Ziel,
bei den Schülerinnen und Schülern ein sozialkritisches Bewusstsein zu erzeugen.
Sowohl die Lehrwerke als auch die Dossiers dieser Lehrwerkgeneration sind mit
didaktischen Arbeitsvorschlägen in Form von Fragen zu den Texten ausgestattet,
was sie deutlich von der ersten Generation von Oberstufenlehrwerken unterscheidet, die reine Lesebücher waren und höchstens über ein paar Vokabelerklärungen
für die deutschen Lerner verfügten. Doch behalten sie in der Systematik des Themenaufbaus die landeskundliche Sachorientierung bei, die schon die ersten Nachkriegslehrwerke gekennzeichnet hatte: erst Geographie, dann Geschichte, Wirtschaft und Politik, schließlich die gesellschaftliche Struktur Frankreichs in der Gegenwart und aktuelle kulturelle Strömungen.
Das ändert sich grundlegend bei der dritten Generation von Lehrwerken ab
Ende der 80er Jahre. Die Werke verfolgen eine lernerorientierte Inhaltsstrukturierung, bei der die jugendlichen Adressaten im Mittelpunkt stehen, die Themenbereiche also aus der Jugendperspektive entfaltet werden und die Inhalte zu einigen in
sich geschlossenen themenorientierten Dossiers zusammengefasst sind.14 Außerdem wird die strikte Trennung zwischen Landeskunde und Literatur wieder aufgehoben und die Literatur, die im Zuge der interkulturellen Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts von der Didaktik als empathiefördernde Textsorte neu entdeckt
worden war,15 erhält in den nach wie vor primär landeskundlich ausgerichteten
Oberstufenlehrwerken nunmehr die Rolle eines lernerorientierten Schlüssels zu
sensiblen Themenbereichen. Die didaktischen Passagen, die in den Werken der
70er und 80er Jahre nur wenige Zeilen pro Text umfassten, sind inzwischen zu
umfangreichen Analysewerkzeugen angewachsen und nehmen teilweise mehr
Raum ein als die zu analysierenden Texte.
In jüngster Zeit scheint sich die Entwicklung einer weiteren Generation von
Oberstufenlehrwerken abzuzeichnen. Als Prototyp kann die letzte Umgestaltung
des Lehrwerks Horizons zu einem Basisdossier mit baukastenartig konzipierten
Folgedossiers gelten. Diese Werke versuchen, die Flexibilität der Dossiers mit der
Systematik der Lehrwerke zu verbinden. Das Basisdossier enthält die didaktisch
relevanten methodischen Grundlagen, die einzelnen Dossiers dagegen die aktuellen themenorientierten Materialien.
Die Wandlung der Lehrwerkkonzepte im Verlauf der vergangenen 50 Jahre findet
ihren deutlichen Niederschlag in der inhaltlichen Struktur der Werke. Im Einzelnen
sind folgende Entwicklungen festzustellen:
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3.1 Räume
Die Lehrwerke der ersten und zweiten Generation konzentrieren sich ausschließlich auf Frankreich als nationalem Territorium und blenden die frankophonen Länder vollständig aus. Dabei nimmt in den älteren Werken die Behandlung von Paris
und dem Gegensatz Paris – Provinz einen relativ breiten Raum ein, während die
Werke der 70er und 80er Jahre diese Thematik deutlich zugunsten sozialer Themen zurückdrängen. Die neueren Lehrwerke widmen sich wieder verstärkt dem
Thema Paris, setzen aber ganz andere Akzente und zeigen nicht nur die repräsentative Seite der Hauptstadt, sondern führen die Lerner auch in Problemzonen wie
z.B. die banlieue. Bei der Darstellung von Provinzen gehen die neueren Werke
eher exemplarisch vor und vermeiden die Kontrastierung von Paris und Provinz.
Statt einer fast enzyclopädischen Präsentation aller Regionen Frankreichs, wie sie
z.B. noch in La Civilisation Française von 1950 angestrebt wurde, werden einzelne
Regionen herausgegriffen (Alsace, Rhône-Alpes, Provence) und in ihrer kulturellen
Differenz vorgestellt. Daneben findet spätestens seit Mitte der 90er Jahre eine
deutliche Ausweitung des Raumes zugunsten der frankophonen Länder statt. Alle
nach 1995 erschienenen Lehrwerke widmen den französischsprachigen Ländern
umfangreiche Kapitel, wobei das frankophone Afrika am häufigsten thematisiert
wird,16 dicht gefolgt von Quebec und der Karibik.
3.2 Zeiten:
Auch bei der historischen Dimension der Lehrwerke sind deutliche Unterschiede
zu erkennen. Für die Werke der ersten Generation bildet die Geschichte Frankreichs das Zentrum landeskundlichen Interesses. Bis zu 50% der Texte sind historischen Themen gewidmet, wobei Rückgriffe auf kulturkundliche Tendenzen der
Vorkriegszeit zu erkennen sind und von einem durch die Geschichte geformten
Nationalcharakter ausgegangen wird.17 In allen Lehrwerken der 50er und 60er
Jahre ist eine durchgehende Idealisierung der französischen Geschichte festzustellen mit der Verherrlichung ihrer Helden (Jeanne d’Arc, Louis XIV, Napoléon)
und einem nahezu vollständigen Verzicht auf die Darstellung konfliktreicher Epochen wie z.B. dem Zweiten Weltkrieg und der Occupation.18 Die deutsch-französische Aussöhnung kommt zwar in allen Werken vor, allerdings wird sie vorzugsweise unter dem Aspekt „Avenir“ behandelt und in die zukunftsträchtige Kombination France – Allemagne – Europe eingebunden. Texte zur französischen Gegenwart fehlen entweder ganz oder nehmen nur einen geringen Raum ein. Das ändert
sich grundlegend mit dem 1974 erschienenen Lehrwerk Salut Lectures, das radikal
bricht mit der Rückwärtsgewandtheit der früheren Lehrwerke und eine konsequent
gegenwartsbezogene Darstellung Frankreichs bietet, bei der politische und soziale
Aspekte im Mittelpunkt stehen. Diese Veränderung der Schwerpunktsetzung wird
von den späteren Lehrwerken fortgesetzt. Die Werke der 70er Jahre verzichten
weitgehend auf die glorreiche Darstellung der Vergangenheit Frankreichs und konzentrieren sich auf politische, soziale und ökonomische Alltagsprobleme. Dieser
Trend hält in den 90er Jahren an. Die Geschichte Frankreichs nimmt einen immer
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kleineren Raum ein in den Lehrwerken, bis sie ab 1995 endgültig auf die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen reduziert ist, wobei allerdings zunehmend auch die konfliktreiche Vergangenheit dieser Geschichte mit ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart in den Blick genommen wird. Dafür erhält der Gegenwartsbezug ein immer stärkeres Gewicht, wobei die sozialen Probleme, die points
chauds Frankreichs, im Zusammenhang mit der durch Migration und kultureller
Mischung sich verändernden Gesellschaft in den Vordergrund rücken, bis sie in
den Horizons-Dossiers (2004f) schließlich das Zentrum bilden.19
3.3 Gesellschaft
Wie bereits erwähnt, werden soziale und politische Probleme in den Werken der
50er und 60er Jahre vorwiegend unter historischen und kulturkundlichen Aspekten
betrachtet. Erst in den 70er Jahren entwickeln sie sich zu ernstzunehmenden Interessensschwerpunkten. So findet man bei Salut Lectures (1974) z.B. eine umfassende Darstellung sozialer und politischer Strukturen, allerdings werden soziale
Konflikte nicht thematisiert. Mai 68 ist zwar mit einem Foto und einer Anmerkung
im Übungsband vertreten, das führt aber nicht dazu, dass kritische Fragen zur
französischen Gesellschaft aufgeworfen werden. Es bleibt bei einer insgesamt
harmonisierenden Darstellung, was vor allem der Wahl vorwiegend referentieller
Textsorten geschuldet ist.20 Das ändert sich auch nicht wesentlich in den folgenden Werken der zweiten Generation, in denen soziale Themen auf der einen Seite
einen immer größeren Raum einnehmen und Frankreich als eine moderne Industrienation präsentiert wird, in der wachsende Urbanisation und industrielle Konzentration zu sozialen Konflikten führen. Gleichzeitig erfolgt die Behandlung dieser
Themen aber auf einer merkwürdig abstrakten, eher strukturellen Ebene, die nicht
dazu geeignet ist, die menschliche Seite der Probleme zu erfassen. Eine deutliche
Dynamisierung der sozialen und politischen Thematik zeichnet sich erst in den
80er Jahren ab, als die wachsende Problemorientierung der Lehrwerke, ablesbar
an Kapitelüberschriften wie „Le problème des banlieues“, „La France et le
problème de l’énergie“, „L’Etat menacé?“, „La crise de l’enseignement“,21 sich in
den Präsentationsformen niederzuschlagen beginnt und neben referentiellen
Textsorten auch expressive Texte, Bilder des täglichen Lebens, Karikaturen und
Werbeanzeigen Verwendung finden und einen Hauch von authentischem französischen Alltag verbreiten.
Die dominanten sozialen Themen der Lehrwerke der 90er Jahre werden in den
80er Jahren bereits vorbereitet: Jugend, Umwelt, Immigration. Das Thema Jugend
avanciert, wie bereits gesagt, in der dritten Generation von Oberstufenlehrwerken
zum Dreh- und Angelpunkt der Wahrnehmung Frankreichs. Dieser dem didaktischen Paradigmenwechsel von der Instruktion zur Konstruktion geschuldete Wandel führt dazu, dass die Lernerperspektive der deutschen Schüler in die
landeskundliche Progression der Oberstufenlehrwerke eingearbeitet wird und soziale Themen, die aus deutscher Sicht wichtig erscheinen und in Deutschland breit
diskutiert werden, nun eine Übertragung auf französische Verhältnisse erfahren.
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Besonders deutlich wird das bei der Behandlung des Umweltthemas, das in keinem der neueren Lehrwerke fehlen darf, und an dem Thema der Immigration. Der
deutsche Lehrwerksblick auf die Probleme Frankreichs mit seiner Migrationsbevölkerung, der nicht nur die Oberstufenlehrwerke dominiert, sondern sich auch in
zahlreichen landeskundlichen Einzeldossiers niederschlägt,22 wäre zweifellos eine
Extrastudie wert, die im Rahmen dieses knappen Überblicks über die inhaltliche
Ausrichtung französischer Oberstufenlehrwerke nicht geleistet werden kann. Doch
sollen kurz einige zentrale Merkmale der Präsentation dieses Themas vorgestellt
werden:
• Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen in allen Werken algerische Immigranten,
die mit dem Algerienkrieg und der kolonialen Vergangenheit Frankreichs in Verbindung gebracht werden und als Auslöser für soziale Konflikte gelten.
Schwarzafrikaner werden nicht unter dem problembeladenen Gesichtspunkt
der Immigration behandelt, sondern ausschließlich im Themenbereich „Francophonie“ als Mitglieder der frankophonen Völkergemeinschaft vorgestellt.
• Der französische Rassismus wird als ein weit verbreitetes Phänomen dargestellt. Durch das Vorhandensein einer so starken rechtsradikalen Partei wie
dem Front National erscheint er geradezu als legalisiert. Antirassistische Bewegungen wie SOS Racisme kommen zwar auch zu Wort, jedoch in geringerem
Maße als die rassistischen gesellschaftlichen Kräfte.
• Die banlieue wird als sozialer Brennpunkt thematisiert. Er symbolisiert die Ausgrenzung der Immigranten und ihrer Familien, insbesondere der Zweiten Generation, und steht für das Scheitern der französischen Integrationspolitik.
• Als weiterer Konfliktherd wird die affaire du foulard in mehreren Lehrwerken
präsentiert und die Gefahr einer Entstehung von islamischen Parallelgesellschaften heraufbeschworen.
• Die Innenperspektive des Problembereichs, beispielsweise in Form von Lebensgeschichten aus der Sicht der Immigranten, erscheint nur vereinzelt (Bleu
Blanc Rouge, Parcours). Erst in den Horizons-Dossiers der Jahre nach 2005
wird ein systematischer Perspektivenwechsel angeleitet und kommen die arabischen Jugendlichen mit ihren Problemen selbst zu Wort.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Thema Immigration in den Französischlehrwerken ein eher negatives Frankreichbild transportiert: Frankreich erscheint als ein Land, das sich schwer tut mit seinen Immigranten und dem es aufgrund von Mechanismen der sozialen Ausgrenzung und rassistischer Tendenzen in
der Gesellschaft nicht gelingt, seine Immigranten zu integrieren.23
3.4 Kultur
In den aktuellen Französischlehrwerken präsentiert sich die französische Kultur
überwiegend als moderner Lifestyle, d.h. als eine Alltagskultur, in der Medien und
neue Technologien eine zentrale Rolle spielen. Dabei steht entsprechend der im
Verlauf der 90er Jahre entwickelten Lernerorientierung die Jugendkultur mit ihren
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spezifischen Kommunikationsformen, ihrer Musikszene, ihren Lieblingsfilmen und
ihren modischen Trends im Mittelpunkt. Werke wie Mots de passe und Parcours
widmen fast die Hälfte ihrer thematischen Dossiers der Jugendkultur und bei Horizons findet mit jeder Neuausgabe (1995, 2002, 2004) eine stärkere Akzentuierung
der Jugendkultur statt, während die klassischen Themen der Hochkultur wie Literatur und Kunst immer weiter zurückgenommen werden. Eine gewisse Kontinuität ist
einzig im Bereich des Chansons festzustellen. Dank seiner Fähigkeit, moderne
musikalische Trends zu integrieren und sich in der französischen Jugendszene zu
behaupten, bleibt das Chanson über alle didaktischen Entwicklungen der letzten
Jahre hinweg ein aktueller Themenbereich, der geeignet erscheint, jugendliche
Französischlerner anzusprechen. Andere kulturelle Themenbereiche wie Feste
und Traditionen, sowie nationale Symbole, die auf das Kollektive Gedächtnis
Frankreichs Bezug nehmen und eine aus der kulturellen Aktualität hinausweisende
historische Dimension eröffnen, werden selten explizit angesprochen,24 sind dafür
aber in den Bildmaterialien zu politischen Themen (L’Etat, La vie politique) durchaus präsent.
Vergleicht man die auf Aktualität und Modernität fokussierte Darstellung der
französischen Kultur in den neueren Oberstufenlehrwerken mit denen der früheren
Lehrwerke, so wird ein grundlegender Paradigmawechsel von einer einseitigen
Vergangenheitsorientierung zu einer nicht minder einseitigen Gegenwartsorientierung sichtbar. Die Oberstufenlesebücher der ersten Generation widmen häufig bis
zur Hälfte ihrer Texte der kulturellen Tradition Frankreichs und gehen dabei nicht
nur ausführlich auf die französische Literatur ein, sondern bieten vor allem auch
einen breiten Einblick in philosophische Strömungen und religiöse Traditionen, die
das Geistesleben Frankreichs in der Vergangenheit bestimmt haben. In den Werken der 70er und 80er Jahre ändert sich diese Ausrichtung, wie oben bereits
dargelegt, zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung der Gegenwart und wird
die Literatur als zentrales kulturelles Thema in eigene Lehrwerke ausgegliedert,
doch bleibt die Thematisierung des geistigen Lebens Frankreichs und der
philosophischen und religiösen Basis seiner Kultur dennoch in reduzierter Form
erhalten. In Kapiteln wie „La vie de l’esprit“ (Salut Lectures), „Les forces religieuses“ (La Civilisation Française), „Vie culturelle“ (Civilisation Française Contemporaine) wird der Brückenschlag zwischen geistigen Traditionen und modernen kulturellen Institutionen versucht und Gegenwärtiges auf Vergangenes bezogen. Auffällig ist darüber hinaus, dass in dieser zweiten Generation von Oberstufenlehrwerken das patrimoine culturel Frankreichs in Form von Fotos von Baudenkmälern
und symbolträchtigen Gebäuden präsent ist und dazu verwendet wird, die Spuren
der Vergangenheit in der Gegenwart sinnfällig zu machen.
Das inhaltliche Profil der Oberstufenlehrwerke hat sich, wie die Analyse der relevanten Themenbereiche deutlich zeigen konnte, innerhalb der vergangenen 50
Jahre grundlegend gewandelt und mit ihm das Frankreichbild, das von den Materialien vermittelt wird. Als charakteristisch für den Wandel sind folgende Aspekte
anzusehen:
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• Aktualisierung: An die Stelle der Vergangenheitsorientierung der älteren Lehrwerke, die ein in sich geschlossenes, relativ harmonisches Frankreichbild ermöglichte, sind ein konsequenter Gegenwartsbezug und ein multiperspektivisches Frankreichbild getreten. Damit verbunden ist die Orientierung auf gesellschaftliche Probleme, insbesondere von Jugendlichen, und ihre spezifische
Ausformung in Frankreich.
• Internationalisierung: Der ehemals eindeutig begrenzte Raum des französischen Hexagone hat sich zu öffnen begonnen, und neben Frankreich als dem
zentralen landeskundlichen Gegenstand des Französischunterrichts treten zunehmend frankophone Länder mit ihren Kulturen. Diese Öffnung gilt auch für
die in Frankreich lebenden Immigranten mit ihren sozialen und kulturellen Problemen. Sie sind im Verlauf der letzten 10 Jahre immer präsenter geworden in
den Lehrwerken und vermitteln das Bild eines multikulturellen Frankreich.
• Globalisierung: Die Thematisierung übernationaler Zusammenhänge in Wirtschaft und Politik in den Lehrwerken für den Französischunterricht ist ebenfalls
als eine aktuelle Entwicklung anzusehen, die den Blick auf ökonomische und
soziale Vernetzungen in Europa und in der ganzen Welt offenbart. Das Thema
wird vor allem im Zusammenhang mit Umweltproblemen und dem technischen
Fortschritt angesprochen und transportiert das Bild eines modernen, weltweit
agierenden Frankreich.
4. Wahrnehmungsperspektiven und Präsentationsformen
Die Frage, welche Themen am besten geeignet sind, junge Deutsche für Frankreich zu interessieren und ihnen ein ansprechendes und gleichzeitig realistisches
Bild von Frankreich zu vermitteln, lässt sich nicht unabhängig von der Art der Präsentation beantworten. Folgt man den Erkenntnissen konstruktivistischer Lerntheorien, dann können die Themen nur dann Interesse wecken, wenn sie bei den Lernern mentale Konstruktionsprozesse anregen und sie zu einer Vernetzung ihres
bereits vorhandenen Wissens mit neuen Erkenntnissen führen. Dabei spielt einerseits die Wahl der Diskursebene in Form von Textsorten eine wichtige Rolle, andererseits lenkt die mediale Präsentation des Themas die Wahrnehmung. Im Folgenden soll näher untersucht werden, wie sich die Präsentation Frankreichs in den
Oberstufenlehrwerken im Laufe der Jahre gewandelt hat.
4.1 Textsorten
Bei den Textsorten ist eine zunehmende Diversifizierung zu beobachten. Während
die Lehrwerke der 50er und 60er Jahre noch mit einem Spektrum von nur zwei
Textsorten auskamen, literarischen Texten und Sachtexten aus Geschichte, Geographie und Politik, und sich dabei mit referentiellen und deskriptiven Textpassagen begnügten, hat sich die Bandbreite der verwendeten Textsorten mittlerweile
vervielfacht: Zeitungstexte sind zu den wichtigsten Informations- und Meinungsträ52
gern geworden, biographische Texte und Interviews bieten Innenansichten, literarische Texte dienen der Entwicklung von Empathie, Werbetexte und politische Plakate lenken die Aufmerksamkeit auf ökonomische Bedürfnisse und soziale Probleme, Übersichten und Info-Graphiken liefern landeskundliche Hintergrunddaten,
Sketche und Bildgeschichten überraschen mit alternativen Wahrnehmungsperspektiven.25 Hinter dieser Diversifizierung der Textsorten verbirgt sich ein didaktischer Konzeptionswechsel. Lernziel des Französischunterrichtes ist nicht mehr der
Erwerb eines möglichst umfassenden landeskundlichen Wissens, sondern die Fähigkeit, sich mit Franzosen kommunikativ und interkulturell zu verständigen und
sich in den innerkulturellen Dialog einzubringen, was die Kenntnis unterschiedlicher Wahrnehmungsperspektiven und Diskursebenen voraussetzt. Die Lernenden
werden heute mit einer Mischung aus referentiellen, expressiven und appelativen
Texten konfrontiert, die es ihnen ermöglichen soll, sich mit unterschiedlichen Verhaltensmustern auseinander zu setzen und differente Zugänge zu den sozialen
und kulturellen Problemen Frankreichs kennen zu lernen. Vergleicht man zum Beispiel die Behandlung eines so universellen Themas wie „La Famille“ in einem
Lehrwerk der ersten, der zweiten und der dritten Generation, so wird deutlich,
welche Wandlung des Frankreichbildes mit der Diversifizierung der Textsorten verbunden ist.
Für die Behandlung des Themas werden in Qu’est-ce que la France? (1961)
zehn Texte vorgelegt, davon neun literarische (zwei Gedichte und sechs Prosatexte) sowie ein Sachtext zur Erziehung. Alle Prosatexte mit einer Ausnahme stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und thematisieren in narrativer
und deskriptiver Form Kindheitserlebnisse und Erziehungskonzepte aus einer vergangenen Zeit. Sie spiegeln in relativ einheitlicher Weise traditionelle französische
Familienmodelle wieder und präsentieren Idealvorstellungen.
Das Werk von 1981, Civilisation Française Quotidienne, wählt einen vollkommen anderen Zugang zum Thema Familie. Wieder werden zehn Text zu einem
Dossier gebündelt, davon stammen fünf Texte aus der Zeitung. Sie geben Meinungen zur Rolle und dem Wert der Familie in der aktuellen Gesellschaft wieder. Zwei
Texte sind Auswertungen von Umfragen zur Einstellung von Jugendlichen zur Familie gewidmet, sie enthalten also ebenfalls Meinungsbilder. In zwei Texten kommen Soziologen zu Wort, einmal in Form einer direkten Meinungsbekundung in
einem Interview, einmal in Form eines soziologischen Sachtextes. Eine B.D. zum
Thema „Divorce“ von Claire Brétécher rundet als überspitzte Momentaufnahme der
Krise der Familie das Dossier ab. Das Bild, das in diesem Lehrwerk von der französischen Familie entworfen wird, besteht aus einem Mosaik von verschiedenen
Meinungen, wobei die Aktualität und die Problemorientierung des Zugangs durch
die Wahl der Textsorten vorgegeben ist.
In dem neuesten Lehrwerk Horizons. Basisdossier: Les jeunes (2004) dominiert
die Perspektive der Jugendlichen. In den sechs Texten zum Themenbereich Familie werden zweimal die Ergebnisse einer Umfrage zur Einstellung von französischen Jugendlichen zur Familie wiedergegeben, zwei Texte stützen sich auf Leser53
briefe von Jugendlichen, ein soziologischer Text bietet eine sachliche Analyse der
Beziehungsprobleme in modernen Großstadtfamilien und der einzige literarische
Text inszeniert einen Erfahrungsaustausch von Kindern aus kaputten Familien.
Hinzu kommen eine Reihe von Fotos und Karikaturen, die die thematischen
Schwerpunkte illustrieren. Allen Texten ist eine Aktivierungs- und Kontextualisierungsfrage zur Einstellung deutscher Jugendlicher vorangestellt und im Rahmen
der Textarbeit werden die Lerner zu interkulturellen Vergleichen angeregt. Die französische Familie wird in diesem Lehrwerk in den übernationalen Kontext der Entwicklung familiärer Beziehungen in westlichen Industrienationen gestellt, die Sicht
auf französische Familienmodelle verzichtet zugunsten einer expliziten Lernerorientierung auf die Betonung französischer Besonderheiten. Die Mischung der
Textsorten garantiert eine gewisse Perspektivenvielfalt, auch wenn die Fokussierung auf die jugendliche Lernerperpektive diese Vielfalt wieder einschränkt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Entwicklung der Textsortenvielfalt
in den Oberstufenlehrwerken dazu geführt hat, das Bild Frankreichs zu aktualisieren und zu diversifizieren und dadurch einer Stereotypenbildung entgegenzuwirken. Unterschiedliche Ansichten und Zugänge zu den Themenbereichen werden
einander gegenüber gestellt und gestatten den Lernern Einblicke in innerkulturelle
Aushandlungsprozesse.
4.2 Bildmedien
Seit jeher haben Bildmedien im Fremdsprachenunterricht eine wichtige Rolle gespielt,26 die Entdeckung ihrer interkulturellen und motivationalen Potentiale in den
90er Jahren hat aber dazu geführt, dass die Zahl der Bildmedien sich in den Lehrwerken signifikant erhöht hat und neue, vor allem die Alltagskultur Frankreichs
betreffende Arten von Bildern Einzug gehalten haben in die fremdsprachlichen Unterrichtsmaterialien. In den Lehrwerken der ersten Generation findet man ausschließlich Fotos von typischen Landschaften und repräsentativen Gebäuden, sowie Porträt-Abbildungen berühmter Staatsmänner, Philosophen und Schriftsteller.
Maximal 15% der Seiten sind bebildert. Diese Bilder dienen einerseits der Illustrierung der Texte, andererseits transportieren sie Informationen zum Kulturellen Gedächtnis Frankreichs. Über diese informative Funktion hinaus haben sie keinerlei
didaktische Funktion. In den Lehrwerken der dritten Generation hingegen gibt es
fast keine Seite mehr ohne Bilder, und die Bilder werden durch eine Fülle von Aufgaben in den fremdsprachlichen Lernprozess einbezogen und spielen vor allem für
kulturvergleichende und kulturvernetzende Lernphasen eine wichtige Rolle. Fotos
prominenter Persönlichkeiten sind kaum noch anzutreffen, dafür Bilder von jungen
Leuten und Alltagssituationen, Comics und Karikaturen, Info-Graphiken, Werbeund Wahlplakate und Filmbilder. Ein Lehrwerk wie Nouveaux Horizons (Nouvelle
Edition) von 2002 enthält beispielsweise über 175 Bilder oder Bildcollagen (auf
260 Seiten), davon 38 Fotos von Alltagssituationen, 20 Fotos von Landschaften
und Baudenkmälern, 16 Fotos von Jugendidolen (Popsänger etc.), 23 Karikaturen,
15 Werbe- und Wahlplakate, 17 Info-Graphiken, 6 Filmbilder etc. Der weitaus
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größte Teil der Bilder dient der Darstellung der französischen Alltagskultur mit besonderer Betonung der Jugend. Die Bilder dienen also nicht einer repräsentativen
Darstellung Frankreichs, sondern sollen die jugendlichen Lerner auf Kommunikationssituationen mit Franzosen und Französinnen vorbereiten. Die relativ hohe Anzahl von Karikaturen verweist auf eine starke Problemorientierung des Lehrwerkes. In den Karikaturen werden auf pointierte und anregende Art soziale und politische Probleme angesprochen und innerfranzösische Diskussionen aufgegriffen.
4.3 Wahrnehmungsperspektiven
Wie aus den Ausführungen über die Entwicklung der Inhalte, Textsorten und Bildmedien in den Oberstufenlehrwerken für den Französischunterricht deutlich hervorgeht, hat sich ein grundlegender Wandel im schulischen Blick auf Frankreich
vollzogen. An die Stelle einer harmonisierenden Darstellung Frankreichs auf der
Grundlage ausgewählter literarischer und wissenschaftlicher Werke ist im Verlauf
der 80er und 90er Jahre eine auf den jugendlichen deutschen Lerner ausgerichtete
Einführung in französische Alltagskultur und Alltagsprobleme getreten, wobei vor
allem solche Texte und Bilder die Grundlage liefern, die Einblicke in innerfranzösische Aushandlungsprozesse bieten und damit ein sehr vielfältiges und keineswegs
einheitliches Bild von Frankreich transportieren. In den neueren Werken werden
darüber hinaus die Geschichte und aktuelle Ausprägung der gegenseitigen
deutsch-französischen Wahrnehmung thematisiert und insbesondere stereotype
französische Deutschlandbilder in Bildmedien (Karikaturen, Werbung) und Texten
(Madame de Staël, Victor Hugo, Romain Rolland) auf ihre langfristigen Auswirkungen hin untersucht. Zwei Lehrwerke (Bleu Blanc Rouge, Reflets de la France) wählen die deutsch-französische Wahrnehmung sogar als Ausgangsperspektive für
das gesamte Werk und präsentieren nicht nur ausführliche landeskundliche Hintergrundinformationen zur historischen und politischen Einordnung der gegenseitigen
Bilder, sondern geben auch Anleitungen zum Perspektivenwechsel und zum Vermeiden interkultureller Missverständnisse.27
5. Orientierungen und Lernziele
Es kann nicht überraschen, dass das Frankreichbild der neueren Oberstufenlehrwerke im Wesentlichen den kommunikativen und interkulturellen Lernzielen, die
seit den 90er Jahren für den Fremdsprachenunterricht als verbindlich festgelegt
wurden, entspricht. In den Rahmenrichtlinien NRW für den Französischunterricht
der Sekundarstufe II wird diese Orientierung folgendermaßen formuliert:
In Bezug auf das Leitziel des Französischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe, die
interkulturelle Handlungsfähigkeit, umfasst der Bereich ‘Interkulturelles Lernen, soziokulturelle Themen und Inhalte’ all jene Kenntnisse, Haltungen und Einstellungen, die
die Schülerinnen und Schüler befähigen, in Wirklichkeitsfeldern zu agieren, in denen
die französische Sprache Kommunikationsmedium ist. (...) In diesem Zusammenhang
55
vermittelt der Unterricht Orientierungs-, Erklärungs- und Deutungswissen, das Grundlagen für eine handelnde Auseinandersetzung mit den komplexen Lebenswirklichkeiten
frankophoner Gesellschaften schafft. Hierbei misst er dem im engeren Sinne landeskundlichen Bereich der sozialen, ökonomischen, ökologischen, politischen und historischen Realitäten ebenso viel Bedeutung zu wie dem literarischen Feld der subjektiven
und ggf. imaginären Wirklichkeiten und Weltsichten.28
Der Erwerb eines solchen Orientierungs-, Erklärungs- und Deutungswissens wird
in den Lehrwerken dabei vor allem durch eine konsequente inhaltliche Lernerorientierung und die Diversifizierung innerfranzösischer Wahrnehmungsperspektiven
exemplarisch angeleitet und auf die Entwicklung eines umfassenden landeskundlichen oder literarischen Wissens verzichtet. Den Lernern werden die französischen
Nachbarn als potentielle Kommunikationspartner näher gebracht. Authentische
Berichte über Begegnungssituationen und Anleitungen zu Austauschprojekten tragen zur konkreten Vorbereitung auf solche Kommunikationssituationen bei. Ein
Blick in die allerneuesten Lehrwerke zeigt allerdings, dass durch diese intensive
Lernerorientierung, die landeskundlichen Inhalte zunehmend in den Hintergrund
gedrängt werden und die Besonderheiten der französischen Kultur teilweise aus
dem Blick geraten. Das offensichtliche Bemühen um die Vergleichbarkeit französischer und deutscher Jugendlicher und ihrer Lebensweise birgt einerseits die
Chance eines großen Verständigungspotentials, andererseits aber auch die Gefahr
einer gewissen Nivelierung kultureller Unterschiede. Doch, wie anfangs bereits
erwähnt, werden in der Realität des Französischunterrichts zusätzlich themenspezifische Materialien eingesetzt, die dieses, im Rahmen von Lehrwerken kaum lösbare Problem der Einseitigkeit, zu beheben versuchen. Die heutigen Lehrwerke
liefern Zugänge zu Frankreich, vermögen zweifellos Interesse zu erzeugen und auf
Begegnungssituationen vorzubereiten, eine breites landeskundliches Hintergrundwissen können sie in der Regel nicht vermitteln. Deshalb erscheint es absolut notwendig auf das Zusammenspiel von Lehrwerken und spezialisierten Zusatzmaterialien verschiedenster Art zu setzen, um die Vielfältigkeit des in den Lehrwerken
entwickelten Frankreichbildes durch landeskundliches und kulturelles Wissen zu
untermauern und den deutschen Lernern eine solide Wissensgrundlage zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, ihr persönliches Bild von Frankreich zu entwickeln.
Übersicht über Oberstufenlehrwerke für den Französischunterricht
1. Auflage
1950
Verlag
Hirschgraben
1961
Diesterweg
1967
1971
Klett
Klett
1974
Diesterweg
56
Titel
La Civilisation Française.
Lesebuch für die Oberklassen
Qu’est-ce que la France?
Französisches Lesebuch für Oberstufen
Aspects de la France
Etudes Françaises.
Prosalesebuch
Salut Lectures.
Explications et Exercices
1974/77
Hirschgraben
1975
1979
Klett/Hatier
Diesterweg
1981
1988
Klett/Hatier
Klett
1990
Cornelsen
1995/96
Klett
1995
Diesterweg
1998
Schöningh
1998
1999
2002
Cornelsen
Cornelsen
Schöningh
2002/05
Klett
2004 sqq.
Klett
1
2
La Civilisation Française C1/C2.
Lese- und Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II
Civilisation française contemporaine
Aspects de la littérature française.
Lese- und Arbeitsbuch für den französischen
Literaturunterricht der Sekundarstufe II
Civilisation Française Quotidienne
Etudes Françaises. Horizons.
Lesebuch zur Einführung in die Textarbeit auf der
Oberstufe
Reflets de la France.
Lese- und Arbeitsbuch für die gymnasiale Oberstufe
Nouveaux Horizons 1/2.
Lesebuch zur Einführung in die Oberstufenarbeit
Mots de passe.
Lese- und Übungsbuch für die Sekundarstufe II
Bleu Blanc Rouge.
Ein Lese- und Arbeitsbuch für Grund- und Leistungskurse
Parcours. Französisch für die Oberstufe
Reflets de la France/Nouvelle Edition
En Route vers Bleu Blanc Rouge.
Lese- und Arbeitsbuch für den Einstieg in die
gymnasiale Oberstufe
Nouveaux Horizons/Nouvelle Edition.
Lesebuch zur Einführung in die Oberstufenarbeit
Horizons.
Basisdossier und Folgedossiers im Baukastensystem
Vgl. Franz-Joseph Meißner: „Gymnasialer Fremdsprachenunterricht in Nordrhein-Westfalen im Lichte der Statistik (1965-1990)“, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 8,
1997, 1-26; Franz-Joseph Meißner: „Zum Französischunterricht in der Bundesrepublik“,
in: Französisch heute 28, 1997, 8-23; Christoph Bittner: „Der Teilnehmerschwund im
Französischunterricht – eine unabwendbare Entwicklung? Eine empirische Studie am
Beispiel der gymnasialen Oberstufe“, in: Französisch heute 34, 2003, 338-353; Marcus
Reinfried und Annette Kosch: „Sprachvermittlung in der Krise? Die Entwicklung des Französischunterrichts in Deutschland seit dem Elysée-Vertrag“, in: Dokumente. Zeitschrift für
den deutsch-französischen Dialog 58, 2003, 17-27; Lutz Küster: „Schülermotivation und
Unterrichtsalltag im Fach Französisch“, in: Französisch heute 38, 2007, 210-226.
Im Schuljahr 2006/07 verteilten sich laut Angaben des Statistischen Bundesamtes die
Schülerzahlen in den Fremdsprachen folgendermaßen: 1. Englisch 7.515.046, 2. Französisch 1.759.800, 3. Latein 819.373, 4. Spanisch 259.301, 5. Russisch 108.975. Vgl.
www.destatis.de
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58
Vgl. Henning Düwell: Fremdsprachenunterricht im Schülerurteil. Untersuchungen zu Motivation, Einstellungen und Interessen von Schülern im Fremdsprachenunterricht. Schwerpunkt Französisch, Tübingen, Gunter Narr, 1979; Franz Josef Meißner: „Zielsprache
Französisch – zum Unterricht einer ‘schweren’ Schulsprache“, in: Französisch heute 3,
1998, 241-257; Werner Bleyhl: „J’accuse“, in: Französisch heute 3, 1999, 252-263; Reinhold Freudenstein: „Der Französischunterricht muss (immer noch) umkehren!“, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 52, 1999, 151-156; Christoph Bittner, op. cit., 338sq.
Die Motivationsprobleme im Französischunterricht gelten als hausgemacht, vgl. Axel Polleti: „Französischbücher im Urteil von Schülern und Lehrern“, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 40, 1993, 183-190; Adelheid Schumann: „Zur Förderung von Motivation
im Französischunterricht durch Inhaltsorientierung“, in: Wolfgang Börner und Klaus Vogel
(eds.): Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht, Tübingen, Gunter Narr, 2004,
263-276; Lutz Küster: „Schülermotivation und Unterrichtsalltag im Fach Französisch“, in:
Französisch heute 38, 2007, 210-226;
Vgl. Dorothee Röseberg: „Les deux France im Deutschland der 50er Jahre. Frankreichbilder in Schulbüchern der DDR und der Bundesrepublik Deutschland“, in: Dorothee Röseberg (ed.): Frankreich und „das andere Deutschland“. Analysen und Zeugnisse, Tübingen, Stauffenburg Verlag, 1999, 97-134; Françoise Bertrand: „Bonjour les amis und
Bonjour, chers amis. Frankreich in den Lehrwerken für den Französischunterricht der
DDR“, in: Dorothee Röseberg (ed.): Frankreich und „das andere Deutschland“. Analysen
und Zeitzeugnisse. Tübingen, Stauffenburg Verlag, 1999, 135-172; Marc Thuret:
„’Sagaland ist abgebrannt’. Frankreichbilder und Französischunterricht in der DDR“, in:
Adelheid Schumann (ed.): Kulturwissenschaften und Fremdsprachendidaktik im Dialog.
Perspektiven eines interkulturellen Französischunterrichts, Frankfurt, Peter Lang, 2005.
Vgl. Jürgen Krauskopf: Das Deutschland- und Frankreichbild in Schulbüchern, Tübingen,
Gunter Narr, 1985; Jürgen Krauskopf: „Das Deutschlandbild in französischen Deutschbüchern und das Frankreichbild in den deutschen Französischbüchern der Sekundarstufe I
von 1949-1989“, in: Eberhard Kleinschmidt (ed.): Fremdsprachenunterricht zwischen
Sprachenpolitik und Praxis, Tübingen, Gunter Narr, 1989, 225-232.
Vorher hatte es bereits eine Reihe von Analysen von Oberstufenlehrwerken gegeben,
vgl. Friedrich Bentmann: „Frankreich im deutschen Lehrbuch der französischen Sprache“,
in: Ulrich Doertenbach und Fritz Schenk (eds.): Deutschland-Frankreich. Ludwigsburger
Beiträge zum Problem der Deutsch-Französischen Beziehungen, Stuttgart, Deutsche
Verlags-Anstalt, 1963, 114-125; André Drijard: „L’image de la France dans les manuels
scolaires allemands pour l’enseignement du français“, in: Ulrich Doertenbach und Fritz
Schenk (eds.): Deutschland-Frankreich. Ludwigsburger Beiträge zum Problem der
Deutsch-Französischen Beziehungen, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt 1963, 126138; Anton Göller: „Zum Frankreichbild unserer Oberstufenlesebücher“, in: Praxis des
Neusprachlichen Unterrichts 16, 1969, 46-51; Gerhard Ludewig: „Das Frankreichbild im
Lehrbuch“, in: Robert Picht (ed.): Perspektiven der Frankreichkunde, Tübingen, Niemeyer
1974, 208-219; Rainer Riemenschneider: „Frankreich wie es im Schulbuch steht. Zur
Analyse von Fremdsprachenbüchern“, in: Marieluise Christadler (ed.): Deutschland –
Frankreich. Alte Klischees – Neue Bilder, Duisburg, Sozialwissenschaftliche Kooperative,
1981, 186-206. Seit den 90er Jahren wurden vorzugsweise Lehrwerke für die Sek. I
analysiert, vgl. Dagmar Abendroth-Timmer: Der Blick auf das andere Land. Ein Vergleich
der Perspektiven in Deutsch-, Französisch- und Russischlehrwerken, Tübingen, Gunter
Narr, 1998; Christiane Fäcke: Egalität – Differenz – Dekonstruktion. Eine inhaltskritische
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Analyse deutscher Französisch-Lehrwerke, Hamburg, Verlag Dr. Kovac, 1999; Renate
Fery und Volker Raddatz (eds.): Lehrwerke und ihre Alternativen, Frankfurt, Peter Lang,
2000, 57-64.
In Nordrhein-Westfalen wurde das Zentralabitur zum ersten Mal im Schuljahr 2006/07
durchgeführt.
Vgl. Weller, Franz Rudolf: „Literatur im Französischunterricht heute, Bericht über eine
größere Erhebung zum Lektüre-Kanon“, in: Französisch heute 31, 2000, 138-159.
Die ersten Dossierreihen erschienen Anfang der 70er Jahre (Cornelsen/Velhagen-Klasing). Mittlerweile haben alle Schulbuchverlage landeskundliche Dossierreihen für den
Französischunterricht herausgebracht. Die bekanntesten sind: Kursmaterialien Französisch (Lensing), Landeskunde Sek. I/II (Cornelsen), Problèmes d’aujourd’hui (Klett), Propositions (Klett), Modelle des neusprachlichen Unterrichts Französisch (Diesterweg),
Grund- und Leistungskurs Französisch (Hueber), Unterrichtsmaterialien Französisch
(Stark), Materialien zum Kursunterricht Französisch (Aulis). Die Dossiers unterscheiden
sich von thematisch entsprechenden Lehrwerkskapiteln vor allem durch Aktualität und
Perspektivenvielfalt.
Vgl. Hans-Jürgen Lüsebrink: Interkulturelle Kommunikation, Stuttgart, Metzler, 2005, 87.
Vgl. Übersicht über die analysierten Lehrwerke im Anhang.
Zur Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Landeskunde in Deutschland vgl. Robert
Picht (ed.): Perspektiven der Landeskunde. Ansätze zu einer interdisziplinäre orientierten
Romanistik, Tübingen, Niemeyer, 1974; Gisela Baumgratz und Robert Picht (eds.): Perspektiven der Frankreichkunde II. Arbeitsansätze für Forschung und Unterricht, Tübingen, Niemeyer, 1978; Hans-Jürgen Lüsebrink und Dorothee Röseberg (eds.): Landeskunde und Kulturwissenschaft in der Romanistik. Theorieansätze, Unterrichtsmodelle,
Forschungsperspektiven, Tübingen, Niemeyer, 1995.
Einige Werke (Bleu Blanc Rouge, Reflets de la France) stellen hingegen das Thema der
deutsch-französischen Beziehungen in den Mittelpunkt und verfolgen auf diese Weise
eine auf die gegenseitige deutsch-französische Wahrnehmung ausgerichtete, ebenfalls
lernerorientierte inhaltliche Konzeption.
Zum Beitrag literarischer Texte zum interkulturellen Lernen im Fremdsprachenunterricht
vgl. Ansgar Nünning: „Fremdverstehen durch literarische Texte: von der Theorie zur Praxis“, in: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 5, 2001, 4-9; Daniela Caspari: „Fremdverstehen durch literarische Texte – der Beitrag kreativer Verfahren“, in: Franz Josef
Meißner und Marcus Reinfried (eds.): Bausteine für einen neokommunikativen Französischunterricht, Tübingen, Narr, 2001, 169-184.
Vgl. Anke Poenicke: Die Darstellung Afrikas in europäischen Schulbüchern für Französisch am Beispiel Englands, Frankreichs und Deutschlands, Frankfurt, Peter Lang, 1995.
Vgl. Krauskopf 1985, op. cit., Kap. 4 Politische, didaktische und kulturelle Aspekte des
Frankreichbildes.
Vgl. Krauskopf 1985, op. cit., 123sq.
Die Dossierreihe des Lehrwerkes Horizons (2004sq.) umfasst bislang folgende Themenhefte: Francophonie, Société multiculturelle, Points chauds, Relations franco-allemandes
Vgl. auch Kap. 4 Wahrnehmungsperspektiven und Präsentationsformen.
Vgl. Civilisation Française quotidienne, op. cit., 107, 162, 169, 192.
Le défi du racisme (Diesterweg 1987), Français et Algériens (Bayrischer Schulbuchverlag
1993), Intégration et exclusion (Aulis 2002), Maghrébins, Maghré...bien? (Klett 2003),
Société multiculturelle (Klett 2005).
59
23 Dass in Frankreich eine ähnliche Vorstellung von der deutschen Integrationspolitik vorherrscht und die französische Integrationspolitik von den meisten Franzosen für fortschrittlich gehalten wird, sollte im Sinne eines interkulturellen Perspektivenwechsels unbedingt in die schulische Behandlung des Themas einbezogen werden.
24 Eine Ausnahme bildet das Werk Reflets de la France, das in seiner Ausgabe von 1990
einen historischen Schwerpunkt (Aufklärung, Französische Revolution, Napoleon) aufweist.
25 Ein Blick auf die statistische Auswertung der relevanten Textsorten belegt diese Entwicklung: Die erste Lehrwerkgeneration (1950-71) besteht durchschnittlich zu 53,2% aus literarischen Texten und zu 37,8% aus Sachtexten (Geschichte, Geographie, Politik). Die
zweite Lehrwerkgeneration (1974-81) enthält durchschnittlich nur 10,7% literarische
Texte, dagegen 42,9% Sachtexte (Geschichte, Geographie, Politik) und 22,8% Pressetexte. Die dritte Lehrwerkgeneration weist einen Anteil von 23,6% an literarischen Texten,
26,1% Sachtexten (Geschichte, Politik, Soziologie), 32,6% Pressetexten, 5,6% Offiziellen
Texten (Deklarationen, Gesetze, Politikerreden), 3,5% Werbetexten und 9,1% weiteren
Textsorten auf.
26 Vgl. Marcus Reinfried: Das Bild im Fremdsprachenunterricht. Die Geschichte der visuellen Medien am Beispiel des Französischunterrichts, Tübingen, Narr, 1992.
27 Reflets de la France, op. cit., 11, Deutsche und französische Kulturstandards im Vergleich.
28 Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung NRW (ed.):
Richtlinien und Lehrpläne Sek. II Gymnasium/Gesamtschule Französisch, Düsseldorf,
1999, 25.
Résumé: Adelheid Schumann, Développement et transformation de l’image de la
France dans les manuels français pour l’enseignement avancé: L’image de la France
présentée par les manuels pour l’enseignement du français en Allemagne a changé au cours
des dernières années. Le changement concerne surtout le contenu. Les manuels des années
50, 60 et 70 propageaient une image homogène de la France et des Français fiers de leur
histoire, leur philosophie et leur littérature. Depuis les années 70 et 80, les problèmes sociaux
passent au premier plan, notamment ceux des jeunes et des immigrés, tandis que le passé et
la culture de la France sont réduits à quelques réflexions sur l’histoire des rapports franco-allemands et le rôle de la France en Europe. Mais ce sont aussi les perspectives qui changent
et les objectifs didactiques. Sous l’influence de la conception d’un enseignement orienté vers
l’apprenant, la perspective des jeunes prédomine et influence le choix des sujets traités et des
types de textes. Dans les manuels actuels les textes d’opinion et les textes d’appel ainsi que
des études de cas et des récits biographiques prédominent et invitent les élèves à l’intercompréhension interculturelle.
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