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rist ist eine wandelnde Schatztruhe mit unvorstellbarem Reichtum. Es gibt solche, die sich da bedienen können. Ich denke an die erste Begegnung im Flughafen.
Am Förderband der Gepäckausgabe drängte sich ein hilfsbereiter Balinese vor und bemächtigte
sich meines Koffers. Wir mussten nur sehen, dass wir ihm durch die Menschenmenge folgen konnten. Zum Geld wechseln wusste er einen Schalter beim Ausgang des Flughafens, an dem ein besonders guter Wechselkurs angeboten wird. Ich wechselte da 700 Franken und bekam etwas mehr als
elf Millionen Rupien. Ein vier Zentimeter hohes Bündel von eintausend Rupia-Noten. Nachdem der
Geldwechsler das viele Geld herausgezählt und wieder gebündelt hatte, griff mein Begleiter nach
dem Geldbündel und zog drei Noten ab als seinen Lohn und wollte sich sogleich nochmals bedienen
für seinen Kollegen. Das schien mir nun etwas zu viel, ohne dass mir der Wert des Geldes bewusst
war. Ich packte das Geld ein und sagte, das sei genug für ihn, und er müsse das mit seinem Kollegen
teilen. Mit ganz traurigem Gesicht bettelte er aber hartnäckig nach mehr, während dem er neben
uns her ging Richtung Ausgang. Da warteten Brigitta und Wayan auf uns und ich erfuhr, dass ich in
den ersten Minuten in Bali um 30 Schweizer Franken erleichtert worden bin. Das entspricht hier
einem ganzen Wochenlohn.
Ich darf es diesem kleinen Gauner doch nicht übel anrechnen. Er hat das Geld genommen, da wo es
lag und am leichtesten zu nehmen war. Im Übrigen haben wir aber erlebt, dass niemand irgendwo
versucht hat, unser Gepäck zu nehmen oder uns zu bestehlen. Die soziale Kontrolle funktioniert
noch vor allem in ländlichen Gebieten.
Hochzeit in Bali
Auf die Frage, wie sich die Paare in Bali finden lacht Made und antwortet: „ Das ist nicht so einfach
wie bei euch. Die Braut muss auch der Familie des Bräutigams gefallen und natürlich auch umgekehrt. Zudem müssen beide aus der gleichen Kaste sein. Wir Silberschmiede heiraten keine Fischerfrauen und die Bauern keine Beamten. Und dass man vorher miteinander „etwas ausprobiert“ wie
bei euch, das geht hier nicht. Die Hochzeit braucht immer eine sehr lange Vorbereitungszeit und
viele Familien verschulden sich und müssen dann jahrelang in kleinen Raten das Geld zurück
stottern.
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Das Hochzeitsfest dauert drei Tage und verantwortlich dafür ist der Vater des Bräutigams. Natürlich
wird das ganze Dorf eingeladen und von überall her kann dazu kommen wer will. Wir machen neben dem Haus an einem geeigneten Ort mit vielen Tüchern einen schattigen Platz und bringen Tische und auch Stühle aus der ganzen Nachbarschaft. Dann wird gegessen und getrunken, meistens
wird dazu ein Schwein geschlachtet. Der Schmuck wird ausgeliehen, man kann ihn auch mieten.“
In Amed hören wir eine Hochzeitsmusik. Wir ziehen unsere schönsten Kleider an, (lange Hosen trotz
der Hitze, denn nur Bauern und
arme Leute tragen nicht lange Hosen) und gehen an den Ort, der
mit Batiktüchern „eingezäunt“ ist.
Auf Motorrollern braust eine ganze Schar junger Frauen heran. Sie
kämmen sich zuerst und bedienen
sich mit Partygebäck Nüssen und
Getränken, die bereit stehen und
umzingeln und bewundern vor
allem die Braut. Der Bräutigam ist
auch schön bekleidet und geschmückt, aber macht mehr einen
abwesenden Eindruck. Vielleicht,
weil es schon der dritte Festtag ist.
Auch uns werden gebratene Spiesse, Reis und Früchte und Getränke
angeboten. Auf Staffeleien stehen
grosse farbige Kopien des offiziellen Hochzeitsfotos in Goldrahmen, die von den neu Ankommenden bewundert und kommentiert werden. In kleinen Gruppen sitzen die Männer zusammen, lärmen und lachen, man merkt, dass der Palmwein seine Wirkung tut. Bei den Frauengruppen abseits
geht es auch fröhlich und aufgeregt zu. Und am Ende des Platzes steht der Bräutigamvater hinter
seinem Grill und dreht Fleisch mit und ohne Knochen auf der Glut.
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Amed
An der Nordostküste von Bali ist Amed, ein ruhiger, abgelegener Ort. Ein langes, noch intaktes Korallenriff liegt vor der Küste. Gut, dass es bis jetzt nur wenige Menschen kennen.
In der Pension Kusumajaia finden wir den idealen Ort für eine
Ferienwoche am Meer für 37 Franken für ein Doppelzimmer.
Die Zimmer sind Häuschen im balinesischen Stil mit einer klei-
nen Terrasse um einen Garten mit Mangobäumen gruppiert. Sogar ein kleines Schwimmbecken steht den 12 Gästen des Hauses zur Verfügung. Im Garten fallen die reifen Mangofrüchte
von den Bäumen. Noch nie habe ich so viele
und so fein schmeckende Mangos gegessen!
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Durch ein Tor betritt man den Strand mit schwarzem Lava-Kies und unter der Wasseroberfläche
liegt der lange Korallengarten der Küste entlang Richtung Westen. Geht man nach Osten, kommt
man ins Dorf Amed. Hier liegen die weissen Fischerboote mit ihren breiten Auslegern zu beiden
Seiten. Die Schiffskörper bestehen aus einem schmalen Einbaum. Für die Ausleger werden Bambusrohre verwendet. Neuere Boote sind aus Fiberglas. Die meisten Boote haben Augen und ein aufge-
rissenes Maul wie Schwertfische. Damit sollen die bösen Geister des Meeres zurückgeschreckt werden. Sechs Männer reichen, um die Boote an Land zu tragen. Ein kleiner Motor mit einer zweieinhalb Meter langen Kurbelwelle, der wie ein grosser Stabmixer aussieht, wird hinten eingehängt und
sorgt für den Antrieb. Oft wird aber ein kleines, dreieckiges Segel gesetzt. Mit diesen Booten fahren
die Fischer jede Nacht aufs Meer und kommen gegen 9 Uhr zurück. Und jede Nacht gehen sie mit
der Hoffnung, mehr als nur ein paar kleine Fischchen zu fangen, deren Erlös nicht einmal die Benzinkosten deckt. Am Nachmittag sieht man die Fischer dann am Netzt kontrollieren und Flicken.
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Auf einer Fläche nahe am Meer haben Frauen mit einer Hacke die harte Erde etwas
aufgekratzt und schlagen mit einem Stein 20
cm lange Stücke vom Stamm der Maniokpflanze in den Boden.
Es ist Mitte Dezember und Pflanzzeit. Bald
werden die Monsunregen kommen. Ich beobachte die Gartenarbeit und sehe, dass der
überall umherliegende vertrocknete Kuhmist nicht verwendet wird. Ich zerkrümele
einen harten Kuhfladen mit den Händen,
hacke mit einem Stecklein die Erde um einen eingeschlagenen Steckling auf und vermische sie mit
dem Kuhmist, mache ein Häufchen um den Steckling herum und bedeute der Frau, dass diese
Pflanze höher wird, als die anderen. Sie schaut mich lachend an und ruft die anderen herbei. Die
lachen ebenfalls und glauben mir vermutlich nicht. Ja nu, denke ich, Entwicklungshilfe ist ein langwieriges und schwieriges Projekt.
Wir geniessen die Tage mit langen Schnorcheltouren in der fantastischen Unterwasserwelt, im
schönen Garten mit den verschiedenfarbigen leuchtenden Bougainvilleas und den anderen tropischen Blumen und Bäumen und dem Duft von Jasmin und Tempelblumen, den Frangipani, und
freuen uns über den Früchtesegen der verschiedenen Mangobäume.
Jeden Morgen geht auch hier die Geschäftsführerin mit einem Tablett durch den Garten und legt
vor alle Häuschen und auf Wegkreuzungen, vor dem Restaurant und um das Schwimmbad kleine
Opfergaben für die Götter, die dann bald von Ameisen gefressen werden.
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Seit zwei Tagen sind wir mit Paul und Brigitta in Amed, im Nordosten von Bali in einer kleinen Pension in zwei Bungalows. Vor uns breitet sich ein kleiner Garten aus mit verschiedenen Palmen, rot
leuchtenden Hibiskusblüten und wunderbar duftenden Tempelblumen, den Arelien, mit Bananenstauden und vielen Mangobäumen, von denen immer wieder ganz reife Früchte herunter fallen.
Das ist für uns eine willkommene Zwischenverpflegung nach
dem Schnorcheln über die
grossen Korallengärten unmittelbar vor dem Stand mit
schwarzem Lavakies. Es ist hier
ein unbeschreiblicher Reichtum von verschiedensten Korallen ganz nah beieinander.
Und unzählbare Fische in den
buntesten Farben beleben die
noch intakte Unterwasserwelt,
wie sie in den Malediven nicht
schöner ist. Das Meerwasser
ist wunderbar warm. Manchmal hat man das Gefühl wie
wenn man in der Badewanne
liegt und mit der Brause warmes Wasser nachfüllt. Auch die Luft ist tropisch warm wie es hier sein
soll und vom Meer her weht meistens ein kleines Lüftchen.
Das Essen ist sehr gut und weniger scharf als in Indien oder Sri Lanka.
Man hat hier Mühe, daran zu glauben, dass in der Schweiz gestern der
Sankt Nikolaus gekommen ist.
Gestern Abend gingen wir in ein Restaurant auf einem Hügel am Ende
der Bucht, von wo aus man einen grossen schönen Überblick hat. Und
während dem Essen tanzten zierliche Balinesinnen traditionelle Geschichten von Göttern und Dämonen.
Auf dem Heimweg genoss ich die völlige Dunkelheit ohne Strassenlampen aber mit Millionen von Sternen am klaren Nachthimmel. Und auf
einer Brücke ausserhalb des Dorfes sassen in völliger Dunkelheit die Jugendlichen des Dorfes zusammen und spielten mit ihren Handys.
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Wayan, die Salzmacherinnen von Amed
Vor Tagesanbruch holt mich Geded mit seinem Moped ab und fährt mit mir zu den Salzmacherinnen von Amed.
Noch im Halbdunkeln kratzen Frauen mit
Plastikeimern, die an zwei langen Stangen
befestigt sind, die Salzkrusten aus langen
Holztrögen und füllen sie in einen geflochten
Korb. Die Salztröge bestehen aus halbierten
und ausgehölten Palmenstämmen und sind
seit Generationen im Gebrauch.
In einigen seichten Wasserflächen, die mit
kleinen Erdwällen abgegrenzt sind spiegelt
sich der Morgenhimmel. In anderen ist das
Wasser verdunstet und die salzige Kruste
wird von den Frauen zusammengekratzt und
in einen grossen Korb gefüllt, festgestampft
und mit Meerwasser gefüllt. Langsam sickert
dann das Wasser durch, löst dabei auch das
Salz aus der eingefüllten Erde und tröpfelt in
einen kleinen zugedeckten Behälter unter der
Erde. Aus diesem schöpfen die Frauen die
konzentrierte Salzlauge dann in die Palmentröge, wo durch Verdunstung die groben Salzkristalle entstehen.
Auf diese Weise produziert Wayan Tolu pro Tag etwa 2 bis 3 Kilo Salz.
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Kontrast
Wir wohnen in einem kleinen Hotel mit 8 Bungalows, die um einen sehr schönen Garten mit Man
-gobäumen, Bananen, duftenden Tempelblumen
blühenden Hibiskus gruppiert sind. Überall wuchern rote, violette und weisse Bougainvillas und
vermitteln den Eindruck eines Paradiesgartens.
Für eine Nacht in diesem Paradies bezahlen wir
35 Franken für 2 Personen inkl. Frühstück.
Vor der Türe rauscht das Meer mit unglaublich
schönen Korallengärten und wenn wir dem
Strand entlang gehen, begegnen wir balinesischen Bauern, die ihre kleinen braunen Kühe zur
Tränke führen wo ein kleiner Bach ins Meer mündet.
Nicht weit entfernt, vielleicht 100 Meter über dem Meer, ist das Hotel Giriya noch im Bau, das morgen eröffnet wird, obschon erst wenige Zimmer fertig sind. Wayan hat da eine Arbeitsstelle in der
Küche gefunden und wir haben Gelegenheit, das Luxushotel, in dem eine Nacht 420 Franken kostet, zu besichtigen. Die Lage ist einmalig, obschon es in Bali abertausend solche Lagen gibt mit Blick
über das Meer. Vor jedem Zimmer ist ein eigenes Schwimmbad. Im Badezimmer sind die Waschtröge und die Badewanne aus einem einzigen Stein gehauen. Geduscht wird zwar auch im Bad, aber
unter freiem Himmel. Zu jedem Zimmer gehören auch ein Wohnraum mit Teakholzboden, Stereoanlage und eine modern eingerichtete Küche. Ob die wohl je gebraucht wird?
Später erzählt uns ein Kellner, dass er zu Hause das Regenwasser vom Blechdach sammelt, das
dann über die Trockenzeit vom April bis Dezember reichen muss.
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In der Küche bei Nyoman
Gegen halb sieben Uhr morgens kommt
Nyoman vom Markt nach Hause, nimmt die
schwere Einkauftasche vom Kopf und stellt
sie auf den Boden. Made Kuduk, ihr Mann
beginnt dann eine Kokosnuss in ein grosses
Emailbecken zu raspeln. Die Raspel besteht
aus der stachligen Rinde der RattanSchlingpflanze, an der man sich die Finger
wund schaben könnte. Kihkian wird sie hier
genannt
Nyoman hat inzwischen Reis in einem Bastkorb über einer Wasserpfanne gagart, mit
dem Messer einen Maiskolben abgeschabt
und Chilischoten geschnitten ohne Kerne.
Nun zerstampft sie das Ganze zusammen
mit Knoblauchzehen, roten kleinen Zwiebeln, dem Kokosraspel und etwas Salz mit
einem Lavastein im Mörser zu einem feinen
Brei. Später werden noch zwei Eier dazu gemengt, kinderhandgrosse Plätzchen gemacht und in einer Wok im heissen Kokosnussöl frittiert.
Anschliessend röstet Nyoman kleine Erdnüsse, zertrennt einen auf dem Markt gekauften vorgekochten Fisch in kleine Stücke und bratet ihn knusperig.
Zum Schluss wäscht Nyoman das Kochgeschirr,
bindet dann ein Slendang, einen Schal, der nur für
Zeremonien gebraucht wird um den Bauch und
legt an 20 Orten im Haus Opfergaben für die
Götter aus, bestehend aus einem Häufchen gekochtem Reis und etwas Kokosraspel auf Bananenblattstückchen. Eindrücklich ist, in welcher Ruhe
die 75 jährige Frau alle Arbeiten verrichtet.
Die Opfergaben werden im Laufe des Tages dann
von Ameisen und anderen Insekten aufgefressen.
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Tempelzeremonie
In der Morgenfrühe bringt Made Kuduk das Frühstück zum Haus im Reisfeld. Reisküchlein in verschiedenen Formen mit Kokosnussraspel und Palmenhonig in Bananenblättern eingepackt. Heute ist er
fein herausgeputz mit Kampuh über dem Sarong und
einem Kopfschmuck. Das hat seinen Grund. Heute
findet im Tempel der Silberschmiede eine Zeremonie
statt. Wir gehen auch mit und müssen uns ebenfalls
balinesisch bekleiden. Denn nur mit Sarong und Kampuh, (dem zweiten Tuch über dem Sarong) und dem
Kopfputz, dem Udeng und einem weissen Hemd darf
man vor die Götter treten.
Unterwegs auf einem schmalen Pfad durch den tropischen Wald bergaufwärts stossen immer wieder kleine Menschengruppen zu uns, die ebenfalls zum Tempel gehen. Die Frauen tragen geflochtene Bastkörbe
auf dem Kopf mit Opfergaben, die sie dann im Tempel auf den Opfertisch legen. Dann setzen sie sich auf
den Boden. Die Männer gruppieren sich ausserhalb
der Tempelmauern.
Das helle Bimmeln eines Glöckchens zeigt an, dass
die Zeremonie beginnt. Der Priester vor dem Opfertisch auf einem ausgebreiteten Tuch am Boden sitzend, nimmt Blumen von den Opfergaben, hält sie
betend in die Höhe und besprengt mit ihnen und
geweihtem Wasser die Opfergaben. Später geht er
durch die sitzende Menge, giesst jedem Menschen
drei Mal aus einem kleinen Kännchen Wasser in die
Handflächen, das dann getrunken und über die Hare
gestrichen wird. Zudem bekommt jeder einige Reiskörner, die an Stirne und Schläfen geklebt werden.
Zum Schluss nehmen die Frauen ihre Opferkörbe
wieder und tragen sie auf dem Kopf nach Hause
denn nur die Essenz nehmen die Götter.
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