Eine kuriose Gästeschar bringt Jenaz auf Trab

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Eine kuriose Gästeschar bringt Jenaz auf Trab
KULTUR REGION
Südostschweiz | Donnerstag, 16. April 2015
Eine kuriose Gästeschar
bringt Jenaz auf Trab
Wieder
im Trend
Die Theatergruppe Jenaz wählt jeweils Stücke mit Bezug zur Aktualität. In der diesjährigen Aufführung
«Dr Sibäsiäch» geht es ums Beizensterben und den Gasthof «Zum Reh», dem die Gäste davongelaufen sind.
Frauen aus dem
Frauenverein
fanden, in Jenaz
müsse doch wieder
Theater gespielt
werden.
me Spass sei wichtig, das Zusammen­
gehörigkeitsgefühl und die Möglich­
keit, dadurch das persönliche Netz­
werk zu erweitern.
17 Mitglieder zählt die Theater­
gruppe Jenaz, die seit einem Jahr nun
die rechtliche Form eines Vereins hat.
«Wegen des Bankkontos», sagt Bill
schmunzelnd. Bauern seien übrigens
keine dabei, die seien im Männerchor,
fügt er trocken an.
Ausbruch und Einbruch
Mit unsichtbarem Hund unterwegs: Im Stück «Dr Sibäsiäch» erregen die Gäste das Misstrauen der Wirtin.
von Maya Höneisen
E
s ist, wie es in den Dörfern
so ist. Jedes hat seine Beiz,
und jede Beiz hat ihre
Stammkundschaft. Im Res­
taurant «Zum Reh» sieht
das allerdings anders aus. Seit die Kon­
kurrenz diese junge Servicefachkraft
eingestellt hat, ist nichts mehr, wie es
einmal war im «Reh». Die Gaststube
ist leer, selbst die Stammgäste bleiben
weg. Die Wirtin Annadetti Alig und
ihre Serviertochter Josephine Gart­
mann stehen kurz vor der Verzweif­
lung, respektive vor dem Ruin.
Endlich wird wieder gespielt
Die Theatergruppe Jenaz hat Tradi­
tion mit Unterbrüchen. Schon im
19.Jahrhundert wurde im Dorf Thea­
ter gespielt. Mitte des vergangenen
Jahrhunderts war das Theater Domä­
ne des Jägervereins und des Männer­
chors, die jeweils Bauernschwänke auf
die Bühne brachten.
Dann schlief jedoch das Theater­
leben ein, bis Frauen aus dem Frauen­
verein fanden, in Jenaz müsse doch
wieder Theater gespielt werden. Um
die Bühne wieder zu neuem Leben zu
erwecken, bildeten sie eine Interessen­
gemeinschaft und suchten interessier­
te Männer. Und siehe da: Die waren
bereit. 2007 brachte die neue Theater­
gruppe ihr erstes Stück auf die Bühne:
«Blaues Blut und Erbsensuppe». Regis­
seur Samy Bill erinnert sich an das
positive Echo in der Bevölkerung:
«Endlich wird im Dorf wieder Theater
gespielt.» Er selbst habe sich damals
nicht auf die Bühne getraut, erzählt er.
Bill, in Davos aufgewachsen, lebte
viele Jahre im Unterland. Als Germa­
nist ist er in der Museumsberatung tä­
tig, bildet Museumsleiter aus und war
in diesem Zusammenhang auch oft in
Volkstheater
in Graubünden
suedostschweiz.ch/dossier
Graubünden unterwegs. Unter ande­
rem begleitete er das Regio­Plus­Pro­
jekt der Bündner Museen. Daneben
nimmt er in einem Teilpensum als
Korrektor bei der Somedia die Texte
Bild Marco Hartmann
der Journalisten unter die Lupe. Seit
2006 wohnt Bill in Jenaz. Er fühle sich
im Dorf sehr wohl und gut aufgeho­
ben, meint er.
Gemeinsamer Spass ist wichtig
Nachdem Bill dann doch noch zwei
bis drei Mal als Darsteller auf der Büh­
ne gestanden ist, führt er seit 2011 Re­
gie. Wichtig sei ihm, das sich das Team
weiterentwickeln würde, dass auch
weniger talentierte Spieler zum Zug
kämen, erklärt er. Auch lege er bei der
Stückauswahl Wert darauf, dass neben
dem Klamauk auch der Bezug zu loka­
len Begebenheiten da sei. Wie zum
Beispiel dieses Jahr im Stück «Dr Sibä­
siäch» mit dem Thema Beizensterben.
Um das zu garantieren, schreibt Bill
dann auch gerne einmal vorgegebene
Stücke um oder bezieht Ideen der
Darsteller in die Texte ein.
Ausschlaggebend für seine Tätigkeit
ist für Bill neben der eigenen Freude
am Theater die soziale Bedeutung
eines Theatervereins. Die Mitglieder
würden aus allen Berufen stammen,
erklärt er. Von der Hausfrau über den
Baupolier bis eben zum Museums­
leiter sei alles vertreten. Der gemeinsa­
Im Gasthof «Zum Reh» herrscht nach
wie vor Ebbe. Annadetti und Josephine
spielen Karten, um sich die Zeit zu ver­
treiben. Bis plötzlich Edi Klemm auf­
taucht und nach einem freien Zimmer
fragt. Er ist der erste von sieben Gästen,
die nach und nach am selben Abend
eintreffen. Eine kuriose Gesellschaft
versammelt sich im «Reh». Sind sie
wirklich das, was sie vorgeben zu sein?
Je länger der Abend, desto mehr kom­
men Annadetti und Josephine Zweifel.
Verschiedene Insassen einer psychiat­
rischen Klinik sind nämlich laut Zei­
tung ausgebrochen, und in Klosters
wurde ein Schmuckladen ausgeraubt.
suedostschweiz.ch/unterwegs
Der ältere Herr Lieni Vetsch mit sei­
nem angeblichen Hund Waldi, den nie­
mand sehen kann, trägt auch nicht ge­
rade dazu bei, Annadettis und Josephi­
nes Vertrauen in ihre Gäste zu stärken,
auch wenn der Laden doch nun end­
lich voll ist. Den beiden Frauen bleibt
nichts anderes übrig, als die Situation
selbst in die Hand zu nehmen.
«Dr Sibäsiäch». Premiere: Morgen
Freitag, 17. April, 20 Uhr. Weitere
Aufführungen: 18. April, 20 Uhr;
19. April, 14 Uhr; 24. und 25., April,
jeweils 20 Uhr. Aula, Jenaz. Infos
unter www.theatergruppe-jenaz.ch.
Kollegger wird Musikverbandspräsident
Nach dem Rücktritt von Robert Casanova präsidiert Andy Kollegger den Graubündner
Kantonalen Musikverband.
von Emil Hartmann
Einstimmig und mit grossem Beifall
haben die 77 anwesenden Delegierten
des Graubündner Kantonalen Musik­
verbandes (GKMV) anlässlich ihrer
Versammlung vom vergangenen Wo­
chenende in Scuol Andy Kollegger aus
Chur zum Präsidenten gewählt. Er
übernimmt damit den Posten von Ro­
bert Casanova, der 17 Jahre Mitglied
im Vorstand war, die letzten elf Jahre
davon als dessen Präsident. Kollegger
ist in der Volks­ und Blasmusikszene
kein Unbekannter. Als Mitglied der
Huusmusig Kollegger hat sich der
frisch gewählte Kantonalpräsident des
GKMV in Kreisen der Volksmusikan­
ten einen Namen gemacht, und auch
in der Blasmusik hat er sich bestens in
Szene gesetzt als bewährter Dirigent
verschiedener Musikgesellschaften so­
wie als Spielführer beim Spiel des Ge­
birgsinfanterie­Regiments 37.
Engagierter Jugendförderer
Der abtretende Präsident Casanova
war viele Jahre aktiver Musikant in
der Societad da Musica Vignogn und
im Militärspiel, Dirigent und ein über­
aus engagierter Jugendförderer. Mit
Casanova verabschiedet sich ein Prä­
sident, der sich mit Umsicht und gros­
ser Leidenschaft den Bedürfnissen
der im GKMV organisierten 95 Musik­
vereine mit rund 3000 Musikantin­
nen und Musikanten angenommen
hat. Sein Terminkalender war prak­
tisch das ganze Jahr über voll. Nicht
nur in Graubünden, in der ganzen
Schweiz erwartete man ihn in offiziel­
ler Funktion an Veranstaltungen, die
19
irgendetwas mit Blasmusik zu tun
hatten.
Und Casanova wurde diesen Er­
wartungen in hohem Mass gerecht.
Mit viel Herzblut, aber auch mit gros­
ser Freude übte er das arbeitsintensi­
ve und, wie er selber sagt, ehrenvolle
Amt als Präsident des GKMV aus. Er
geht mit der Gewissheit, etwas Gutes
zurückzulassen.
Weitere Informationen
finden sich im Internet unter
www.gkmv.ch.
Paul Rostetter
schreibt einmal im
Monat über SingerSongwriter – von
Folk bis Blues,
von Americana
bis Rock.
J
e länger je mehr beherrschen die
Mechanismen der internationa­
len Musikkonzerne das Platz­
angebot der noch vorhandenen CD­
Händler. Unabhängige Kleinlabels tun
sich mit ihren Neuheiten schwer. Sehr
bedauerlich, sind da doch oft Perlen
der Songwriterkunst zu finden, die
mehr Anhänger verdienen würden.
(Randnotiz: Ein Thema, das übrigens
auch im aktuellen Film «Can A Song
Safe Your Life» mit Keira Kneightly
und Mark Ruffalo wunderschön doku­
mentiert wird). Songwriter sind im
Trend, und wenn man so will, kann
man dies bis fast ins Mittelalter
zurückverfolgen. Der Mann oder die
Frau mit Gitarre und Stimme, die
Basis, die in den Sechzigerjahren erst­
mals Furore machte, zieht jetzt wie­
der! Zumeist mit modernen Arrange­
ments und vielseitigen Nebeneinflüs­
sen, aber doch in der Tradition der
Grossen, die wir im Rahmen dieser
Spalte monatlich etwas beleuchten
werden. Das können dann politisch
engagierte Stimmen sein, wie es ur­
zeitlich Woody Guthrie als Wurzel des
modernen Protestsongs war, das kön­
nen verträumte, melancholische Be­
obachter des Zeitgeistes sein, die nicht
mit dem mahnenden Zeigefinger,
sondern mit guter Wortakrobatik ihre
Geschichten zum Besten geben. Und
auch wenn das Schwergewicht der
Songwriter aus der amerikanischen
Szene kommt, es gibt auch in Europa
und ganz besonders in der Schweiz
markante Exponenten. Zwei interna­
tionale Kostbarkeiten für Kenner und
Geniesser stellen wir hier kurz vor.
John Mellencamp: «Plain Spoken»
(Republic Records).
Als John Cougar wurde er berühmt und
mischte zeitweilig im Spiel der grossen
Labels mit. Seit sich John Mellencamp
auf seinen richtigen Namen besonnen
hat, kann er zwar noch immer von der
grossen Vergangenheit profitieren, ist
jetzt aber hoch geschätztes Aushänge­
schild der Indie­Songwriterszene und
besser denn je. Das zeigt sich schon
beim Einstieg mit «Troubled Man»,
einer weitgehend akustisch angelegten
Nummer, bei der nicht nur die solide
und eingespielte Band überzeugt, son­
dern auch die Handschrift des bald
schon legendären T­Bone Burnett spür­
bar ist. Grossartig auch «The Isolation
Of Master» mit rauchig­kratziger und
charismatischer Stimme. Der Zeitgeist
der Folksongwriter der Achtzigerjahre
erhält hier im 21.Jahrhundert neuen
Glanz mit viel lyrischem Tiefgang.
Kenny Butterill: «Troubadour Tales» (No Bull Songs).
Butterill ist genau das Gegenteil von
Mellencamp, ist seit Jahrzehnten aktiv
und noch immer ein Insidertipp, der
sich für dieses Werk gut zehn Jahre Zeit
liess, in verschiedenen Studios und mit
bestausgewiesenen Mitmusikern seine
Songs einspielte. Dabei erinnert er – be­
wusst – an den kürzlich verstorbenen
J.J.Cale: Die Entspanntheit im Einstieg
von «Good Thing That Couldn’t Hap­
pen Here» ist als Reminiszenz an des­
sen «Call Me The Breeze» wegleitend.
Die Songs sind allesamt sehr fein arran­
giert, Butterill selber ist kein Shouter,
sondern eher ein zurückhaltender Sän­
ger, der mehr mit Gefühl als mit Aus­
druckskraft seine Songs serviert. Die
Songs selber aber haben sich am Leben
vollgetrunken und passen zu den
Arbeiten eines Van Zandt, Guy Clark,
Richard Dobson oder Steve Gillette.

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