Motivationsförderung bei Straftätern Das Projekt K

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Motivationsförderung bei Straftätern Das Projekt K
Motivationsförderung bei Straftätern Das
DVJJ- Frühjahrstagung
Dr. Johann Endres Fischbachau, 28. 4. 2013
Begriffsverständnis Motivation
Traditionell: -­‐ fehlende Motivation als Risikofaktor -­‐ Motivation als B
fehlende Motivation als Behandlungshindernis
Aktuell:
– MotivationistBehandlungsgegenstandund-­‐ziel – veränderbar – graduellabgestuft – oftgegenstandsspezifisch – sowohl intrinsisch als auch extrinsisch ... (Lopez et al., 2002) Behan
Veränderungsmotivation 28. April 2013 2 n
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Transtheoretisches Modell der Veränderung (Prochaska
(1) Absichtslosigkeit: Kein Problembewusstsein oder fehlende Bereit
(2) Absichtsbildung: Bewusstheit des Problems und Nachdenken übe
(3) Vorbereitung: Entscheidung für eine Veränderung und erste Schr
(4) Handlung: Konkrete Handlungen zum Abbau des Problemverhalte
entsprechenden Behandlungsmaßnahmen, Einüben alternativer Ver
(5) Aufrechterhaltung: Veränderungen festigen und Rückfällen in un
vorbeugen
Messung notwendig, um Spielräume zur Förderung abzuschätzen, (fe
erkennen
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Motivierende Gesprächsführung (Miller & Rollnick, 200
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Anwendungsbereiche
1980er Jahre zur Suchtberatung Übertragung auf den Strafvollzug zu
Vorbereitung einer Therapie, Ergänzung einer Behandlung, Eigenstän
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Metaanalyse (McMurran, 2009)
19 Studien mit Straftätern (Substanzmissbrauch, häusliche Gewalt, T
Straftaten allgemein)
Ermutigende Ergebnisse (WSK Therapieabbruch/Engagement bei The
Veränderungsmotivation, Veränderung)
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Veränderungswille und Selbstwirksamkeitserwartung
Change Talk (= Persönliche Bedeutsamkeit der Veränderung)
– z.B.„Esbelastetmich,dassichdeswegenständigStreitmitmeiner
Beziehung zu meinen Kindern würde wieder besser“ – Rückschau(z.B.„Waswaranders,alsdieStraftatennochkeinegro
Lebensziele, Blick in die Zukunft... Confidence Talk (= Zuversicht
Veränderungsfähigkeit) – z.B.„Wennichetwaswirklichwill,schaffe
RückblickaufvergangeneErfolge,PersönlicheStärkenund Unterstü
aufzeigen... 28. April 2013 5 n
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Prinzipien der Motivierenden Gesprächsführung
Empathie als Basis Klientenzentrierte Grundhaltung, Ambivalenzen s
Aufdecken von Diskrepanzen Diskrepanzen zwischen aktuellem Verh
Klienten (“Change Talk”)
Geschmeidiger Umgang mit Widerstand Widerstände als Signal für W
Gesprächsstrategie, Ettikettierungen vermeiden
Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung Positive Aussagen, eigen
Information über typische Veränderungsprozesse („Confidence Talk
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Evaluation des „Short motivational programme“ (Anstis
Anstiss, Polaschek, & Wilson (2011) „When you lead a horse to wate
Durchführung
3-­‐5 manualisierte Einzelsitzungen, jeweils 1h, wöchentlich Beispiele,
Checklisten
Inhalte
Identifikation von Behandlungsbedarfen Deliktablauf Kurz-­‐ und langf
kriminellen Verhaltens Veränderungsbarrieren Handlungsplan
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Untersuchungsdesign
Inhaftierung
(T1) Diagnostik der Bereitschaft zur Veränderung
SMP-Teilnahme N = 58 (n = 7 Verweigerer)
Matching Alter, Ethnie, Rückfallrisiko, Entlassungsdatum, Anzahl Bedarfe,
Veränderungsbereitschaft
TAU N = 58
Ohne Behandlung N = 26
Mit Behandlung
N = 32
Ohne Behandlung
N = 22
Mit Behandlung
N = 36
(T2) Diagnostik der Bereitschaft zur Veränderung
Haftaustritt
(T3) Rückfalldaten: Verurteilung, Inhaftierung, Dauer in Freiheit (max. 3 Ja
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Ergebnisse
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Ergebnisse
Abhängige Variablen – Veränderungsmotivation(TG:AnstiegumeineStufe,KG:K
ErneuteVerurteilung(TG:57%;KG:78%), – Inhaftierung (TG: 24%; KG: 41%) – Daue
Kritik
– Ausschluss Verweigerer – GruppenunterschiedeinBeobachtungszeiträumenbei Verände
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Kurzintervention zur Motivationsförderung (KIM) im ba
Prinzipien – FrühzeitigeIntervention – ErhöhteVeränderungsmotivat
Anwendungsszenarien
– AnwendungzunächstdurchFachdienste – GefangenemitkurzenStrafen(eigenständigeInterventionzurVerände
– Jugendarrest(eigenständige/vorbereitendeIntervention) – Gewaltsstraftäter(vorbereitend) – MotivierungvonSexualstraftätern,diedenTatvorwurfleugnen (
– Disziplinarisch auffällige Gefangene (vorbereitend/eigenständig) – GefangenemitvorbehaltenerSicherungsverwahrung(vorbereiten
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KIM -­‐ Vorgespräch
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Ziel: Rahmenbedingungen klären Freiwilligkeit 5 Sitzungen, jeweils 1
Abstand Bedenkzeit Nur Teilnahme wird dokumentiert, keine Inhalte
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KIM -­‐ 1. Sitzung
Ziel: Feststellung des Behandlungsbedarfs, Verständnis für die eigene
Hintergrund der Straftat, Beschreibung der Straftat, Ursachen der St
Straftatsbegünstigende Faktoren bzw. „Baustellen“ (1) Gewaltbereit
(3) Glücksspiel, (4)
Beziehungsprobleme, (5) Straftatbezogene sexuelle Erregung, (6) Un
Ungünstiges soziales Umfeld, (8) Straftatbegünstigende Überzeugun
Hausaufgabe: Checklisten nochmals durchgehen, mit einem Frageze
prüfen
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Checkliste 6: „Entscheidung für einen Lebensstil“
Es ist wichtig zu erwähnen, dass Ihre Straftat in direktem Zusammenhang mi
kann. UNGÜNSTIGER LEBENSSTIL Ein ungünstiger Lebensstil erhöht die Wahr
straffällig wird.
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Habe ich eine sinnvolle Tagesstruktur oder fehlt mir eine solche? Beinhaltet mein Alltag Aktivitäten, die keinen guten Einfluss auf mich hinein leben, Drogen beschaffen, Langeweile, vor dem Computer sitzen
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Habe ich eine hohe Anspruchshaltung? Habe ich finanziell über meine
Fehlt in meinem Leben etwas, das ich in meinen Straftaten ausleben (
„Kick“) kann? 28. April 2013 14 ●
Stimme ich zu, dass mein Lebensstil möglicherweise zu meinen Straftaten be
KIM -­‐ 2. Sitzung
Ziel: Entwicklung der eigenen Deliktkette, Verständnis für die eigene
„In der letzten Sitzung haben wir über die aktuelle Straftat gesprochen. Und w
dafür zu entwickeln, wie es zu der (den) Straftat(en) gekommen ist. Da sind w
Ich würde gerne diese Informationen in eine Art Ablauf bringen, die es Ihnen was passiert ist. Das nennt man Deliktkette. Eine Deliktkette ist einfach eine Ereignissen. Jedes Ereignis vor der Tat kann so gesehen werden, dass es sie n
herangebracht hat. Wir sehen uns mal zuerst ein Beispiel für eine Deliktkette
Vorstellung davon, wie eine Deliktkette aussieht.“
Vorgehen: Bearbeiten eines Beispiels, Entwicklung der eigenen Delik
Deliktkette nochmals durchgehen
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Sitzung 2: „Beispiel für eine Deliktkette“
Ereignis 1
11:00 scheiße, habe verschlafen, gestern zu lang gefeiert; habe meinen Termin beim Jobcenter verpasst;
Gedanken: oh mann, wieder eine Sperre, das war die letzte Chance, 3 Monate kein Geld, und wieder meine Mutter anpumpen müss
Gefühle: verärgert über sich selbst, unzufrieden, sauer, verkatert.
Ereignis 2
Mutter nörgelt, weshalb ich so lange schlafe und nichts aus meinem Leben mache, ich soll mir endlich eine Arbeit suchen;
Gedanken: ich kann's nicht mehr hören, die soll mich einfach mal in Ruhe lassen;
Gefühle: verärgert über die Mutter, wütend, gestresst.
Alkohol/Drogen Kontakte, die Straffällig- keit begünstigen
Ereignis 3
ich geh erstmal raus in den Park, schau mal wer da ist und trink erstmal was; meine Kumpels sagen, das Jobcenter bringt eh nix, ha
wieder beruhigen;
Gedanken: endlich mal jemand der's versteht, und nicht immer dieses „Kopfgeficke“
Gefühle: angenommen, bestätigt, wohlfühlen in der Gemeinschaft.
Ungünstiger Lebensstil Alkohol/Drogen
Kontakte, die Straffällig
keit begünstigen Alkohol/Drogen
Ungünstiger Lebensstil
Ereignis 6
Er liegt da, blutet, der andere hilft ihm auf; Passanten kommen auf uns zu; wir hauen schnell ab;
Gedanken: scheiße, was war denn dass jetzt; bloß weg; warum müssen die einen auch immer anstressen;
Gefühle: Angst, Scham, Wut.
Kontakte, die Straffällig- keit begünstigen
Ereignis 4
Zwei Jugendliche kommen vorbei, und der eine sagt zum andern: schau dir mal die Assis an...; ich geh auf ihn zu, und frag ihn was e
Gedanken: ich muss mich ja nicht von jedem Idioten blöd anmachen lassen, der kommt mir gerade recht
Gefühle: wütend, sauer, „angepisst“;
Kontakte, die Straffällig- keit begünstigen
Kontakte, die Straffällig- keit begünstigen Gewaltbereitschaft
Ereignis 7
Gehen zu einem Kumpel, kiffen erstmal;
Gedanken: ich muss mich erstmal beruhigen, hoffentlich gibt’s keinen Stress, kann nicht noch eine Anzeige gebrauchen; weshalb ka
Gefühle: unwohl, unsicher, gestresst.
Ereignis 5
Als ich ihm direkt in die Augen schaue, schubst mich der eine weg, ich lass mir das nichtgefallen und geb ihm eine Faust; meine Kum
will;
Gedanken: ich bin doch nicht der Fußabtreter für alle, ich zeig dir schon wer hier der Assi ist;
Gefühle: wütend, Rache, voller Adrenalin.
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KIM -­‐ Sitzung 3
Ziel: Positive Motivation entwickeln
„Bevor wir genauer ins Detail gehen, müssen wir uns zunächst einmal ansehe
Ihren Straftaten einen gewissen Nutzen gezogen haben (Vorteile des krimine
dadurch sich und anderen Menschen geschadet haben (Nachteile des krimine
beiden eine genauere Vorstellung davon geben, warum Sie straffällig geword
wieder in Schwierigkeiten kommen etc. Wir werden dafür eine so genannte E
Schema) benutzen. Die meisten Leute finden dieses Schema sehr hilfreich, un
allzu schwere Aufgabe.“
Vorgehen: Bearbeiten der Entscheidungsmatrix, Veränderungsmotiv
ausweiten, Weitere straftatsbegünstigende Faktoren hinterfragen H
Entscheidungsmatrix gegebenenfalls ergänzen
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Entscheidungsmatrix
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kurzfristig
langfristig
Nachteile Vorteile
KIM -­‐ Sitzung 4
Ziel: Eine mögliche Veränderung vorbereiten
Der Klient soll sich klar machen, dass in schwierigen Situationen ents
Gedankliche Bremsen behindern den Erfolg in schwierigen Situation
Veränderungsbedarf herunterspielen. Andererseits kann es in schwie
sein, die Vorteile einer Veränderung möglichst konkret zu benennen
gedanklichen Bremsen gewarnt und in seiner Zuversicht gestärkt we
kann. Erklären Sie, dass Sie heute beide Seiten betrachten möchten,
Mutmacher auf dem Weg zur Veränderung.
Vorgehen: Die Geschichte von Dennis und Justin, Eigene Erfahrungen
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Arbeitsblätter: „Gedankliche Bremsen und Mutmacher auf dem Weg zur Veränderung“
Gedankliche Bremsen
Mutmacher
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Abschiebung der Verantwortung
Mutlosigkeit
Entwertung des Ziels
Beschönigung des Ausgangsproblem
Was kann ich durch eine Veränderung erreichen?
Wer würde sich sehr freuen und wäre stolz auf mich, wenn ich
es schaffe mich zu verändern?
Wer oder wie will ich sein?
Wie will ich nicht sein?
KIM -­‐ Sitzung 5
Ziel: Verstärken, Festigen und Neubewertung des Veränderungswille
Im Idealfall hat der Straftäter erkennen lassen, dass er sich veränder
Bereichen, die wichtig für seine Resozialisierung sind), aber hat sich n
entschieden bzw. steht manchem noch eher ambivalent gegenüber. Sitzung Motivation aufbauen und den Veränderungswillen stärken, u
kommen. Wenn der Gefangene sich keine prosozialen und hilfreiche
sich von ihm und wünschen ihm alles Gute für seine Zukunft.
Vorgehen: Entwicklung des Veränderungsplans und Beendigung der 28. April 2013 21
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Arbeitsblatt: „Mein Veränderungsplan“
Meine Ziele: Gründe für eine Veränderung (warum): Bremsen und Mutmac
Unterstützung: Meine nächsten Schritte: Menschen, die mir bei der Umsetz
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Entwicklung der KIM für den bayerischen Strafvollzug
KIM -­‐ Version für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahru
(Standardform), -­‐Version für junge Gefangene bzw. Jugendarrestanten
Evaluation durch den Kriminologischen Dienst – Schulungsinhalte(Pri
Veränderungsmotivation (prä-­‐post-­‐Vergleich, EG vs. randomisierte CG)
– Tatsächliche Verhaltensveränderungen (z.B. Häufigkeit/Qualität Behand
Anpassung in Haft, Änderung des Lebensstils, Legalbewährung)
Praktische Erprobung ab April 2013, 1. Fassung September 2013
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Vielen Dank!
[email protected]
[email protected]
Breuer, M. M., Gerber, K., & Endres, J. (2012). Kurzintervention zur Motivationsfö
Bewährungshilfe, 359-­‐369.
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