Selektive Interne Radio

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Selektive Interne Radio
Reportage | 10
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Selektive Interne
Radio-Therapie (SIRT)
Prof. Dr. Dr. Damian Wild, Abteilungsleiter Nuklearmedizin und PD Dr. Christoph Zech, Abteilungsleiter Interventionelle Radiologie an der Klinik fŸr Radiologie und
Nuklearmedizin der UniversitŠt Basel betrachten gespannt die Angiografiebilder von Herrn Florian Mayer*
(Abb. 1). Herr Mayer leidet an einem metastasierten
Kolonkarzinom. Zuletzt waren leider auch Tumorabsiedlungen in der Leber festgestellt worden, die auf die
Chemotherapie nicht mehr ausreichend ansprachen.
Patienten mit dieser Vorgeschichte sind Kandidaten fŸr
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Interventionellen Radiologie angeboten wird.
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Die Selektive Interne Radio-Therapie (SIRT) oder RadioEmbolisation (RE) ist eine Therapie, mit der minimalinvasiv primŠre Lebertumoren wie z. B. das hepatozellulŠre Karzinom und Lebermetastasen auch in den
FŠllen wirksam therapiert werden kšnnen, in welchen
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Chemotherapie als nicht wirksam erwiesen hat. Bei der
SIRT wird direkt in der Leber eine sehr hohe Strahlen[fj`jXggc`q`\ik#f_e\[XjjXe[\i\Fi^Xe\`eD`kc\`[\eschaft gezogen werden. Dies wird Ÿber die BlutgefŠssversorgung der Lebertumore erreicht: †ber einen durch
die Leistenschlagader eingefŸhrten Katheter werden
winzige rundliche Therapiepartikel, die ein Strahlung
emittierendes Isotop enthalten, in die Leberarterie und
Selektive Interne Radio-Therapie (SIRT): Die SIRT ist eine minimalinvasive Methode zur Behandlung von Lebertumoren. Hierbei
wird die Blutversorgung der Tumore ausgenutzt. Durch einen kleinen Schnitt in der Leiste wird ein Katheter Ÿber die Blutbahn bis in
die LebergefŠsse vorgefŸhrt. Dort wird dann die Therapiesubstanz
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Gršsse hauptsŠchlich in den BlutgefŠssen der Lebertumore
hŠngenbleiben und dort lokal eine starke Bestrahlung des Tumorgewebes erreichen. Die Behandlung wird in Kooperation zwischen
Nuklearmedizin und Interventioneller Radiologie an der Klinik fŸr
Radiologie und Nuklearmedizin angeboten. Im letzten Jahr ist das
SIRT-Programm am UniversitŠtsspital Basel wieder neu initiiert
worden mit der Mšglichkeit der ambulanten Behandlung.
in die tumorversorgenden GefŠsse injiziert (Abb. 2).
Diese Partikel bleiben dann in den kleinsten GefŠssen
des Tumors stecken (Embolisation), reduzieren somit
die Durchblutung des Tumors und bestrahlen ihn
(Abb. 3). Bei dem Isotop, das hier zu Therapiezwecken
verwendet wird, handelt es sich um den Betastrahler
Yttrium-90 (90Y), der eine sehr geringe Reichweite von
ca. 1 cm im Weichgewebe aufweist. Dadurch kann die
Gefahr einer SchŠdigung umliegender, gesunder
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Vor der SIRT wird eine ausfŸhrliche Evaluation der
Krankengeschichte des Patienten erhoben. Alle Befunde werden kritisch in Hinblick auf die Indikationsstellung und auf das Vorliegen mšglicher Kontraindikationen hin ŸberprŸft. Zur sicheren diagnostischen
AbklŠrung ist die DurchfŸhrung einer Schnittbilddiagnostik unumgŠnglich. DafŸr sollte auf jeden Fall eine
kontrastmittelverstŠrkte Computertomografie (CT) des
Brust- und Bauchraums durchgefŸhrt werden.
WŸnschenswert ist auch eine (18F-2-Fluorodesoxyglucose)-Positronen-Emissions-Tomografie (FDG-PET/
CT) zum sicheren Ausschluss von Tumormanifestationen ausserhalb der Leber. Zudem kann in der FDGPET/CT auch das Ansprechen der Therapie sehr gut
beurteilt werden (Abb. 4). Vereinzelt ist eine Magnetresonanztomografie erforderlich. Die Indikationsstellung erfolgt interdisziplinŠr in enger Zusammenarbeit
unserer nuklearmedizinischen und interventionellen
Abteilungen mit den onkologischen und gastroenterologischen Fachkollegen des UniversitŠtsspitals Basel.
Neben der Tumorausbreitung muss auch die Leberfunktion ŸberprŸft werden und es mŸssen Kurzschlussverbindungen zwischen der Leber und der Lunge
(Shunts) ausgeschlossen werden. Zur sicheren Indikationsstellung wird deshalb ca. zwei Wochen vor der
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arterien durchgefŸhrt. Diese zeigt die arterielle
GefŠssversorgung der Leber, atypische GefŠssverlŠufe
und makroskopisch sichtbare UmgebungskreislŠufe zu
Y\eXZ_YXik\eFi^Xe\e%QlK\jkqn\Zb\en\i[\e_\inach an Eiweiss gebundene Technetium-Partikel in die
Leberarterien injiziert. Diese Eiweisspartikel (makroaggregiertes Albumin mit Technetium-99) verhalten
sich wie die spŠter bei der SIRT verwendete 90Y-Thera-
piesubstanz. Danach wird in der Abteilung fŸr Nuklearmedizin eine szintigrafische Untersuchung durchgefŸhrt. Mit der Testinjektion kann sicher und ohne
SchŠdigung ŸberprŸft werden, ob die Eiweisspartikel
im Tumor anreichern, im gesunden Gewebe oder in
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entscheidet Ÿber die DurchfŸhrbarkeit der SIRT. Zudem
wird auf Grundlage dieser Untersuchung die Therapiedosis festgelegt.
Die SIRT ist in den HŠnden von erfahrenen FachŠrzten
ein sehr sicheres Verfahren. Seltene, aber schwere
Komplikationen sind ein unerwŸnschter Abstrom der
radioaktiven Partikel z. B. in die Gallenblase oder den
Magen. Hierdurch kann es zu einer GallenblasenentzŸndung bzw. einem MagengeschwŸr kommen. Im
Regelfall lassen sich diese Komplikationen medikamentšs beherrschen und erfordern nicht zwingend
einen operativen Eingriff. Bei eingeschrŠnkter Leberfunktion kann es in seltenen FŠllen in den Wochen nach
der Therapie zu einer Strahlenhepatitis (LeberentzŸndung) kommen, die einer weiteren medikamentšsen
Therapie bedarf.
Bei der SIRT ist keine Vollnarkose notwendig, mittlerweile kann sie in vielen FŠllen auch als ambulante Therapie angeboten werden. WŠhrend der Behandlung
werden die Vitalparameter des Patienten (Puls, Blutdruck) in regelmŠssigen AbstŠnden kontrolliert. Jeder
Patient erhŠlt einen peripher-venšsen Zugang, damit
Infusionen oder Medikamente wŠhrend des Eingriffs
verabreicht werden kšnnen. Im Bereich des Zugangsweges in der Leiste wird ein LokalanŠsthetikum in die
Haut gespritzt. Unter dieser Medikation erfolgt der Eingriff in der Regel schmerzfrei. FŸr die nach dem Eingriff
beobachteten sogenannten Postembolisationsschmerzen lassen sich prophylaktisch Schmerzmedikamente
verabreichen. ZusŠtzlich kšnnen †belkeit, Erbrechen
und Fieber auftreten. Auch diese Beschwerden lassen
sich jedoch medikamentšs sehr gut behandeln. Diese
Symptome kšnnen in seltenen FŠllen bis zu einer Woche nach der Therapie andauern.
Die bisher veršffentlichten Ergebnisse und auch unsere
eigenen Erfahrungen sind Ÿberaus positiv. In der Literatur wird eine deutliche Gršssenabnahme der Lebertumore nach der Therapie beschrieben. Insbesondere
die PET/CT als zeigt hŠufig eine Abnahme der
TumoraktivitŠt im Sinne eines Ansprechens (Abb. 3). Es
gilt allerdings zu bedenken, dass mit der SIRT eine Heilung in der Regel nicht mšglich ist (palliative Therapie).
Das †berleben der Patientinnen und der Patienten kann
jedoch hŠufig verlŠngert werden. Insgesamt sind
schwere Komplikationen sehr selten und Ÿblicherweise
wird die Therapie sehr gut vertragen.
*Name geŠndert
Abb. 1: PD Dr. Christoph Zech und Prof. Dr. Dr. Damian Wild bei der
Vorbesprechung einer SIRT. Die Angiografiebilder dienen als Grundlage für
die Positionierung des Katheters.
Abb. 2: PD Dr. Christoph Zech und MTRA-Teamleiterin Severine Dziergwa in
der Angiografieeinheit bei der Platzierung des Katheters (über eine kleine
Punktion in der Leiste) für die SIRT.
Abb. 3: Schemazeichnung zur SIRT (mit freundlicher Genehmigung der
Firma SIRTEX).
Abb. 4: FDG (18F-2-Fluorodesoxyglucose)-PET/CT-Bilder eines Patienten mit
Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms. Die obere Reihe zeigt drei
repräsentative Schichten vor Therapiebeginn. Die untere Reihe zeigt den Befund
6 Monate nach je einem Zyklus SIRT des rechten und linken Leberlappens. Die
vorher nachweisbare intensive Stoffwechselaktivität (Pfeile) in den Metastasen
ist vollständig rückläufig. Die Lebermetastasen sind nicht mehr nachweisbar.