Formen der ärztlichen Kooperation

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Formen der ärztlichen Kooperation
Ä
rztinnen und ÄrzGemeinschaftspraxis
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ten stehen neben
der hergebrachUnter einer Gemeinten Berufsausübung in der
schaftspraxis versteht man
Einzelpraxis verschiedene
die gemeinsame AusMöglichkeiten der Koopeübung ärztlicher Tätigkeit
ration zur Verfügung. Sodurch mehrere Ärzte des
wohl das ärztliche Berufsgleichen oder ähnlichen
recht als auch das VertragsFachgebietes in gemeinsaarztrecht enthalten allermen Räumen mit gemeindings vielfältige Regelunsamer Praxiseinrichtung,
gen, die im Zusammengemeinsamer Patientenspiel mit den Vorgaben des
kartei sowie mit gemeinsaGesellschaftsrechtes ein
mem Personal auf gemeinBerufsrecht, Sozialrecht, Zivilrecht −
kompliziertes, für den Arzt
same Rechnung.
Kompliziertes Normengeflecht erfordert
oft kaum noch durchschauDie Gemeinschaftspraindividuelle Beratung
bares Normengeflecht erxis ist eine Form der Berufsgeben. Ausgangspunkt ist
ausübungsgemeinschaft im
der in § 1 Abs. 2 BundesSinne des § 18 Abs. 1 BO.
von Dirk Schulenburg*
ärzteordnung (BÄO) nieDie Gemeinschaftspraxis
dergelegte Grundsatz der
ist auch mit mehreren PraFreiberuflichkeit, der eine gewerbliche Tätigkeit als mit xissitzen (überörtlich) zulässig, wenn an dem jeweiligen
dem Wesen des Arztberufes unvereinbar ansieht. DarPraxissitz verantwortlich mindestens ein Mitglied der
aus folgt auch die Verpflichtung des Arztes, bei der Be- Praxis hauptberuflich tätig ist. Zulässig ist die Zugehöschäftigung von Mitarbeitern eigenverantwortlich und rigkeit zu bis zu zwei weiteren Gemeinschaftspraxen.
leitend an der Leistungserbringung mitzuwirken und Die Gründung der Gemeinschaftspraxis ist der Ärzder Leistungserbringung sein persönliches Gepräge zu tekammer anzuzeigen. Dabei sollte der schriftliche
geben (§ 19 Abs. 1 BO für nordrheinischen Ärztinnen Gesellschaftsvertrag vorgelegt werden. Auf dem Praund Ärzte; BO).
xisschild sind die Namen und Arztbezeichnungen alDas ärztliche Berufsrecht unterscheidet zwischen Be- ler in der Gemeinschaftspraxis zusammengeschlossenen Ärzte mit dem Zusatz „Gemeinschaftspraxis“ anrufsausübungsgemeinschaften und Organisationsgemeinschaften sowie Medizinischen Kooperationsgemeinschaf- zukündigen. Die Fortführung des Namens eines ausgeschiedenen oder verstorbenen Partners ist unzulästen und Praxisverbünden. Das Medizinische Versorsig.
gungszentrum (MVZ) hingegen ist eine rein vertragsärztliche Versorgungsform.
Das ärztliche Berufsrecht
gestattet auch die so genannte Teilgemeinschaftspraxis.
Einzelpraxis
In diesem Fall ist die Gemeinschaftspraxis beschränkt
Herkömmlich und immer
noch überwiegend wird die
auf die Erbringung einzelner
ärztliche Tätigkeit in einer
Leistungen. VertragsarztrechtEinzelpraxis am „Ort der
lich ausgenommen sind von
Niederlassung“ ausgeübt. Dader Teilgemeinschaftspraxis
bei wird unter „Niederlasüberweisungsgebundene medizinisch-technische Leistunsung“ gemeinhin die Einrichgen, damit das Verbot der Zutung von Praxisräumen zur
weisung gegen Entgelt nicht
ambulanten Ausübung ärztliumgangen wird (§ 31 BO).
cher Tätigkeit verstanden.
Dem entspricht § 17 Abs. 1
Als Rechtsform der GeBO, der die Ausübung des
meinschaftspraxis kommen
ärztlichen Berufes an die
alle für den Arztberuf zuläsNiederlassung in einer Praxis
sigen Gesellschaftsformen in
(Praxissitz) bindet und insoBetracht, sofern die eigenverweit von der Regel der ärztliantwortliche, medizinisch unchen Einzelpraxis ausgeht.
abhängige und nicht gewerbDabei kann die ärztliche Täliche Berufsausübung getigkeit über den Praxissitz
währleistet bleibt.
hinaus an zwei weiteren Or- Ärztinnen und Ärzte haben neben der Einzelpraxis
Die Gemeinschaftspraxis
ten ausgeübt werden (§ 17 verschiedene Möglichkeiten der Kooperation.
wird überwiegend in der
Foto: Getty Images Rechtsform einer GesellAbs. 2 BO).
Formen der
ärztlichen
Kooperation
* Dr. iur. Dirk Schulenburg ist Justitiar der Ärztekammer Nordrhein.
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gung lediglich anzuzeigen. Die Anschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
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kündigung einer Praxisgemeinschaft
nach den §§ 705 ff. BGB ausgeübt.
ist nach § 18 a Abs. 3 BO zulässig.
Die GbR ist, soweit sie im Rechtsverkehr als Außengesellschaft aufDie Praxisgemeinschaft unter
tritt, selbst Trägerin eigener Rechte
Ärzten ist in der Regel ebenfalls eiund Pflichten, das heißt rechtsfähig
ne GbR nach den §§ 705 ff. BGB.
und parteifähig, ohne jedoch juristiDabei handelt es sich aber im Unsche Person zu sein. Der Behandterschied zur Gemeinschaftspraxis
lungsvertrag kommt daher grundum eine reine Innengesellschaft.
sätzlich nicht mit dem einzelnen
Der Patient tritt nur in VertragsbeArzt, sondern mit der Gemeinziehung zu dem einzelnen Arzt, der
schaftspraxis als solcher zustande.
im eigenen Namen und auf eigene
Der Honoraranspruch steht der
Rechnung liquidiert. Gesellschafter
Gemeinschaftspraxis zu. Die Gesind die Ärzte, die nach außen keimeinschaftspraxis rechnet auch ihre
nen gemeinsamen Gesellschaftsvertragsärztlichen Leistungen einzweck verfolgen. Dem Patienten
heitlich mit der Kassenärztlichen
haftet immer nur der Arzt, der die
Vereinigung ab. Für einen Behandkonkrete Behandlung vorgenomDie Rechtsform der Kooperation
lungsfehler haften sämtliche Ärzte
men hat und nicht die sonstigen, an
und die wesentlichen Regelungsder Gemeinschaftspraxis als so geder Behandlung nicht beteiligten
bereiche sollten in einem schriftlichen
Gesellschaftsvertrag festgelegt werden.
nannte Gesamtschuldner.
Partner der Praxisgemeinschaft.
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Images
Die Haftung der Gesellschafter
wird von der Rechtsprechung auch
Praxisverbund
auf so genannte Altverbindlichkeiten erstreckt. Der neue Gesellschafter haftet mit seinem
Das Berufsrecht sieht den Praxisverbund als KoopePrivatvermögen auch für vor seinem Beitritt entstandene
ration niedergelassener Ärzte, welche auf die Erfüllung
Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner. eines durch gemeinsame oder gleichgerichtete MaßnahFür den neuen Gesellschafter empfiehlt sich daher, zu sei- men bestimmten Versorgungsauftrags oder auf eine annen Gunsten eine Klausel in den Gesellschaftsvertrag dere Form der Zusammenarbeit zur Patientenversoraufzunehmen, wonach die bisherigen Gesellschafter ihn gung, zum Beispiel auf dem Feld der Qualitätssicherung
von der Inanspruchnahme für solche Verbindlichkeiten oder Versorgungsbereitschaft, gerichtet ist. In eine solfreistellen, die vor seinem Beitritt begründet worden sind. che Kooperation können auch Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehakliniken und Angehörige anderer GeDie Gemeinschaftspraxis bedarf im Vertragsarztrecht der vorherigen Genehmigung durch den Zulas- sundheitsberufe einbezogen werden (§ 23 c Abs. 1 BO).
In der Praxis ist Leitbild des Praxisverbundes der Zusungsausschuss.
sammenschluss von selbständigen Einzelpraxen, der ein
räumlich begrenztes Versorgungsgebiet umfasst und
Praxisgemeinschaft
dessen primäre Träger niedergelassene Haus- und FachPraxisgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von ärzte sind, die sich zur Verbesserung der interkollegiaÄrzten gleicher oder verschiedener Fachrichtungen zur len Zusammenarbeit, im Regelfall auch zu einer Ausgemeinsamen Nutzung von Praxisräumen oder Praxis- weitung ihres individuellen Patientenstammes zusameinrichtungen oder zur gemeinsamen Beschäftigung mengeschlossen haben.
von Praxispersonal bei sonst selbständiger PraxisfühDie Bedingungen der Kooperation müssen in einem
rung. Kennzeichnend ist, dass jeder beteiligte Arzt eine schriftlichen Vertrag niedergelegt werden, der der Ärzteeigene Praxis betreibt und nicht die Praxisgemeinschaft kammer vorzulegen ist. Der Vertrag muss sicherstellen,
als solche − wie bei der Gemeinschaftspraxis − den Be- dass die am Praxisverbund beteiligten Ärzte weiterhin
handlungsvertrag schließt. Die Praxisgemeinschaft ist selbständig und eigenverantwortlich ihre Praxis am bisinfolgedessen nicht „eine“ Praxis. Die Partner bleiben herigen Ort ihres Praxissitzes ausüben. Insoweit handelt
vielmehr in ihrer ärztlichen Tätigkeit selbständig.
es sich bei dem Praxisverbund weder um eine BerufsausSonderformen der Praxisgemeinschaft sind die Ap- übungs- noch um eine Organisationsgemeinschaft.
parategemeinschaft und die so genannte LeistungserDie Mitgliedschaft in einem Praxisverbund muss
bringungsgemeinschaft bei gerätebezogenen Untersugrundsätzlich allen dazu bereiten Ärzten offen stehen.
chungsleistungen. Eine besondere Erscheinungsform Auch innerhalb des Praxisverbundes muss das Patiender Apparategemeinschaft ist die Laborgemeinschaft.
tenrecht auf freie Arztwahl gewährleistet sein.
Eine Praxisgemeinschaft ist − im Gegensatz zu einer
Gemeinschaftspraxis − keine BerufsausübungsgemeinPartnerschaftsgesellschaft
schaft, sondern eine Organisationsgemeinschaft im Sinne
von § 18 Abs. 1 BO. Besondere berufsrechtliche AnforDie Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG ist
derungen sind für die Gründung einer Praxisgemein- eine spezielle Gesellschaftsform für Angehörige freier
schaft nicht vorgesehen. Der Zusammenschluss ist der Berufe. Die Partnerschaftsgesellschaft ist eine BerufsÄrztekammer und auch der Kassenärztlichen Vereiniausübungsgemeinschaft. Der Gesellschaftszweck einer
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Ärztepartnerschaft liegt daher wie bei einer Gemeinschaftspraxis auf der Ebene der Berufsausübung und
nicht wie bei einer Praxisgemeinschaft im organisatorischen Bereich. Eine Partnerschaftsgesellschaft entsteht
mit Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Partnerschaftsregister (§ 7 Abs. 1 PartGG).
Medizinische Kooperationsgemeinschaft
Besondere berufsrechtliche Bestimmungen enthält
die BO für die medizinische Kooperation zwischen Ärzten und Angehörigen anderer Fachberufe: Als Rechtsformen lässt § 23 a BO die Partnerschaftsgesellschaft,
die GbR oder eine juristische Person des Privatrechts
zu, wobei der Abschluss eines schriftlichen Vertrages
Voraussetzung ist. Eine medizinische Kooperationsgemeinschaft ist zulässig zwischen Ärzten und selbständig
tätigen, zur eigenverantwortlichen Berufsausübung befugten Berufsangehörigen anderer akademischer Heilberufe im Gesundheitswesen, darüber hinaus auch mit
Angehörigen staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie anderen Naturwissenschaftlern
und Angehörigen sozialpädagogischer Berufe.
Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
Neben zugelassenen Vertragsärzten und ermächtigten Ärzten nehmen „Medizinische Versorgungszen-
tren“ (MVZ) an der ambulanten Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten teil. MVZ sind gesetzlich
definiert als „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig
sind“ (§ 95 Abs. 1 SGB V).
MVZ können sich aller zulässigen Organisationsformen bedienen. Als Organisationsform kommen
daher auch juristische Personen des Privatrechts, zum
Beispiel GmbH, AG oder auch die GbR in Betracht.
Gründer eines MVZ können ausschließlich Leistungserbringer sein, die aufgrund einer Zulassung, einer Ermächtigung oder eines Vertrages an der medizinischen Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten teilnehmen. Das MVZ rechnet bei der Kassenärztlichen Vereinigung unter einer Abrechnungsnummer ab.
Die Zulassung als MVZ im Sinne des § 95 Abs. 1
SGB V erfolgt durch den Zulassungsausschuss.
Hinweis
Die Rechtsform der Kooperation und die wesentlichen Regelungsbereiche sollten in einem schriftlichen Gesellschaftsvertrag
festgelegt werden. Zu den meisten Kooperationsformen gibt es
Musterverträge, die als erste Orientierungshilfe dienen können.
Eine individuelle rechtliche Beratung ist aber in jedem Fall zu
empfehlen.
IQN
Institut für Qualität
im Gesundheitswesen Nordrhein
35. Fortbildungsveranstaltung
in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein
„Das Wirbelsäulensyndrom – Fallstricke in der Differentialdiagnostik“
Datum: Mittwoch, 14. November 2007, 15.00 – 18.00 Uhr
Ort: Haus der Ärzteschaft, Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf
Begrüßung und Einführung
Dr. med. Klaus-U. Josten
Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses des IQN
Zur Diskussion aufgefordert
Priv.-Doz. Dr. med. Hans Clusmann
Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik, Universitätsklinik Bonn
Moderation
´Fehldiagnose Bandscheibenvorfall
Prof. Dr. med. Christian Holland
Stellv. Geschäftsführendes Kommissionsmitglied der
Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler
Schlusswort
Dr. med. Werner Jörgenshaus
Stellv. Geschäftsführendes Kommissionsmitglied der
Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler
Rückenschmerzen – wann muss der Arzt an Tumore und
Entzündungen denken?
Prof. Dr. med. Carl-Wilhelm Siegling
Chefarzt der Orthopädischen Abt., St. Willibrord-Spital, Emmerich
Anmeldung unter E-Mail: [email protected]
Zertifiziert: 4 Punkte
Herzinfarkt, Lungenembolie – Komplikation des Gefäßsystems als Ursachen für akute Rückenschmerzen
Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Grosser
Facharzt für Innere Medizin, Krefeld
Diskussion
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Rückfragen unter
Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein
Geschäftsführerin: Dr. med. Martina Levartz, MPH
Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf
Tel.: 0211/43 02-1571, Fax: 0211/43 02-18571
E-Mail: [email protected], Internet: www.iqn.de
IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein
Eine Einrichtung der Ärztekammer Nordrhein und der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
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