Samuel von Pufendorfs Taten des Großen

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Samuel von Pufendorfs Taten des Großen
KultGeP ­ Colloquien 2 (2016)
Bernd Klesmann
Samuel von Pufendorfs Taten des Großen Kurfürsten.
Referenzwerk brandenburgisch­preußischer Geschichtsschreibung.
Abstract
Samuel von Pufendorfs 1695 in lateinischer Sprache erschienenes Auftragswerk über das politische Leben des Großen Kurfürsten ist wenig bekannt. Im Anschluss an Droysens textkritische Verortung dieser Biographie (1864) werden Einflüsse auf die Geschichtsschreibung des 18. und frühen 19. Jahrhunderts nachvollzogen. Zugleich stehen verschiedene Formen einer Heroisierung Friedrich Wilhelms durch Pufendorf sowie dessen Darstellung einflussreicher Frauengestalten im Zentrum der Textanalyse. Es zeigt sich, dass die Rolle weiblicher Akteure zwar insgesamt nur geringen Raum innerhalb des Werks einnimmt, dabei jedoch verschiedentlich als mitentscheidend gewürdigt wird.
Pufendorfs Text und sein Einfluss auf die Historiografie des 19. und 20. Jahrhunderts
<1>
Der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, kann als eine der am intensivsten erforschten Gestalten der deutschen Geschichte gelten, und es dürfte kein Zufall sein, dass Heinrich von Treitschkes Wort von den "Männern", die die Geschichte "machen", im Zusammenhang mit Friedrich Wilhelm gefallen ist.1 Über dessen Bedeutung hier zu sprechen, hieße Eulen nach Athen tragen, so dass die folgenden Ausführungen auf die Behandlung zu beschränken sind, die ihm durch seinen allerersten Biografen zuteil geworden ist.
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Samuel von Pufendorf ist seinerseits ein berühmter, und doch zugleich ein großenteils unbekannter Autor. Während seine Leistung als Vordenker des neueren Völkerrechts in der Nachfolge der Gentili, Grotius und Hobbes fraglos anerkannt ist, liegt sein historiografisches Schaffen eher im Halbdunkel. Noch stärker als für die Arbeiten zur Herrschergeschichte Schwedens gilt das für seine Darstellungen der brandenburgischen Verhältnisse, denen er nach seinem Wechsel nach Berlin 1688 die letzten Jahre seines produktiven Lebens widmete. Zwar bemüht sich die entstehende Werkausgabe unter der Leitung von Wilhelm Schmidt­
Biggemann mit großem Erfolg um eine umfassende Dokumentation seiner Schriften, doch sind die historiografischen Arbeiten bisher nicht in größerem Umfang erfasst.2
Heinrich von Treitschke: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 1, Bis zum zweiten Pariser Frieden, Leipzig 1879, 28f.: "Männer machen Geschichte. Die Gunst der Weltlage wird im Völkerleben wirksam erst durch den bewußten Menschenwillen, der sie zu benutzen weiß. [...] Da trat als ein Fürst ohne Land, mit einem Stecken und einer Schleuder Kurfürst Friedrich Wilhelm ein in das verwüstete deutsche Leben, der größte deutsche Mann seiner Tage, und beseelte die schlummernden Kräfte seines Staates mit der Macht des Wollens."
1
Vgl. Wilhelm Schmidt­Biggemann (Hg.): Samuel von Pufendorf, Gesammelte Werke, bisher 6 Bde., Berlin 1996­2004; Detlef Döring: Samuel Pufendorf in der Welt des 17. Jahrhunderts. Untersuchungen zur Biografie Pufendorfs und zu seinem Wirken als Politiker und Theologe, Frankfurt a.M. 2012.
2
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<3>
Während die prägnante und bissige, unter Pseudonym veröffentlichte Schrift zur Reichsverfassung 1667 vor allem durch ihre freie Kritik an den bestehenden Verhältnissen geradezu berühmt geworden ist, ließe sich von den historiografischen Arbeiten des großen Völkerrechtlers beinahe das Gegenteil behaupten: Als unmittelbare Auftragswerke, als chronologisch gereihte Mammutannalen in voluminösen Folianten laden sie nicht unbedingt zur Lektüre ein und zählen gerade in der neueren Forschung eher zu den genannten als den gelesenen Referenzwerken – vielleicht zu Recht, das wird zu diskutieren sein. Ganz sicher gilt das auch für seine politische Biografie des Großen Kurfürsten, die 1695, ein Jahr nach dem Tod des Autors und sieben Jahre nach jenem des Protagonisten, erstmals erscheinen sollte. Der Einfluss des Textes auf die brandenburgisch­preußische Geschichtsschreibung dürfte jedoch ganz erheblich gewesen sein. Schon Droysen kam 1864 zu dem Schluss, dass Pufendorfs Werk für anderthalb Jahrhunderte den Maßstab aller Publikationen zu Leben und Werk des Großen Kurfürsten dargestellt habe.3
<4>
1710 erschien bei Jeremias Schrey und den Erben von Heinrich Johann Meyer in Berlin und Frankfurt an der Oder, also den Verlegern der lateinischen Erstausgabe, eine Übersetzung unter dem Titel "Friedrich Wilhelms des Grossen, Chur­Fürstens zu Brandenburg Leben und Thaten". Als Autor dieser deutschen Fassung firmierte mit seinen Initialen der in Leipzig und später in Merseburg wirkende Polyhistor Erdmann Uhse (1677­1731).4 Die Mehrzahl der Bibliothekskataloge nennt indes Jakob Paul von Gundling (1673­1731) als Autor, den brandenburgischen Hofhistoriografen und späteren tragikomischen Gelegenheitsgast des Tabakkollegiums, offensichtlich zu Unrecht, wobei der Redaktionsprozess wohl kompliziert war. 5
<5>
Wolfgang Neugebauer jedenfalls hat diese Bearbeitung des Pufendorfschen Werks in seinem Überblick zur brandenburgisch­preußischen Geschichtsschreibung mit vollem Recht als "kleine[n] Extrakt" bezeichnet und ihr den Rang einer Übersetzung abgesprochen.6 Ein schlichter Vergleich des Umfangs der Texte dürfte in etwa ergeben, dass maximal ein Fünftel des Pufendorfschen Werks 1710 in der deutschen Fassung Vgl. Johann Gustav Droysen: Zur Kritik Pufendorfs, in: ders., Abhandlungen zur neueren Geschichte, Leipzig 1876 [erstmals 1864], 307­386, hier: 316; Hans Rödding, Pufendorf als Historiker und Politiker in den 'Commentarii de rebus gestis Friderici III.', Halle 1912; Detlef Döring: Samuel von Pufendorfs Berufung nach Brandenburg­Preußen, in: ders. (wie Anm. 2), 131­154.
3
Vgl. Max von Waldberg: Art. "Uhse, Erdmann", in: ADB 39 (1895), 449­450; [Erdmann Uhse]: Friedrich Wilhelms des Grossen, Chur­Fürstens zu Brandenburg Leben und Thaten, Berlin / Frankfurt a. d. Oder 1710.
4
Zu Gundling als Herausgeber der "Editio postuma" (1706) des "Monzambano" vgl. Detlef Döring: Untersuchungen zur Entstehung der Reichverfassungsschrift Samuel Pufendorfs (Severinus de Monzambano), in: ders. (wie Anm. 2), 225­
247, hier: 226­228.
5
Wolfgang Neugebauer: Staatshistoriographen und Staatshistoriographie in Brandenburg und Preußen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, in: Markus Völkel / Arno Strohmeyer (Hg.): Historiographie an europäischen Höfen (16. ­ 18. Jahrhundert), Berlin 2009 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 43), 139­154, hier: 151, Anm. 52. – Vgl. auch ders.: Einführung in das Gesamtwerk. Preußen in der Historiographie. Epochen und Forschungsprobleme der Preußischen Geschichte, in: ders. (Hg.): Handbuch der Preußischen Geschichte, Bd. 1: Das 17. und 18. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens, Berlin 2009, 1­109, hier: 16.
6
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erschienen ist. Schon Droysen hatte vermutet, die geplante und offenbar fast vollendete, jedoch nie publizierte deutsche Gesamtübersetzung sei aus politischen Bedenken zurückgehalten worden, vor allem auf Betreiben der neuen Machthaber um Graf Wartenberg, ja vielleicht sogar indirekt auf Anraten des großen Leibniz, der – persönlich ein scharfer Gegner Pufendorfs – angeblich zur Kurfürstin Sophie Charlotte in engem Verhältnis stand und sich im Frühjahr 1700 in Berlin aufhielt.7 Vermutet wurde ein Unbehagen am Hof angesichts der überaus detaillierten Verwendung interner Akten, die auch über vertrauliche Verhandlungen ausführlich Bericht erstatteten.
<6>
Alle diese Unschärfen gestatten es nur sehr bedingt, die deutsche Fassung als Pufendorfs Werk zu bezeichnen, so dass im Folgenden neben der Uhseschen Übersetzung die zweite Auflage des lateinischen Originals zitiert wird, die 1733 in Leipzig und Berlin bei Johann Andreas Rüdiger erschienen ist8 und laut Droysen mit der Erstausgabe von 1695 im Wortlaut übereinstimmt.9
<7>
Es dürfte gleichwohl auch die deutsche Fassung eine gewisse Bekanntheit erlangt haben. Jedenfalls räumte die nächste größere Biografie aus der Feder des Elbinger Gelehrten Georg Daniel Seyler (1686­1745), publiziert 1730, bei allen kritischen Anmerkungen rundweg ein, man habe "des Herrn von Puffendorffs Werck [...] zum Grunde gelegt" und sei "demselben auff dem Fusse nachgegangen". 10 Ob die Passagen zu Friedrich Wilhelm im Geschichtswerk Friedrichs des Großen von der Darstellung Pufendorfs angeregt worden sein mögen, muss vorerst offen bleiben. Sicher ist, dass Themenwahl und Tenor gewisse Übereinstimmungen aufweisen. Friedrichs ungleich knapper und geschmeidiger geschriebene Darstellung begleitet den illustren Urgroßvater sowohl bei seinen Verhandlungen mit den mächtigen Nachbarn als auch auf die – aus kurbrandenburgischer Sicht – gloriosen Feldzüge. Der Bericht über die Schlacht von Warschau etwa wird, ganz ähnlich wie bei Pufendorf, mit Äußerungen über angeblichen Übermut der Polen ("insolence") eingeleitet, um den folgenden Sieg doppelt hervorheben zu können.11 Bei Pufendorf und Uhse hieß es allerdings deutlich drastischer, Johann Casimir habe gegenüber Unterhändlern am Vorabend der Schlacht gesagt: die Schweden habe er den Tataren, also den verbündeten Krimtataren, zum Frühstück zugedacht; "den Churfürsten aber wolle er an einen Ort setzen lassen, da ihn weder Sonne noch Mond Vgl. Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 320­323; Detlef Döring: Die Kritik Gottfried Wilhelm Leibniz' an Samuel von Pufendorf. Eine Auseinandersetzung im Vorfeld der Aufklärung, in: ders. (wie Anm. 2), 309­338.
7
Vgl. Samuel von Pufendorf: De Rebus Gestis Friderici Wilhelmi Magni, Electoris Brandenburgici, Commentariorum Libri Novendecim, 2 Bde., Leipzig / Berlin 1733. – Bei Zitaten werden im Folgenden immer Buch und Kapitel genannt, um einen Abgleich mit der Erstausgabe von 1695 zu ermöglichen, deren Paginierung abweicht.
8
9
Vgl. Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 323.
Georg Daniel Seyler: Leben und Thaten Friedrich Wilhelms des Grossen, Churfürstens zu Brandenburg etc., Aus den bewährtesten Geschicht­Schreibern in beliebte Kürtze verfasset, durch glaubwürdige Urkunden bestätiget, und mit Medaillen und Müntzen erläutert, Frankfurt / Leipzig 1730, [Vorbericht], [I]‒[IV], hier: [II].
10
Friedrich der Große: Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg, in: Johann David Erdmann Preuß (Hg.): Oeuvres, Bd. 1, Berlin 1846, 1­202, hier: 69.
11
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bescheinen solte".12
<8>
Die angeblich untadelige Haltung des Großen Kurfürsten im elsässischen Feldzug gegen Turenne 1674 wird bei Friedrich dem Großen – erneut in Übereinstimmung mit Pufendorfs Bericht – dem fatalen Zaudern des kaiserlichen Befehlshabers Alexandre de Bournonville (1616­1690) gegenübergestellt, der eine offene Schlacht verhindert habe.13 Und auch die Verse, um ein letztes Beispiel zu nennen, die märkische Bauern angesichts der schwedischen Invasion des folgenden Jahres auf Fahnen vor sich hergetragen haben sollen, werden wörtlich übernommen bzw. von Friedrich in französische Verse übertragen. Hieß es bei Uhse, auf den Bannern habe gestanden "Wir seyn Bauern von geringem Gut. Und dienen unsern gnädigsten Churfürsten mit unsern Blut", so lesen wir bei Friedrich: "Pour le prince et pour la patrie / nous sacrifierons notre vie".14 Die Vorgeschichte von Fehrbellin erhält also eine ganz ähnliche populäre Wendung – die allerdings in Pufendorfs lateinischer Originalfassung fehlt.
<9>
Es gäbe weitere Übereinstimmungen und Anregungen zu benennen. Auch weniger bekannte Autoren wären vergleichend zu betrachten. Leopold von Orlich (1804­1860) gab in seiner 1836 erschienenen Biografie an, die lateinische Pufendorf­Ausgabe von 1733 benutzt zu haben, die denn auch häufiger zitiert wird.15 Ebenso dürfte es kein Zufall sein, dass Ranke in seiner 1847 publizierten "Preußischen Geschichte" ausgerechnet im zentralen Kapitel zur "Sinnesweise" Friedrich Wilhelms auf Pufendorf zurückgreift und etwa dessen Charakterisierung einer "seltenen Verbindung von Ernst und Wohlwollen", von "Güte und Majestät" übernimmt, nicht ohne das lateinische Original zu zitieren. 16 Zu vermuten ist auch, dass Pufendorfs Fokus auf die Geschehnisse der Mächtepolitik, die er auch über seinen älteren Bruder Esaias (1628­1689), Diplomat in schwedischen Diensten, so genau kannte, nicht ohne Wirkung auf Rankes Prioritäten geblieben sein mag.
<10>
Droysen schließlich, dem wir eine eingehende textkritische Analyse des Pufendorfschen Werkes verdanken, sah auch klar die Grenzen des Textes: Pufendorf habe ausschließlich die Politik, und zwar nur die auswärtige Politik des Großen Kurfürsten darstellen wollen.17 Als Kenner und Liebhaber der alten Griechen [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 295. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 263 (Buch 6, Kap. 36): "[...] sese Svecos Tartaris in jentaculum destinasse; sed Electorem loco custodiendum, quo neque Solis neque Lunae lumen penetret."
12
13
Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 12, Kap. 46­50; Friedrich der Große: Mémoires (wie Anm. 11), 83.
14
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 562; Friedrich der Große: Mémoires (wie Anm. 11), 86.
Vgl. Leopold von Orlich: Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst. Nach bisher noch unbekannten Original­Handschriften, Berlin / Posen / Bromberg 1836, 2. Teil [Original­Briefe und Beilagen], 186.
15
16
Leopold [von] Ranke: Neun Bücher Preußischer Geschichte, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 1848, 72.
17
Vgl. Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 335.
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betonte Droysen manche Parallelen zu den häufig fingierten Reden der antiken Historiker, die nicht wiedergeben wollten, was in einem bestimmten Moment tatsächlich gesagt worden war, sondern vielmehr an der kunstvoll arrangierten Äußerung einzelner Figuren die Wahrheit und die Tragweite des Ganzen hätten zeigen wollen. Besondere Bezüge sieht er zu Polybios und dessen pragmatikòs trópos und charakterisiert Pufendorfs Darstellungskunst entsprechend als "pragmatische" Geschichtsschreibung. 18 Zugleich, und das ist vielleicht besonders interessant, würdigt er die Fähigkeit Pufendorfs, jenseits der reinen Ereignisgeschichte auch das kontroverse Reden über die Ereignisse zu überliefern, etwa in den breiten Referaten diplomatischer Entwürfe und Stellungnahmen, des Für und Wider einer zu treffenden Entscheidung usw., aus denen das Werk zu einem guten Teil besteht. Droysen nennt nun diese Tendenz eine "discussive" und grenzt sie vom Stil der "Objectivität" ab, ein Begriff der, so Droysen, trotz mancher Mängel gerade dabei sei, also um das Jahr 1864, sich durchzusetzen. 19
Monumentalische Geschichtsschreibung: Friedrich Wilhelm als universaler Held
<11>
Droysen und das Aufblühen des Historismus haben bekanntlich einen prominenten, wenn auch seinerseits nicht unumstrittenen Kritiker in Friedrich Nietzsche gefunden, dessen Betrachtungen über "Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" kurz nach Droysens Überlegungen entstanden sind.20 Nietzsche, ganz wie der Autor der "Historik" im alten Griechenland zu Hause, hat hier unter anderem die Tendenz einer "monumentalischen" Geschichtsschreibung, neben anderen Tendenzen, einer kühlen Prüfung unterzogen, ohne sie gleichwohl rundweg abzulehnen. Mit einer solchen, "monumentalischen" Geschichtsschreibung könnten wir es aber hier in gewisser Hinsicht zu tun haben, womöglich sogar in einer Art Reinform des Genres.
<12>
Bereits die Widmung an Friedrich III. (drei Wochen vor Pufendorfs Tod vollendet 21), die am Beginn der Biografie von 1695 steht, trägt wichtige Aspekte in aller Kürze vor: Die im Wortsinne "monumentalische" Tendenz des Gesamtwerks wird ebenso benannt wie ihre Vorbildfunktion für den Sohn des großen Vaters. Schließlich sei die Geschichtsschreibung von allen Denkmälern das unverbrüchlichste, eben ein Monument, dem die Zeit nichts anhaben könne.22 Während aber andere Fürsten durch blutige Schlachten und Zerstörungen Bekanntheit erlangten und es eigentlich verdient hätten, unter die Plagen der Menschheit Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 377. – Für das Ende des 17. Jahrhunderts erkannte Droysen allgemein eine "Meisterschaft pragmatischer Darstellung" in der deutschen Historiografie, die später u.a. durch Montesquieu und Voltaire "in den Schatten gestellt wurde", ebd., 310.
18
19
Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 325, 350, 376.
Vgl. Friedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben [erstmals Leipzig 1874], in: Giorgio Colli / Mazzino Montinari (Hg.): Nietzsches Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 3/1, Berlin 1972, 239­330, hier: 254­
261.
20
21
Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 319. – Die Datierung nennt den 26. September 1694.
22
Vgl. die Widmung Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 2.
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gerechnet zu werden, so sei Friedrich Wilhelm zwar ebenfalls militärischer Ruhm zuteil geworden, jedoch ohne dass irgendjemand dadurch habe Unrecht leiden müssen.23
<13>
Das literarische Monument zu Ehren des verstorbenen Herrschers wird in allen Farben ausgestaltet, wobei vielleicht vier Hauptqualitäten, gewissermaßen als historische Kardinaltugenden ins Auge fallen: Da ist zunächst persönliche Tatkraft und Willensstärke, die sich bis in die persönliche Aktivität als Feldherr potenziert. Zugleich wird durchgehend eine Art von politischer Intelligenz hervorgehoben, die diese Kräfte kanalisiert und sublimiert. Entsprechend lesen sich die Epitheta, mit denen Friedrich Wilhelm in der Uhseschen Fassung belegt wird, teilweise als doppelte Würdigungen: "der Chur­Brandenburgische Salomon", heißt er dort etwa24, oder "der kluge Herr"25, "der kluge Held"26, "unser Märckischer Alexander"27, "dieser getreue Fürst des Reiches"28, "unser Brandenburgischer Held"29, "dieser Märckische Josua"30, "dieser getreue Landes­Vater"31 und schließlich auch, ganz am Ende der Darstellung, "dieser große Churfürst"32. Es fällt hingegen auf, dass Pufendorfs Text – außerhalb der allerdings höchst panegyrischen Widmung sowie der vier Schlusskapitel – kein einziges dieser blumigen Attribute enthält und durchgängig schlicht von "Elector" spricht.
<14>
Ein dritter wichtiger Faktor, der besonders gegen Ende der Biografie stark hervortritt, ist die Betonung eines spezifischen Reichspatriotismus. Hintergrund dürften hier einerseits die zeitweiligen Abkommen mit Frankreich gewesen sein, andererseits beispielsweise das Faktum, dass kein brandenburgisches Kontingent direkt am Entsatz von Wien 1683 beteiligt war: Angriffsflächen, die womöglich überkompensiert werden sollten. Am deutlichsten kommt dieser reichspatriotische Aspekt denn auch in den Berichten über die Konflikte mit Frankreich zum Ausdruck, etwa im 19. und letzten Buch anlässlich des Berichtes über die Enthüllung des berühmten Denkmals für Ludwig XIV. in Paris (Place des Victoires), das an den Höfen Europas Befremden und Spott auslöste. Ausführlich schildert Pufendorf, wie Friedrich Wilhelm bei diesem Anlass, also im April 1686, Wert darauf gelegt habe, dass Ezechiel Spanheim die angegriffene Würde des Reiches verteidige, wobei die Begriffe "Caesar", "Imperium" und "Germania" in Pufendorfs Text einander 23
Ebd., 5: "citra cujusquam injuriam."
24
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 204.
25
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 250.
26
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 365.
27
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 417.
28
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 515.
29
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 541.
30
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 786.
31
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1226.
32
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1255f.
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dicht ergänzen, ja streckenweise weitgehend austauschbar erscheinen. 33
<15>
Nun hat Ernst Opgenoorth zu Recht hervorgehoben, dass die Droysensche Auffassung vom nationalen Beruf schon des Großen Kurfürsten, der eben nicht planmäßig auf Deutschlands Einheit hingearbeitet habe, eine angreifbare Konstruktion darstelle.34 Gleichwohl deutet Manches in Pufendorfs Darstellung darauf hin, dass Bausteine dieses Konstrukts im ausgehenden 17. Jahrhundert sehr wohl schon bereit standen. Pufendorf selbst, durch seinen erwähnten "Monzambano" als leidenschaftlicher Befürworter einer Reichsreform bekannt, dürfte die Gelegenheit zum Fortspinnen seiner Ideen, die ihm das brandenburgische Auftragswerk bot, ausgiebig genutzt haben – zentral war freilich für Pufendorf eine legalistisch­defensive Ausrichtung sowohl der brandenburgischen als auch der zu wünschenden Reichspolitik.35
<16>
Die bei Droysen dokumentierte und kritisierte Leibnizsche Rede von der Ungnade, die Pufendorf drohte und ihm nur durch seinen unerwarteten Tod erspart geblieben sei36, sowie die Andeutungen Pufendorfs über seine persönliche Schutzbedürftigkeit angesichts zu erwartender Angriffe von höchster Stelle dürften sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Haltung des schwedischen Königshauses beziehen lassen, denn: dem schwedischen Expansionsdrang, der besonders im Feldzug von 1675 in seinen grässlichen Auswirkungen schonungslos geschildert wird, steht Friedrich Wilhelm nämlich als Reichspatriot gegenüber, der in verschiedensten Korrespondenzen mit benachbarten wie entfernten Fürsten nicht müde geworden sei, auf das Wohl des Reiches, "Imperium" und "Germania" zu verweisen und zu drängen.
<17>
Ausführlich wird daher aus den Korrespondenzen mit anderen Fürsten des Reiches zitiert, die besonders in der Schlussphase der Regierung unter dem Druck der französischen Reunionen freundlicher wurden: der Kurfürst von Köln, der als leicht verschroben geltende "Einsiedler von St. Pantaleon" Max Heinrich, soll Friedrich Wilhelm für seinen Einsatz um das Reich 1684 angeblich gelobt haben. 37 Der Kurfürst von Bayern, der junge Max Emanuel, korrespondierte mit ihm über den Regensburger Stillstand, was Friedrich Wilhelm Anlass zu einer Art von reichspatriotischem Glaubensbekenntnis gegeben habe, welches bei Uhse wie folgt Pufendorf: Kritik (wie Anm. 8), 1251 (Buch 19, Kap. 35). – Zu Spanheims diplomatischer Tätitkeit vgl. Sven Externbrink: Diplomatie und République des Lettres. Ezechiel Spanheim (1629­1710), in: Francia 34/2 (2007), 25­59, hier: 32­38.
33
Ernst Opgenoorth: Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie, Bd. 1, 1620­
1660, 9f.
34
Vgl. seine Empfehlungen von 1667, Horst Denzer (Hg.): Samuel von Pufendorf. Die Verfassung des Deutschen Reiches, Frankfurt a.M. / Leipzig 1994, 240f. (Kap. 8, Abs. 4).
35
36
Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 320f.
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1014; Schmidt­Biggemann: Pufendorf (wie Anm. 2), Buch 18, Kap. 114; Max Braubach: Der Einsiedler von St. Pantaleon, in: ders.: Kurköln. Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, Münster 1949, 1­18.
37
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lautet: "er [Friedrich Wilhelm] wüste auch kein ander Mittel, da der Türcken­Krieg noch währete, das Vaterland zu erhalten, als daß man den Stillstand annähme. Und es möchte die Sache ausschlagen, wie sie wolte, so wolte er zum wenigsten das getreue Hertz gegen das Vaterland, wovon er bey seiner 44jährigen Regierung gantz deutliche Proben abgeleget, unverfälschet mit ins Grab nehmen."38
<18>
Schließlich fügen sich diese genannten Herrschertugenden in Pufendorfs Panegyrik zu einem Gesamtbild universaler Gerechtigkeit, dem durch den Geist religiöser Duldsamkeit und verinnerlichter Frömmigkeit gewissermaßen die Krone aufgesetzt wird. Wie die Widmung an Friedrich Wilhelm selbst in Pufendorfs Schrift zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft, dem Büchlein "De Habitu Religionis Christianae Ad Vitam Civilem" von 1687, erkennen lässt, erscheint der Große Kurfürst gerade gegen Ende seines Lebens, nach dem Edikt von Fontainebleau, dem Autor als Garant der konfessionellen Toleranz. 39 So enthält besonders das letzte Buch der Biografie Friedrich Wilhelms eine ausführliche Schilderung der großzügigen Aufnahme der emigrierenden Protestanten, deren Los den Kurfürsten empfindlich getroffen habe ("vehementer affecit"40). Die Lebensbeschreibung schließt denn auch mit der erbaulichen Nacherzählung der Gespräche, die Friedrich Wilhelm vom Sterbebett aus mit den Hofgeistlichen geführt habe.41
<19>
So führen im Werk Pufendorfs exemplarische Traditionslinien aus den Kabinetten von Kleve, Berlin und Königsberg in die deutsche Frühaufklärung, und von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges in die Diskussionen des 18. Jahrhunderts über Orthodoxie und Duldsamkeit. Besonders deutlich wird dieser tendenziell progressive Aspekt in den Passagen, die ausdrücklich das "Völcker­Recht" als Legitimationsrichtlinie nennen, und dieses dabei, wie nicht anders zu erwarten, meist für Friedrich Wilhelm in Anspruch nehmen.
<20>
So wird von einer Klage gegen Jan III. Sobieski als König von Polen über abgefangene Korrespondenzen in der Nähe von Danzig berichtet, ein Vorgang, der "nicht nur den Verträgen, sondern auch dem Völcker­Recht zuwider lieffe".42 Die Proteste der Verbündeten gegen den Separatfrieden der Niederländer mit Frankreich [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1027. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1212 (Buch 18, Kap. 131): "[...] se [Friedrich Wilhelm] unice salutem Imperii prae oculis habere; nec aliam se viam servandi patriam durante adhuc bello Turcico nosse, quam inducias [den Regensburger Stillstand] occupare. Ac utcunque res cadat, saltem se pectus patriae fidum, cujus per quadraginta quatuor annorum regimen luculenta specimina dederit, illibatum sepulcro illaturum."
38
Vgl. Samuel Pufendorf: De Habitu Religionis Christianae ad Vitam Civilem [...], Bremen 1687, [I]­[XX] (Widmung, Stockholm 3. September 1686), 168­171 (Kap. 50: "De tolerantia diversarum Religionum").
39
Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 19, Kap. 16­18, das Zitat in Kap. 17, 1232. – Martin Lackner: Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten, Witten 1973, 300­304.
40
Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 19, Kap. 100; vgl. auch die Ausführungen zur englischen Toleranzpolitik, Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 19, Kap. 92.
41
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 683. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 909 (Buch 15, Kap. 30), aus der Instruktion für Johann von Hoverbeck im Dezember 1677: "[...] id quod non pactis solum, sed et juri gentium adversetur."
42
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1679 werden mit dem Hinweis gestützt, die Diplomaten behielten sich alle Maßnahmen vor, die ihnen kraft der früheren Bündnisse "nach dem Völcker­Rechte, wie auch göttlichen und menschlichen Gesetzen" zukämen.43 Zahllose weitere Verwendungen des Begriffes verweisen auf die Bedeutung des Konzepts im ausgehenden 17. Jahrhundert, und ganz besonders natürlich im Denken des Autors. So wird zum Beispiel spitzfindig unterschieden zwischen dem konjunkturabhängigen Zeremoniell und dem unwandelbaren "Völcker­Recht".44 Für das Jahr 1679 wird über eine tatarische Gesandtschaft von Murad­Gerai berichtet, die mit Konflikten und kuriosen Vorfällen einherging.45 Auch das Völkerrecht zur See wird berührt46, ebenso das außereuropäische Völkerrecht, beispielsweise im Zusammenhang der initiierten Handelskompagnie und Errichtung einer Kolonie im heutigen Ghana, wo auch vom rechtlichen Verhältnis zu den afrikanischen Ethnien die Rede ist, sicherlich in reichlich angreifbarer Weise. 47
<21>
Als mit Karl II. von England diplomatische Unstimmigkeiten aufkommen wegen des Asyls für zwei englische Dissidenten, das der Kurfürst diesen in Kleve gewährt habe, werden ihm die Worte in den Mund gelegt: "Die Rechte und Sitten der Völcker befiehlen dergleichen Gastfreyheit, und hätten es die gescheuten Nationen allemahl vor etwas Barbarisches gehalten, wenn man den Ausländern und Vertriebenen den Gebrauch der Elemente versaget."48 Im Kontext der erwähnten Aufnahme der Hugenotten ist dann ausdrücklich von "Gewissens­Freyheit" die Rede.49
<22>
Bemerkenswert ist schließlich, wie ausgiebig Pufendorf, der vor allem als Vordenker des naturrechtlichen [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 735. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 976 (Buch 16, Kap. 47), aus der dänisch­kurbrandenburgischen Protestnote: "[...] sibi reservare, quicquid vi horum foederum per jus gentium, legesque divinas, et humanas ipsis competat."
43
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 746. – Pufendorf: (wie Anm. 8), 981 (Buch 16, Kap. 53), anlässlich der Verhandlungen mit dem Lüneburg­Wolfenbütteler Diplomaten Friedrich Heimburger: "Ei [Heimburger] repositum: ista juri legationis necessario adhaerere, quae legatis [...] negari nequeunt; uti est securitas, et sanctimonia, et si quae alia iis omni tempore apud quosvos populos indulta, eoque juris gentium facta sunt. Uti autem successu temporis formulae quoque et cerimoniae mutatae, [...] ita has non constituere partem juris legationis, sed ab uno Principe erga alterum adhiberi, prout receptus usus fuerat." Hintergrund war das Streben Hannovers nach kurfürstlichen Prärogativen, dem Friedrich Wilhelm als Kurfürst nicht nachgeben wollte.
44
45
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 907. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1104 (Buch 17, Kap. 98).
46
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 926­927. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1113f. (Buch 18, Kap. 11).
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 946: Völkerrecht in Guinea, 948: Afrikaner werden Untertanen. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 18, Kap. 3.
47
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1019. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1201 (Buch 18, Kap. 117): "Jura, ac mores gentium eam hospitalitatem commendare, ac barbarum semper cultiores inter nationes habitum, exteris et exulibus usum elementorum negare." Es handelt sich um Ford Grey, earl of Tankerville (1655­1701) und Thomas Armstrong (ca. 1630­1684), der im Juni 1684 in London hingerichtet wurde. Vgl. hierzu jetzt James Drabble: Two Perspectives on the Execution of Sir Thomas Armstrong (1684): Tory Triumphalism and Dutch Distaste, in: Vides 3 (2015), S. 229­243.
48
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 1073. – Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1234 (Buch 19, Kap. 18): "[...] libertatem conscientiae [...]."
49
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Stranges der europäischen Völkerrechtstradition in die Ideengeschichte eingegangen ist 50, den Wortlaut verschiedenster Verträge und Abkommen, also die positive Grundlage eines immer auch positivistisch gedeuteten Völkerrechts, in seiner Erzählung in allen Details wiedergibt. Dieses Bild vom Herrscher, der überall das Recht respektiert, fügt sich insgesamt in die Grundidee der erwähnten Schrift Friedrichs des Großen, der über den Großen Kurfürsten schrieb: Tapferkeit macht die großen Helden; Humanität macht die guten Fürsten.51
Der Kurfürst und die großen Frauen
<23>
Dass nun neben und mit den Fürsten auch die Fürstinnen existieren, bleibt im Text, der hier zu besprechen ist, zwar nicht unerwähnt, doch wäre es unredlich, den Eindruck erwecken zu wollen, Pufendorf habe in besonderer Weise oder gar überwiegend die weiblichen Akteure der Politik in den Mittelpunkt seiner Darstellung gerückt. Das Gegenteil ist richtig – und zugleich wenig erstaunlich: dem politisch­diplomatischen Schwerpunkt seiner Behandlung des Themas entsprechend sind es sehr weitgehend die Männer, die seinen Text beherrschen. Neben Friedrich Wilhelm selbst also die Monarchen der benachbarten Staaten, die Minister und Gesandten der großen Mächte sowie die Generäle und Feldherren. Und doch haben wir es zugleich mit einer kleinen, aber feinen Gruppe von Fürstinnen zu tun, denen in selbstverständlicher Unvoreingenommenheit eine wichtigere Rolle zuerkannt wird. Drei von ihnen, wie es scheint die einzigen weiblichen Figuren, die ausführlicher behandelt werden, seien im Folgenden kurz präsentiert: die Cousine des Kurfürsten, Christina von Schweden (1626­1689), seine erste Frau Luise Henriette (1627­1667) und schließlich Luisa Maria Gonzaga (1611­1667), die Königin von Polen als sukzessive Gemahlin der Brüder Wladislaw und Johann Casimir.
<24>
Zu Beginn der Darstellung Pufendorfs ist zudem häufiger die Rede von Maria Eleonora (1599­1655), der Tante Friedrich Wilhelms und Witwe Gustav Adolfs, um deren Aufenthalt in Dänemark sich ein diplomatisches Vexierspiel in Gang setzte.52 Zentral ist dann aber besonders das Heiratsprojekt mit Christina von Schweden, der berühmten Tochter des "Löwen aus Mitternacht", ein Projekt das um die Mitte der 1640er Jahre in Stockholm stillschweigend beerdigt wurde, als man erkannte, dass die schwedische Vormachtstellung durch den nahenden Frieden sichergestellt würde und man eines dynastischen Bündnisses im Reich umso weniger bedürfe, als damit ein Erbfall zugunsten Brandenburgs wahrscheinlich wurde.
<25>
Die Annäherung an Schweden, das ja zugleich Bündnispartner und Gegner Brandenburgs war, beunruhigte 50
Klaus von Beyme: Geschichte der politischen Theorien in Deutschland 1300­2000, Wiesbaden 2009, 115­117.
51
Friedrich der Große: Mémoires (wie Anm. 11), 76: "La valeur fait les grands héros; l'humanité fait les bons princes."
52
Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 1, Kap. 34­36; Opgenoorth: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 34), 118.
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Kaiser Ferdinand III., aber auch die Lenkerinnen und Lenker der Politik in Dänemark und Polen. Pufendorfs erwähnte Vorliebe für die Schilderung von Verhandlungen, also die – nach Droysen – "discussive" Komponente des Buches, fand in der Schilderung dieser Verwicklungen und Entwürfe ein reiches Betätigungsfeld. Das Ringen um die Möglichkeit der schwedischen Hochzeit gibt nebenbei Gelegenheit zur literarisch geschickten Einstreuung weiteren Herrscherlobs, etwa wenn berichtet wird, Johan Oxenstierna (1611­1657), der Sohn des Schwedischen Reichskanzlers, habe 1643 geäußert, der junge Kurfürst solle nur weiterhin auf dem Weg der Tugend verbleiben, er könne "ein besonderes Licht Teutschlandes werden".53 Bei Pufendorf lautet diese Rede: "Augurari se [so Oxenstierna], Electorem captam virtutis viam strenue percursurum, ac singulare Germaniae lumen futurum, quae in praesens paucos habere Principes, de quibus eximii quid praedicari queat."54
<26>
Wenn es also im Original ein wenig nach der trivialen Einsicht in das Königtum des Einäugigen unter den Blinden erinnert, ist die griffige deutsche Übertragung ihrerseits zum geflügelten Wort geworden. Der berühmte Droysen­Schüler Reinhold Koser hat diese Charakterisierung in einem Aufsatz von 1888 übernommen, allerdings offensichtlich aus anderer, umfangreicherer Quelle, in der auch von Verweisen auf die Verfassungstheorie des Aristoteles die Rede ist; jedenfalls hat er dem Diktum des Oxenstierna Junior die bekannte Formulierung vom "sonderbaren Licht in Deutschland" gegeben, wie sie auch in der jüngeren Forschung prominent platziert worden ist.55 Bei Koser lesen wir dementsprechend auch eine Würdigung der universalen Wirksamkeit Friedrich Wilhelms, die Pufendorf zurecht hervorgehoben habe: "Ohne Überhebung durfte der große Historiker [Pufendorf, B.K.], der dem großen Fürsten alsbald nach seinem Hinscheiden das würdigste literarische Denkmal setzte, es aussprechen, daß sein Gegenstand nicht durch die Grenzen der Mark oder Deutschlands umschrieben werde, sondern sich mit der gemeinsamen Geschichte Europas während mehr als eines Menschenalters deckte." Und Koser fügt hinzu, hier Pufendorf wohl allzu frei fortschreibend: "Schon durfte das zu europäischer Bedeutung in die Höhe gestiegene Brandenburg den Blick zu einer Königskrone erheben."56
<27>
Zunächst jedoch tragen andere die Königskrone, unter ihnen jene Christina, deren Absichten jenseits der Ostsee undurchdringlich bleiben, dabei aber von den schwedischen Diplomaten sehr direkt als Druckmittel gegen Brandenburg eingesetzt werden, wie Pufendorf, der Schweden ja eigentlich verbunden war, recht 53
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 35.
54
Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 29 (Buch 1, Kap. 43).
Reinhold Koser: Zur Erinnerung an den Großen Kurfürsten (1888), in: ders.: Zur preußischen und deutschen Geschichte. Aufsätze und Vorträge, Stuttgart, Berlin 1921, S. 1­13, hier: 10. – Vgl. Gerd Heinrich (Hg.): Ein sonderbares Licht in Deutschland. Beiträge zur Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg (1640­1688), Berlin 1990 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 8).
55
56
Koser: Erinnerung (wie Anm. 55), 8.
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unbefangen schildert.57 Als Schlüsselfigur der brandenburgischen Politik erweist sich Christina auch noch nach dem Krieg, als es um die Umsetzung des Friedensschlusses im Zuge des Nürnberger Exekutionstages geht: auf dem Spiel steht hier die ökonomische Autonomie des Kurfürsten, der wiederholt um die faktische Überlassung der vertraglich abgetretenen Stifte Halberstadt und Minden ersuchen lässt.58
<28>
Insgesamt entsteht ein ausgewogenes Bild Christinas, deren Einhaltung gegebener Zusagen beispielsweise gewürdigt wird. In eigentlich positives Licht rückt sie aber erst, als die Erzählung auf ihren Cousin und Nachfolger Carl Gustav (1622­1660) aus dem Hause Pfalz­Zweibrücken übergeht. Denn kaum hat sie abgedankt, bereitet dieser den Krieg gegen Polen vor und lässt durch seine Diplomaten geradezu machiavellistische Grundsätze verlauten.59 Christina "punktet" also hier als leuchtendes Gegenbeispiel, was umso erstaunlicher ist, als Pufendorf ja auch Carl Gustav in einer eigenen Biografie verewigt hat, von deren Tenor er sich nunmehr allerdings zu distanzieren scheint. 60
<29>
Uneingeschränkt positiv wird zweitens die Heirat mit Luise Henriette von Nassau­Oranien bewertet, die im zweiten von 19 Büchern geschildert wird. Beachtung verdient hier die Wiedergabe der Ansprache, die der junge Kurfürst persönlich als Brautwerber mit entblößtem Haupt vor den Haager Generalstaaten gehalten hat, erneut ein Glanzstück Pufendorfscher "Oratio obliqua". Friedrich Wilhelm betonte in dieser für sein weiteres Leben nicht unwichtigen Rede die traditionelle Verbundenheit zu den Niederlanden, die schon seit Vater gepflegt habe, sowie besonders die schwedischen Absichten auf Pommern, die – sollten sie verwirklicht werden – den Ostseehandel massiv beeinträchtigen würden.61 Eine politische Heirat also, die rasch realisiert wurde.
<30>
Bekannt sind andererseits Luise Henriettes Vorbehalte gegen den brandenburgischen Bräutigam, der ihr zunächst so gar nicht behagen wollte – was selbstverständlich unerwähnt bleibt.62 Bekannt ist aber ebenso, dass die schließlich erfolgte Verbindung tendenziell zu den glücklicheren Ehen beider Häuser zählte. Die "politischen Hoffnungen", die mit dieser Ehe verknüpft waren, sollten sich dabei, wie Daniel Schönpflug zusammenfassend dargestellt hat, nur zum Teil in Gestalt vereinbarter Defensivallianzen erfüllen.63
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 62­68, über Christina und die Verhandlungen in Osnabrück; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 2, Kap. 32­35.
57
58
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 135f.; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 3, Kap. 32 u. Kap. 35.
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 188; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 186 (Buch 5, Kap. 2): "Deum hoc tempore non amplius cum Principibus per prophetas et somnia loqui, sed ubi commoda occasio arrideat vicino suo damnum inferendi, ac fines suos proferendi, eam divinam vocationem habendam."
59
60
Zu Pufendorfs zunehmend kritischen Haltung gegenüber Schweden vgl. Döring: Samuel (wie Anm. 2), 142f.
61
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 89; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 98­99 (Buch 2, Kap. 72).
62
Vgl. Hans Biereigel: Luise Henriette von Nassau­Oranien. Kurfürstin von Brandenburg, Erfurt 2005, 29.
63
Vgl. Daniel Schönpflug: Die Heiraten der Hohenzollern. Verwandtschaft, Politik und Ritual in Europa, 1640­1918, Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/3.0/de
<31>
An späterer Stelle werden dann, noch zu Lebzeiten Luise Henriettes, die Defensivallianz mit den Niederlanden (Kleve, 16. Februar 1666) sowie weitere Verständigungsversuche erwähnt, etwa die Bemühungen um einen Frieden mit dem Fürstbischof von Münster.64 Unstreitig, und auch bei Pufendorf häufig thematisiert, sind die beträchtlichen Geldzahlungen in Gestalt permanenter Subsidien oder einmalig gewährter Zuschüsse, die aus den Niederlanden des Goldenen Zeitalters nach Brandenburg flossen. 65 Zwar bleibt einzuschränken, dass diese Zahlungen teilweise durch Kontributionsoktroyierungen in Kleve oder durch die Aufblähung der berüchtigten "Hoefyserschen Schuld" ein gewisses Gegengewicht fanden, auch wurde Geld sicherlich nicht nur wegen der Ehe mit Luise Henriette gezahlt, doch haben die persönliche Verbindung und die Ansiedlung niederländischer Kolonisten in der Mark usw. gewiss die Dinge erleichtert. 66
<32>
Der Bericht über den Tod der Luise Henriette am 6. Juni 1667 bleibt knapp und gibt kaum Anlass zu ausführlicheren Einlassungen nach Art eines Nekrologs.67 Es folgt dann in der deutschen Fassung eine raschere Erzählweise, ja beinahe eine Lücke bis 1670, bevor als schwerwiegendes Problem das schwedisch­französische Bündnis vom März 1672 erörtert wird, "welches hernach Schweden und Teutschland viel Unglück gebracht".68 Christina, so wird hier wiederum deutlich, ist eben nicht mehr Königin.
<33>
Die politische Verbindung zu den Generalstaaten aber bleibt auch nach Luise Henriettes Tod bestehen und wird im April 1672, am Vorabend des französischen Angriffs erneuert, Friedrich Wilhelm verspricht 20.000 Soldaten und Pöllnitz, der Großvater des bekannten Memoirenautors, reist als Gesandter des Kurfürsten nach Den Haag. Die Subsidien kommen – wie üblich – aus den Niederlanden.69
<34>
Auf die drastische Schilderung der schwedischen Kriegshandlungen in der Mark, die unter dem Kommando Göttingen 2013, 166. – Positive Bilanz der Ehe bei Derek McKay: The Great Elector, Harlow u.a. 2001, 34­37. – Ludwig Hüttl: Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, 1620­1688. Eine Biographie, München 1981, 113­124.
64
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 428.
Die desolate Lage der Staatsfinanzen zu Beginn des 17. Jahrhunderts erläutert Frank Göse: Von überforderten Statthaltern, fragilen Loyalitäten und gestörter Kommunikation. Das militärische Engagement Kurbrandenburgs am Niederrhein und in Westfalen während des Jülich­Klevischen Erbfolgekonflikts, in: Manfred Groten / Clemens von Looz­
Corswarem / Wilfried Reininghaus (Hg.): Der Jülich­Klevische Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen, Düsseldorf 2011, 203­224, hier: 213­217, 224.
65
Zum niederländischen Darlehen von 1614 und seinem Vermitter Peter Hoefyser vgl. Opgenoorth: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 34), 67f.
66
67
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 441f.; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 1312 (Buch 19, Kap. 103).
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 452. – Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 613 (Buch 11, Kap. 35): "[...] ingentium malorum Sveciae juxta, ac Germaniae causam."
68
69
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 472; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 11, Kap. 58.
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der Brüder Wrangel jene des Dreißigjährigen Krieges in den Schatten gestellt habe70, folgt die Wiedergabe des Feldzuges Friedrich Wilhelms mit dem Höhepunkt der Schlacht bei Fehrbellin am 28. Juni 1675, in der deutschen Fassung sogar mit beigegebener Karte.71 Von Königin Christina, die inzwischen als unabhängige Fürstin und Mäzenin in Rom weilt und ihren Palazzo in Trastevere verschönern lässt, ist wie selbstverständlich keine Rede mehr.72
<35>
Kommen wir zur dritten der großen Frauengestalten in Pufendorfs Biografie. Luisa Maria (1611­1667) aus einem in Frankreich heimisch gewordenen Zweig der Gonzaga war die Gemahlin zweier polnischer Könige und auch persönlich eine der – so schon Ernst Opgenoorth – "selbstbewußten, energischen und politisch aktiven" Königinnen ihrer Zeit.73 Bei Pufendorf erscheint sie als Akteurin "cujus maxima tunc eo in Regno [in Polen, um 1657] autoritas erat [...]".74 Sie war außerdem die Tante der Frau Kaiser Ferdinands III. und schon als solche eine nicht unwichtige Person.
<36>
Plastisch wird ihre Figur aber erst in der Nachvollziehung ihres politischen Einflusses, der letztendlich dazu führte, dass sich Brandenburg aus dem Schwedischen Bündnis löste und im Frieden von Oliva 1660 die endgültige Souveränität über Preußen erhielt, ein entscheidender Schritt für die künftige Entwicklung des Hohenzollernstaates.75 Ihre Tätigkeit in Polen wurde teilweise kritisch betrachtet, doch erhellt ihr maßgeblicher Einfluss wohl schon daraus, dass der König nach ihrem Tod abdankte und ins französische Exil ging. Zunächst jedoch erscheint sie als entschlossene, ja patriotische Königin, zumal im Krieg gegen Schweden. In aller Ausführlichkeit wird die Schlacht bei Warschau im Juli 1656 geschildert, weit ausführlicher als später Fehrbellin: Friedrich Wilhelm und Karl X. Gustav besiegen unter persönlichem Einsatz Johann Casimir und die verbündeten Krimtataren. Die Königin von Polen, in Begleitung von Hofdamen, soll dabei die polnischen Soldaten auf dem Weg in die Schlacht persönlich ermuntert und gleichsam angefeuert haben.76
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 553, 561­565; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 12, Kap. 65 u. Buch 13, Kap. 33. – Es handelt sich um Carl Gustav Wrangel (1613­1676) und seinen Halbbruder Woldemar (1641­
1675).
70
71
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 565­576; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 13, Kap. 36.
Vgl. hierzu jetzt Veronica Biermann: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden, Wien u.a. 2012.
72
73
Opgenoorth: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 34), 121.
74
Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 308 (Buch 7, Kap. 5).
Zum vorangegangenen Konflikt vgl. Opgenoorth: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 34), 284­413; Johannes Kunisch: Der Nordische Krieg von 1655­1660 als Parabel frühneuzeitlicher Staatenkonflikte, in: ders.: Fürst, Gesellschaft, Krieg. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaates, Köln u.a. 1992, 43­82.
75
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 307f.; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 265 (Buch 6, Kap. 39); August Riese: Die dreitägige Schlacht bei Warschau: 28., 29. und 30. Juli 1656, Paderborn 2011 [Nachdruck der Ausgabe 1870].
76
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<37>
Nach der Niederlage erscheint Luisa Maria "geschäftig" zum Frieden mit Friedrich Wilhelm, wie Pufendorf in mehreren Kapiteln seines Werks unter dem Stichwort "Reginae Poloniae circa Electorem studium" schildert.77 Als wichtigstes Resultat ergab sich der Vertrag von Wehlau vom September 1657. Im Juni 1658 kommt Luisa Maria dann persönlich nach Berlin, wo ein festlicher Einzug arrangiert wird. Ihr selbst wird an dieser Stelle sogar die Beteuerung in den Mund gelegt, sie habe Friedrich Wilhelm und sein Gefolge während der Schlacht von Warschau mit einem Fernglas beobachtet und seine Tapferkeit bewundert. 78
<38>
Alle diese Bemühungen münden dann in den Frieden von Oliva vom Mai 1660, "[...] dabey sich denn die Königin von Polen gratulirte, daß sonderlich durch ihre Bemühung diese Handlung in einen Frieden ausgeschlagen sey".79 Ganz wie der Vertrag von Wehlau wird auch jener von Oliva in Pufendorfs Werk größtenteils im Wortlaut abgedruckt.80 Völlig ohne weibliche Akteure – zumindest vordergründig – wird wiederum das Verhältnis zum Zarenreich geschildert, das sich im Verlauf des Jahrhunderts entscheidend intensivierte, von der russischen Eroberung Vilnas 1655 über eine Allianz mit dem Zaren Alexej Mihailovic (1629­1676) bis zu Verhandlungen über ein antiosmanisches Bündnis mit dessen Söhnen, Ivan V. und Peter dem Großen, im Mai 1687.81 Noch während des schwedisch­polnischen Krieges wird im Juli 1657 auch der Geburt des Nachfolgers gedacht: "[...] der grosse Friederich, der Preußische und Märkische Salomon" sei der Luise Henriette in Königsberg geboren worden.82 Verschiedene Eheschließungen werden selbstverständlich vermerkt, ohne dass jedoch Ausführlicheres über Leben und Zukunft des jeweiligen Fürstenpaares zu erfahren wäre.
<39>
So erscheinen also – an einigen wenigen Stellen – die großen Frauen der Politik als Wegbereiterinnen der Verständigung, aber auch der brandenburgischen Glorie. Keine der genannten drei Frauen wird besonders kritisch betrachtet, ausgenommen vielleicht Luisa Maria Gonzaga, von der es anlässlich ihres Todes [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 329; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 290 (Buch 6, Kap. 69), 308 (Buch 7, Kap. 5), dort "in Electorem".
77
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 355; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 338 (Buch 7, Kap. 50): "Haec [Maria Ludovica] Berolinum insigni cum pompa ingressa, ibique pro dignitate tractata, donisque pretiosis mactata fuit. Introitu arcis recognoscere se ferebat satellites Electoris, qui in praelio ad Warsaviam tam strenue se gesserant; ubi et per vitrum, quo longius dissita velut e propinquo cernuntur, ipsum Electorem inter pugnantium ordines toto campo volitantem ipsa conspexerit." – Zur Berliner Reise vgl. allgemeiner Opgenoorth: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 34), 379.
78
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 381; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 412 (Buch 8, Kap. 74): "Ita demum pax intempesta nocte Olivae perfecta fuit, Regina Poloniae sibi gratulante, quod sua praecipue opera haec negotiatio in pacem desiisset."
79
Zu Wehlau vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 296­300 (Buch 6, Kap. 78); zu Oliva vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 412­414 (Buch 8, Kap. 75).
80
Vgl. [Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 234, 413; Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 5, Kap. 62 (1654), Buch 6, Kap. 31­32 (1656), Buch 7, Kap. 6 (1657) u. Kap. 75 (1658), Buch 8, Kap. 38 (1659); Buch 11, Kap. 109 (1673); Buch 13, Kap. 61 (1675); Buch 15, Kap. 15 (1677); Buch 17, Kap. 9 (1679); Buch 19, Kap. 54 (1687).
81
82
[Uhse]: Friedrich Wilhelm (wie Anm. 4), 330.
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immerhin heißt, durch ihre Lust am Intrigieren und Verleumden habe der polnische Hof, ja hätten die Sitten der Nation Schaden gelitten83 – die vielleicht einzige Wendung, die gewissermaßen als misogynes Stereotyp auffällt. Von Verherrlichung ihres Wirkens ist der Hofhistoriograf dementsprechend ebenso weit entfernt, zumal Glorifikation und Überhöhung für den Großen Kurfürsten reserviert bleiben, den niemand in den Schatten stellen soll, und der nicht zuletzt durch dieses Werk eine Art postumes Attest historischer Größe erhält, ohne dass sich wie für seinen Urenkel schon im Detail nachweisen ließe, wie die Beilegung dieses Ehrentitels initiiert und gesteuert worden sein könnte.84
<40>
Das Anekdotische tritt hingegen ebenso zurück wie die Schilderung von im modernen Sinne privaten Familienverhältnissen. Auffälligste Schwäche des ganzen Werkes ist vermutlich die relativ oberflächliche Behandlung der Innenpolitik: Zwar wird beispielsweise die Auseinandersetzung mit den Ständen in Preußen nachvollzogen85, der Bau des Friedrich­Wilhelm­Kanals zwischen Oder und Spree wird herausgestellt 86, doch bleiben ausführlichere Betrachtungen zu Herrschaftsstruktur und Machtmechanismen innerhalb des Kurstaates fast völlig aus – wo Andeutungen gemacht werden, darauf hat wiederum Droysen bereits hingewiesen, sind sie in ihrer Allgemeinheit häufig nicht zutreffend, stellenweise sogar bewusst irreführend.87 Es blieben also genügend Desiderata für die späteren Darstellungen von Otto Hintze, Gerhard Oestreich und anderen.
<41>
So ist sicherlich Günter Birtsch zuzustimmen, der davon sprach, dass keineswegs die Rede davon sein könne, Pufendorf habe die Wege der Historiografie ein für alle Mal vorgezeichnet.88 Droysen etwa, in seinem Werk zum "Staat des Großen Kurfürsten", wollte es anders und besser machen. Doch bleibt anzumerken, dass sogar noch eine der aktuellsten Biografien des Großen Kurfürsten, das zweibändige Werk von Ernst Opgenoorth, stellenweise Pufendorfs Schilderung als Quelle verwendet, etwa für die Jugendzeit Friedrich Wilhelms und seine teilweise schweren Erkrankungen als Kronprinz. Wenn also Pufendorfs Priorisierung männlicher Akteure der preußischen Geschichte, wie man sie wohl konstatieren muss, dafür sprechen dürfte, dass ein solches Ungleichgewicht lange vor dem 19. Jahrhundert als selbstverständlich galt, so zeigt sich andererseits, dass im Falle des Auftretens einflussreicher Herrscherinnen ganz selbstverständlich deren Leben und Werk geschildert wurde, ohne ihr weibliches Geschlecht als außergewöhnlich zu kennzeichnen. Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), 555 (Buch 10, Kap. 66): "Deprehensum est, ejus Reginae exemplo, et continuis machinationibus malitiam, et fraudulentiam in Aula ista non modica incrementa cepisse, moresque nationis eo contagio non parum infectos. Solennes ei artes erant, dicta sua inficiari, et aliis quae non dixerant affingere, velut veneratione regiae dignationis ab exprobatione mendacii tuta."
83
84
Vgl. Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen, München 2011, 60­62.
85
Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 9, Kap. 48­50.
86
Vgl. Pufendorf: Rebus Gestis (wie Anm. 8), Buch 19, Kap. 105.
87
Vgl. Droysen: Kritik (wie Anm. 3), 361­363, 368.
Vgl. Günter Birtsch: Pflichthandeln und Staatsräson. Der Gründer des preußischen Staats Friedrich Wilhelm im Spiegel der Geschichtsschreibung, in: Heinrich: Ein sonderbares Licht (wie Anm. 55), 137­150, hier: 137f., 142­144.
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Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/3.0/de
In dieser Hinsicht war Pufendorf vielleicht paradoxerweise ein kleines Stück moderner als man auf den ersten Blick annehmen möchte.89
Autor:
PD Dr. Bernd Klesmann
Lehrstuhl Prof. Dr. Gudrun Gersmann (DFG­Forschungsprojekt)
Historisches Institut
Neuere Geschichte
Albertus­Magnus­Platz
50923 Köln
Büroadresse:
Meister­Ekkehart­Straße 11
50937 Köln
Tel.: 0221­470­2204
bernd.klesmann(at)uni­koeln.de
Neueste Würdigung Pufendorfs bei Edgar Wolfrum / Stefan Westermann: Die 101 wichtigsten Personen der deutschen Geschichte, München 2015, 28.
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