Supply Management im Krankenhaus
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Supply Management im Krankenhaus
Supply Management im Krankenhaus - Konstruktion und Evaluation eines konfigurierbaren Reifegradmodells zur zielgerichteten Gestaltung DISSERTATION der UNIVERSITÄT ST. GALLEN, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Tobias Mettler aus Urnäsch (Appenzell-Ausserrhoden) Genehmigt auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Robert Winter und Frau Prof. Dr. Andrea Back Dissertation Nr. 3752 Sierke Verlag, Göttingen 2010 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Tobias Mettler Supply Management im Krankenhaus - Konstruktion und Evaluation eines konfigurierbaren Reifegradmodells zur zielgerichteten Gestaltung ISBN 13: 978-3-86844-260-1 © SV SierkeVerlag Am Steinsgraben 19 · 37085 Göttingen Tel. 0551- 503664-7 · Fax 0551-3894067 www.sierke-verlag.de Einband: Grafik Sierke Verlag Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 2010 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 22. März 2010 Der Rektor: Prof. Dr. Ernst Mohr Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum „Health Network Engineering“ (CC HNE) am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWI-HSG). Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt des CC HNE ist die Vernetzung von Gesundheitsorganisationen im Spannungsfeld zwischen Betriebswirtschaft und IT. Aus dieser Themenstellung entwickelte sich auch die vorliegende Arbeit, deren Zustandekommen und Gelingen auf die ausdauernde Unterstützung zahlreicher Personen gründet. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Robert Winter, der mir ein ausgezeichnetes Forschungs- und Arbeitsumfeld am IWI-HSG bot und mir den nötigen Freiraum liess, um interdisziplinär und praxisnah zu forschen. Ganz herzlich danke ich ebenso Prof. Dr. Andrea Back für die Übernahme des Korreferats und für ihr überaus grosses Interesse an der Thematik. Ebenfalls zu grossem Dank verpflichtet bin ich meinen lieben Kollegen und Mitstreitern im CC HNE, Dr. Peter Rohner, Lars Baacke und René Fitterer. Ihnen bin ich für das motivierende Arbeitsklima, den intensiven Gedankenaustausch (auch zu später Stunde), die gegenseitige Unterstützung und das kollegiale Zusammensein während all dieser Zeit ausserordentlich verbunden. Für eine stets angenehme und kurzweilige Zusammenarbeit bedanke ich mich auch bei Dr. Stephan Aier, Dr. Tobias Bucher, Anne Cleven, Marion Fässler, Christian Fischer, Rebecca Fitterer, Wojciech Ganczarski, Dr. Anke Gericke, Bettina Gleichauf, Philipp Gubler, Dr. Mario Klesse, Gerrit Lahrmann, Frederik Marx, Bernadette Mayer, Dr. Jochen Müller, Dr. Felix Reinshagen, Christian Riege, Jan Saat, Dr. Moritz Schmaltz, Dr. Joachim Schelp, Daniel Stock, Florian Stroh, Dr. Matthias Stutz, Dr. Christian Willhelmi, Ulrich Wlk und Dr. Felix Wortmann. Meiner langjährigen Lebenspartnerin Stefanie Lázaro möchte ich dafür danken, dass sie mich stets liebevoll und vorbehaltlos unterstützt hat. Ohne sie wäre diese Dissertation nicht möglich gewesen. Auch meinen Schwiegereltern in spe Bernadette und José Luis Lázaro möchte ich für ihre motivierenden Worte und Gesten danken. Mein tiefster Dank gilt schliesslich meiner Familie, meinen Eltern Hellmuth und Rosario sowie meinem Bruder Helmut, welche mir stets eine wichtige Unterstützung und Ansporn waren. Romanshorn, im April 2010 Tobias Mettler Inhaltsübersicht i Inhaltsübersicht 1 Einleitung .................................................................................................. 1 2 Begriffliche und theoretische Grundlagen ............................................. 23 3 Konzeptionelle Grundlagen .................................................................... 33 4 Analyse des Gestaltungsbereiches .......................................................... 61 5 Vergleich bestehender Reifegradmodelle ............................................. 101 6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung .................................. 119 7 Entwicklung des Reifegradmodells ...................................................... 139 8 Evaluation des Reifegradmodells ......................................................... 207 9 Schlussbetrachtung ............................................................................... 245 Anhang ................................................................................................................... 255 Literatur ................................................................................................................. 269 ii Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .................................................................................................. 1 1.1 Ausgangslage ............................................................................................. 1 1.2 Forschungsfrage ......................................................................................... 3 1.3 Thematische Einordnung und disziplinäre Bezugspunkte ........................... 6 1.4 Wissenschaftstheoretische Einordnung ....................................................... 7 1.4.1 Forschungsparadigmen in der Wirtschaftsinformatik .............................. 8 1.4.2 Einordnung innerhalb des gewählten Forschungsparadigmas ................ 10 1.5 Forschungsmethodik................................................................................. 12 1.5.1 Prinzipien gestaltungsorientierter Forschung ........................................ 13 1.5.2 Anwendung auf das Forschungsvorhaben ............................................. 16 1.6 2 Aufbau der Arbeit ..................................................................................... 20 Begriffliche und theoretische Grundlagen ............................................ 23 2.1 Organisationsbegriff ................................................................................. 23 2.2 Organisation und Gestaltung..................................................................... 24 2.3 Organisationaler Wandel .......................................................................... 26 2.4 Wandel und Gestaltung............................................................................. 27 2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................ 29 3 Konzeptionelle Grundlagen ................................................................... 33 3.1 Referenzmodellierung und Referenzmodelle ............................................ 34 3.1.1 Referenzmodellbegriff .......................................................................... 35 3.1.2 Phasen der Referenzmodellierung ......................................................... 36 3.1.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen ................ 38 3.2 Reifegradmodelle ..................................................................................... 39 3.2.1 Reife- und Reifegradmodellbegriff ....................................................... 40 3.2.2 Typen von Reifegradmodellen .............................................................. 43 Inhaltsverzeichnis iii 3.2.3 Zur Spezifikation von Reifegraden ........................................................ 45 3.2.4 Zur Erhebung und Analyse von Reifegraden ......................................... 47 3.2.5 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen ............... 51 3.3 Ontologien ................................................................................................ 53 3.3.1 Ontologiebegriff .................................................................................... 53 3.3.2 Zur Spezifikation von Ontologien ......................................................... 56 3.3.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien ........................... 58 3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................. 59 4 Analyse des Gestaltungsbereiches .......................................................... 61 4.1 Beschaffung in Krankenhäusern ................................................................ 61 4.1.1 Auftrag und Typisierung von Krankenhäusern ...................................... 61 4.1.2 Aufgaben, Zielsetzungen und Rollen des Krankenhauseinkaufs ............ 64 4.1.3 Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs..................................... 67 4.1.4 Einordnung in die Versorgungskette des Krankenhauses ....................... 69 4.1.5 Einordnung in die Wertkette des Krankenhauses ................................... 71 4.2 Aktueller Stand der Praxis......................................................................... 72 4.2.1 Empirische Untersuchungen .................................................................. 73 4.2.2 Fallstudien............................................................................................. 79 4.2.2.1 Fallauswahl und -eingrenzung ........................................................... 79 4.2.2.2 Datenerhebung und -analyse .............................................................. 80 4.2.2.3 Fall A: Hybrider Einkauf in einem kleinen Krankenhaus ................... 81 4.2.2.4 Fall B: Dezentraler Einkauf in einem mittelgrossen Krankenhaus ..... 87 4.2.2.5 Fall C: Zentraler Einkauf in einem grossen Krankenhaus .................. 92 4.3 5 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................. 97 Vergleich bestehender Reifegradmodelle ............................................. 101 5.1 Gestaltungsbereiche bestehender Reifegradmodelle ................................ 101 b5.2 Diskussion ausgewählter Reifegradmodelle ............................................ 103 iv Inhaltsverzeichnis 5.2.1 CMMI for Acquisition ........................................................................ 103 5.2.2 Sales and Operations Planning Maturity Model .................................. 108 5.2.3 Supply Chain Management Process Maturity Model........................... 109 5.2.4 Construction Supply Chain Maturity Model........................................ 111 5.2.5 B2B E-Commerce Adoption Readiness .............................................. 113 5.3 Beurteilung in Bezug auf den Gestaltungsbereich ................................... 115 5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 116 6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung .................................. 119 6.1 Beschreibung der Modellelemente .......................................................... 119 6.1.1 Metamodell der Struktur des Reifegradmodells .................................. 121 6.1.2 Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells .................................... 123 6.2 Beschreibung der Beschaffenheit des Reifegradmodells ......................... 126 6.2.1 Generelle Eigenschaften ..................................................................... 126 6.2.2 Eigenschaften der Ontologie ............................................................... 127 6.2.3 Eigenschaften des Bewertungsmodells................................................ 128 6.3 Vorgehen zur Konstruktion des Reifegradmodells .................................. 131 6.3.1 Vorgehen nach DE BRUIN et al. ........................................................ 131 6.3.2 Vorgehen nach BECKER/KNACKSTEDT et al. ................................ 132 6.3.3 Charakterisierung des eigenen Vorgehens........................................... 135 6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 137 7 Entwicklung des Reifegradmodells ...................................................... 139 7.1 Definition der Modellinhalte................................................................... 139 7.1.1 Gestaltungsdimensionen ..................................................................... 139 7.1.1.1 Personenzentrierte Gestaltungsdimension ....................................... 141 7.1.1.2 Prozesszentrierte Gestaltungsdimension.......................................... 141 7.1.1.3 Verwendung der Gestaltungsdimensionen im Bewertungsmodell ... 144 7.1.2 Gestaltungsebenen .............................................................................. 145 Inhaltsverzeichnis v 7.1.2.1 Arbeitsumfeld (AR) ......................................................................... 147 7.1.2.2 Praktiken (PR) ................................................................................. 148 7.1.2.3 IT-Infrastruktur (IT) ........................................................................ 149 7.1.2.4 Personen (PE) .................................................................................. 151 7.1.2.5 Verwendung der Gestaltungsebenen im Bewertungsmodell............. 152 7.1.3 Gestaltungsobjekte .............................................................................. 153 7.1.3.1 Strategieformulierung (S1) .............................................................. 153 7.1.3.2 Strategieimplementierung (S2) ........................................................ 157 7.1.3.3 Strategisches Monitoring (S3) ......................................................... 160 7.1.3.4 Anbahnung (T1) .............................................................................. 162 7.1.3.5 Verhandlung (T2) ............................................................................ 164 7.1.3.6 Stabilisierung (T3)........................................................................... 167 7.1.3.7 Bedarfsermittlung (O1).................................................................... 168 7.1.3.8 Bestellung (O2) ............................................................................... 171 7.1.3.9 Abwicklung (O3)............................................................................. 173 7.1.4 7.2 Zwischenfazit: Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen.................. 174 Operationalisierung der Modellinhalte .................................................... 178 7.2.1 Konfiguration ...................................................................................... 178 7.2.1.1 Identifikation möglicher Konfigurationsparameter .......................... 178 7.2.1.2 Beschreibung der Konfigurationsszenarien ...................................... 180 7.2.1.3 Wahl eines Konfigurationsszenarios ................................................ 184 7.2.2 Datenerhebung und -analyse................................................................ 185 7.2.2.1 Erhebungstechnik ............................................................................ 185 7.2.2.2 Analysetechnik ................................................................................ 187 7.3 Definition der Reife- und Fähigkeitsgrade ............................................... 191 7.3.1 Definition der Reifegrade .................................................................... 191 7.3.1.1 Ansatz zur Bestimmung der Reifegrade ........................................... 191 7.3.1.2 Beschreibung der Stichprobe ........................................................... 193 vi Inhaltsverzeichnis 7.3.1.3 Diskussion der Resultate ................................................................. 195 7.3.2 Bestimmung der Fähigkeitsgrade ........................................................ 200 7.3.2.1 Ansatz zur Bestimmung der Fähigkeitsgrade .................................. 200 7.3.2.2 Diskussion der Resultate ................................................................. 201 7.3.3 Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden ...................... 203 7.3.4 Ermittlung von Reife- und Fähigkeitsgraden ....................................... 205 7.4 8 Evaluation des Reifegradmodells ......................................................... 207 8.1 Grundlagen der Evaluation ..................................................................... 207 8.2 Charakterisierung der Evaluation ............................................................ 211 8.3 Evaluation aus Ingenieursperspektive ..................................................... 213 8.3.1 Analytische Beurteilung der GoM....................................................... 214 8.3.2 Analytische Beurteilung von Konstruktionsrichtlinien ........................ 216 8.3.3 Analytische Beurteilung der spezifizierten Anforderungen ................. 218 8.4 Evaluation aus Nutzerperspektive ........................................................... 221 8.4.1 Empirische Beurteilung der Konzeption des Reifegradmodells ........... 221 8.4.2 Empirische Beurteilung der Umsetzung des Reifegradmodells ........... 223 8.4.3 Empirische Beurteilung der Nutzerakzeptanz...................................... 224 8.5 Evaluation aus ökonomischer Perspektive .............................................. 226 8.5.1 Empirische Beurteilung des persönlichen Nutzens .............................. 227 8.5.2 Empirische Beurteilung des organisationalen Nutzens ........................ 228 8.6 Evaluation aus epistemologischer Perspektive ........................................ 229 8.6.1 Theoretische Beurteilung der Reliabilität ............................................ 232 8.6.2 Theoretische Beurteilung der Konvergenzvalidität.............................. 236 8.6.3 Theoretische Beurteilung der Diskriminanzvalidität ........................... 239 8.7 9 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 205 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 242 Schlussbetrachtung ............................................................................... 245 Inhaltsverzeichnis vii 9.1 Zusammenfassung und Generalisierung der Ergebnisse .......................... 245 9.2 Kritische Würdigung ............................................................................... 248 9.3 Ausblick und mögliche Anschlusspunkte ................................................ 251 Anhang ................................................................................................................... 255 A. Ansprechpartner .............................................................................................. 255 B. Gesprächsleitfaden für Fallstudien................................................................... 256 C. Evaluationsfragebogen .................................................................................... 258 D. Verzeichnis der Reifegradmodelle................................................................... 260 Literatur ................................................................................................................. 269 Lebenslauf .............................................................................................................. 310 viii Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ARC Appraisal Requirements for CMMI BE Business Engineering BE CBM Business Engineering Core-Business-Metamodell BEF Business Engineering Framework BFS Bundesamt für Statistik BPMM Business Process Maturity Model BPMN Business Process Modeling Notation BPR Business Process Reengineering CC HNE Kompetenzzentrum Health Network Engineering CMM Capability Maturity Model CMMI Capability Maturity Model Integrated CMMI-ACQ Capability Maturity Model Integrated for Acquisition CMMI-DEV Capability Maturity Model Integrated for Development CMMI-SVC Capability Maturity Model Integrated for Services CPFR Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment CSCMM Construction Supply Chain Maturity Model DPS Desktop Purchasing System DRG Diagnosis Related Groups DSR Design Science Research E-RFF Electronic Request for Feature E-RFI Electronic Request for Information E-RFP Electronic Request for Proposal E-RFQ Electronic Request for Quotation EAN European Article Number EFQM European Foundation for Quality Management Abkürzungsverzeichnis ix ERP Enterprise Resource Planning EPC Elektronischer Produktkatalog GBE Gesundheitsberichterstattung des Bundes GoM Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung GPIS MM General Practitioner Information Systems Measurement Model H+ Spitzenorganisation der öffentlichen und privaten Schweizer Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen HSRM3 Hospital Supply and Relationship Management Maturity Model HTML Hypertext Markup Language IS Informationssystem ISO Internationale Organisation für Normung IT Informationstechnologie ITPM3 IT Performance Measurement Maturity Model KCMA Knowledge Management Capability Assessment LISI Levels of Information Systems Interoperability MIT Massachusetts Institute of Technology OIL Ontology Interchange Language OWL Web Ontology Language RDF Resource Description Framework RFID Radio Frequency Identification S&OP-MM Sales and Operations Planning Maturity Model SCAMPI Standard CMMI Appraisal Method for Process Improvement SCM Supply Chain Management SCM-PMM Supply Chain Management Process Maturity Model SCOR Supply Chain Operations Reference-model SEI Software Engineering Institute SM Supply Management x Abkürzungsverzeichnis SPICE Software Process Improvement and Capability Determination SRM Supplier Relationship Management SW-CMM Capability Maturity Model for Software UML Unified Modeling Language VBS Visual Basic Script VDI Verein Deutscher Ingenieure WI Wirtschaftsinformatik XML Extensible Markup Language Abbildungsverzeichnis xi Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Logik der Transformation des Gesundheitswesens ................................. 2 Abbildung 2: Entwicklung der Sach- und Personalkosten in Krankenhäusern .............. 4 Abbildung 3: Einordnung in die Themenlandkarte des Health Network Engineerings.. 7 Abbildung 4: Bezugsrahmen zur Einordnung gestaltungsorientierter Forschung ........ 10 Abbildung 5: Nutzen aus gestaltungsorientierten Forschungsvorhaben ...................... 14 Abbildung 6: Generische Schritte eines Problemlösungsprozesses............................. 15 Abbildung 7: Vorgehensmodell für die Reifegradmodellentwicklung ........................ 18 Abbildung 8: Aufbau der Arbeit ................................................................................ 21 Abbildung 9: Mentales Modell des Gestaltens ........................................................... 30 Abbildung 10: Anwendungsbereiche der Modellierung in der WI.............................. 34 Abbildung 11: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen ............. 39 Abbildung 12: Entstehung und Weiterentwicklung von Reifegradmodellen ............... 40 Abbildung 13: Reife als Ausprägung der Effektivität und Effizienz von Prozessen .... 41 Abbildung 14: Reife als Ausprägung der Beschaffenheit des Wissens ....................... 42 Abbildung 15: Reife als Ausprägung bestimmter Objekteigenschaften ...................... 43 Abbildung 16: Verhältnis von Gestaltungsbereich und Reifegradmodell.................... 46 Abbildung 17: Ablauf eines Begutachtungsverfahrens ............................................... 48 Abbildung 18: Computergestützte Befragung auf der Basis von SPICE ..................... 49 Abbildung 19: Stufenförmige Darstellung von Reife ................................................. 50 Abbildung 20: Kontinuierliche Darstellung von Reife ............................................... 51 Abbildung 21: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen ............ 53 Abbildung 22: Grad der Formalisierung von Ontologien ........................................... 55 Abbildung 23: Darstellung einer Ontologie in Protégé ............................................... 58 Abbildung 24: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien ........................ 59 Abbildung 25: Morphologische Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen ............ 60 Abbildung 26: Rückgang der Anzahl Krankenhäuser und Betten ............................... 62 xii Abbildungsverzeichnis Abbildung 27: Schematische Darstellung des Aufgabenspektrums des Einkaufs ....... 64 Abbildung 28: Beeinflussung des Zielsystems des Krankenhauseinkaufs .................. 65 Abbildung 29: Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs ................................. 68 Abbildung 30: Versorgungskette aus dem Blickwinkel des Krankenhauseinkaufs ..... 69 Abbildung 31: Spektrum der zu beschaffenden Güter eines Krankenhauses .............. 70 Abbildung 32: Wertkette eines Krankenhauses ......................................................... 71 Abbildung 33: Eingrenzung der Fallstudie ................................................................ 80 Abbildung 34: Vorgang der Bedarfsermittlung Fall A ............................................... 83 Abbildung 35: Vorgang Bestellabwicklung Fall A .................................................... 84 Abbildung 36: Vorgang Wareneingang Fall A .......................................................... 86 Abbildung 37: Vorgang Bedarfsermittlung Fall B ..................................................... 89 Abbildung 38: Vorgang Bestellabwicklung Fall B .................................................... 90 Abbildung 39: Vorgang Wareneingang Fall B ........................................................... 91 Abbildung 40: Vorgang Bedarfsermittlung Fall C ..................................................... 94 Abbildung 41: Vorgang Bestellabwicklung Fall C .................................................... 95 Abbildung 42: Vorgang Wareneingang Fall C ........................................................... 96 Abbildung 43: Gestaltungsbereiche von Reifegradmodellen ................................... 102 Abbildung 44: Metamodell der Struktur von CMMI-Modellen ............................... 104 Abbildung 45: Reifegrade des S&OP-MM .............................................................. 109 Abbildung 46: Metamodell der zentralen Bestandteile der Arbeit............................ 120 Abbildung 47: Metamodell der Struktur des Reifegradmodells ............................... 121 Abbildung 48: Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells ................................. 124 Abbildung 49: Anwendung des Entwurfsmusters auf die vorliegende Arbeit .......... 130 Abbildung 50: Vorgehensmodell nach BECKER/KNACKSTEDT et al. ................. 134 Abbildung 51: Gewähltes Vorgehen zur Reifegradmodellentwicklung .................... 135 Abbildung 52: Strukturierung der Reifebeurteilung im HSRM3............................... 145 Abbildung 53: Wirkungszusammenhang von Anreiz und Handlung........................ 147 Abbildung 54: Verlauf der Reifebeurteilung im HSRM3 ......................................... 152 Abbildungsverzeichnis xiii Abbildung 55: Schema zur Dokumentation eines Gestaltungsobjekts ...................... 153 Abbildung 56: Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“ in Protégé ................ 176 Abbildung 57: Visualisierung eines Teilbereichs der Domänenontologie ................. 176 Abbildung 58: Direkte und indirekte situative Faktoren des HSRM3........................ 180 Abbildung 59: Formular zur Konfiguration der Modellbasis .................................... 186 Abbildung 60: Formular zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte............................. 187 Abbildung 61: Auswertungsdimensionen des HSRM3 ............................................. 187 Abbildung 62: Punktdiagramm zur Darstellung der Gesamtsicht ............................. 188 Abbildung 63: Netzdiagramm für die detaillierte Datenanalyse ............................... 189 Abbildung 64: Balkendiagramm für die detaillierte Datenanalyse ............................ 189 Abbildung 65: Detaillierungsstufen der Auswertung nach Gestaltungsdimensionen 190 Abbildung 66: Streudiagramm zur Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit ............ 195 Abbildung 67: Ergebnisse der Rasch-Analyse.......................................................... 196 Abbildung 68: Definition eines Axioms zur Ableitung eines Zielprofils .................. 201 Abbildung 69: Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden .................... 204 Abbildung 70: Evaluationsmethoden in der gestaltungsorientierten WI ................... 209 Abbildung 71: Verwendete Evaluationskriterien und -methoden.............................. 213 Abbildung 72: Bewertung der Qualität des Bewertungsmodells............................... 222 Abbildung 73: Bewertung der Qualität des Analyse- und Erhebungswerkzeugs....... 224 Abbildung 74: Bewertung der Nutzungswahrscheinlichkeit ..................................... 225 Abbildung 75: Bewertung des Nutzungsszenarios.................................................... 226 Abbildung 76: Bewertung des persönlichen Nutzens ............................................... 228 Abbildung 77: Bewertung des organisationalen Nutzens.......................................... 229 Abbildung 78: Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung............... 248 xiv Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Merkmale erklärungsorientierter und gestaltungsorientierter Forschung ..... 9 Tabelle 2: Wirkungsebenen der Artefaktkonstruktion................................................ 13 Tabelle 3: Gestaltungsziele der Arbeit ....................................................................... 17 Tabelle 4: Methodenspektrum der Arbeit .................................................................. 19 Tabelle 5: Verhältnis zwischen Organisation und Gestaltung .................................... 26 Tabelle 6: Verhältnis zwischen Wandel und Gestaltung ............................................ 29 Tabelle 7: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus aktuellen Studien ....................... 78 Tabelle 8: Profile der betrachteten Krankenhäuser .................................................... 79 Tabelle 9: Anforderungen in Bezug auf die Ganzheitlichkeit..................................... 99 Tabelle 10: Anforderungen in Bezug auf die Multiperspektivität............................. 100 Tabelle 11: Anforderungen in Bezug auf die Situativität ......................................... 100 Tabelle 12: Reifegrade des CMMI-ACQ ................................................................. 106 Tabelle 13: Fähigkeitsgrade des CMMI-ACQ ......................................................... 107 Tabelle 14: Reifegrade des SCM-PMM ................................................................... 111 Tabelle 15: Reifegrade des CSCMM ....................................................................... 113 Tabelle 16: Reifegrade der B2B E-Commerce Adoption Readiness ........................ 114 Tabelle 17: Bewertung der untersuchten Reifegradmodelle ..................................... 115 Tabelle 18: Beschreibung der strukturellen Metaentitätstypen ................................. 123 Tabelle 19: Beschreibung der inhaltlichen Metaentitätstypen .................................. 126 Tabelle 20: Sichtweisen auf das Supply Management ............................................. 140 Tabelle 21: Quellen der prozesszentrierten Gestaltungsdimension........................... 142 Tabelle 22: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ ...................... 148 Tabelle 23: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“.............................. 149 Tabelle 24: Generische Ziele der Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ .................... 151 Tabelle 25: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Personen“ .............................. 152 Tabelle 26: Gestaltungsobjekte der Strategieformulierung ...................................... 157 Tabellenverzeichnis xv Tabelle 27: Gestaltungsobjekte der Strategieimplementierung ................................. 159 Tabelle 28: Gestaltungsobjekte des Monitorings und Controllings ........................... 162 Tabelle 29: Gestaltungsobjekte der Anbahnung ....................................................... 164 Tabelle 30: Gestaltungsobjekte der Verhandlung ..................................................... 167 Tabelle 31: Gestaltungsobjekte der Stabilisierung .................................................... 168 Tabelle 32: Gestaltungsobjekte der Bedarfsermittlung ............................................. 170 Tabelle 33: Gestaltungsobjekte der Bestellung......................................................... 172 Tabelle 34: Gestaltungsobjekte der Abwicklung ...................................................... 174 Tabelle 35: Konfigurationsmatrix ............................................................................ 184 Tabelle 36: Charakterisierung der Stichprobe .......................................................... 194 Tabelle 37: Reifegrad 1 „Ungezielte Koordination“ ................................................. 197 Tabelle 38: Reifegrad 2 „Intrafunktionale Koordination“......................................... 197 Tabelle 39: Reifegrad 3 „Interfunktionale Koordination“......................................... 198 Tabelle 40: Reifegrad 4 „Interorganisationale Koordination“................................... 199 Tabelle 41: Reifegrad 5 „Dienstleistungsorientierte Koordination“ .......................... 200 Tabelle 42: Zielprofil „Kostenorientierte Beschaffung“ ........................................... 201 Tabelle 43: Zielprofil „Flexibilitäts- und unabhängigkeitsorientierte Beschaffung“ . 202 Tabelle 44: Zielprofil „Leistungs- und qualitätsorientierte Beschaffung“ ................. 203 Tabelle 45: Zielprofil „Sicherheitsorientierte Beschaffung“ ..................................... 203 Tabelle 46: Verifikation nach den GoM ................................................................... 216 Tabelle 47: Verifikation nach den eigenen Modellanforderungen ............................ 220 Tabelle 48: Item-Skala-Statistik ............................................................................... 235 Tabelle 49: Rotierte Faktormatrix ............................................................................ 238 Tabelle 50: Gleichheitstest der Szenariomittelwerte ................................................. 241 Tabelle 51: Klassifizierungsergebnisse .................................................................... 242 Tabelle 52: Ansprechpartner für Fallstudien und quantitative Querschnittsanalyse .. 256 Tabelle 53: Untersuchte Reifegradmodelle .............................................................. 267 xvi Kurzfassung Kurzfassung Eine fundamentale Voraussetzung für die Erbringung hochwertiger Gesundheitsleistungen stellt die zeitgerechte und kosteneffiziente Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen dar. Aufgrund kontinuierlich ansteigender Gesundheitsausgaben unterliegt insbesondere der Einkauf in Krankenhäusern einem ständig grösseren Druck seine Strukturen und Abläufe effektiver und effizienter zu gestalten. Meist fehlt jedoch Erfahrungswissen, um eine zielgerichtete Ausrichtung des Krankenhauseinkaufs durchzuführen. Die vorliegende Arbeit will die betreffenden Stellen bei der organisationalen Gestaltung des Krankenhauseinkaufs unterstützen, indem ein situativ anpassbares Reifegradmodell entwickelt und softwaretechnisch realisiert wird. Das entwickelte Artefakt bietet den Krankenhäusern in zweierlei Hinsicht Hilfestellung und Anleitung: Zum einen erlaubt es eine zuverlässige Standortbestimmung und einprägsame Veränderungsplanung der relevanten Gestaltungsobjekte eines Krankenhauseinkaufs. Zum anderen kann durch die softwaregestützte Erhebung auch die Branchensituation als Anhaltspunkt für die Gestaltung genutzt werden. Als Erkenntnisgrundlagen für die Entwicklung des Reifegradmodells werden praktische Ansätze aus der Literatur, die Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen sowie eigens erhobene Fallstudien zugrundegelegt. Zum Nachweis der Nützlichkeit und Praxistauglichkeit des entwickelten Reifegradmodells wird eine analytische, empirische und theoretische Evaluation durchgeführt. Die Generalisierung des Problemlösungsprozesses am Ende der Arbeit liefert weiteren Erkenntnisfortschritt für die systematische Konstruktion und Evaluation von Reifegradmodellen. Schlüsselwörter: Business Engineering, Design Research, E-Business, Gesundheitswesen, Organisationale Gestaltung, Reifegradmodell, Supply Management Abstract xvii Abstract A fundamental precondition for the provisioning of high-quality health services is the timely and cost-effective procurement of materials and services. By reason of continuously increasing health expenditures particularly the sourcing departments of hospitals are expected to organize their structures and workflows more effectively and efficiently. However, knowledge how to realize a goal-oriented alignment of the hospitals’ supply function is lacking. Hence, the aim of this contribution is to support the concerning actors in shaping the organizational design of hospital sourcing by developing a situational and adaptable maturity model and a respective inquiry tool. This artifact is supposed to offer assistance and guidance in two respects: First, the presented maturity model allows a reliable assessment and a straightforward change planning of the relevant design objects of a hospital’s supply function. Second, industry evidence is available for design decisions given that the assessment is software-supported. The development of the maturity model is based upon practical knowledge from literature, results of empirical studies as well as on proprietary case studies. In order to provide evidence of the utility and practicability of the presented findings, the maturity model is evaluated using analytical, empirical and theoretical methods. Moreover, generalization of the problem-solving process at the end of this contribution delivers further insights with respect to the construction and evaluation of maturity models. Keywords: Business Engineering, Design Research, E-Business, Health Care, Organizational Design, Maturity Model, Supply Management Einleitung 1 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Das Gesundheitswesen westlicher Industrieländer steht vor grossen Herausforderungen, wie bspw. die Überalterung der Bevölkerung und die damit zusammenhängende Zunahme chronischer Erkrankungen, die rasante Entwicklung in Medizin und in der Informationstechnologie (IT) sowie die Ökonomisierung und Globalisierung der Gesundheitsmärkte infolge der stetig ansteigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung und der Mobilität der Patienten. Solch einschlägige Veränderungen in der organisationalen Umwelt haben in anderen Branchen dazu geführt, dass Unternehmensgrenzen abgebaut und kooperative Netzwerke, Unternehmensnetzwerke oder virtuelle Unternehmen gebildet wurden, um die Herausforderungen arbeitsteilig zu bewältigen [vgl. z. B. Alstyne 1997; Wigand et al. 1997; Mertens et al. 1998; Österle et al. 2001]. Durch die konsequente Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen bei der Problembewältigung wurden nicht nur die Spezialisierung und Arbeitsteilung erhöht, sondern u. a. auch Leistungskomponenten standardisiert, Prozesse abgestimmt und der Informationsaustausch intensiviert [vgl. z. B. Womack et al. 1990; Kennedy 2003]. Im Gesundheitswesen hat diese Entwicklung bis anhin erst in Ansätzen stattgefunden. Es ist heute immer noch durch monolithische Strukturen mit geringer Arbeitsteilung und Spezialisierung geprägt [vgl. Porter, Olmsted-Teisberg 2004, S. 65]. Die fehlende Orientierung am Nutzen des Patienten [vgl. Töpfer 2006, S. 183], divergierende Interessen der einzelnen Akteure [vgl. Herzlinger 2006, S. 60] sowie die starke Reglementierung und Regulierung der Branche [vgl. Braun 2006, S. 26] erschweren die Transformation zusätzlich. Allerdings können staatlich herbeigeführte Massnahmen auch einen positiven Effekt auf die Transformation der Organisationen des Gesundheitswesens bewirken [vgl. Cook et al. 1983, S. 203]. Neuere Entwicklungen wie beispielsweise die Implementierung von ökonomisch-medizinischen Anreizstrukturen1 sollen dazu führen, dass Effektivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun) in den Kranken- 1 Als meist diskutiertes Beispiel hierfür sei das Klassifikationssystem der diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) genannt, welches dazu dient den Patienten anhand seiner Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen in Fallgruppen zu klassifizieren, um anhand der Schwere des Falles den für die Behandlung erforderlichen ökonomischen Aufwand zu bewerten und die Vergütung festzulegen. 2 Einleitung häusern deutlich mehr Beachtung erfahren werden [vgl. Flenreiss, Rümmele 2008, S. XI]. Empirische Untersuchungen aus Ländern, in denen solche Anreizstrukturen im Ge- Neue regulatorische Rahmenbedingungen Intraorganisationale Veränderung Administrative Bereiche • Standardisierung der zu bescha ffenden Güter und ihrer Prozesse • ... 2 1 Medizinische Bereiche • Sta nda rdisierung von Beha ndlungsverläufen (clinica l pa thways) • ... Benötigte Vernetzungsfähigkeit sundheitswesen schon länger Anwendung finden, haben gezeigt, dass die Akteure die notwendigen Veränderungen mit einer gewissen Zweckrationalität (homo oeconomicus2) umsetzen [vgl. Morrisey et al. 1984; Shortell et al. 1985; Carter 1990]. Die Transformation folgt demnach einer bestimmten, wenn auch – wie in Abbildung 1 dargestellt – idealisierten Logik. Interorganisationale Veränderung Administrative Bereiche • Organisationsübergreifende Bescha ffung (Einkaufskoopera tionen) • ... 3 4 Medizinische Bereiche • Organisationsübergreifende Beha ndlungsverläufe (continuity of care) • ... Abbildung 1: Logik der Transformation des Gesundheitswesens In einem ersten Schritt führen neue regulatorische Rahmenbedingungen dazu, dass zu Beginn primär intraorganisationale, administrative Bereiche optimiert werden (bspw. Standardisierung der Beschaffungsprozesse und -objekte), da diese im Hinblick auf den Kostenaufwand3 günstiger adaptiert werden können als die medizinischen Bereiche [vgl. Shortell et al. 1985, S. 600]. Durch den Anstieg des Veränderungsdrucks kommt es im Verlaufe der Zeit auch zu einer Anpassung der medizinischen Strukturen 2 Homo oeconomicus bezeichnet ein theoretisches Denkmodell, das von der individuellen Nutzenmaximierung der einzelnen Akteure ausgeht. 3 Der Begriff „Kostenaufwand“ ist aus [Doege, Martini 2008, S. 52] entnommen und setzt sich zum einen aus den Kosten für die Implementierung einer organisationalen Veränderung, zum anderen auch aus den Kosten aufgrund von Unsicherheit oder dem Verlust der (ärztlichen) Autonomie zusammen. Einleitung 3 und Abläufe (bspw. Standardisierung von Behandlungsverläufen) sowie zu einer stärkeren Integration der administrativen Bereiche [vgl. Blum et al. 2008, S. 15]. Bleibt der Druck auch nach der Umsetzung zahlreicher intraorganisationaler Massnahmen bestehen, so müssen organisationsübergreifende Innovationen realisiert werden, um die veränderten Umweltbedingungen zu bewältigen [vgl. Shortell et al. 1985, S. 600]. Auch hier folgt die Logik der Transformation dem gleichen Muster, d. h. anfängliche Optimierung der Arbeitsgebiete, die einen geringen Kostenaufwand aufweisen (bspw. Outsourcing der Wartung von Medizintechnik) und sukzessive Ausdehnung auf Bereiche bei denen mit Veränderungswiderstände der Mitarbeitenden zu rechnen ist (bspw. Abstimmung der medizinischen Leistungserbringung mit anderen Krankenhäusern). Auch bei relativer Stabilität des Gesundheitswesens hat sich gezeigt, dass durch interorganisationale Arbeitsteilung und der damit zusammenhängenden Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen Ineffizienzen abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden [vgl. Goes 1997, S. 693]. Allerdings braucht es für die organisationsübergreifende Zusammenarbeit ein gewisses Mass an Vernetzungsfähigkeit in strategischer, organisatorischer, technischer, aber auch kultureller Hinsicht [vgl. Mettler, Rohner 2009a; 2009c]. 1.2 Forschungsfrage Betrachtet man die Fortentwicklung der administrativen Bereiche und die Gestaltung der Vernetzungsfähigkeit als initiale Bedingung für einen weitreichenden organisationalen Wandel des Gesundheitswesens, so stellt sich die Frage, welche betrieblichen Strukturen und Abläufe den geringsten Kostenaufwand, aber auch die grösste Wirkung aufweisen, um als Erste optimiert zu werden.4 Weil durch die Leistungserbringer des Gesundheitswesens nur beschränkt Erlössteigerungen erzielt werden können (es besteht eine natürliche Nachfrage, da Krankheiten nicht künstlich erzeugt werden) und bestimmte Aufwandpositionen wie Personal- oder Infrastrukturkosten aufgrund öffentlicher Leistungsaufträge nicht beliebig reduziert werden dürfen (bspw. Aufrechterhaltung eines Notfalldienstes), gehen viele Organisationen dazu über anfänglich die Kosten für Materialien und Dienstleistungen zu optimieren. Demzufolge hat die Bedeu4 Da es sich bei der dargelegten „Logik der Transformation des Gesundheitswesens“ um ein vereinfachtes mentales Modell der Realität handelt, stellt sich diese Frage in der Praxis nur bedingt. Administrativ-medizinische Veränderungsprojekte werden nicht notwendigerweise sequentiell durchgesetzt, sondern können auch parallel zueinander erfolgen. 4 Einleitung tung des Einkaufs5 im Krankenhausumfeld kontinuierlich zugenommen [vgl. z. B. Schulze, Harneit 1998; Drauschke 2002]. Mehrere Entwicklungen deuten zudem darauf hin, dass sich dies in Zukunft noch verstärken wird [vgl. auch Mettler, Rohner 2008, S. 88]: Steigender Sachkostenanteil an den Gesamtkosten: Die Ansprüche an die medizinische Leistungserbringung haben sich aufgrund verschiedenster Faktoren (z. B. zunehmende Mobilität der Bevölkerung, Wertewandel von der Pflicht- zur Selbstverwirklichungsgesellschaft, technologischer Fortschritt) stark verändert. „Medizin soll nicht nur Erkrankungen heilen, sondern zunehmend Gesundheit und Jugendlichkeit bis ins hohe Alter sichern“ [Klotz 2003, S. 29]. Die Aufrechterhaltung und Ausbau einer qualitativ hochstehenden und kosteneffizienten Behandlung erfordert eine ständige Erneuerung der Infrastruktur und Selektion der eingesetzten Materialien [vgl. z.B. Offermanns 2009]. Demzufolge ist der Sachkostenanteil in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen (vgl. Abbildung 2). Eine Berichtigung des Beschaffungsverhaltens und der damit zusammenhängenden Strukturen kann somit eine wesentliche Hebelwirkung auf das Betriebsergebnis eines Krankenhauses bewirken. 100% 80% 67.9% 66.9% 64.4% 63.2% 62.0% 32.1% 33.1% 35.6% 36.8% 38.0% 60% 40% 20% 0% 1996 Legende 2000 2005 Personalkosten 2006 2007 Sachkosten Abbildung 2: Entwicklung der Sach- und Personalkosten in Krankenhäusern6 5 Der Begriff „Einkauf“ bezieht sich auf eine Geschäftsfunktion, welche als Kernaufgabe die Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen zur Deckung der gemeldeten oder selbst ermittelten/erwarteten Bedarfe hat [vgl. Bichler et al. 2005, S. 50]. 6 Der Trend der Kostenentwicklung wurde auf Basis der Daten der Deutschen Gesundheitsberichterstattung errechnet [vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2009]. Es wird davon ausgegangen, dass sich in der Schweiz ein ähnlicher Verlauf abzeichnet. Einleitung 5 Globalisierung des Beschaffungsmarktes: Der kontinuierliche Wandel wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, welcher sich bspw. in einer steigenden Bedeutung von Global Sourcing niederschlägt [vgl. Stölzle, Heusler 2003, S. 170], ist auch im Gesundheitswesen zu spüren (z. B. im Generikamarkt). Gerade wegen der Entwicklung von lokalen resp. nationalen Märkten hin zu einem global agierenden Markt hat die Beschaffung deutlich an Komplexität gewonnen. Dadurch erhöht sich die Gefahr von Fehlinvestitionen und Versorgungsmängeln. Der Einkauf kann aufgrund seines Wissens und seiner Nähe zum Beschaffungsmarkt dafür sorgen, dass wichtige Trends frühzeitig erkannt und Risiken minimiert werden (z. B. durch Beobachtung der Standardisierungsvorhaben in der medizinischen Bildgebung, Monitoring epidemiologischer Entwicklungen, etc.). Konvergenz und Deregulierung: Heute unterliegt der „Markt für Gesundheit“ sowohl fachlich als auch wirtschaftlich einer einschneidenden Regulierung (z. B. Zulassung, Registrierung und Risikoüberwachung neuer Medikamente) und Reglementierung (z. B. Leistungsaufträge öffentlicher Krankenhäuser) des Staates. Dadurch werden der Handlungsfreiheit der einzelnen Akteure enge Grenzen gesetzt. Verschiedenste Anzeichen wie bspw. die fortschreitende Privatisierung von Krankenhäusern oder die anhaltende Debatte über die Zulassung von Parallelimporten weisen auf eine, wenn auch nur langsam fortschreitende, Deregulierung des Gesundheitswesens hin [vgl. Blersch 2007, S. 21]. Dadurch eröffnen sich für den Einkauf neue Chancen (z. B. Gründung von Einkaufskooperationen zur Bündelung der Nachfrage), aber auch neue Herausforderungen (z. B. Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die interorganisationale Zusammenarbeit). Um die dargestellten Entwicklungen bewältigen zu können, sind ein hoher Grad an Professionalität des Krankenhauseinkaufs und damit weitreichende strategische, organisatorische, technische und kulturelle Veränderungen notwendig. Dies motiviert die folgende Forschungsfrage: Forschungsfrage: Wie kann der Einkauf in Krankenhäusern zielgerichtet gestaltet werden? 6 Einleitung 1.3 Thematische Einordnung und disziplinäre Bezugspunkte Ausgangspunkt für die Entwicklung der vorliegenden Arbeit stellt das angewandte Forschungsprojekt „Health Network Engineering“ dar, welches Teil des Forschungsprogramms Business Engineering (BE) am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen ist und der langen Tradition der Kompetenzzentrenforschung folgt [vgl. Back et al. 2007, S. 94]. Das Projekt orientiert sich am Gedanken der „Vernetzungsfähigkeit“ – der zielgerichteten Entwicklung von Kooperationen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit [vgl. Fleisch 2001, S. 207]7 – und unterstützt auf Grundlage der methoden- und modellbasierten Konstruktionslehre die Organisationen des Gesundheitswesens in ihrer Transformation [vgl. Kompetenzzentrum Health Network Engineering 2009]. Dies erfordert sowohl konzeptionelle und gestaltungsorientierte Forschung als auch den regen Kontakt zu den Akteuren des Gesundheitswesens [vgl. Mantzana et al. 2007, S. 97]. Aus dem Geflecht der Beziehungen zwischen Individuen und Organisationen wurden auch die für diesen Kontext relevanten Themenkomplexe identifiziert (vgl. Abbildung 3). Die inhaltliche Themenstellung der hier vorliegenden Arbeit ist zum einen dem Supply Chain Management (SCM) zuzuordnen. Es knüpft somit an die betriebswirtschaftlich orientierten grundlegenden Arbeiten von ELLRAM, OLIVER, WEBBER, HARLAND et al. an, welche sich im Wesentlichen mit der strategischen und organisatorischen Vernetzung von Unternehmen beschäftigen [vgl. Ellram 1991; Oliver, Webber 1992; Harland et al. 1993]. Zum anderen spielen IT-Innovationen heute eine entscheidende Rolle, um die erkannten strategischen und organisatorischen Potenziale in neuen Geschäftslösungen zu realisieren [vgl. Österle, Winter 2003, S. 6]. E-Business, die integrierte Ausführung aller digitalisierbaren Bestandteile ökonomischer Prozesse [vgl. Thome 2002, S. 151], stellt demnach den zweiten Eckpfeiler dieser Arbeit dar. 7 In [Fleisch 2001] wird anstelle des Begriffs „Vernetzungsfähigkeit“ der Term „Netzwerkfähigkeit“ verwendet. Im Zuge der Forschungsaktivitäten des Kompetenzzentrums Health Network Engineering (CC HNE) hat sich jedoch gezeigt, dass unter dem Begriff „Netzwerkfähigkeit“ oftmals nur die rein technische Vernetzung verstanden wird. Vernetzungsfähigkeit, wie es in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, adressiert aber eine ganzheitliche Vernetzung, d. h. zusätzlich zur technischen Dimension werden auch strategische, organisatorische und kulturelle Aspekte berücksichtigt [vgl. Mettler, Rohner 2009a; 2009c]. Einleitung 7 Leistungserbringer H2H E-Health (H2C) Patienten / Kunden Bürger Supply Chain (H2B) E-Business (B2H) Unterstützer / Business Vernetzungsfähigkeit Kontext Gesundheitswesen E-Government (G2C) G2G E-Government (G2B) E-Business (B2G) Controller / Finanzierer Abbildung 3: Einordnung in die Themenlandkarte des Health Network Engineerings8 Im Hinblick auf die konzeptionelle Erarbeitung des Artefakts ergeben sich ebenfalls mehrere Bezugspunkte. Zum einen knüpft die vorliegende Arbeit für die Identifizierung und Darstellung der relevanten Gestaltungsobjekte des Krankenhauseinkaufs an die Methoden und Techniken der Ontologieforschung an [vgl. z. B. Smith, Welty 2001; Welty 2003; Hagengruber 2004]. Zum anderen dienen Ergebnisse aus dem Bereich der computergestützten Organisationsgestaltung [vgl. z. B. Prietula et al. 1998; Carley 2002; Kurpjuweit, Winter 2009] und -bewertung [vgl. z. B. Paulk et al. 1993a; Haase et al. 1994; Kuvaja 1999] als Ausgangsbasis für das hier entwickelte Artefakt. 1.4 Wissenschaftstheoretische Einordnung Die Diskussion um die Fundierung wissenschaftlicher Aussagen wird allgemein in der Erkenntnistheorie und speziell in der Wissenschaftstheorie geführt. In der Wirtschaftsinformatik (WI) haben wissenschaftstheoretische und forschungsmethodische Überlegungen in der Vergangenheit jedoch nur unzureichend Eingang in die Forschungspraxis gefunden [Becker et al. 2008, S. 6]. 8 Vgl. auch (http://ehealth.iwi.unisg.ch). 8 Einleitung Für eine stärkere Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Fragestellungen spricht gemäss FRANK nicht zuletzt der unablässige Legitimationsbedarf, der sich aus der starken Praxisorientierung der WI ergibt: „Praxisorientierung wird häufig so interpretiert, dass sich Wissenschaft singulärer praktischer Probleme annimmt und zu ihrer Lösung beiträgt [...]. Es bleibt allerdings die Frage, wie sich bei einer solchen Strategie eine überzeugende Abgrenzung zu außerwissenschaftlichen Beratungsangeboten realisieren lässt [...]“ [Frank 2001]. Ein weiterer Grund für die Explizierung der wissenschaftstheoretischen Prämissen resultiert daraus, dass die „Wissenschaftlichkeit“ einer Wissenschaftsdisziplin stets bei ihren Grundlagen endet. Ein gleiches Verständnis bezüglich der Wissensbasis (z. B. Kerntheorien, Artefakte) und die für die Forschungsgemeinschaft (Scientific Community) zulässigen methodologischen Prinzipien und Verfahren (z. B. Validierungskriterien) zur Wissensbildung kann nur durch Bekanntgabe der „Spielregeln“ entwickelt werden. Damit die Aussagen und Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nachvollziehbar und interpretierbar werden, erfolgt eine kurze Darstellung der wissenschaftstheoretischen Prämissen, ohne jedoch eine grundlegende Diskussion zu führen.9 1.4.1 Forschungsparadigmen in der Wirtschaftsinformatik Naturgemäss ist die Wahl einer wissenschaftstheoretischen Grundposition arbiträr und somit subjektiv gefärbt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass wissenschaftstheoretische Überlegungen wahllos von den spezifizierten Forschungszielen und -methoden erfolgen dürfen, da starke Interdependenzen zwischen den einzelnen Parametern bestehen [vgl. Becker et al. 2003, S. 5]. Gleichwohl schlagen mehrere Autoren zur vereinfachten Einordnung in den wissenschaftlichen Gesamtkontext die Zusammenfassung und Konzeptualisierung der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Grundhaltungen zu Paradigmen vor [vgl. Kuhn 1996; Burrell, Morgan 2003]. In der WI können zwei grundsätzliche Paradigmen identifiziert werden. Die wesentlichen Unterschiede, welche massgeblich auf den Überlegungen von FRANK et al., 9 Für eine umfassende Darstellung des wissenschaftstheoretischen Diskurses in der Wirtschaftsinformatik vgl. [Becker et al. 2003; Heinrich 2005; Lehner, Zelewski 2007]. Einleitung 9 BECKER et al. und WINTER basieren, sind schematisch in Tabelle 1 zusammengefasst [vgl. Frank et al. 1998; Becker et al. 2008; Winter 2009a].10 Erklärungsorientiertes Paradigma Gestaltungsorientiertes Paradigma Zielsetzung Beschreibung und Erklärung der Reali- Veränderung der Realität anhand von tät anhand von Theorien ( Wahrheits- Artefakten ( Nutzenfokus) fokus) Wahrnehmung von Realität Es existiert eine ontische Realität; diese ist für Wahrnehmung des Subjekts verantwortlich ( Realismus) Es existiert eine ontische Realität; diese ist an ein Subjekt gebunden, was zur Verzerrung der Erkenntnis führen kann ( Relativismus) Bewertung von Wissen Es besteht eine logische Trennung von Wissensproduktion und Wissensanwendung. Methodologische Prinzipien und Verfahren sollen die Güte des Wissens garantieren ( Positivismus) Eine logische Trennung zwischen Wissensproduktion und -anwendung ist nicht möglich, resp. nicht gewollt. Wenig methodische Strenge; Festigkeit der Argumentation bestimmt die Güte des Wissens ( Pragmatismus) Aufbau von Wissen Es wird davon ausgegangen, dass soziotechnische Zusammenhänge anhand von empirischen Daten erklärt werden können ( Reduktionismus) Daten bilden zwar die Grundlage für die Artefaktkonstruktion, jedoch lassen sich durch diese keine Rückschlüsse auf den Gesamtzusammenhang ableiten ( Emergenz) Ablauf der Wissensbildung Erhebung, Auswertung, Interpretation, Generalisierung ( Sequenz) Problemanalyse und -formulierung, Entwicklung resp. Adaption von Konzepten, Evaluation und Rekalibrierung, Synthese ( Iteration) Interaktion mit Forschungsgegenstand Handlungen, die den Forschungsgegenstand beeinflussen, sollten unterlassen werden ( Beobachter) Beeinflussungsmöglichkeiten für gezielte Veränderung des Feldes werden aktiv genutzt ( Teilnehmer) Tabelle 1: Merkmale erklärungsorientierter und gestaltungsorientierter Forschung Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist die Lösung eines klassischen Gestaltungsproblems: „Design [...] is concerned with how things ought to be, with devising artifacts to attain goals“ [Simon 1996, S. 114]. Aufgrund des Charakters der spezifizierten Forschungsfrage wird der Dissertation demnach ein gestaltungsorientiertes Paradigma (Design Science Research) zugrunde gelegt.11 Folglich unterscheiden sich der Er10 Es ist festzuhalten, dass die in Tabelle 1 dargestellten Merkmale nicht notwendigerweise typische Ausprägungen gestaltungs- bzw. erklärungsorientierter WI-Forschung darstellen müssen, resp. Mischformen durchaus möglich sind. 11 Im Folgenden wird „Design Science Research“ (DSR) synonym für gestaltungsorientierte (WI-)Forschung verwendet. 10 Einleitung kenntnisgegenstand und das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit massgeblich von der im angelsächsischen Sprachraum vorherrschenden erklärungsorientierten Forschung12 und kann wie folgt zusammengefasst werden: „The design-science paradigm [...] is fundamentally a problem-solving paradigm. It seeks to create innovations that define the ideas, practices, technical capabilities, and products through which the analysis, design, implementation, management, and use of information systems can be effectively and efficiently accomplished“ [Hevner et al. 2004, S. 76]. 1.4.2 Einordnung innerhalb des gewählten Forschungsparadigmas Zur Einordnung der Arbeit innerhalb der gestaltungsorientierten Forschungsgemeinschaft eignet sich der in Abbildung 4 dargestellte Bezugsrahmen von WINTER [vgl. Winter 2008, S. 472]. Design Science Research Bezeichnung Design Science Design Research Problemstellung Problemlösung Überlegungen zur Artefaktkonstruktion Konstrukt Modell Überlegungen zur Artefaktevaluation Methode Instanz Entwicklung neuer Artefakte Konstrukt Modell Adaption bestehender Artefakte Methode Instanz Abbildung 4: Bezugsrahmen zur Einordnung gestaltungsorientierter Forschung13 WINTER unterscheidet zunächst zwischen Design Science, das sich mit methodischen Fragestellungen der Artefaktkonstruktion und -evaluation auseinandersetzt und Design Research, das sich primär mit der Entwicklung von neuen oder der problemspezifischen Adaption von bestehenden Artefakten befasst [vgl. Winter 2008, S. 471]. Übergeordnete Zielsetzung dieser Dissertation ist es, ein für den Krankenhauseinkauf nützliches Instrumentarium zu entwickeln, welches eine zielgerichtete und kontextab- 12 Vgl. dazu die beiden Hauptpublikationsorgane der angelsächsischen Forschungsgemeinschaft MISQ (http://www.misq.org/) und ISR (http://isr.journal.informs.org/). 13 Übernommen und geringfügig adaptiert aus [Winter 2008]. Die Einordnung der vorliegenden Arbeit ist dabei fett hervorgehoben. Einleitung 11 hängige Gestaltung dieser Geschäftsfunktion unterstützt. Konkret verfolgt die Arbeit die folgenden Forschungsziele: 1. Identifikation der für den Kontext des Krankenhauseinkaufs relevanten Gestaltungsobjekte und -situationen, 2. Konzipierung eines multidimensionalen Modells zur Bewertung der Reife der identifizierten Gestaltungsobjekte und -situationen sowie 3. Konstruktion eines Softwareprototyps, welcher die notwendigen Funktionen bereitstellt, um die Reife des Gestaltungsbereichs zu erheben und zu analysieren. In Anbetracht der formulierten Zielsetzung ist die Dissertation dem Design Research zuzuordnen, da es die Entwicklung eines konkreten Artefaktes beabsichtigt. Nach MARCH und SMITH lassen sich dabei vier Ergebnistypen von Design Research unterscheiden [vgl. March, Smith 1995, S. 253]:14 Konstrukte stellen die Bausteine der Terminologie eines Gegenstandsbereichs dar [vgl. March, Smith 1995, S. 256]. Sie bilden somit die konzeptionelle Grundlage für die Beschreibung von Problemen und deren Lösungen, für die konsistente Konstruktion von Artefakten und für die Kommunikation über den Forschungsgegenstand [vgl. Reinshagen 2009, S. 9]. Modelle setzen die Konstrukte zum Zweck der Beschreibung und Erklärung der zu gestaltenden Domäne in Beziehung (problemorientierte Sicht). Dabei bestimmen Original, Abstraktionsgrad und Verwendungszweck den Gehalt eines Modells [vgl. Wüstneck 1963, S. 1514f.; Stachowiak 1973, S. 133]. Demzufolge ist der Modellbegriff relational zu verstehen, d.h. mehrere Erscheinungsformen und Anwendungsgebiete von Modellen sind denkbar (z. B. Ist-Modell Soll-Modell, Instanzmodell Metamodell, Strukturmodell Verhaltensmodell). Methoden charakterisieren eine weitere Form von Problemlösungen. Im Gegensatz zu Modellen, welche vorwiegend die Beschreibung effizienterer Zustände beabsichtigen, liefern Methoden eine genaue Skizzierung der Ablauffolge zur Lösung eines Problems (aktivitätenorientierte Sicht) [vgl. Winter et al. 2009, S. 9]. Nach GUTZWILLER bestehen Methoden deshalb aus einer Spezifikation von Entwurfsaktivitäten und ihrer Ergebnisse, einem Informationsmodell zur Konzeptualisierung 14 Mehrere Autoren betrachten (bessere) Theorien als weiteres wünschenswertes Ergebnis von DSR [vgl. Walls et al. 1992; Purao 2002; Venable 2006b; Gregor 2007, 2009]. 12 Einleitung der Entwurfsergebnisse, einem Rollenmodell zur Festlegung der Aufgabenträger sowie aus Techniken, welche als Anleitung für die Erstellung der spezifizierten Ergebnisse dienen [vgl. Gutzwiller 1994, S. 12f.]. Instanzen, d.h. Operationalisierungen von Konstrukten, Modellen und Methoden durch Software, stellen eine weitere Form von Problemlösungen dar. Nach MARCH und SMITH spielen diese für die Bewertung der Umsetzbarkeit und Nützlichkeit von Methoden und Modellen eine zentrale Rolle [vgl. March, Smith 1995, S. 258]. VAISHNAVI und KUECHLER sehen Instanzen sogar als primär anzustrebende Form der Problemlösung: „We emphasize this further by referring to the aeronautical engineering example [...]: aircraft ew decades before a full understanding of how such ight was accomplished. And, it is unlikely the understanding would ever have occurred in the absence of the working artifacts“ [Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 13]. Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Artefakt besteht aus drei Komponenten: 1. Modell: Kernbeitrag der vorliegenden Arbeit bildet das Reifegradmodell zur Unterstützung der zielgerichteten Gestaltung des Krankenhauseinkaufs. 2. Konstrukte: Als Grundlage für die konsistente Modellentwicklung wird eine Domänenontologie spezifiziert, welche die wesentlichen Konstrukte zur Bewertung der Reife des Gestaltungsbereiches beinhaltet. 3. Instanz: Als Transfermittel für die Praxis wird ein Softwareprototyp entwickelt, der den Anwendern als Grundlage zur Erhebung und Analyse der für die Reifebewertung benötigten Informationen dient. 1.5 Forschungsmethodik Effektives Entschlüsseln einer gestaltungsorientierten Problemstellung bedeutet den Suchraum möglicher Lösungen systematisch auf wenige Alternativen einzuschränken: „[...] to make design practical [...] strategies [are needed] that radically shrink the search space“ [Chandrasekaran 1990, S. 60]. Um den Suchraum möglichst effizient einzugrenzen, werden in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit der Konstruktion und Evaluation von Artefak- Einleitung 13 ten beschäftigen (Sciences of the Artificial) häufig die in Abschnitt 1.5.1 beschriebenen Prinzipien angewendet.15 1.5.1 Prinzipien gestaltungsorientierter Forschung Festlegung des Wirkungsbereichs Im Gegensatz zum erklärungsorientierten Forschungsparadigma, welches primär die Erklärung und Prognose möglicher Wirklichkeiten zum Ziel hat, wird mit der Lösung eines Designproblems (gestaltungsorientiertes Forschungsparadigma) eine Veränderung in der Wirklichkeit beabsichtigt [vgl. Wieringa 2009, S. 1]. Dabei steht nicht primär die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen im Mittelpunkt, sondern vielmehr der durch die Artefaktkonstruktion für die Praxis zu schaffende Nutzen [vgl. Hevner et al. 2004, S. 80]. Dieser ist stets an einen oder mehreren Stakeholder gebunden. Demzufolge gilt es diese zu identifizieren, um die möglichen Wirkungen des Artefakts abschätzen zu können. In Anlehnung an MCKAY und MARSHALL lassen sich die in Tabelle 2 dargestellten Wirkungsebenen ableiten [vgl. McKay, Marshall 2005, S. 8]. Ebene Wirkung Element / Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten eines einzelnen Elementes (z. B. Applikationskomponente) bzw. Individuums (z. B. Manager). Individuum Arbeitsgruppe Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten einer Arbeitsgruppe bzw. Organisationseinheit einer Organisation. Organisation Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten der gesamten Organisation. Versorgungskette Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten der Wertekette einer Organisation. Gesellschaft Artefakt hat einen Einfluss auf die Gesellschaft. Tabelle 2: Wirkungsebenen der Artefaktkonstruktion Formalisierung der Zielfunktion Um diesen Nutzen messbar zu machen, werden vorweg sowohl Anforderungen (functions), welche explizit durch die Stakeholder und/oder implizit durch die Domäne vorgegeben werden, als auch Restriktionen (constraints), welche das Artefakt und/oder 15 Vgl. auch „The Logic of Search“ in [Simon 1996, S. 122 f.]. 14 Einleitung den Problemlösungsprozess einschränken, definiert [vgl. Chandrasekaran 1989; 1990]. Der Nutzen (utility) eines Artefakts ergibt sich durch dessen Gegenüberstellung mit den spezifizierten Anforderungen und Restriktionen. In Anlehnung an JÄRVINEN lassen sich dabei, wie in Abbildung 5 dargestellt, drei Ebenen unterscheiden [vgl. Järvinen 2007, S. 1394]. Artefaktkonstruktion löst das Problem Ungelöstes Problem Artefaktkonstruktion ist gescheitert Positiver Nutzen Indifferenter Nutzen Negativer Nutzen Artefaktkonstruktion löst das Problem besser als bestehende Artefakte Artefaktkonstruktion löst das Problem gleich gut wie bestehende Artefakte Bereits gelöstes Problem Artefaktkonstruktion löst das Problem schlechter als bestehende Artefakte Abbildung 5: Nutzen aus gestaltungsorientierten Forschungsvorhaben Dekomposition des Problems Designprobleme sind je nach Anzahl der zu berücksichtigenden Anforderungen und Restriktionen (sowie ihrer Beziehungen) entweder einfache, komplizierte oder komplexe Probleme [vgl. Gomez, Probst 1999, S. 14 f.]. Um die allgemeine Komplexität des Designproblems zu reduzieren, schlagen mehrere Autoren die Dekomposition der ursprünglichen Problemstellung in mehrere kleinere, lösbare Probleme vor [Kusiak, Wang 1993; Altus et al. 1996; Levchuk et al. 2002; Wieringa 2009]. Allerdings ist zu beachten, dass bei vielschichtigen Designproblemen auf Basis der Einzellösungen nur sehr bedingt Schlussfolgerungen für die Gesamtlösung realisierbar sind. KELLY hebt dies gerade für sozio-technische Problemstellungen besonders hervor: „[...] a universal law of vivisystems: higher-level complexities cannot be inferred by lower-level existences“ [Kelly 1994, S. 13]. Demzufolge muss, zusätzlich zu den einzelnen Lösungskomponenten, immer auch das Gesamtergebnis evaluiert werden. Dekomposition des Problemlösungsprozesses Eine andere Art der Dekomposition ist nach SIMON die Aufschlüsselung des Problemlösungsprozesses in Teilaktivitäten [vgl. Simon 1996, S. 128 f.]. Nach GERICKE lassen sich, wie in Abbildung 6 dargestellt, die folgenden Schritte unterscheiden [vgl. Gericke 2008, S. 4]. Einleitung 15 Problemanalyse und -formulierung Lösungssuche bzw. Entwicklung von Lösungskonzepten Bewertung der Lösungskonzepte Konkretisierung eines oder mehrerer Lösungskonzepte Evaluierung der Lösungskonzepte Detaillierte Ausarbeitung der Lösung Abbildung 6: Generische Schritte eines Problemlösungsprozesses In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Schritte nicht sequentiell, sondern vielmehr iterativ angegangen werden [vgl. Pahl et al. 2007, S. 21]. Eine iterative Vorgehensweise birgt jedoch die Gefahr, dass der Problemlösungsprozess endlos weitergeführt wird, ohne je ein finales Ergebnis zu erzeugen. SIMON schlägt deshalb vor, die Artefaktkonstruktion als lineares Entwicklungsprojekt zu betrachten [vgl. Simon 1996, S. 116 f.]. Hierfür sind zu Beginn des Vorhabens klare Kriterien zu formulieren, wann der Problemlösungsprozess beendet werden kann (z. B. durch Definition einer Abbruchsklausel). Diese Kriterien sollten so formuliert sein, dass der erwartete Nutzen der Zielfunktion maximal ist, d. h. der Aufwand für eine weitere Optimierung der Zielfunktion würde den daraus resultierenden Nutzen übersteigen [vgl. auch Wortmann 2006, S. 213 f.]. Wiederverwendung von bestehendem Wissen Bei einem gestaltungsorientierten Vorgehen werden sowohl die Erkenntnisgewinnung (oftmals Grundlage für weitere Schritte), als auch die Entwicklung eines Artefakts (das eigentliche Ziel) in einem Forschungsprozess zusammengeführt. Um die Lösung des Problems möglichst effizient zu halten, gilt es auf bestehendem praktischen (z. B. existierende Methoden, Modelle, Theorien) und methodischen Wissen (z. B. Metriken, Validierungskriterien, Datenanalyseverfahren) aufzubauen [vgl. Hevner et al. 2004, S. 80]. Damit es sich aber um Forschung und nicht um ein rein angewendetes Problemlösen handelt, muss die Lösung wiederum einen Beitrag zur bestehenden Wissensbasis darstellen [vgl. Hevner et al. 2004, S. 87]. 16 Einleitung 1.5.2 Anwendung auf das Forschungsvorhaben Durch die Anwendung der in Abschnitt 1.5.1 beschriebenen Prinzipien wird das Forschungsvorhaben wie folgt konkretisiert: Beitrag zur Wissensbasis Die Arbeit adressiert gleichermassen Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, die sich mit der zielgerichteten Organisationsgestaltung im Allgemeinen und der Professionalisierung des Krankenhauseinkaufs im Speziellen auseinandersetzen. Im Hinblick auf die Erweiterung der Wissensbasis liefert die Dissertation sowohl Erkenntnisse praktischer als auch methodisch-reflektiver Natur. Das Artefakt, bestehend aus einer Domänenontologie für die Beschaffung in Krankenhäusern, einem Reifegradmodell zur Beurteilung und zielgerichteten Gestaltung der Domäne und einem Softwareprototypen zur Erhebung und Analyse der entsprechenden Informationen liefert einen praktischen Erkenntniswert. Die Diskussion einer systematischen Vorgehensweise in der Konstruktion und Evaluation situativer Reifegradmodelle stellt dagegen den Schwerpunkt des methodisch-reflektiven Beitrags dieser Arbeit dar. Zielfunktion und Wirkungsbereich der Arbeit Heute existieren zahlreiche Ansätze, die sich mit der Veränderung und Gestaltung von Werteketten, Organisationen, Arbeitsgruppen und Individuen beschäftigen [vgl. Carley 2002; Galbraith 2002; Burton et al. 2006; Gray et al. 2007; Jones 2007], jedoch sind diese oftmals abstrakt und bieten dem betroffenen Anwender nur begrenzt kontextspezifische Gestaltungsempfehlungen. Zur Unterstützung der zielgerichteten Gestaltung eines konkreten Gestaltungsbereichs werden Reifegradmodelle konzipiert. Der Vergleich existierender Reifegradmodelle hat gezeigt, dass für den gewählten Gestaltungsbereich und -kontext noch keine ausreichende Unterstützung vorhanden ist.16 Ein Artefakt für ein bisher ungelöstes Problem zu entwickeln ist demzufolge die Zielsetzung dieser Arbeit. Der Wirkungsbereich konzentriert sich in erster Linie auf die Bedürfnisse der Einkaufsverantwortlichen resp. der entsprechenden Organisationseinheit im Krankenhaus. Mit der Entwicklung des Artefakts werden die in Tabelle 3 dargelegten Gestaltungsziele verfolgt. 16 Vgl. Kapitel 5. Einleitung 17 Lösungskomponente Gestaltungsziel Erläuterung Konzeption des Reifegradmodells Relevanz Die Modellbasis beinhaltet die für die Reifebewertung des Gestaltungsbereiches erforderlichen Inhalte. (Konstrukte/Modell) Zuverlässigkeit Die Modellbasis liefert glaubwürdige Aussagen in Bezug auf die Reife des Gestaltungsbereiches. Konsistenz Die Struktur der Modellbasis weist einen logischen Zusammenhang auf. Verständlichkeit Die Inhalte sind anschaulich dargelegt und werden den potentiellen Anwendern gerecht. Vollständigkeit Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich erschöpfend. Nachhaltigkeit Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich auf tiefgreifende Weise. Aktualität Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich auf zeitgemässe Weise. Umsetzung des Reifegradmodells Zweckmässigkeit Der Prototyp beinhaltet sämtliche Funktionen, die zur Erhebung und Analyse der benötigten Daten sinnvoll sind. (Instanz) Stabilität Der Prototyp ist solide genug, um in der Realwelt eingesetzt zu werden. Anwendbarkeit Der Einsatz des Prototyps erfordert geringe systemtechnische Anforderungen. Einfachheit der Der Prototyp ist einfach und intuitiv zu bedienen Bedienung und benötigt keine lange Anlernphase. Übersichtlichkeit Die Benutzerführung des Prototyps ist anschaulich gestaltet. Verständlichkeit Das Erhebungsformular und die generierten Auswertungen sind für die potenziellen Anwender leicht verständlich. Tabelle 3: Gestaltungsziele der Arbeit17 Dekomposition der Problemstellung und des Problemlösungsprozesses Im Gegensatz zu erklärungsorientierten Forschungsvorhaben, welche sich meist auf die Anwendung einer spezifischen Forschungsmethode konzentrieren, wird in gestal17 Als Grundlage für die Herleitung der Kriterien dienen die Arbeiten von [DeLone, McLean 1992, 2003; Hevner et al. 2004, S. 85]. 18 Einleitung tungsorientierten Arbeiten der Methodenpluralismus bevorzugt [vgl. auch Wilde, Hess 2007, S. 282]. Dabei können Methoden zur Problemanalyse, Lösungssuche, Konstruktion, Evaluation und Kommunikation von Artefakten unterschieden werden [vgl. Vaishnavi, Kuechler 2008].18 Zur vereinfachten Ableitung eines der Problemstellung angepassten Methodeneinsatzes haben mehrere Autoren das Vorgehen gestaltungsorientierter Forschungsvorhaben systematisiert [vgl. z. B. Takeda et al. 1990; Nunamaker et al. 1991; March, Smith 1995; Rossi, Sein 2003; Peffers et al. 2008; Offermann et al. 2009]. Grundlage für die Entwicklung des Artefakts bildet das in Abbildung 50 dargestellte Vorgehensmodell von HEVNER et al., welches in Bezug auf die definierte Forschungsfrage adaptiert wurde [vgl. Hevner et al. 2004]. Mensch Orga Organisation nisation Technologie Wahrheit Design Research Zyklus Konstruktion • Konstrukte •Reifegradmodell • Instanz Anwendba res Wissen Umfeld Umfeld Anforderungen Relevanz Wissensbasis Grundlagen Evaluation • Ingenieurmä ssig • Nutzerbezogen • Ökonomisch • Epistemologisch Anwendung im Umfeld Methodologien Beitra g zur Wissensba sis Abbildung 7: Vorgehensmodell für die Reifegradmodellentwicklung19 Der Forschungsprozess gliedert sich in die zwei stark von einander abhängigen Phasen Konstruktion und Evaluation. In der Konstruktionsphase werden die Problemstellung identifiziert und die Anforderungen an die zu entwickelnde Lösung aus dem Gegenstandsbereich der Forschung abgeleitet. Dies bildet die Grundlage für die eigentliche Konstruktion des Artefakts, d.h. die Spezifizierung der relevanten Konstrukte, die Entwicklung des Reifegradmodells und die prototypische Umsetzung. Dabei wird, 18 VAISHNAVI und KUECHLER verwenden anstelle des Begriffs „Forschungsmethoden“ den Term „Design Patterns“ [vgl. Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 57 f.]. 19 Übernommen und adaptiert aus [Hevner et al. 2004, S. 80]. Einleitung 19 wenn immer möglich, auf bestehendes anwendbares Wissen wie Methoden und Theorien zurückgegriffen. Um die Nützlichkeit, Reliabilität und Validität zu demonstrieren, wird in der Evaluationsphase das Artefakt auf seine Tauglichkeit zur Lösung des Problems getestet. Hierzu wird in der vorliegenden Arbeit ein multiperspektivischer Ansatz verwendet, der die entwickelte Lösung in Bezug auf ingenieurmässige, nutzerbezogene, ökonomische und epistemologische Aspekte beurteilt. Es ist wichtig hervorzuheben, dass Konstruktion und Evaluation oftmals nicht strikt von einander getrennt werden können (z. B. führen Ergebnisse einer Evaluation zu weiteren Verfeinerungen des Reifegradmodells oder die Entwicklung eines Prototyps zu neuen Möglichkeiten der Evaluation). Die Problemlösung erfolgt daher iterativ. Dabei sollen die folgenden Teilfragestellungen beantwortet werden (vgl. Tabelle 4): zu lösende Teilfragestellung Forschungstechnik Was sind die aktuellen Herausforderungen des Krankenhauseinkaufs? Literaturanalyse Was für formelle und materielle Anforderungen ergeben sich daraus an ein Reifegradmodell? Fallstudien Was für Reifegradmodelle gibt es für den gewählten Gestaltungsbereich? Literaturanalyse Wie gut erfüllen diese die spezifizierten Anforderungen? Was sind die relevanten Gestaltungsdimensionen, -ebenen, -objekte und -situationen? Argumentativdeduktive Analyse Argumentativdeduktive Analyse Literaturanalyse Konzeptionelldeduktive Analyse Fokusgruppen Wie können die dafür notwendigen Daten erhoben werden? Quantitative Querschnittsanalyse Wie können die erhobenen Daten analysiert werden? Prototyping Wie kann eine situative Beurteilung gewährleistet werden? Wie können die spezifizierten Techniken umgesetzt werden? Wie gut werden die spezifizierten Anforderungen erfüllt? Wie nützlich ist das Reifegradmodell für die Anwender? Argumentativdeduktive Analyse Umfrage Statistische Analyse Was ist der wesentliche Beitrag zur Wissensbasis? Was ist der weitere Forschungsbedarf? Tabelle 4: Forschungstechniken der Arbeit Argumentativdeduktive Analyse 20 Einleitung 1.6 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich in neun Kapitel, wobei die Kapitelstruktur im Wesentlichen die Phasen des aufgezeigten Forschungsprozesses reflektiert und in theoriebasierte und praxisorientierte Abschnitte unterteilt werden kann (vgl. Abbildung 8). Dies dient gleichzeitig als Leseanleitung für die zugedachten Adressaten: Dem wissenschaftlich interessierten Leser wird angeraten, die nachfolgenden Kapitel 2, 5 und 6 vollständig zu lesen. Praktiker, welche sich vorwiegend für die Ergebnisse dieser Arbeit interessieren, können diese Kapitel partiell überspringen und sollten den Fokus auf die Kapitel 3, 4, und 7 legen.20 Die letzten beiden Kapitel 8 und 9 beinhalten sowohl theoretische als auch praktische Erkenntnisse und sollten von beiden Lesergruppen berücksichtigt werden. Im Anschluss an diese Einleitung, die u. a. die Ausgangslage, Forschungsfragen, Forschungsmethodik sowie die thematische und wissenschaftstheoretische Einordnung diskutiert, werden in Kapitel 2 die für die Arbeit relevanten begrifflichen und theoretischen Grundlagen dargestellt und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise abgeleitet. In Kapitel 3 werden die für die Artefaktkonstruktion relevanten Konzepte vorgestellt und die Ausprägung einer möglichen Problemlösung zu einem Entwurfsmuster zusammengefasst. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit der eigentlichen Konstruktion des Artefakts. Zu diesem Zweck werden in Kapitel 4 anhand der gängigen Literatur, Praxisberichte und Fallstudien der aktuelle Stand des gewählten Gestaltungsbereichs diskutiert und darauf basierend die wesentlichen Anforderungen an die Artefaktkonstruktion abgeleitet. In Kapitel 5 werden auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche bestehende Ansätze identifiziert, themenverwandte Modelle näher diskutiert und hinsichtlich der zuvor abgeleiteten Anforderungen bewertet. Im Anschluss darauf erfolgt in Kapitel 6 die methodische Grundlegung für die Entwicklung des Reifegradmodells. Dabei werden zunächst die wesentlichen Modellelemente und -eigenschaften beschrieben und danach das Konstruktionsvorgehen abgeleitet. Die Konzeption und Operationalisierung des Reifegradmodells ist Gegenstand des Kapitels 7 und stellt somit den Mittelpunkt dieser Arbeit dar. Kapitel 8 ist der Evaluation des entwickelten Reifegradmodells gewidmet. Dies erfolgt aus einer ingenieursmässigen, nutzerbezogenen, ökonomischen und epistemologischen 20 Für eine schnelle Orientierung können die prägnanten Ergebniszusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels herangezogen werden. Einleitung 21 Perspektive. Die Arbeit schliesst mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf. Praxisfokus Ausgangslage Forschungsfra ge Thematische Einordnung Wiss. Einordnung Forschungsmethoden Aufbau der Arbeit Referenzmodellierung & Referenzmodelle Evaluation Kapitel 8 Evaluation Kapitel 9 Schluss Kapitel 3 Konzepte Gestaltung Reifegradmodelle Ontologien Gestaltungsbereiche Beschaffung in Kra nkenhäusern Diskussion best. Reifegradmodelle Beurteilung der Reifegradmodelle Beschreibung der Modellelemente Beschreibung der Modelleigenschaften Beschreibung des Konstruktionsvorgehens Grundlagen der Evalua tion Epistemologische Bewertung Generalisierung Kapitel 4 Status Quo Wandel Empirische Untersuchungen Fallstudien Kapitel 7 Modellentwicklung Kapitel 6 Grundlegung Kapitel 5 Modellvergleich Kapitel 2 Begriffe Organisation Synthese Konstruktion Grundlagen Kapitel 1 Einleitung Theoriefokus Ingenieurmässige Bewertung Kritische Würdigung Abbildung 8: Aufbau der Arbeit Definition der Modellinha lte Operationa lisierung der Modellinha lte Definition der Reife- und Fä higkeitsgrade Nutzerbezogene Bewertung Ökonomische Bewertung Ausblick Begriffliche und theoretische Grundlagen 23 2 Begriffliche und theoretische Grundlagen Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und Abgrenzung der zentralen Begriffe für die vorliegende Arbeit. Das Gestalten im Kontext einer Organisation erfordert nach DUNPHY zuerst die Klärung des Organisationsbegriffs [vgl. Dunphy 1996, S. 543]. Ferner braucht es Überlegungen im Hinblick auf den Prozess der Veränderung sowie eine idealisierte Vorstellung der Ziele und Arbeitsweisen, die Organisationen mit einer Umgestaltung verbinden. Schliesslich muss auch die Rolle des Gestalters geklärt werden. Hierfür wird zunächst der Organisationsbegriff konkretisiert (Abschnitt 2.1). Aufbauend auf dieser Definition werden Gestaltungsprinzipien sowohl mechanistischer als auch organischer Organisationen untersucht (Abschnitt 2.2). Danach wird der Begriff „Wandel“ als prozedurale Sicht des Gestaltens eingeführt (Abschnitt 2.3) und in Bezug zur Wahrnehmung des Gestalters gesetzt (Abschnitt 2.4). Zum Schluss werden die Erkenntnisse zusammengefasst und daraus Konsequenzen für das zu erarbeitende Artefakt formuliert (Abschnitt 2.5). 2.1 Organisationsbegriff Um dem Begriff „Organisation“ in seiner Vielschichtigkeit gerecht zu werden, wurden in der Vergangenheit (und auch heute noch) auf dem Gebiet der angelsächsischen Organisationstheorie und der deutschsprachigen Organisationslehre zahlreiche Ansätze entwickelt, um dieses Phänomen besser zu beschreiben und zu erklären [vgl. z. B. Grochla 1978; Pfeffer 1982; Gmür 1993; Hatch 1997; Jaffee 2001; Kieser 2002; Bühner 2004b]. Für die vorliegende Arbeit soll das Begriffsverständnis von ALDRICH unterstellt werden, der Organisationen als „[...] goal-directed, boundary-maintaining, activity systems“ versteht [vgl. Aldrich 1979, S. 4]. Demzufolge gelten folgende Annahmen: Organisationen sind zweckbestimmte Systeme. Für Aussenstehende wirken die Handlungen der Mitglieder der Organisation, als ob die Organisation selbst Ziele verfolgt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Organisation tatsächlich über klare Zielvorstellungen verfügt, sondern lediglich, dass die Handlungen der Mitglieder auf einen gemeinschaftlichen Zweck ausgerichtet sind [vgl. Parsons, Smelser 1956, 24 Begriffliche und theoretische Grundlagen S. 41]. Organisationen sind deshalb die Ergebnisse zielgerichteter Anstrengungen einzelner Individuen [vgl. Barnard 1982, S. 8]. Organisationen sind abgrenzbare Systeme. Dies impliziert, dass unterschiedliche Arten von Grenzen (bspw. vertraglich oder kulturell) existieren, welche eine eindeutige Differenzierung von der externen Umwelt erlauben. Auch intern bestehen mehrere unterscheidbare Subsysteme (bspw. strategische oder technologische Ordnungsprinzipien), die aufgrund der gemeinschaftlichen Zweckerfüllung aufeinander abgestimmt werden müssen [vgl. Kast, Rosenzweig 1973, S. 36]. Allerdings schliesst eine Trennung in externe und interne Umwelt eine gegenseitige Beeinflussung nicht aus. Organisationen sind aktivitäten-orientierte Systeme. Routinisierte Handlungen und Praktiken bestimmen im Wesentlichen das zweckbestimmte Zusammenarbeiten innerhalb und zwischen Organisationen. Ergebnis der Anwendung einer oder mehrerer Aktivitäten sind Leistungen, die einen bestimmten internen oder externen Bedarf decken. Der Einsatz von IT kann in ausgewählten Situationen diese Leistungserstellung unterstützen und dabei einen einschneidenden Einfluss auf die Produktivität bewirken [vgl. Brynjolfsson, Hitt 1998; 2003]. Nach ALTER besteht der Kern eines Aktivitätensystems21 deswegen aus Personen (participants), Praktiken (work practices) und IT (information & technology) [vgl. Alter 2006, S. 12]. Organisationen werden demzufolge als Gesamtheit zusammengehöriger und aufeinander abgestimmter Aktivitätensysteme gesehen. 2.2 Organisation und Gestaltung Organisationen sind vielfach Kontext und/oder Gegenstand der Gestaltung. In der Literatur finden sich unter dem Begriff Veränderungsmanagement (Change Management) zahlreiche Ansätze, die sich mit der Gestaltung und Veränderung von Organisationen beschäftigen. Dabei lassen sich zwei Gruppierungen unterscheiden [vgl. Inversini 2005, S. 2 f.]: Transformationsmanagement-Ansätze: Hierunter fallen eher technologischbetriebswirtschaftlich orientierte Ansätze, die Organisationen als komplexe Maschinen verstehen und eine gezielte Steigerung der Wirtschaftlichkeit verfolgen [vgl. z. B. Hammer, Champy 1993; Österle 1995; Dutta 1999]. Grundlage dieser Ansätze ist i. d. R. ein rationales, mechanistisches Organisationsverständnis [vgl. 21 ALTER verwendet hierfür den Begriff „work system“ [vgl. Alter 2006]. Begriffliche und theoretische Grundlagen 25 Morgan 2006, S. 15 f.]. Dieses stellt den Manager in den Vordergrund und wie er die Organisation auf Basis marktwirtschaftlicher Überlegungen steuert und ausrichtet. Dabei wird unterstellt, dass die Zielsetzungen der Manager kongruent mit denen der Organisation sind und dass der Zielsetzungsprozess rational abläuft [vgl. Simon 1997, S. 4]. Von den Mitarbeitenden wird erwartet, dass sie die von den Managern festgesetzten Ziele befolgen (eigene Ziele werden als Störfaktoren betrachtet). Der finanzielle Ausgleich (z. B. Bezahlung von Löhnen) stellt sicher, dass die Interessen der Manager und letztlich der Organisation gewahrt werden. Zu den bekanntesten Ansätzen, welche diesem Verständnis folgen, gehören bspw. das Scientific Management [vgl. Taylor 1911] oder der Ansatz zur allgemeinen und industriellen Verwaltung [vgl. Fayol 1929]. Ansätze der Organisationsentwicklung: Hierunter fallen die eher sozialwissenschaftlich fundierten Ansätze, die Organisationen als sozio-kulturelle Organismen betrachten und eine Erhöhung der Lernorientierung, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit beabsichtigen [vgl. z. B. French, Bell 1994; Bullinger 1996; Graf-Götz, Glatz 2001]. Grundlage hierfür ist i. d. R. ein situatives, systemisches Organisationsverständnis [vgl. Morgan 2006, S. 33 f.], das organisationale Veränderungen sowohl auf das Ergebnis menschlichen Handelns als auch auf externe Umweltbedingungen zurückführt. Allerdings nimmt man Abstand vom Gedanken des rein rationalen Zielbildungsprozesses und der hierarchischen Mechanismen zur Zielverfolgung [vgl. Benson 1977, S. 3]. Demgegenüber wird unterstellt, dass die Mitarbeitenden sich um die Einbringung ihrer eigenen Interessen bemühen, diese aber je nach Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen des Handelns und dementsprechend zu einem unterschiedlichen Erfolg der Veränderungsmassnahmen führt [vgl. Tsoukas 1996, S. 22]. Beispiele für dieses Verständnis sind der Ansatz der situativen Relativierung [vgl. Lawrence, Lorsch 1967], die Kontingenztheorie [vgl. Kast, Rosenzweig 1973] oder die evolutionäre Ökonomie [vgl. Boulding 1981]. Diese extremen Positionen sind rein theoretischer Natur und in der Praxis deshalb eher selten zu beobachten [vgl. Kelly 1994, S. 21]. Dessen ungeachtet wird in Tabelle 5 zur vereinfachten Darstellung des Zusammenhangs zwischen Organisationsverständnis und Gestaltungsfokus an diese Antagonismen angelehnt und auf Grundlage der gängigen Literatur eine Erweiterung vorgenommen [vgl. Utterback 1994, S. 84 f.; Beer, Nohria 2000, S. 137 f.; Burns, Stalker 2001, S. 96 f.; Morgan 2006, S. 44 f.]. 26 Begriffliche und theoretische Grundlagen Maschine Organismus Ziele des Gestaltens Wirtschaftlichkeit (Survival of the fittest) Anpassungsfähigkeit (Survival of the fitting) Kontext des Gestaltens Vorhersagbares, stabiles Umfeld Chaotisches, instabiles Umfeld Annahmen bzgl. Gestalter Rational, kongruent mit Organisation Eigennützig, situativ handelnd Konzeptionelle Grundlagen des Gestaltens Technologischbetriebswirtschaftlich orientierte Ansätze, Fokus auf harte Faktoren (Struktur, Prozesse) Sozio-kulturell orientierte Ansätze, Fokus auf weiche Faktoren (Soziale Beziehungen, Überzeugungen) Prinzipien des Gestaltens von Anreizen Zufriedenheit durch Ausgleich von Interessen, vorwiegend monetäre Anreize Zufriedenheit durch Erhöhung der Motivation, Kombination aus monetären und nichtmonetären Anreizen Prinzipien des Gestaltens von Strukturen Zentralisierung, Fokus auf Hierarchien Dezentralität, Fokus auf Teambildung Prinzipien des Gestaltens von Prozessen Effiziente Abläufe, Fokus auf Kontrolle und Steuerbarkeit Flexible Abläufe, Fokus auf Reaktionsfähigkeit Prinzipien des Gestaltens von Kulturen Rollenverteilung aufgrund von Seniorität, befohlener Gehorsam Autorität durch Fachkompetenz, formlose Loyalität Prinzipien des Gestaltens von Technologien Enge Kopplung der Komponenten, Fokus auf Verfügbarkeit Lose Kopplung der Komponenten, Fokus auf Agilität Tabelle 5: Verhältnis zwischen Organisation und Gestaltung 2.3 Organisationaler Wandel Nebst dem Begriff der Organisation gilt es auch zu klären, wie deren Prozess der Umwandlung des Anfangs- zu einem gewünschten Endzustand zu verstehen ist [vgl. Van de Ven, Poole 1995, S. 512]. Ein Begriff, der häufig damit in Verbindung gebracht wird, ist „Wandel“ oder „Transformation“ [vgl. Baumöl 2008, S. 69]. Wandelprozesse werden von den Mitgliedern einer Organisation unterschiedlich wahrgenommen und Begriffliche und theoretische Grundlagen 27 sind demnach subjektiv geprägt. ROBBINS unterscheidet zwei abweichende theoretische Grundpositionen [vgl. Robbins 1994, S. 266]: Calm Waters Metaphor: Wandel wird als erforderlicher Prozess zur Stabilisierung eines Ungleichgewichts gesehen: „[...] relatively long periods of stability [are] punctuated by compact periods of qualitative, metamorphic change“ [Gersick 1991, S. 12]. Wesentlich zur Verbreitung dieses Verständnisses hat das Modell sozialer Veränderungen beigetragen, das organisationalen Wandel als eine Abfolge der drei Phasen Auftauen (unfreeze), Verändern (move) und Stabilisieren (freeze) charakterisierte [vgl. Lewin 1952]. Auslöser für das Auftauen einer Organisation sind hiernach interne oder externe Veränderungen (bspw. neue Wettbewerbsbedingungen, soziale Trends, Technologiesprünge, Mitarbeiterwechsel), die ein Ungleichgewicht der Organisation erwirken [vgl. Robbins 1994, S. 261]. Um diesem Ungleichgewicht entgegen zu wirken, werden episodisch radikale Veränderungsmassnahmen ergriffen [vgl. McAdam 2003, S. 226]. Nach der erfolgreichen Umsetzung der Veränderungsmassnahmen wird der Status quo wieder zu einem Gleichgewicht stabilisiert. White-water Rapids Metaphor: Wandel wird hier als kontinuierlicher Prozess verstanden: „[...] transformation is seen here to be an ongoing improvisation enacted by organizational actors trying to make sense of and act coherently in the world“ [Orlikowski 1996, S. 65]. Ungleich zum ersten Begriffsverständnis existiert bei dieser Sichtweise keine Gleichgewichtssituation, sondern kohärente oder weniger kohärente Zustände einer Organisation [vgl. Lindberg, Berger 1997, S. 86]. Inkrementelle Veränderungen in Bezug auf die Strukturen, Prozesse, Kultur und Technologie werden für das Sicherstellen des Überlebens der Organisation sowie für die Minimierung von Unsicherheiten als notwendig empfunden [vgl. Alchian 1950, S. 219; Brown, Duguid 1991, S. 52]. 2.4 Wandel und Gestaltung Nach DUNPHY sind die dargestellten theoretischen Grundpositionen in Bezug auf den Wandel „value driven, often self-serving, grounded in social movements and driven by social forces“ [Dunphy 1996, S. 542]. Demzufolge lassen sich nützliche Gestaltungsempfehlungen nur entwickeln, wenn die Wahrnehmung des Gestalters hinsichtlich der Wandelprozesse mitberücksichtigt wird. Mit Blick auf die oben dargelegten theoretischen Auffassungen lassen sich zwei grundlegende Ansätze des Gestaltens differenzieren [vgl. Nelson, Winter 1982, S. 10]: 28 Begriffliche und theoretische Grundlagen Evolutionäre Ansätze: Ziel ist es, durch Adaption und Mutation von primär weichen Faktoren (z. B. Überzeugungen der Mitarbeitenden, Symbole der Organisation) und sekundär harten Faktoren (z. B. Prozesse, Strukturen, Technologie) die Organisation an interne und externe Gegebenheiten anzugleichen [vgl. Liker et al. 1987; Beer et al. 1990; vgl. Cooper, Markus 1995; Cabrera et al. 2001]. Wandel wird dabei als dynamischer, nicht vorhersehbarer und langfristiger Prozess verstanden. Die Rolle des Gestalters ist die eines Sinngebers, der Verständnis für die komplexen und oft paradoxen Zusammenhänge des Wandels schafft [vgl. Weick, Quinn 1999, S. 366]. Die Vorteile evolutionärer Ansätze werden in der Minimierung des Risikos, der Sicherstellung der Kontinuität und der Förderung des Zusammenhalts gesehen. Aufgrund der langfristigen Ausrichtung des Gestaltens besteht jedoch die Gefahr der Verzettelung resp. des Verlustes der ursprünglichen Zielvorstellungen. Auch ist das Eintreten der Wirkungen unberechenbar und steinig [vgl. Jarvenpaa, Stoddard 1998, S. 17]. Beispiele, welche den evolutionären Wandel wiedergeben, sind das EFQM-Modell [vgl. European Foundation for Quality Management 1999] oder Six Sigma [vgl. Pande et al. 2000]. Revolutionäre Ansätze: Ziel ist es, durch Zerstörung überkommener und Aufbau neuer Strukturen und Verhaltensweisen eine radikale Neuausrichtung der Organisation zu bewirken. Gerade in Krisensituationen, aber auch im Verlauf des normalen Geschäfts, soll dadurch die Wettbewerbsfähigkeit global gesichert werden [vgl. Thommen, Richter 2006, S. 582]. Wandel wird dabei als linearer und abgestufter Prozess verstanden [Nolan 1973, S. 400 f.]. Das Gestalten erfolgt i. d. R. in relativ kurzen, aber heftigen Intervallen, was zu enormen Widerständen, Chaos und zum Verlust der Identität einer Organisation führen kann [vgl. Jarvenpaa, Stoddard 1998, S. 17]. Allerdings können durch radikale Verbesserungen auch enorme (wirtschaftliche und persönliche) Erfolge erzielt werden. Dem Gestalter kommt dabei die Rolle der treibenden Kraft des Wandels zu [vgl. Weick, Quinn 1999, S. 366]. Business Process Reengineering (BPR) [vgl. Hammer, Champy 1993] und das Capability Maturity Model (CMM) [vgl. Paulk et al. 1993a] sind bekannte Beispiele, die dem revolutionären Ansatz zuzuschreiben sind. Die Unterschiede evolutionärer und revolutionärer Ansätze sind in Tabelle 6 nochmals zusammenfassend dargestellt. Begriffliche und theoretische Grundlagen 29 Evolutionär Revolutionär Ziele des Gestaltens Lokale Optimierung, kontinuierliche Anpassung Globale Verbesserung, radikale Neuausrichtung Wirkung des Gestaltens Agnostisch, nicht vorhersehbar Stabilisierend, kalkulierbar Ablauf des Gestaltens Dynamisch, keinem klaren Muster folgend Linear, stufenweise Zeitdimension des Gestaltens Eher langfristige Sichtweise Kurz- bis mittelfristige Sichtweise Mechanismen des Gestaltens Mutation, Adaption Schöpferische bzw. kreative Zerstörung Rolle des Gestalters Sinngeber des Wandels (Sense maker) Treibende Kraft des Wandels (Mover) Potentielle Chancen Minimales Risiko, Kontinuität, Förderung des Zusammenhalts Zeitnahe Resonanz, Erschaffung von Mythen und Helden Potentielle Gefahren Geringe Stosskraft, Verzettelung Chaos, Widerstand, Verlust der Identität Tabelle 6: Verhältnis zwischen Wandel und Gestaltung 2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse Um die Reichweite des organisationalen Gestaltens verstehen zu können, ist ein klares und umfassendes Begriffsverständnis erforderlich. In diesem Kapitel werden deshalb die im Zusammenhang mit der Gestaltung von Organisationen zentralen Begriffe definiert und mit den relevanten theoretischen Ansätzen in Beziehung gesetzt. Dabei wird ersichtlich, dass verschiedene Auffassungen in Bezug auf die Organisation zu unterschiedlichen Gestaltungszielen (z. B. Wirtschaftlichkeit versus Anpassungsfähigkeit) und Gestaltungsprinzipien (z. B. Erhöhung der Effizienz versus Steigerung der Lernorientierung) führen. Geht man beispielsweise von einer organischen Struktur des Gestaltungskontexts aus, so stehen vorwiegend weiche Gestaltungsobjekte (z. B. Anreizstrukturen, Fähigkeiten der Mitarbeitenden) im Mittelpunkt. Demgegenüber sind bei einer mechanistischen Denkweise hauptsächlich harte Gestaltungsobjekte (z. B. Aufbau- und Ablaufstrukturen) entscheidend. 30 Begriffliche und theoretische Grundlagen Ferner hat auch das Verständnis bezüglich des Wandels eine Auswirkung auf die Formulierung von Gestaltungszielen und -prinzipien. Wird der Wandel z. B. als evolutionärer Prozess verstanden, so müssen Gestaltungsempfehlungen besonders auf die dynamische Veränderung ausgerichtet werden. Dahingegen müssen die Gestaltungsempfehlungen bei einem revolutionären Verständnis des Wandels vor allem auf die graduelle und lineare Veränderung ausgerichtet werden. Mittelbar spielt auch die Situation, in der sich der Gestalter resp. der Gestaltungsgegenstand befindet, eine gewichtige Rolle [vgl. Staehle 1976, S. 36; Kieser, Kubicek 1992, S. 50]. Dabei beeinflussen sowohl indirekte (z. B. Branchenverhältnisse, Gesetze, Technologie), als auch direkte Situativitätsfaktoren (z. B. Rechtsform, Organisationsgrösse, Leistungsprogramm) das Gestalten [vgl. Gomez, Zimmermann 1999, S. 122]. Wandel Gestaltungsziele Evolutionär Gestaltungskontext Organismus Revolutionär Gestalter Maschine Gestaltungsobjekte Gestaltungsempfehlungen Gestaltungssituation Gegenstand des Gestaltens Abbildung 9: Mentales Modell des Gestaltens Daraus ergibt sich das für diese Arbeit geltende mentale Modell des Gestaltens (vgl. Abbildung 9), welches von den folgenden Annahmen ausgeht: Der Gestalter hat eine implizite Vorstellung darüber, wie der Gestaltungskontext und der Wandel aussehen. Begriffliche und theoretische Grundlagen 31 Gestaltungsziele werden im Wesentlichen durch diese impliziten Vorstellungen geprägt. Gestaltungsempfehlungen, welche die Gestaltungsziele möglichst umfassend adressieren möchten, müssen unterschiedliche Blickwinkel auf die Gestaltungsobjekte aufweisen. Gestaltungsempfehlungen, welche die Gestaltungsziele möglichst präzise adressieren möchten, müssen unterschiedlichen Gestaltungssituationen ausdifferenzieren. Für die Artefaktkonstruktion lassen sich demnach die folgenden Konsequenzen ableiten: Ganzheitlichkeit: Mit Blick auf das Gestalten des Krankenhauseinkaufs wird davon ausgegangen, dass die Verantwortlichen der Beschaffung unterschiedliche Betrachtungsweisen des Gestaltungskontexts haben. Bestehende Ansätze beschränken die Gestaltung jedoch oftmals auf ganz bestimmte Faktoren (z. B. kultureller, strategischer oder technologischer Art). Die vorliegende Arbeit soll deshalb sowohl weiche als auch harte Aspekte in den Gestaltungsempfehlungen berücksichtigen, um ein mögliches umfassendes Gestalten des Krankenhauseinkaufs zu unterstützen. Multiperspektivität: Unterschiedliche Vorstellungen der Richtung und Geschwindigkeit des Wandels machen es notwendig, dass für das Gestalten des Krankenhauseinkaufs verschiedene Sichtweisen zur Verfügung gestellt werden müssen. Daher sollen für die Gestalter des Krankenhauseinkaufs sowohl eine dynamische als auch eine linear-gestufte Entwicklungsperspektive ausgearbeitet werden. Situativität: Direkte und indirekte Situativitätsfaktoren bestimmen massgeblich den Handlungsspielraum der Einkaufsverantwortlichen. Demzufolge ist es zentral, die wichtigsten Einflussfaktoren zu identifizieren und mit den Gestaltungsempfehlungen abzustimmen. Konzeptionelle Grundlagen 33 3 Konzeptionelle Grundlagen Grundlage für das zielgerichtete Gestalten von Organisationen sind Modelle [vgl. Carley 2002, S. 264]. Während für das Gestalten von kleinen, überschaubaren Organisationen mentale Modelle oftmals ausreichen, ist mit wachsender Organisationsgrösse und -komplexität dies nicht mehr praktikabel. Hierfür bedarf es deshalb einer formalen Modellbasis, die bezüglich der konkreten Sachverhalte abstrahiert und die erforderlichen Schwerpunkte setzt [vgl. Rosemann 1996, S. 17]. Demgemäss sind gestaltungsorientierte Modelle, im Gegensatz zu erklärungsorientierten oder naturwissenschaftlichen Modellen, nicht wertfrei, sondern enthalten normative, für die Praxis nutzenstiftende Aussagen: „Natural scientists often use the term model as a synonym for theory, or propose models as weak or incipient theories, in that they propose that phenomena be understood in terms of certain concepts and relationships among them. In our framework, however, the concern of models is utility, not truth [...]“ [March, Smith 1995, S. 256]. Modelle mit einem bestimmten Grad an Empfehlungscharakter und Allgemeingültigkeit für einen festgelegten Kontext werden gemeinhin als Referenzmodelle bezeichnet [vgl. vom Brocke 2003, S. 31 f.]. Eine spezielle Art von Referenzmodellen, welche sich ausschliesslich mit der systematischen Fortentwicklung bestimmter Gestaltungsobjekte auseinandersetzen, sind Reifegradmodelle. Diese eignen sich insofern für das Gestalten von Organisationen, als dass sie den Prozess des Wandels als inhärenten Bestandteil der Gestaltungsempfehlung erachten. Zur Erleichterung der Modellkonstruktion und -interpretation wird dabei häufig auf Ontologien zurückgegriffen. Diese helfen die Konsistenz der Modellinhalte zu erhöhen und erlauben bei entsprechender Konzeption und softwaretechnischer Umsetzung eine automatisierte semantische Analyse des abgebildeten Realweltabschnitts [vgl. Ahlemann et al. 2006, S. 1]. Ziel dieses Kapitels ist es, die vorgestellten Themenbereiche Referenzmodellierung und Referenzmodelle (Abschnitt 3.1), Reifegradmodelle (Abschnitt 3.2) sowie Ontologien (Abschnitt 3.3) näher zu erläutern und dadurch die konzeptionelle Grundlage für die spätere Artefaktkonstruktion zu legen (Abschnitt 3.4). 34 Konzeptionelle Grundlagen 3.1 Referenzmodellierung und Referenzmodelle Wie zu Anfangs des Kapitels bereits erläutert, finden Modelle innerhalb der WI ihre Verwendung bei der Analyse und Gestaltung von Organisationen (Business Engineering) [vgl. Winter 2003, S. 88] und Informationssystemen (Information Systems Engineering) [vgl. Fettke, Loos 2003a, S. 35].22 Modellierung erfüllt hier auf vielfältige Art und Weise ihren Zweck (vgl. Abbildung 10): Modelle werden zum einen für eher technische Aufgabenstellungen wie Softwareentwicklung, Customizing oder zur Auswahl einer bestimmten Software verwendet, zum anderen finden sie Verwendung indem sie die Beschreibung und Optimierung organisatorischer Gestaltungsgegenstände wie bspw. Aufbau- und Ablaufstrukturen vereinfachen oder das Wissen der Mitarbeitenden erhöhen [vgl. Loos, Scheer 1995; Becker, Schütte 1997; Schlagheck 2000; Delfmann 2006]. Geschä ftsprozessmodellierung Gestalten Zertifizierung Entscheiden Cha nge Ma nagement Softwa reentwicklung Workflow Management Customizing Auswahl von Softwa re Benchmarking Prozesscontrolling Simulation Lernen und Wissen Personalentwicklung Wissensma na gement Business Engineering Information Systems Engineering Abbildung 10: Anwendungsbereiche der Modellierung in der WI23 22 Dieser Gedanke wird bspw. auch in der englischen Übersetzung der deutschsprachigen Zeitschrift „Wirtschaftsinformatik“ wiedergegeben, indem „Business and Information Systems Engineering“ als Titel gewählt wurde (http://www.bise-journal.org). 23 Übernommen und geringfügig angepasst aus [vom Brocke 2003, S. 30]. Konzeptionelle Grundlagen 35 3.1.1 Referenzmodellbegriff Referenzmodellierung erfüllt den Zweck, die Entwicklung von organisationsspezifischen Modellen zu beschleunigen. Gleichzeitig verfolgt sie das Ziel, die Wirtschaftlichkeit von notwendigen Modellierungsaktivitäten bestimmter Sachverhalte zu erhöhen. Dazu werden so genannte Referenzmodelle als Ausgangspunkt für die Entwicklung organisations- oder projektspezifischer Modelle genutzt [vgl. Schütte 1998, S. 367 f.]. Nach VOM BROCKE werden Referenzmodelle definiert als „[...] Informationsmodell(e), die Menschen zur Unterstützung der Konstruktion von Anwendungsmodellen entwickeln oder nutzen, wobei die Beziehung zwischen Referenz- und Anwendungsmodell dadurch gekennzeichnet ist, dass Gegenstand oder Inhalt des Referenzmodells bei der Konstruktion des Gegenstands oder Inhalts des Anwendungsmodells wieder verwendet werden“ [vom Brocke 2003, S. 34].24 Neben dem Anspruch der Wiederverwendbarkeit wird der Referenzmodellbegriff sprachlich auch durch die Besonderheit der Referenz geprägt. Hiermit soll in erster Linie ausgedrückt werden, dass Referenzmodelle einen Bezugspunkt zu einem bestimmten Gegenstand aufweisen [vgl. vom Brocke 2003, S. 31]. In der Literatur wird allerdings vielmehr die Eigenschaft der Empfehlung bzw. der Empfehlungscharakter damit verbunden [vgl. Scheer et al. 1994, S. 92; Becker, Schütte 1997, S. 428; Schwegmann 1999, S. 53]. Demzufolge wird mit „Referenz“ ein Bezug zu Best Practice- oder Common Practice-Wissen impliziert [vgl. Becker et al. 2002a, S. 1295]: Common Practice-Modelle beziehen sich dabei meist auf einen Branchenstandard und lassen dadurch eine kritische Beurteilung der eigenen Organisation gegenüber den Wettbewerbern zu. Bei der Anwendung des Referenzmodells steht deshalb meist die Risiko- und Kostenreduktion im Vordergrund. Best Practice-Modelle hingegen beinhalten häufig auch neuartige, teilweise theoriebasierte Ansätze und können damit Innovationsimpulse vermitteln. Ihre Umsetzung birgt einerseits Risiken, da sie noch nicht häufig erprobt wurden, andererseits ist ihre Verfügbarkeit aufgrund der befürchteten Preisgabe von Wettbewerbsvorteilen häufig limitiert. 24 VOM BROCKE verwendet den Begriff des Informationsmodells zur Klassifikation derjenigen Modelle, welche die (statische) Repräsentation der verschiedenen Ergebniskomponenten von konzeptuellen Modellen und ihrer Verknüpfungen bzw. Abhängigkeiten beabsichtigen. Indes bezeichnen Anwendungsmodelle instanziierte, unternehmensspezifische Modelle, die teilweise auch dynamische Aspekte beinhalten (vgl. auch Winter 2003, S. 102). 36 Konzeptionelle Grundlagen Nicht zuletzt wird den Referenzmodellen auch die Charaktereigenschaft der Allgemeingültigkeit zugesprochen [vgl. z. B. Hars 1994, S. 15; Rosemann 1996, S. 34; Schütte 1998, S. 69 f.]. Dadurch wird gemeinhin ausgedrückt, dass ein Referenzmodell nur unter bestimmten, dem Modell inhärenten Voraussetzung gültig ist [vgl. Schütte 1998, S. 70]. Dies wird jedoch von mehreren Autoren als kritisch erachtet, da (im normalen Sprachgebrauch) damit ein Absolutheitsanspruch des Modells resp. universelle Gültigkeit verbunden wird [vgl. Thomas 2006, S. 12]. Auch können die gemachten Einschränkungen im Extremfall eine Anwendung des Modells verhindern [vgl. vom Brocke 2003, S. 32]. Demzufolge wird der Referenzmodellbegriff, insbesondere im nicht deutschsprachigen Raum, uneinheitlich angewendet. In der vorliegenden Arbeit wird das Begriffsverständnis von ROSEMANN zugrunde gelegt, der Referenzmodelle als „generic conceptual models that formalise recommended practices for a certain domain. Often labelled with the term ‚best practice’, reference models claim to capture reusable efficient state-of-the-art practices“ versteht [Rosemann 2003, S. 595]. 3.1.2 Phasen der Referenzmodellierung Referenzmodellierung kann konzeptionell in die zwei Phasen Modellerstellung (Konstruktion von Referenzmodellen) und Modellanwendung (Konstruktion mit Referenzmodellen) untergliedert werden [vgl. Schlagheck 2000, S. 78; Fettke, Loos 2005, S. 22; vom Brocke 2007, S. 51]. Im Rahmen der Modellerstellung erfolgt die Konzeption des für eine bestimmte Problemstellung gültigen Referenzmodells. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Referenzmodellierungstechniken zur Beschreibung und Lösung der Problemstellung auf einer Metaebene definiert und danach in einem zweiten Schritt die Eigenschaften und das Verhalten der konkreten Referenzlösung dokumentiert [vgl. Becker et al. 2002b, S. 43]. Dies kann einerseits praxisgetrieben, d.h. durch Verallgemeinerung bestehender unternehmensspezifischer Informationsmodelle, Beobachtungen oder Interviews mit Fachanwendern, andererseits theoriegeleitet, d.h. auf Grundlage allgemeiner Gestaltungsempfehlungen der Literatur, erfolgen [vgl. Becker et al. 2002b, S. 49]. Eine Differenzierung ist auch in Bezug auf den Neuigkeitswert eines Referenzmodells möglich. VOM BROCKE unterscheidet dabei tatsächliche Innovationen (NeuKonstruktion), Varianten (Varianten-Konstruktion) und Versionen (VersionsKonstruktion) [vgl. vom Brocke 2007, S. 52]. Konzeptionelle Grundlagen 37 In der Phase der Modellanwendung wird das Referenzmodell mit Hilfe verschiedener Mechanismen für einen spezifischen Organisationskontext angepasst. BECKER et al. unterscheiden dazu generierende und nicht generierende Adaptionsmechanismen [vgl. Becker et al. 2004, S. 252]. Erstere gehen von einem Gesamtmodell aus, welches mittels entsprechender Regeln an einen spezifischen Kontext angepasst wird. Die Ausführung der Regeln hängt dabei von den Ausprägungen definierter Konfigurationsparameter ab, welche den Gültigkeitsbereich des Gesamtmodells einschränken und damit die Spezifizierung des Referenzmodells ermöglichen. In Anlehnung an BECKER et al. können die nachfolgenden generierenden Adaptionsmechanismen unterschieden werden [vgl. Becker et al. 2004, S. 254 f.]: Die Modelltypselektion beschreibt die perspektivenabhängige Auswahl von Modelltypen und ermöglicht somit eine grob granulare Konfiguration des Modellsystems. Modelltypen setzen sich dabei aus einer Anzahl zugelassener Elementtypen (bspw. Funktionen oder Organisationseinheiten) zusammen. Die Elementtypselektion ermöglicht die Auswahl von Elementtypen, die innerhalb eines Modelltyps verwendet werden können. Auf diese Weise ist die wiederum perspektivenabhängige Bildung von Modelltypvarianten mit einer Untermenge an Elementtypen möglich. Während sich die Elementtypselektion auf Metaebene vollzieht, erfolgt die Elementselektion direkt auf den entsprechenden Instanzen der Elementtypen bspw. über Attribute, Typen oder nach Termen. Durch die Bezeichnungsvariation können gleiche Sachverhalte mit unterschiedlichen Bezeichnungen abgebildet werden. Dazu werden Synonyme identifiziert, die entsprechend der Ausprägungen von Konfigurationsparametern perspektivenabhängig bspw. für verschiedene Benutzer im Modell verwendet werden. Mit Hilfe der Darstellungsvariation kann schlussendlich die Modellsymbolik, Typologie oder die Repräsentation von Konfigurationsregeln angepasst werden. Neben den genannten Konfigurationsroutinen gibt es auch nicht generierende Adaptionsmechanismen, welche dem Anwender meist einen grösseren Gestaltungsspielraum einräumen [vgl. Becker et al. 2004, S. 258 f.]: Die Aggregation beschreibt die Kombination von Modellelementen zu einem Gesamtmodell. Dabei können entsprechende Regeln angewendet werden, welche die Kombinationsmöglichkeiten auf Grundlage entsprechend definierter Plausibilitäten einschränken. 38 Konzeptionelle Grundlagen Die Analogiekonstruktion basiert auf der Wiederverwendung und Anpassung vergleichbarer Modellausschnitte. Die Instanziierung beschreibt die Ausgestaltung von Modellelementen mit Attributen oder Attributen mit Attributsausprägungen durch den Anwender. Die Spezialisierung basiert auf der Konkretisierung bewusst allgemein gehaltener Modellteile. 3.1.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen Die Identifikation von Entwurfsmustern (Design Patterns) dient dazu, das Vorgehen der Artefaktkonstruktion zu systematisieren und ist somit die Grundlage für die Begründung allfälliger Designentscheide. ALEXANDER hält dazu fest: „The use of logical structures to represent design problems has an important consequence. It brings with it the loss of innocence. A logical picture is easier to criticize than a vague picture since the assumptions it is based on are brought out into the open. Its increased precision gives us the chance to sharpen our conception of what the design process involves“ [Alexander 1964, S. 8]. Demzufolge ist es das Ziel dieses Abschnitts (sowie von Abschnitt 3.2.5 und 3.3.3) mögliche Parameter zu identifizieren, welche die Konstruktion des (Teil-)Artefakts strukturieren. Aufgrund des breiten Anwendungsspektrums von Referenzmodellen ist eine generelle Spezifizierung von Entwurfsmustern allerdings nur sehr schwer möglich und auch wenig zielführend. Die in Abbildung 11 identifizierten Parameter beschränken sich deshalb nur auf die für die vorliegende Arbeit entscheidenden Bereiche:25 Der Verwendungszweck beschreibt, ob das Referenzmodell als Basis für das Gestalten, Entscheiden und/oder für den Aufbau von Wissen eingesetzt werden soll. Der Neuigkeitswert definiert inwieweit das Referenzmodell bestehende Lösungen wiederverwendet resp. ob ein komplett neues Problem (Innovation) oder ein bestehendes Problem effizienter gelöst wird (Variante oder Version). Die Breite grenzt den Gestaltungsbereich des Referenzmodells ein resp. legt fest, inwiefern es sich um ein branchenspezifisches bzw. branchenunabhängiges Modell handelt. 25 Da in der vorliegenden Arbeit das Referenzmodell durch ein Reifgradmodell konkretisiert wird, erfolgt eine Diskussion der umsetzungsbezogenen Konstruktionsparameter erst in Abschnitt 3.2.5. Konzeptionelle Grundlagen 39 Die Tiefe definiert die Tragweite des Referenzmodells, d. h. inwieweit es eher auf der Ebene der Arbeitsgruppe, Organisation, Wertkette oder Gesellschaft einen Nutzen stiften soll. Die Zielgruppe definiert den Betrachtungswinkel des Referenzmodells (management-orientierte oder technologie-orientierte Sichtweise). Die Empfehlung legt den Ursprung der „Referenz“ frei, d. h. inwieweit sich das Modell eher an Common- oder Best-Practice anlehnt. Schliesslich bestimmt die Konfiguration das Anpassungsvermögen des Referenzmodells (generierende und nicht-generierende Mechanismen oder gar keine Konfiguration). Merkmal Konzeption des Referenzmodells Ausprägung Verwendungszweck Gestalten Entscheiden Lernen/Wissen Neuigkeitswert Innovation Variante Version Breite Tiefe Branchenunabhängig Arbeitsgruppe Organisation Branchenabhängig Wertkette Gesellschaft Zielgruppe Management-orientiert Technologie-orientiert Empfehlung Common-Practice Best-Practice Konfiguration Keine Generierend Nicht-generierend Abbildung 11: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen 3.2 Reifegradmodelle Reifegradmodelle stellen eine besondere Klasse von Referenzmodellen dar, da sie sich ausschliesslich mit dem Wandel resp. Entwicklungsprozess von Organisationen und/oder Informationssystemen (IS) auseinandersetzen. Ihr Ursprung ist auf die theoretisch ausgerichteten Veröffentlichungen von NOLAN und GIBSON und auf die mehr der Praxis zugewandten Arbeit von CROSBY zurück zu führen [Nolan 1973; Gibson, Nolan 1974; Crosby 1979]. Bekannt wurde das Konzept allerdings erst durch die Entstehung des Capability Maturity Model (CMM) Ende der 1980er Jahre [vgl. Humphrey 1988] und dessen Weiterentwicklung Capability Maturity Model Integrated (CMMI) in den späten 1990er Jahren [vgl. Ahern et al. 2003]. Unzählige Reifegradmodelle folgten (vgl. Abbildung 12). Zu den bekanntesten gehören, neben dem erwähnten CMMI, auch das von der Interna- 40 Konzeptionelle Grundlagen tionalen Organisation für Normung (ISO) anerkannte SPICE26 oder BOOTSTRAP, das durch ein Konsortium mehrerer europäischer Firmen und Universitäten entwickelt wurde [vgl. Stienen, Engelmann 1996; Kuvaja 1999]. Legende Kursiv Obsolet Integration Nachfolger Basiert auf Referenziert auf Prozessstandard Qualitätsstandard Optimierungsmodell Bewertungsmodell Richtlinie Abbildung 12: Entstehung und Weiterentwicklung von Reifegradmodellen 27 3.2.1 Reife- und Reifegradmodellbegriff Ähnlich wie beim übergeordneten Konzept der Referenzmodellierung kann auch hier keine einheitliche Definition des Reifegradmodellbegriffs gefunden werden. Eine anwendungsorientierte Begriffsbestimmung liefern bspw. BUSH und DUNAWAY: „[Assessment models] analyze how an organization really works, they (often through shock) help motivate it toward positive change, their procedures establish precedents that help organizations begin to transform themselves even before the assessment is 26 SPICE ist die Abkürzung für Software Process Improvement and Capability Determination und wird durch die Norm ISO/IEC 15504 beschrieben catalogue_detail.htm?csnumber=50519). 27 (http://www.iso.org/iso/iso_catalogue/catalogue_tc/ Übernommen und übersetzt aus [Ahern et al. 2003], welche an [Sheard 2001] anlehnen. Konzeptionelle Grundlagen 41 nished, and they educate organizations by exposing them to best practices worldwide“ [vgl. Bush, Dunaway 2005, S. 3]. Eine mehr konstruktionsorientierte Definition ist diejenige von FRASER et al., wonach Reifegradmodelle als strukturierte Menge von Konstrukten verstanden werden können, die zur Beschreibung bestimmter Aspekte der „Reife“ eines Gegenstandsbereichs dienen [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246].28 Dabei wird für „Reife“ oftmals das Begriffsverständnis von [Paulk et al. 1993b, S. 4] übernommen, die darunter „the extent to which a specific process is explicitly defined, managed, measured, controlled, and effective“ verstehen. Die meisten Reifegradmodelle folgen bewusst oder unbewusst diesem Verständnis. Dies impliziert jedoch, dass der Gegenstand der Optimierung und/oder Bewertung stets auf einen oder mehrere Prozesse zurückgeführt werden muss (vgl. Abbildung 13). Reifegrad 1 Reifegrad 3 Reifegrad 4 Reifegrad 5 Prozess ist wiederholbar Prozess ist definiert Prozess ist steuerbar Prozesseigenschaften Reifegrad 2 Prozess ist unkontrolliert Prozess ist optimiert Abbildung 13: Reife als Ausprägung der Effektivität und Effizienz von Prozessen29 Diese Überbetonung der Prozessperspektive und die Vernachlässigung weiterer möglicher Gestaltungsebenen wird allerdings von mehreren Autoren heftig kritisiert [vgl. z. B. Bach 1994, S. 15; Jones 1995; Pfeffer, Sutton 1999, S. 90; Gillies, Howard 2003, S. 779].30 Diese fordern „Reife“ als ganzheitliches Phänomen zu betrachten und zusätzlich zur Bewertung von Geschäftsprozessen auch kulturelle und verhaltensbezogene 28 Vgl. auch [Ahlemann et al. 2005, S. 15]. 29 Übernommen und adaptiert aus [Paulk et al. 1993b, S. 20]. 30 Kritik wird u. a. auch vom Verfasser der vorliegenden Arbeit geäussert [vgl. Mettler 2009, S. 4; Mettler, Rohner 2009d, S. 2]. 42 Konzeptionelle Grundlagen sowie technologische Aspekte mitzuberücksichtigen [vgl. Christensen, Overdorf 2000, S. 68 f.; Saleh, Alshawi 2005, S. 50]. Eine alternative Sichtweise auf das (geschäfts-)prozessfokussierte Konzept von „Reife“ ist etwa, diese als Ausprägung menschlicher Fähigkeiten zu verstehen [vgl. Klimko 2001, S. 277]. In Anlehnung an KLIMKO können bspw. vier Stadien unterschieden werden, die auch als Reifegrade des organisationalen Lernens gedeutet werden können (vgl. Abbildung 14).31 Entdecker Erschaffer Wissen ist nicht vorhanden Reifegrad 1 Wissen wird generiert Reifegrad 2 Manager Wissen wird angewendet Reifegrad 3 Erneuerer Wissen wird geteilt Reifegrad 4 Abbildung 14: Reife als Ausprägung der Beschaffenheit des Wissens Die anfängliche Situation ist i. d. R. geprägt durch einen Mangel an Wissen für die Ausführung einer bestimmten Aufgabe. Der Rolle des Entdeckers obliegt es, das fehlende Wissen durch Nachforschung bestehender Wissensquellen zu generieren (Internalisierung). Erschaffer besitzen bereits einen tiefen Fundus an Wissen, benötigen allerdings für die Erledigung einer meist innovativen Aufgabe neuartige Fähigkeiten. Durch Kombination von implizitem/explizitem sowie internem/externem Wissen entsteht dabei eine individuelle Problemlösungskompetenz (Kombination). Manager versuchen die neu aufgebauten Fähigkeiten in der Praxis auch tatsächlich anzuwenden und diese Praktik in irgendeiner Form zu dokumentieren (Externalisierung). 31 Eine ähnliche, wenngleich nicht sequentielle Sichtweise auf die Wissensgenerierung ist auch in anderen Quellen verbreitet [vgl. Fiol, Lyles 1985, S. 807 f.; Brown, Duguid 1991, S. 47 f.; Nonaka 1994, S. 18 f.]. Konzeptionelle Grundlagen 43 Schliesslich ist es das Ziel der Erneuerer die neuartigen Praktiken zu teilen und damit das Wissen nicht nur individuell, sondern in der ganzen Organisation zu verankern (Sozialisierung). Basierend auf der Objektorientierung präsentieren GERICKE et al. eine weitere Alternative zum (geschäfts-)prozessfokussierten Reifekonzept [vgl. Gericke et al. 2006, S. 24]. Hierzu sind anfänglich die wesentlichen Gestaltungsobjekte eines Gestaltungsbereiches zu identifizieren und die möglichen Entwicklungsstufen resp. Objekteigenschaften abzuleiten. Die Kombination mehrerer Gestaltungsobjekte und Objekteigenschaften ergibt schlussendlich einen Reifegrad (vgl. Abbildung 15). Objekteigenschaften Gestaltungsobjekte A A1 A2 A3 B B1 B2 B3 B4 C C1 C2 C3 C4 D D1 D2 E E1 E2 B5 E3 Reifegrad 1 Reifegrad 2 Abbildung 15: Reife als Ausprägung bestimmter Objekteigenschaften 3.2.2 Typen von Reifegradmodellen Ungeachtet des Verständnisses von Reife sollten in Anlehnung an FRASER et al. und DE BRUIN et al. Reifegradmodelle die folgenden Bestandteile aufweisen [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246; de Bruin et al. 2005, S. 4]: eine Anzahl Reifegrade (typischerweise zwischen 3-6 Stufen), eine treffende Bezeichnung je Reifegrad (bspw. „initial“, „wiederholbar“, „definiert“, „steuerbar“ und „optimiert“), 44 Konzeptionelle Grundlagen eine generische Beschreibung des Zustandes bzw. eine Zusammenfassung der Eigenschaften, die jeden Reifegrad charakterisieren, eine Anzahl Dimensionen, welche eine problemorientierte Sicht auf den Gestaltungsbereich liefert, eine Anzahl Elemente oder Aktivitäten, welche eine Dimension detaillierter beschreiben und eine generische Beschreibung der Aktivitäten bzw. der Elementeigenschaften je Reifegrad. Die Ausgestaltung der oben beschriebenen Bestandteile erfolgt in der Praxis auf unterschiedliche Weise. Grundsätzlich lassen sich jedoch zwei Arten von Reifegradmodellen unterscheiden:32 Optimierungsmodelle (Maturity/Capability Models) versuchen anhand von Best Practice- oder Common Practice Wissen einen idealisierten Pfad der Verbesserung für einen bestimmten Gegenstandsbereich aufzuzeigen. Ein Entwicklungspfad wird demnach explizit vorgegeben [vgl. z. B. Paulk et al. 1993a, S. 18]. Bewertungsmodelle (Assessment Models) werden dazu eingesetzt, einen Gegenstandsbereich regelmässig auf bestimmte Qualitätsmerkmale hin zu prüfen und dadurch Ansatzpunkte für Verbesserungen abzuleiten. Der Entwicklungspfad wird als dynamischer Prozess verstanden und bleibt von den Modellen i. d. R. unspezifiziert [vgl. z. B. European Foundation for Quality Management 1999]. Eine zusätzliche Unterscheidung lässt sich weiterhin durch die Struktur des Reifegradmodells treffen [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]: Rasterbasierte Modelle (Maturity Grids) sind einfache textuelle Beschreibungen der Reife eines Gestaltungsbereiches. Die Reifebewertung wird anhand des vorgegebenen Rasters vorgenommen. Detaillierte Fragekomplexe stehen nicht zur Verfügung [vgl. z. B. Santanen et al. 2006; Vaidyanathan, Howell 2007]. Formal-strukturierte Modelle (CMM-like Models) besitzen eine formale Struktur, welche durch ein Metamodell beschrieben wird. Zur Beurteilung der Reife müssen mehrere Fragekomplexe zu den unterschiedlichen Dimensionen des Gestaltungsbereiches beantwortet werden. Aufgrund dieser erhöhten Komplexität wird die Da32 Vgl. auch Abbildung 13. Konzeptionelle Grundlagen 45 tenerhebung meist softwaretechnisch unterstützt [vgl. z. B. Kaner, Karni 2004; Marshall, Mitchell 2004]. Hybride Reifegradmodelle (Hybrids) gehen über einer rein textuellen Beschreibung der Reife des Gestaltungsbereiches hinaus, jedoch sind die Fragenkomplexe i. d. R. relativ kurz gehalten und die Struktur des Reifegradmodells nicht genau spezifiziert [vgl. z. B. Kulkarni, St. Louis 2003]. 3.2.3 Zur Spezifikation von Reifegraden Die Spezifikation von Reifegraden kann sowohl Top-Down als auch Bottom-Up erfolgen [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 4]. Bei ersterem werden zuerst die unterschiedlichen Reifegrade des Gestaltungsbereichs definiert und anschliessend mögliche Elementeigenschaften ermittelt, welche die spezifizierten Reifegrade bekräftigen. Diese Vorgehensweise wird meist bei relativ innovativen bzw. wenig entwickelten Themengebieten angewendet. In weiter fortgeschrittenen Gestaltungsbereichen wird für gewöhnlich der Bottom-Up Ansatz gewählt. Hierfür werden zuerst die Elementeigenschaften festgelegt und danach mögliche Reifegrade daraus abgeleitet. Demzufolge ist ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Konstruktion von möglichst zuverlässigen Reifegradmodellen – unabhängig vom verwendeten Reifekonzept – die Reife des Gestaltungsbereiches selbst. Dieser Umstand wird jedoch nur selten reflektiert, was aus Sicht der gestaltungsorientierten Forschung jedoch verheerend sein kann, da dadurch der Nutzen sowie die Evaluierbarkeit des Forschungsvorhabens bestimmt werden. Eine Grundlage zur theoretischen Beurteilung des Entwicklungsstands und der Verbreitung eines Gestaltungsbereiches liefern die Arbeiten von ROGERS und UTTERBACK [vgl. Rogers 1962; Utterback 1971]. Eine zentrale Annahme ist, dass sich mit zunehmender Reife und wachsender Verbreitung eines Geschäftsmodells (bzw. dessen Bestandteile wie z. B. Produkte, Prozesse, Branche) ein dominantes Design herausbildet [vgl. Zollenkop 2006, S. 223]. Dadurch wird die Unsicherheit bei den Anwendern verringert, was wiederum zur Verbreitung beiträgt (vgl. Abbildung 16). 46 Konzeptionelle Grundlagen Gestaltungsbereich Reifegradmodell Disruptiv Dominantes Design Progressiv Entstehend Bedarf nach einem Reifegradmodell Entwicklungsstand Ausgereift Hohe Unsicherheit Geringe Unsicherheit Mehrheit Pioniere Zeit Zuverlässigkeit eines Reifegradmodells Verbreitung Zeit Nachzügler viele Testfälle wenig Testfälle Zeit Zeit Abbildung 16: Verhältnis von Gestaltungsbereich und Reifegradmodell Aus diesen theoretischen Überlegungen können in Hinblick auf die Konstruktion eines Reifegradmodells wichtige Folgerungen gezogen werden: Bedarf nach einem Reifegradmodell (Relevanz): Je neuer der Gestaltungsbereich ist (z. B. Einsatz von RFID33 in der Logistik), desto höher ist die Unsicherheit in der Praxis bzw. umso grösser ist der Bedarf nach einem Reifegradmodell, das den Entwicklungspfad des Gestaltungsbereiches beschreibt. Aus Sicht gestaltungsorientierter Forschung kann demnach ein hoher Nutzen für die Praxis durch das Reifegradmodell generiert werden. Zuverlässigkeit eines Reifegradmodells (Rigorosität): Je neuer der Gestaltungsbereich ist, desto geringer ist die Verbreitung (bspw. wird RFID zurzeit nur von Pionierunternehmen eingesetzt). Für die Konstruktion des Reifegradmodells bedeutet dies, dass nur wenige Testfälle zur Verfügung stehen, um mögliche Reifegrade zu identifizieren resp. das Reifegradmodell zu evaluieren. Zudem ist aufgrund des speziellen Charakters von Pionierunternehmen die Repräsentativität der Ergebnisse fraglich. Demzufolge ist die Zuverlässigkeit des Reifegradmodells vage. 33 RFID steht für Radio Frequency Identification und ist eine Technologie zur Identifizierung von Gegenständen mittels elektromagnetischer Wellen. Konzeptionelle Grundlagen 47 Umgekehrt sind natürlich die gleichen Überlegungen möglich (bspw. je reifer ein Gestaltungsbereich, desto geringer der Bedarf nach einem Reifegradmodell, aber auch desto höher die Zuverlässigkeit des potentiellen Entwicklungspfades). 3.2.4 Zur Erhebung und Analyse von Reifegraden Um den Reifegrad zu ermitteln, auf welchem sich eine Organisation im Reifegradmodell befindet, werden Begutachtungsmethoden (Appraisal- oder Auditverfahren) benötigt.34 Wird die Beurteilung nicht zum Zweck der Identifizierung eigener Verbesserungsmöglichkeiten resp. zur Überprüfung des eigenen Fortschritts verwendet, sondern für die Untersuchung der Reife von Dritten (z. B. Lieferanten), dann wird die Begutachtung auch als Evaluation bezeichnet [vgl. Kneuper 2003, S. 100]. Dabei können je nach Kosten und Dauer sowie Tiefe und Breite drei verschiedene Begutachtungsmethoden unterschieden werden [vgl. SCAMPI Upgrade Team 2006a, S. 5]:35 Die Begutachtung bei Klasse C-Methoden wird i. d. R. durch eine Person durchgeführt und wird punktuell zur Beurteilung eines ganz spezifischen Problembereichs angewendet. Die Anwendung ist kostengünstig, da wenig Schulungsaufwand notwendig ist, liefert aber lediglich begrenzt zuverlässige Aussagen hinsichtlich des Problembereichs. Aufgrund der Einfachheit des Reifegradmodells können Organisationen die Beurteilung deshalb oftmals selbst durchführen (Self-Assessment). Die Klasse B-Methoden benötigen für die Begutachtung meist mehrere Personen und dauern mehrere Tage bis Wochen. Gleich wie die C-Methoden wird die Befragung nur auf sehr bestimmte Bereiche der Problemstellung angewendet und erfordert dafür nicht die komplette Befragung einer Organisationseinheit. Die Resultate der Begutachtung erlauben allerdings einen tieferen Einblick in die Problemstellung als bei C-Methoden. Da die Komplexität des Beurteilungsverfahrens deutlich höher ist als bei C-Methoden, wird die Bewertung i. d. R. durch externe Berater begleitet (Third-Party Assisted). Für die Begutachtung mittels A-Methoden wird ein Team von mindestens vier Begutachtern benötigt, die im Rahmen eines Projektes in die Organisation eingebun34 Bspw. wird für die CMMI-Begutachtung die Standard CMMI Appraisal Method for Process Improvement (SCAMPI) angewendet. 35 Auch bekannt als Appraisal Requirements for CMMI (ARC). 48 Konzeptionelle Grundlagen den werden. Die Kosten und Dauer der Begutachtung sind erheblich. Allerdings ist die Aussagekraft der Begutachtungsresultate bedeutend höher, da die Personen über eine längere Periode beurteilt werden. Dementsprechend ist auch die Dokumentation und Auswertung der Resultate sehr umfangreich und kann je nach Reifegradmodell für die Zertifizierung bestimmter Organisationsbereiche verwendet werden. Hierfür ist allerdings die Einbindung professioneller Berater (Certified Professionals) notwendig. Ein in Anlehnung an BUSH und DUNAWAY idealtypischer Ablauf eines umfassenden Begutachtungsverfahrens ist in Abbildung 17 dargestellt [vgl. Bush, Dunaway 2005]. Planung • Management Commitment schaffen • Sponsor identifizieren • Zielsetzung der Begutachtung festlegen • Assessment-Team zusammenstellen • Ansprechpersonen identifizieren • Zeitplan aufstellen Vorbereitung • Bewusstsein innerhalb der Organisation schaffen • Assessment-Team schulen • Terminierung mit Ansprechpartner • Richtlinien der Datenbeschaffung festlegen Datenerhebung • KickoffVeranstaltung abhalten • Interviews durchführen • Ergebnisse protokollieren Datenanalyse • Ergebnisse zusammenführen • Qualität und Konsistenz der Ergebnisse prüfen • Evtl. Datenbeschaffung wiederholen Reporting • Kosolidierung der Ergebnisse • Einstufung des Reifegrads ermitteln • Ergebnisse präsentieren • Lessons learned formulieren Abbildung 17: Ablauf eines Begutachtungsverfahrens Neben Techniken des Projektmanagements, die vorwiegend in den Phasen der Planung und Vorbereitung des Begutachtungsverfahrens zur Anwendung kommen, sind nach TEUTEBERG und FREUNDLIEB insbesondere Erhebungs- und Analysetechniken von zentraler Bedeutung [vgl. Teuteberg, Freundlieb 2009, S. 555]. Im Kontext von organisationalen Begutachtungsverfahren (Organizational Assessment) können die folgenden Techniken zur Datenerhebung genutzt werden [vgl. Lusthaus et al. 2002, S. 141 f.]: Interviews (z. B. Experten-Befragung, Fokusgruppe), Umfragen (z. B. Postalische Befragung, Online-Befragung), Beobachtung (z. B. Vorortbegehung) oder Dokumentenanalyse (z. B. Analyse der Prozessdokumentation oder des Organisationshandbuchs). Konzeptionelle Grundlagen 49 Je nach Erhebungstechnik können demnach unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kommen (z. B. Ton-Aufzeichnungsgeräte, computergestützte Fragebögen). In Abbildung 18 ist zur Veranschaulichung eine beispielhafte Instanziierung des SPICE Bewertungsmodells dargestellt. Abbildung 18: Computergestützte Befragung auf der Basis von SPICE Analysetechniken werden eingesetzt, um die erhobenen Daten zu visualisieren. Während in den Anfängen der Entwicklung von Reifegradmodellen die Betrachtung der Reife ausschliesslich stufenförmig erfolgte (Staged Representation) [vgl. Paulk et al. 1993b, S. 8], ist mit der Weiterentwicklung vom CMM zum aktuellen CMMI eine dynamischere Sichtweise der Reife (Continuous Representation) hinzugekommen [vgl. CMMI Product Team 2007, S. 32]. Die stufenförmige Darstellung basiert auf der Annahme, dass für die Erreichung eines Reifegrades bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen. Dabei kann die nächst höhere Stufe nur dann erlangt werden, wenn alle Kriterien der unteren Stufen ebenfalls erfüllt worden sind (vgl. Abbildung 19). Konzeptionelle Grundlagen Erfüllungsgrad der Anforderungen an einen bestimmten Reifegrad 50 Soll-Zustand Anforderungen Reifegrad n sind erfüllt Anforderungen Reifegrad n-1 sind erfüllt Z. B. Prozesskennzahlen müssen erhoben werden Z. B. Prozessabläufe müssen definiert werden Reifegrad 1 Legende Z. B. Prozesse müssen kontinuierlich verbessert werden Ist-Zustand ... Reifegrad n Vorgegebener Entwicklungspfad zum Soll-Zustand Abbildung 19: Stufenförmige Darstellung von Reife Die einzelnen Stufen drücken demnach grössere Innovationsschübe aus und gründen deshalb auf der eher revolutionären Sichtweise des Wandels.36 Eindeutiger Vorteil dieser Anschauung ist, dass der Entwicklungspfad klar vorgegeben und somit dem Anwender unmissverständlich verdeutlicht, wo der Handlungsbedarf ist. Allerdings stösst diese statische Betrachtung der Reifeentwicklung gerade hier an Kritik. Beispielsweise wurde dem CMM vorgeworfen, dass dessen Entwicklungspfad nur für grössere Unternehmen effizient ist, da es auf Best Practice-Wissen von komplexeren Organisationen basiert [vgl. Herbsleb et al. 1997, S. 39]. Dementsprechend konnten kleinere Unternehmen die spezifizierten Anforderungen höherer Entwicklungsstufen nur selten erreichen. Des Weiteren wird auch kritisiert, dass mit der stufenförmigen Darstellung immer auch ein effizienter Endzustand unterstellt, dieser aber nur selten validiert wird [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 2]. Es stellt sich dabei allerdings die Frage, ob dies zum Zeitpunkt der Modellerstellung möglich ist, da der optimale Endzustand oftmals nicht direkt oder nur unzureichend untersucht werden kann (z. B. zu geringe Anzahl von Testfällen). Eine Darstellungsform, die eher den evolutionären Charakter des Wandels verkörpert, ist die sog. kontinuierliche Darstellung (vgl. Abbildung 20). Sie basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung des Gestaltungsbereiches von situativen Faktoren abhängt und daher nicht klar für jede Organisation spezifiziert werden kann [vgl. King, 36 Vgl. Abschnitt 2.4. Konzeptionelle Grundlagen 51 Kraemer 1984, S. 473]. Deshalb wird dem Anwender des Reifegradmodells die Möglichkeit gegeben, den eigenen Entwicklungspfad zu spezifizieren (bspw. mittels GapAnalyse zwischen Ist- und Soll-Beurteilung). Um dennoch gewisse Anhaltspunkte hinsichtlich der Richtung einer möglichen Entwicklung zu geben, kann z. B. die Common Practice als Leitlinie dienen. Wesentlicher Nachteil dieser Sichtweise ist die vergleichsweise höhere Komplexität sowie die zunehmende Subjektivität (z. B. sind konservative Anwender weniger dazu geneigt, Veränderungen in die Soll-Beurteilung auf zu nehmen, während aufgeschlossenere Anwender dazu tendieren, grössere Innovationsschritte anzustreben). Erfüllungsgrad der modellspezifizierten Anforderungen 100% 75% 50% 25% Dimension 1 Legende Ist-Zustand ... Dimension n Differenz zum Soll-Zustand Zustand Branche Abbildung 20: Kontinuierliche Darstellung von Reife 3.2.5 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen Gleich wie in Kapitel 3.1.3 werden in diesem Abschnitt ebenfalls mögliche Entwurfsmuster für die Konstruktion diskutiert (vgl. Abbildung 21). Anders als bei der Referenzmodellierung, wo lediglich die Konzeption des Modells betrachtet wurde, werden hier ferner noch Parameter in Bezug auf die Umsetzung des Reifegradmodells behandelt. Mit Rücksicht auf die Konzeption des Reifegradmodells lassen sich aus den oben gemachten Erläuterungen die folgenden Parameter ableiten: Der Verwendungszweck beschreibt, ob das Reifegradmodell vorwiegend als Grundlage für die Optimierung oder für den Vergleich von Organisationen (Benchmarking) verwendet werden soll. 52 Konzeptionelle Grundlagen Die Struktur bezieht sich auf den logischen Aufbau des Reifegradmodells (rasterbasiertes, formal-strukturiertes oder hybrides Modell). Dadurch wird festgelegt, wie detailliert und systematisiert die Erhebung und Analyse des Gestaltungsbereichs durchgeführt wird. Das Reifekonzept legt den Gegenstand der Betrachtung genauer fest (Fokus auf Prozesse, Personen oder Objekte). Eine Kombination der Parameter ist ebenfalls denkbar [vgl. z. B. Gillies, Howard 2003]. Die Reifegraddefinition bestimmt das Vorgehen der Ableitung von Reifegraden (Top-Down oder Bottom-Up) und sollte mit Hinblick auf die Reife des Gestaltungsbereiches gewählt werden. Der Entwicklungspfad beschreibt inwieweit statische oder dynamische Gestaltungsempfehlungen gemacht werden. Je nach Wahl muss auch eine entsprechende Analysetechnik (stufenförmige oder kontinuierliche Repräsentation) angewendet werden. In Bezug auf die Anwendung des Reifegradmodells werden die folgenden Parameter differenziert: Die Erhebungsmethode spezifiziert, wer die Daten zur Beurteilung der Reife ermittelt (Selbstbeurteilung oder Fremdbeurteilung). Je nach Reife des Gestaltungsbereiches und Komplexität des Modells ist dafür professionelle Unterstützung notwendig (z. B. Assessment durch zertifizierte Berater). Ein Bestandteil der Erhebungsmethode stellt die Erhebungstechnik dar. Sie legt fest, wie die Daten konkret erhoben werden (Interviews, Umfrage, Beobachtung oder Dokumentenanalyse) und beeinflusst somit wesentlich die Form und Struktur der Daten. Die Realisierung bestimmt im Wesentlichen die Dauer der Datenerhebung und den Grad der Einbindung in die Organisation (punktuelle Erhebung oder in einem Projekt). Die Häufigkeit beschreibt, ob mehrere Erhebungen notwendig sind, oder die Untersuchung einer ganz bestimmten Person (Key Informant) ausreicht. Schliesslich sollte auch spezifiziert werden, welche Hilfsmittel zur Erhebung der Daten zur Verfügung gestellt werden (z. B. Handbücher, Checklisten, Softwaretools). Konzeptionelle Grundlagen 53 Merkmal Verwendungszweck Konzeption des Reifegradmodells Optimierung Struktur Rasterbasiert Hybrid Reifekonzept Prozessreife Personenreife Bewertung Formalstrukturiert Objektreife Reifegraddefinition Bottom-Up Top-Down Entwicklungspfad Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich) Erhebungsmethode Anwendung des Reifegradmodells Ausprägung Erhebungstechnik Unterstützt durch Dritte Selbstbeurteilung Interview Umfrage Beurteilung durch Dritte DokumentenBeobachtung analyse Realisierung Punktuell Projektbasiert Häufigkeit Einmalig Mehrmalig Hilfsmittel Keine Dokumentbasiert Computergestützt Abbildung 21: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen 3.3 Ontologien Die Ontologie ist eine Disziplin aus der theoretischen Philosophie, die sich primär mit dem Wesen des menschlichen Daseins sowie mit den Konstrukten zur Beschreibung fundamentaler Phänomene (z. B. Strukturen, Beziehungen, Eigenschaften) beschäftigt. Im Gegensatz dazu steht das Begriffsverständnis aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz-Forschung (Artificial Intelligence): „In the philosophical sense, we may refer to an ontology as a particular system of categories accounting for a certain vision of the world. As such, this system does not depend on a particular language [...]. On the other hand, in its most prevalent use in artificial intelligence, an ontology refers to an engineering artifact, constituted by a specific vocabulary used to describe a certain reality, plus a set of explicit assumptions regarding the intended meaning of the vocabulary words“ [Guarino 1998, S. 4]. 3.3.1 Ontologiebegriff In der WI wurde der Ontologiebegriff insbesondere durch die Definition von GRUBER geprägt, der eine Ontologie als „a formal, explicit specification of a shared conceptualisation“ charakterisierte [Gruber 1993, S. 199]. Folgt man diesem Begriffsverständnis, so ist es das Ziel einer Ontologie, die für eine problembezogene Verständigung innerhalb einer bestimmten Anwendungsdomäne konstituierenden Begriffe, de- 54 Konzeptionelle Grundlagen ren Bedeutung sowie die Menge der möglichen Beziehungen zwischen den Begriffen zu identifizieren und zu erklären [vgl. Mädche et al. 2001, S. 393]. Ontologien werden bspw. eingesetzt, um die Mensch-Maschinen-Interaktion (z. B. Informationssuche, Authoring) effizienter zu gestalten oder die Repräsentation und das Teilen von Wissen (z. B. für die Schulung von Mitarbeitenden oder Strukturierung von Forschungsvorhaben) zu erleichtern [vgl. Wand, Weber 1990, S. 1282; Fensel 2000, S. 8; Gruninger, Lee 2002, S. 40]. Untersuchungen im Hinblick auf die Systematisierung der Gestaltungsbereiche von Ontologien stossen auf das Problem, dass unterschiedliche Klassifikationen zur Charakterisierung von Ontologien angewendet werden. Eine gängige Unterscheidung erfolgt nach dem Grad der Abstraktion. In Anlehnung an GUARINO, WAND und WEBER können drei Abstraktionsebenen der Konzeptualisierung unterschieden werden [vgl. Guarino 1998, S. 9 f.; Wand, Weber 2004, S. iii]: Ontologien höchster Abstraktion (Upper, Generic, Common Sense, Top-level Ontologies) umfassen die fundamentalen Konstrukte für die generische Beschreibung der Realwelt. Sofern die Konstrukte ausreichend standardisiert und eindeutig beschrieben sind, können sie eine hohe Wiederverwendbarkeit erlangen. Beispiele von Top-level-Ontologien sind die Basic Formal Ontology [vgl. Institute for Formal Ontology and Medical Information Science 2009] oder die Suggested Upper Merged Ontology [vgl. IEEE Standard Upper Ontology Working Group 2009]. Ontologien mittlerer Abstraktion (Domain, Task, Middle-level Ontologies) beinhalten das zur Beschreibung einer Domäne (z. B. Medizin, Biologie, Wirtschaftsinformatik) oder einer generischen Aufgabe (z. B. Projektmanagement, Softwareentwicklung) notwendige Vokabular [vgl. z. B. National Center for Biomedical Ontology 2009]. Sie können somit als Spezialisierung einer Top-level-Ontologie betrachtet werden. Dadurch soll zum einen der Sprachgebrauch einer Domäne vereinheitlicht, zum anderen die Akquisition von Domänenwissen erleichtert werden. Ontologien geringster Abstraktion (Application, Low-level Ontologies) enthalten alle Konstrukte, die für die Beschreibung eines konkreten Anwendungsfalls nötig sind (z. B. alle Konstrukte zur Darstellung der Unternehmensarchitektur der Firma X). Demzufolge können sie als Spezialisierungen von Middle-level-Ontologien betrachtet werden. Eine andere, stärker durch das Subjekt der Konzeptualisierung (und weniger durch deren Abstraktionsgrad) bestimmte Klassifikation liefern HEIJST et al. und FENSEL Konzeptionelle Grundlagen 55 [vgl. Heijst et al. 1997, S. 192; Fensel 2000, S. 8 f.]. Sie unterscheiden u. a. die nachfolgenden Ontologien: Terminologische Ontologien (Terminological, Metadata Ontologies) definieren die erforderlichen Konstrukte zur Darstellung einer bestimmten Domäne oder eines bestimmten Anwendungsfalls [vgl. z. B. Lindberg et al. 1993]. Können sie domänen-übergreifend angewendet werden, so werden sie als Metadaten-Ontologien bezeichnet [vgl. z. B. The Dublin Core Metadata Initiative 2009]. Strukturierende Ontologien (Representational, Information Ontologies) definieren die für die Erstellung von Informationsmodellen anwendbaren Repräsentationsformalismen. Sie bestimmen deshalb massgebend die Ausdrucksmöglichkeit und Mächtigkeit der zur Beschreibung einer Domäne verwendeten Sprache. Ein Beispiel dafür ist die Frame-Ontology [vgl. Gerbaux, Gruber 1994]. Wissensbildende Ontologien (Knowledge Modelling Ontologies) spezifizieren das fundamentale Wissen einer Domäne. Im Vergleich zu terminologischen Ontologien verfügen sie über eine detailliertere Struktur der Wissensbasis (z. B. Ontologien für Expertensysteme) [vgl. z. B. Heathfield et al. 1994]. Des Weiteren lassen sich Ontologien auch nach ihrer Komplexität resp. ihrem Formalisierungsgrad differenzieren [vgl. Smith, Welty 2001, S. 6; Uschold, Gruninger 2004, Geringe Formalisierung Hohe Formalisierung S. 59 f.]. Prädikatenlogikba sierte Beschreibung Thesaurus Fra me-basierte Beschreibung Data Dictionary Taxonomie Katalog Glossar Textuelle Beschreibung Light-weight Ontologie Heavy-weight Onotologie Abbildung 22: Grad der Formalisierung von Ontologien37 37 Übernommen und adaptiert aus [Smith, Welty 2001; Uschold, Gruninger 2004]. 56 Konzeptionelle Grundlagen Basierend auf Abbildung 22 können zwei grundlegende Typen von Ontologien unterschieden werden: Gering formalisierte Ontologien (Light-weight Ontologies) beschreiben die relevanten Begriffe einer Domäne sowie die Beziehungen zwischen Begriffen und Eigenschaften. Automatisierte Schlussfolgerungen sind bei dieser Art von Ontologien nicht möglich. Deshalb werden sie ausschliesslich für die Repräsentation von Sachverhalten angewendet. Hoch formalisierte Ontologien (Heavy-weight Ontologies) erweitern Light-weight Ontologien insofern, dass sie Axiome und Einschränkungen hinzufügen, wodurch die beabsichtigte Bedeutung einzelner Aussagen innerhalb der Ontologie klarer wird und logische Schlussfolgerungen automatisierbar werden. 3.3.2 Zur Spezifikation von Ontologien Eine Ontologie ist demnach das Ergebnis einer ingenieurmässigen Handlung und gibt somit lediglich eine bestimmte, idealerweise breit akzeptierte Sichtweise hinsichtlich eines Realweltabschnitts wieder [vgl. Hesse 2002, S. 478]. Wie jedes Artefakt lassen sich auch Ontologien in Einzelteile zerlegen. Nach LOZANO-TELLO und GOMEZPEREZ werden Ontologien durch die folgenden Elemente bestimmt [vgl. LozanoTello, Gómez-Pérez 2004, S. 9 f.]: Klassen stellen begriffliche Konzepte der Realwelt dar (z. B. Auto, Kleinwagen, Sportwagen, Autohalter). Diese können in einer Struktur mit Über- und Unterklassen vorliegen (z. B. die Klasse Sportwagen ist eine Unterklasse von Auto). Instanzen repräsentieren konkrete Objekte einer Klasse (z. B. Mini Cooper ist eine Instanz der Unterklasse Kleinwagen und Überklasse Auto). Attribute stellen allgemeine Merkmale einer Klasse dar. Beispielsweise könnte die Klasse Auto Attribute wie Hersteller, Modell, Baujahr, Benzinverbrauch aufweisen. Relationen werden verwendet, um die Beziehungen zwischen Klassen oder Instanzen zu beschreiben (z. B. ein Auto gehört immer einem Autohalter). Ungleich wie bei anderen objektorientierten Modellierungssprachen, wie z. B. der Unified Modeling Language (UML), werden Relationen durch Attribute spezifiziert. Axiome sind Aussagen innerhalb einer Ontologie, die immer wahr sind. Diese werden normalerweise dazu verwendet, um Wissen abzuleiten, das nicht explizit durch Konzeptionelle Grundlagen 57 die Klassenstruktur ersichtlich ist (z. B. Kleinwagen haben einen geringeren Benzinverbrauch als Sportwagen). Für die Entwicklung formaler Ontologien spielen Beschreibungssprachen, Entwurfsmethoden und Werkzeuge wie z. B. Ontologie-Editoren, Reasoner etc. eine zentrale Rolle [vgl. Hesse 2002, S. 478]: Ontologiesprachen werden für die Beschreibung und Repräsentation des Wissens einer Domäne angewendet. Dabei lassen sich zwei Typen von Ontologiesprachen unterscheiden: Klassische Ontologiesprachen wie z. B. Ontolingua [vgl. Gruber 1993], Framelogic [vgl. Kifer et al. 1995] oder LOOM [vgl. MacGregor 1991] und webbasierte Ontologiesprachen wie z. B. das Resource Description Framework (RDF) [vgl. RDF Core Working Group 2004], Ontology Interchange Language (OIL) [vgl. Fensel et al. 2001] oder Web Ontology Language (OWL) [vgl. OWL Working Group 2009]. Klassische Ontologiesprachen basieren i. d. R. auf der Prädikatenlogik erster Ordnung und versuchen durch die formale Deklaration von Klassen, Instanzen und Relationen eine einheitliche Semantik der betrachteten Konstrukte zu formulieren. Grundlage webbasierter Ontologiesprachen ist meist die Extensible Markup Language (XML). Sie werden i. d. R. zur Beschreibung der Beziehungen von Webressourcen verwendet, jedoch ohne Annahmen auf deren Datenstruktur zu machen. Im Gegensatz zu den klassischen Ontologiesprachen liefern webbasierte Ontologiesprachen oftmals nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Formulierung von Axiomen. Methoden werden in erster Linie für den Entwurf, aber auch für die Vereinigung, Evaluation und das Reengineering von Ontologien verwendet [vgl. Corcho et al. 2003, S. 45]. In Bezug auf Entwurfsmethoden lassen sich anwendungsabhängige z. B. KACTUS [vgl. Schreiber et al. 1995], teilweise anwendungsabhängige z. B. SENSUS [vgl. Swartout et al. 1997] und komplett anwendungsunabhängige Ansätze z. B. CYC [vgl. Lenat et al. 1990] oder METHONTOLOGY [vgl. Fernandez et al. 1997] unterscheiden. Werkzeuge erleichtern die Erstellung und Evaluation von Ontologien. Während die erste Generation von Werkzeugen wie z. B. Ontolingua Server [vgl. Farquhar et al. 1996] oder Webonto [vgl. Domingue 1998] nur sehr ausgewählte Aktivitäten des Ontologieentwurfs unterstützten (z. B. Editierung, Evaluation, Veröffentlichung), so decken die Werkzeuge der neusten Generation praktisch den ganzen Lebenszyklus von Ontologien ab, d. h. von der Konzeption, Formalisierung, Evaluation, Ver- 58 Konzeptionelle Grundlagen einigung bis zur Veröffentlichung [vgl. Denny 2002]. Ein Beispiel eines aktuellen Ontologiewerkzeuges ist in Abbildung 23 illustriert. Abbildung 23: Darstellung einer Ontologie in Protégé38 3.3.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien Wie oben erläutert bilden Ontologien die konzeptionelle Grundlage für die Beschreibung eines Gestaltungsbereiches, indem sie die wesentlichen Konstrukte feststellen und ihre Beziehungen darstellen. Hierfür wurden die folgenden Parameter identifiziert (vgl. Abbildung 24): Der Verwendungszweck beschreibt die primäre Absicht der Ontologie, d. h. ob die Ontologie lediglich für die Repräsentation einer Domäne oder sogar für die Automation bestimmter Gestaltungsbereiche eingesetzt wird. Die Abstraktion bestimmt den Grad der Verallgemeinerung bei der Begriffsbildung. Bspw. müssen für die Beschreibung einer generischen Problemstellung sehr 38 Vgl. die Protégé Website (http://protege.stanford.edu/). Konzeptionelle Grundlagen 59 allgemeine, für die Erklärung einer Domäne oder Anwendung sehr spezifische Begriffe verwendet werden. Das Subjekt spezifiziert den Kern und Detaillierungsgrad einer Ontologie. Z. B. fokussieren terminologische Ontologien auf eher allgemeine Inhalte, wissensbildende Ontologien auf eher detaillierte Inhalte und strukturierende Ontologien auf die Gliederung der Inhalte. Zur konkreten Umsetzung der Ontologie muss die Wahl einer Ontologiesprache getroffen werden. Diese kann für die generelle Nutzung oder speziell für die Anwendung im World Wide Web ausgerichtet sein. Gekoppelt mit der Ontologiesprache ist oft auch die Entwurfsmethode. Dabei können anwendungsabhängige und anwendungsunabhängige Methoden gewählt werden. Die Umsetzung ist meist auch geprägt durch die Wahl eines Entwurfswerkzeuges. Je nach Verwendungszweck und Komplexität der Ontologie kann der Entwurf papierbasiert oder computergestützt erfolgen. Merkmal Konzeption der Ontologie Umsetzung der Ontologie Verwendungszweck Ausprägung Repräsentation Automation Abstraktion Allgemein Domäne Anwendung Subjekt Terminologie Struktur Wissen Sprache Axiomatisch Webbasiert Entwurfsmethode Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig Entwurfswerkzeug Papierbasiert Computergestützt Abbildung 24: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien 3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Zur Strukturierung der konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit werden in den vorangehenden Abschnitten drei Entwurfsmuster identifiziert: Design Pattern 1: Referenzmodellierung (bzw. Referenzmodelle) stellt das übergeordnete Konzept der vorliegenden Arbeit dar. Hierfür sind Parameter identifiziert worden, welche die Gültigkeit, Verwendung und „Referenz“ des Modells konkretisieren. 60 Konzeptionelle Grundlagen Design Pattern 2: Reifegradmodelle stellen eine spezielle Klasse von Referenzmodellen dar und bilden für die vorliegende Arbeit den Hauptbestandteil der Problemlösung. Das definierte Entwurfsmuster dokumentiert deshalb die spezifischen Parameter zur Konzeption und Umsetzung eines Reifegradmodells. Design Pattern 3: Das Ontologiekonzept wird dazu verwendet, um die Konstrukte des Reifegradmodells zu beschreiben. Es stellt somit das Fundament der Problemlösung dar. Auch hier sind spezifische Parameter zur Konzeption und Umsetzung einer Ontologie identifiziert worden. In Abbildung 25 sind die unterschiedlichen Entwurfsmuster zusammenfassend dargestellt. Merkmal Verwendungszweck Neuigkeitswert Generelle Merkmale Breite Tiefe Konstruktspezifische Merkmale Modellspezifische Merkmale Ausprägung Gestalten Entscheiden Lernen/Wissen Variante Version Innovation Branchenunabhängig Arbeitsgruppe Branchenabhängig Organisation Wertkette Gesellschaft Zielgruppe Management-orientiert Technologie-orientiert Verwendungszweck Repräsentation Automation Abstraktion Allgemein Domäne Anwendung Subjekt Terminologie Struktur Wissen Sprache Axiomatisch Webbasiert Entwurfsmethode Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig Entwurfswerkzeug Papierbasiert Computergestützt Verwendungszweck Optimierung Bewertung Struktur Rasterbasiert Hybrid Formal-strukturiert Reifekonzept Prozessreife Personenreife Objektreife Reifegraddefinition Bottom-Up Top-Down Entwicklungspfad Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich) Empfehlung Common-Practice Best-Practice Konfiguration Keine Generierend Erhebungsmethode Selbstbeurteilung Unterstützt durch Dritte Erhebungstechnik Interview Umfrage Nicht-generierend Beurteilung durch Dritte DokumentenBeobachtung analyse Realisierung Punktuell Projektbasiert Häufigkeit Einmalig Mehrmalig Hilfsmittel Keine Dokumentbasiert Computergestützt Abbildung 25: Morphologische Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen Analyse des Gestaltungsbereiches 61 4 Analyse des Gestaltungsbereiches Nebst einer klaren Vorstellung über die begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen ist auch eine genaue Spezifikation der mit der Artefaktkonstruktion beabsichtigten Wirkungen notwendig [vgl. Hevner et al. 2004, S. 85]. Dementsprechend ist es das Ziel dieses Kapitels die massgeblichen Anforderungen des zu entwickelnden Reifegradmodells zu identifizieren und in Form eines Anforderungskataloges zu operationalisieren. In der vorliegenden Arbeit bilden Organisationen des Typs „Krankenhaus“ den kontextuellen Rahmen der Artefaktkonstruktion. Diese unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Industrie- oder Handelsunternehmen. Deshalb werden in Abschnitt 4.1 zunächst die Besonderheiten der Beschaffung in Krankenhäusern erläutert39 und anschliessend in Abschnitt 4.2 empirische Untersuchungen sowie eigene Fallstudien vorgestellt, die den aktuellen Entwicklungsstand des Krankenhauseinkaufs darlegen. Schliesslich werden auf Basis dieser Erkenntnisse in Abschnitt 4.3 die Anforderungen an das zu entwickelnde Artefakt abgeleitet. 4.1 Beschaffung in Krankenhäusern Der Krankenhauseinkauf unterliegt zahlreichen endogenen und exogenen Rahmenbedingungen, welche seine Aufbau- und Ablauforganisation massgeblich beeinflussen. Um die Eigenheiten der Beschaffung in Krankenhäusern besser verstehen zu können, werden in einem ersten Schritt der Auftrag und die Typisierung von Krankenhäusern erklärt und in einem zweiten Schritt der Einkauf in den Kontext des Krankenhauses eingeordnet. 4.1.1 Auftrag und Typisierung von Krankenhäusern Gesundheit stellt in unserer Gesellschaft das höchste individuelle und soziale Gut dar. Demzufolge besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, dass die medizinische Grundversorgung sichergestellt ist [vgl. Oettle 1976, S. 101]. Um eine flächendeckende und bedürfnisspezifische medizinische Behandlung gewährleisten zu können, werden allgemein drei Versorgungsstufen unterschieden: 39 Für eine umfassendere Darstellung der Eigenheiten des Krankenhausumfelds vgl. z. B. [Flessa 2007; Haubrock, Schär 2007; Schmidt-Rettig, Eichhorn 2008; Salfeld 2009]. 62 Analyse des Gestaltungsbereiches Die primäre Versorgung (primary care) oder Hausarztmedizin stellt die ambulante Grundversorgung akuter oder chronischer Erkrankungen sicher. Die sekundäre Versorgung (secondary care) oder Schwerpunktversorgung übernimmt die weiterführende fachspezifische Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen oder Notfällen. Dies kann ambulant (z. B. Fachärzte) oder stationär (z. B. Akutspitäler) erfolgen. Die tertiäre Versorgung (tertiary care) oder Maximalversorgung richtet sich auf die Leistungserbringung in besonders spezialisierten oder aufwendigen Bereichen aus (z. B. Rehabilitationskliniken, Spezialklinik für Geriatrie). Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) werden „Krankenhäuser“ definiert als „[...] Institution[en], die Patienten zur stationären Untersuchung, Behandlung und Pflege aufnehmen“ [Bundesamt für Statistik 1997, S. 11]. Demzufolge können sie sowohl der sekundären als auch der tertiären Versorgung zugeordnet werden. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur primären Versorgung ist die Voraussetzung, dass dem Patienten eine dauernde und durchgehende Behandlung und Pflege (d. h. 24Stundenbetrieb über das ganze Jahr) geboten wird. Diesem Kriterium folgend, wurden im Jahr 2007 in der Schweiz insgesamt 321 Krankenhäuser (130 Allgemeine Krankenhäuser und 191 Spezialkliniken) vom BFS gezählt, was ungefähr 4,3 Krankenhäusern oder 540 Betten pro 100'000 Einwohnern entspricht [vgl. Bundesamt für Statistik 2009, S. 9]. Allerdings ist die Zahl der Krankenhäuser aufgrund der ersten Anzeichen einer steigenden Ökonomisierung der Branche rückläufig (vgl. Abbildung 26). 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 500 450 400 350 300 Legende Anzahl Krankenhäuser Anzahl Betten in 100 Abbildung 26: Rückgang der Anzahl Krankenhäuser und Betten zwischen 1999-200740 40 Auf Basis der Daten des BFS ermittelt [vgl. Bundesamt für Statistik 2009]. Analyse des Gestaltungsbereiches 63 Krankenhäuser lassen sich aufgrund mehrerer Merkmale voneinander unterscheiden. Mit Blick auf die Handlungsfreiheit eines Krankenhauses spielt die Trägerschaft eine bedeutende Rolle. Nach SCHMID handelt es sich dabei um „eine Person oder Organisation [...], die i. d. R. ein Gebäude besitzt oder über dieses verfügt zum hauptsächlichen Zweck der nicht nur vorübergehenden Vorhaltung und Erbringung stationärer Versorgungsleistungen“ [Schmid 2002, S. 3]. Je nach Art des Trägers lassen sich öffentliche, gemeinnützige und private Krankenhäuser unterscheiden [vgl. Greiling 2000, S. 88 f.]. In 2007 wurden nach Angaben vom BFS 130 Krankenhäuser durch eine private Trägerschaft und 191 durch die öffentliche Hand (z. B. Kantone, Gemeinden, öffentlichrechtliche Stiftungen) finanziert oder subventioniert [vgl. Bundesamt für Statistik 2009, S. 11]. Aus der öffentlichen Trägerschaft entstehen für die Krankenhäuser sowohl Vor- als auch Nachteile. Während privatwirtschaftliche Krankenhäuser dem Wettbewerb direkt ausgesetzt sind, ist die Existenz öffentlicher Krankenhäuser stets gesichert. Allerdings müssen sie als Abgeltung einen festgelegten Leistungsauftrag umsetzen und sind deshalb in ihrer Handlungsfreiheit hinsichtlich Standortwahl (z. B. Bindung an Kantonsgrenze), Leistungsspektrum (z. B. vorgeschriebene medizinische Ausrichtung), Ressourceneinsatz (z. B. vorgehaltene Kapazitäten) und Kundensegmentierung (z. B. Pflicht zur Aufnahme von Patienten) eingeschränkt. Beispiele von Bedingungen, die öffentliche Krankenhäuser im Rahmen eines Leistungsauftrags zu erbringen haben, sind: Aufrechterhaltung eines Notfalldienstes, Durchführung von Lehre und Forschung, Unterhalt bestimmter Infrastrukturen (z. B. festgelegte Anzahl Betten), Leistungserbringung für andere öffentlich-rechtliche Institutionen (bspw. Medikamentenlogistik für Alters- und Pflegeheime), Orientierung der Bevölkerung (bspw. Informationsveranstaltungen zu bestimmten medizinischen Themen). Nebst der Trägerschaft spielt auch die Typologie eines Krankenhauses eine wichtige Rolle in Hinblick auf die Spezialisierung der Organisation. Je nach Anzahl Leistungsstellen, d. h. Anzahl Pflegetage für ein bestimmtes medizinisches Fachgebiet, können Krankenhäuser in „Allgemeine Krankenhäuser“ und „Spezialkliniken“ unterteilt werden [vgl. Bundesamt für Statistik 2006, S. 4]. Betriebe mit 1-2 Leistungsstellen werden zu den Spezialkliniken gezählt. Es sind dies: 64 Analyse des Gestaltungsbereiches Rehabilitationskliniken, Psychiatrische Kliniken, Andere Spezialkliniken (z. B. Chirurgie, Gynäkologie, Pädiatrie, Geriatrie). Betriebe mit mehr als zwei Leistungsstellen, also einem breiteren Portfolio an medizinischen Leistungen, gehören in die Kategorie „Allgemeine Krankenhäuser“. Diese werden je nach Anzahl Patienten weiter unterteilt in: Krankenhäuser der Zentrumsversorgung ( 9’000 stationäre Fälle pro Jahr), Krankenhäuser der Grundversorgung (< 9'000 stationäre Fälle pro Jahr). Schliesslich gilt die Betriebsgrösse, gemessen an der Anzahl zur Verfügung stehender Betten, als weiteres Differenzierungsmerkmal. Hier sind beachtliche Unterschiede festzustellen: von 2'167 Betten des Universitätsspitals Genf bis 2 Betten des Ospedale casa di cura in Promontogno [vgl. H+ 2009]. In Hinblick auf die Marktanteile machen die vierzehn grössten Allgemeinen Krankenhäuser rund 30% der Pflegetage aus. 4.1.2 Aufgaben, Zielsetzungen und Rollen des Krankenhauseinkaufs Aufgabe des Krankenhauseinkaufs ist die Ermittlung der Bedürfnisse der Fachbereiche, das Einholen und Vergleichen von Angeboten, die Beurteilung und Auswahl von Lieferanten, das Führen von Preisverhandlungen, das Abwickeln von Bestellungen, die Terminüberwachung sowie die Handhabung von Reklamationen (vgl. Abbildung 27). Wahrnehmung eines Problems resp. Ermittlung der Bedürfnisse Beschreibung der Eigenschaften und Festlegung der Mengen der zu beschaffenden Materialien Suche nach potenziellen Bezugsquellen Einholen von Angeboten Bewertung der Angebote und Auswahl der Lieferanten Festlegung und Abwicklung des Bestellverfahrens Leistungskontrolle, Feedback und Neubewertung Abbildung 27: Schematische Darstellung des Aufgabenspektrums des Einkaufs41 41 In Anlehnung an [Robinson et al. 1967; Oppel 2003, S. 45; Kriegel, 2002, S. 21]. Analyse des Gestaltungsbereiches 65 Vorrangige Zielsetzung ist dabei die Gewährleistung des Güterflusses für die medizinische Leistungserbringung. Nebst der Sicherstellung medizinischer Zielsetzungen muss der Einkauf allerdings auch zur Erreichung der ökonomischen Ziele der Organisation bzw. der einzelnen Fachbereiche beitragen (vgl. Abbildung 28). Vision Orga nisa tionsziele Medizinische Ziele Ökonom. Ziele Produktqualität ... Prozesskosten Produktkosten Abbildung 28: Beeinflussung des Zielsystems des Krankenhauseinkaufs Demzufolge stehen die Entscheide, die der Einkauf fällen muss, stets in einem Spannungsverhältnis von Kostenreduktion, Leistungsverbesserung, Bedarf und Autonomieerhaltung [vgl. Haubrock 1997, S. 117; Drauschke 2002, S. 27]. In Anlehnung an KOPPELMANN sowie an TOPOROWSKI und ZIELKE können deshalb die folgenden Zielsetzungen des Krankenhauseinkaufs differenziert werden [vgl. Koppelmann 2004, S. 111 f.; Toporowski, Zielke 2006, S. 764]: Kostenziele beziehen sich auf den Aufwand für die Beschaffung der benötigten Materialien. Diese bestehen sowohl aus den Sachkosten als auch aus den Kosten für die Ausführung des Beschaffungsprozesses (z. B. Bestellabwicklung, Zahlungsabwicklung). Nach ULAGA sind bessere Preisverhandlungen sowie die Optimierung des Bestellverhaltens und der Bestandesführung mögliche Treiber zur Reduktion von Produkt- und Prozesskosten [vgl. Ulaga 2003, S. 681 f.]. Leistungssteigerungs-/Qualitätsziele beziehen sich auf die Beschaffenheit der zu besorgenden Materialien und die Modalitäten der Beschaffung. Mögliche Treiber zur Optimierung der Qualität sind die engere Zusammenarbeit mit den Fachbereichen (insbesondere dort wo das Fachwissen der zu beschaffenden Materialien ge- 66 Analyse des Gestaltungsbereiches ring ist), die rigorose quantitative und qualitative Wareneingangskontrolle oder die leistungsbezogene Selektion der Lieferanten [vgl. Stuart 1997, S. 233]. Sicherheitsziele beziehen sich auf ungeplante Ereignisse, welche sich auf den Beschaffungsprozess auswirken. Mögliche Treiber zur Steigerung der Versorgungssicherheit und Reaktionsgeschwindigkeit sind z. B. die systematische Erfassung und Bewertung von Markt- und Umweltrisiken oder die (risikogesteuerte) Entwicklung eines Lieferanten- und Produktportfolios. Flexibilitäts-/Unabhängigkeitsziele beziehen sich auf die Machtstruktur zwischen Nachfrager und Anbieter. Steht der Einkauf in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Lieferanten, so wird dadurch das Interesse zur Ausgestaltung partnerschaftlicher Beziehungen sowie die Ausgangslage zur Verhandlung von Preisen wesentlich beeinflusst. Nach RIEMER und KLEIN kann dieses Spannungsverhältnis bspw. durch das bewusste Management der sozialen Beziehungen minimiert werden [vgl. Riemer, Klein 2002, S. 17]. Um diesen verschiedenen Zielsetzungen gerecht zu werden, muss der Einkauf (resp. die Einkäufer) in der Lage sein, gleichzeitig unterschiedliche Rollen wahrnehmen zu können [vgl. Brumberg 2000]: Verhandlungspartner: Ein wichtiges Instrument zur Reduzierung der Kosten ist die erfolgreiche Durchführung von Vertragsverhandlungen und der Abschluss von Rahmenverträgen. Als Verhandlungspartner sollte der Einkäufer nicht kurzfristige Kostenoptimierungen, sondern langfristige partnerschaftliche Beziehungen mit den wichtigsten Lieferanten anstreben. Transaktionsabwickler: Die Beschaffung von Materialien (insbesondere von indirekten Gütern und Commodities) ist eine stark transaktionsorientierte Aufgabe. Als Transaktionsabwickler muss der Einkäufer dafür sorgen, dass wiederkehrende Tätigkeiten wie z. B. die Durchführung von Angebotsvergleichen oder Bestellung effizient und kostengünstig ablaufen. Controller: Ein detailliertes Reporting und Controlling der Transaktionen und die Klassifizierung der Materialgruppen bilden die Grundlage für die Optimierung der Beschaffungsprozesse. Demzufolge muss der Einkäufer zur Erreichung kostenund qualitätsbezogener Ziele weitreichende Kenntnisse als Controller aufweisen. Servicepartner: Nebst der Gewährleistung der Beschaffung von Standardprodukten sollte der Einkauf die Bedarfsträger ebenfalls bei der Spezifikation und Bedarfsermittlung individueller Lösungen unterstützen. Als Servicepartner kann der Einkäu- Analyse des Gestaltungsbereiches 67 fer demnach einen Mehrwert für die Fachbereiche generieren. In Bezug auf die Lieferanten kann der Einkäufer durch Mitwirkung in gemeinsamen Optimierungsprojekten und Produktentwicklungen ebenfalls einen Beitrag leisten. Marktanalyst: Durch die Analyse des Beschaffungsmarktes erhält der Einkäufer die notwendigen Informationen hinsichtlich Kosten und Verfügbarkeit der Materialien. Dadurch stellt er sicher, dass Engpässe, aber auch effizientere Alternativen bestimmter Produkte frühzeitig erkannt werden. Auditor: Als Auditor stellt der Einkäufer sicher, dass für die Deckung der betrieblichen Bedürfnisse die richtigen Lieferanten identifiziert werden. Hierfür sind insbesondere Kenntnisse im Umgang mit der Bewertung und Auswahl von Lieferanten notwendig. 4.1.3 Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs Die Organisation des Krankenhauseinkaufs kann je nach Veränderlichkeit, Häufigkeit, Ähnlichkeit, Spezifität sowie dem Grad der Strukturiertheit der Einkaufsaufgaben auf unterschiedliche Weise erfolgen [vgl. Arnold 2003, S. 146]. In Anlehnung an KRIEGEL und PADBERG können im Kontext des Krankenhauses die folgenden Organisationsformen unterschieden werden [vgl. Kriegel 2002, S. 22; Padberg 2006]: Zentraler Einkauf: Besteht eine hohe Ähnlichkeit der Einkaufsaufgaben der einzelnen Fachbereiche, so wird die Beschaffung i. d. R. in einer zentralen Organisationseinheit zusammengefasst. Diese deckt nahezu alle taktischen und operativen Aufgaben der Beschaffung ab (bspw. Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Vertragsverhandlungen). Dezentraler Einkauf: Sind die Einkaufsaufgaben der einzelnen Fachbereiche sehr spezifisch, werden erfolgsentscheidende Verantwortlichkeiten für die Einkaufsaktivitäten nicht an eine zentrale Organisationseinheit vergeben, sondern (dezentral) direkt durch die Bedarfsträger übernommen. Sowohl das Verwaltungspersonal als auch das medizinische und pflegerische Personal entscheiden über die zu bestellenden Artikel, das Bestellvolumen sowie über die jeweiligen Preis- und Lieferkonditionen. Der Einkauf verkommt somit zum „Bestellbüro“, das die Bestellungen der Bedarfsträger entgegennimmt, im besten Fall die Ordnungsmässigkeit der ausgefüllten Bestellscheine prüft und anschliessend den Bestellvorgang auslöst [vgl. Padberg 2006]. 68 Analyse des Gestaltungsbereiches Hybridform: Ist die Aufgabenteilung zwischen dem Einkauf und den Fachbereichen nicht klar abgrenzbar, wird eine Hybridform der oben genannten Organisationsformen implementiert. Hierbei können Verträge dezentral verhandelt (z. B. durch eine Lead-Buyer-Einheit, die verbindliche Einkaufsrichtlinien erfüllen muss), die Bestellungen der Kliniken aber zentral durch die Einkaufsabteilung abgewickelt werden. Ausgelagerter Einkauf: Weisen die Fachbereiche sehr stabile und repetitive Einkaufsaufgaben auf oder ist die eigenständige Abwicklung im Vergleich zur externen Aufgabenerfüllung ineffizient, so können die taktischen und operativen Aufgaben der Beschaffung (bspw. Bedarfsermittlung, Bestellabwicklung) einem Dienstleister übertragen werden. Netzwerk: Ist die eigenständige Abwicklung der Einkaufsaufgaben im Vergleich zur externen Aufgabenerfüllung ineffizient und besteht gleichzeitig die Angst vor einer zu stark ausgeprägten Abhängigkeit von einem Dienstleister, so ist als Alternative die partnerschaftliche Zusammenarbeit oder die vertraglich geregelte Partnerschaft mit anderen Krankenhäusern denkbar (z. B. Einkaufsverbund, strategische Allianzen). In Abbildung 29 sind die diskutierten Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs nochmals schematisch dargestellt. Zentraler Einkauf Ausgelagerter Einkauf Mgmt. Mgmt. Einka uf Fa chbereiche Fa chbereiche Dezentraler Einkauf DL Netzwerk (Einkaufskooperation) Mgmt. Einkauf Fa chbereiche Hybridform (Lead-Buyer Konzept) Mgmt. Legende Verantwortlicher der Beschaffung Einkauf Lea d Fachbereiche Bedarfsträger Abbildung 29: Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs Analyse des Gestaltungsbereiches 69 4.1.4 Einordnung in die Versorgungskette des Krankenhauses Ungeachtet der Organisationsform spielt der Einkauf eine zentrale Vermittlerfunktion innerhalb der Versorgungskette (Supply Chain) eines Krankenhauses, indem er die Angebotsseite (z. B. Hersteller, Distributoren) mit der Nachfrageseite (z. B. Kliniken, Logistik, Technische Dienste) verbindet (vgl. Abbildung 30). Angebotsseite Nachfrageseite Lokale Hersteller Grosshändler Distributoren Pharmaunternehmen Importeure Logistik Kliniken Patienten Einkauf Rechnungswesen Andere Krankenhäuser Technische Dienste Versicherungen Abbildung 30: Versorgungskette aus dem Blickwinkel des Krankenhauseinkaufs Das Spektrum der zu beschaffenden Materialien reicht von indirekten Gütern wie Büromaterial und Drucksachen bis hin zu hoch komplexen Materialien wie Operationsinstrumenten, Implantaten, etc. (vgl. Abbildung 31). Teilweise fällt auch die Beschaffung von Dienstleistungen (z. B. Instandhaltung, Entsorgung, Energie, Sterilisation) und Investitionsgütern (z. B. Medizintechnik, IT-Mittel) in das Aufgabenprofil des Krankenhauseinkaufs.42 In Anlehnung an SIEPERMANN und WALTHER lassen sich aufgrund der Relevanz für die primäre Leistungserstellung und der Nähe zu den Patienten dabei drei Materialgruppen unterscheiden [vgl. Siepermann 2004, S. 57; Walther 2005, S. 64]: Patientennahe Güter: Darunter fallen alle Materialien, die eine hohe Relevanz für die primäre Leistungserstellung haben, wie bspw. Arzneimittel und Medizinprodukte. 42 Die Zahl der durch den Einkauf zu beschaffenden Materialien variiert stark und ist auch vom Aufgabenprofil abhängig. Die Untersuchung von drei Schweizer Krankenhäusern hat gezeigt, dass der Einkauf zwischen 8'000 und 14'000 Artikel bewirtschaftet (vgl. Abschnitt 4.2.2). 70 Analyse des Gestaltungsbereiches Patientenbezogene Güter: Darunter fallen alle Materialien, die eine mittlere Relevanz für die primäre Leistungserstellung haben, allerdings von den Patienten direkt wahrgenommen werden (z. B. Lebensmittel, Wäsche). Patientenentfernte Güter: Darunter fallen alle Materialien, die für die Leistungserstellung zwar gebraucht werden, aber von den Patienten nicht wahrgenommen werden (z. B. Verwaltungsbedarf, Energie, Wasser, Brennstoffe). Hohe Relevanz für die primäre Leistungserstellung Patientennahe Güter Medizinischer Sachbedarf (Medikamente, Laborbedarf, etc.) Sterilisationsgüter Patientenbezogene Güter Geringe Relevanz für die primäre Leistungserstellung Betten Lebensmittel Wäsche Patientenentfernte Güter Wasser, Energie, Brennstoffe Verwaltungsbedarf (Schreibwaren, EDV-Zubehör, etc.) Fern vom Patienten Nahe am Patienten Abbildung 31: Spektrum der zu beschaffenden Güter eines Krankenhauses43 Aufgrund der Diversität der zu beschaffenden Materialien muss der Einkauf deshalb eine relativ breite Wissensbasis aufweisen (d. h. Unternehmens-, Materialien-, Lieferanten- und Branchenwissen). Fehlt dieses Wissen, so bleiben die Aktionen des Einkäufers oft erfolglos [vgl. Büsch 2007, S. 4]. Gleichzeitig spielt das Standesbewusstsein der Ärzte und Apotheker bzw. deren Wille zur Kooperation mit dem Einkauf eine wesentliche Rolle [vgl. Drauschke 2002, S. 24]. Empfindet das medizinische Personal eine Beschränkung ihres Einkaufsverhaltens oder des Materialsortiments als Macht43 Übernommen aus [Mettler, Rohner 2008, S. 91]. Analyse des Gestaltungsbereiches 71 verlust, so wird dem Einkauf weniger die Vermittlerfunktion, sondern vielmehr die des Erfüllungsgehilfen zugesprochen. Folglich werden Bestellungen oft bewusst unter Umgehung des Einkaufs getätigt (sog. Maverick Buying). 4.1.5 Einordnung in die Wertkette des Krankenhauses Im Gegensatz zur Versorgungskette, welche in erster Linie die überbetriebliche Wertschöpfung betrachtet, bezieht sich die Wertkette (Value Chain) ausschliesslich auf die intraorganisationalen Bereiche. Nach PORTER und OLMSTED-TEISBERG basiert das Konzept auf der Annahme, dass die Ursachen für Wettbewerbsvorteile auf dem Abstraktionsniveau der Organisation nur sehr schwer zu erkennen sind und deshalb die Wertschöpfung auf Basis einzelner Aktivitäten untersucht werden soll [Porter, Olmsted-Teisberg 2006, S. 5]. Ziel ist dabei die Lokalisierung derjenigen Aktivitäten, die man im Vergleich zu Wettbewerbern relativ besser oder billiger erbringen kann Sekundäre Aktivitäten und diese dann systematisch weiterentwickelt und ausbaut. Die Aktivitäten werden hierfür in primäre und sekundäre Aktivitäten unterteilt (vgl. Abbildung 32). Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung Beschaffung Eingangslogistik Medizinische Leistungserbringung Wissensmanagement Information Ausgangslogistik Bewertung Zugang Diagnose Vorbereitung Behandlung Marketing & Kommunikation Pflege Nachbehandlung Primäre Aktivitäten Abbildung 32: Wertkette eines Krankenhauses44 44 Übernommen und adaptiert aus [Porter, Olmsted-Teisberg 2006, S. 203]. 72 Analyse des Gestaltungsbereiches Die primären Aktivitäten folgen dem Behandlungsverlauf eines Patienten und werden durch die idealtypischen Aufgaben wie Diagnose, Vorbereitung, Behandlung, Pflege, Nachbereitung (vertikaler Verlauf) und Informationsverarbeitung (horizontaler Verlauf) abgebildet. Zusätzlich zur medizinischen Leistungserbringung werden auch die Eingangs- und Ausgangslogistik sowie Marketing und Kommunikation zu den Primäraktivitäten gezählt. Zu den sekundären Aktivitäten eines Krankenhauses gehören Tätigkeitsfelder, welche die medizinische Behandlung direkt oder indirekt unterstützen wie die Bereitstellung der Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und schliesslich auch die Beschaffung von Materialien. Eine weit verbreitete Meinung ist deshalb, die Beschaffung als reinen Kostentreiber zu sehen. Dadurch wird dem Einkauf generell eine eher geringe Bedeutsamkeit innerhalb eines Krankenhauses eingeräumt. Die „mangelnde Sichtbarkeit“ für das Management hat zur Folge, dass ausserordentliche Einspar- und Ertragsmöglichkeiten oftmals vernachlässigt werden, welche sich bspw. aus einer internen Umstrukturierung (z. B. Entwicklung interner Märkte, Insourcing), vertikalen Integration (z. B. die fachübergreifende Spezifikation von Einkaufsleistungen) oder horizontalen Integration (z. B. die Bildung von Einkaufskooperationen oder Partnerschaften mit Zulieferern für die Entwicklung neuer Leistungen) ergeben könnten. 4.2 Aktueller Stand der Praxis Aufgrund der bisherigen Vergütungsregelung, insbesondere öffentlicher Krankenhäuser, war der Anreiz zur Kostensenkung eher gering und demzufolge die Effektivität und Effizienz des Krankenhauseinkaufs nebensächlich. Dies führt dazu, dass heute der Krankenhauseinkauf im Vergleich zum Einkauf von Industrieunternehmen einen unterdurchschnittlichen Grad an Professionalität aufweist [vgl. Oppel 2003, S. 49]. Um die Anforderungen an das zu entwickelnde Reifegradmodell ableiten zu können, soll an dieser Stelle eine Betrachtung des gegenwärtigen Standes der Praxis erfolgen. Hierfür werden zunächst aktuelle empirische Untersuchungen analysiert und anschliessend die Ergebnisse eigener Fallstudien diskutiert. Analyse des Gestaltungsbereiches 73 4.2.1 Empirische Untersuchungen Trotz der traditionell geringen Bedeutung des Beschaffungsmanagements (Supply Management) in Krankenhäusern konnten zahlreiche Studien identifiziert werden, welche die Thematik aus einem betriebswirtschaftlichen und/oder technologischen Blickwinkel betrachten. Die Auswahl erfolgt anhand von drei Kriterien: Zum einen müssen die Untersuchungen einen expliziten Bezug zur Beschaffung in Krankenhäusern aufweisen, zum anderen sollen die Erkenntnisse empirisch fundiert sein sowie einen starken Praxisbezug demonstrieren. Des Weiteren wird die Auswahl weitestgehend auf den deutschsprachigen Raum begrenzt, um sicherzustellen, dass die Erkenntnisse in Hinblick auf das Schweizer Gesundheitssystem übertragbar sind. Diesen Kriterien folgend sind insgesamt 12 Studien analysiert worden. Die Erkenntnisse dieser Literaturanalyse sind in Tabelle 7 zusammengefasst: Quelle Gegenstand Methode [Drauschke 2002] Untersuchung der aktuellen Herausforderungen der Beschaffung in deutschen Krankenhäusern Nicht genau spezifiziert; Annahme: Erfahrungen aus Pilotprojekten Erkenntnisse Der Einkauf ist vorwiegend mit der Beschaffung von Standardprodukten beschäftigt, obwohl diese nur 10-20% des Aufwands ausmachen. Die Produktkosten machen rund 80%, die Prozesskosten die restlichen 20% des Gesamtaufwands aus. Es wird geschätzt, dass durch besseres Verhandeln 2-5%, durch Lieferantensegmentierung 1015% und durch Kooperation mit Lieferanten (bspw. in der Produktentwicklung, Beschaffungslogistik) insgesamt 15-30% der Kosten eingespart werden können. Um nachhaltigen Einkaufserfolg zu erzielen sollte der Anteil an strategischen SourcingAktivitäten wie z. B. Einkaufscontrolling, Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenbeurteilung etc. erhöht werden. Elektronische Marktplätze können aufgrund des geringen Reifegrads der Beschaffung nicht überall eingesetzt werden. Die grössten Herausforderungen werden dabei in der fehlenden Akzeptanz des Managements, dem mangelnden Fachwissen der Einkäufer, dem Statusdenken der Mediziner sowie der bewussten Umgehung des Einkaufs durch die Lieferanten gesehen. 74 Analyse des Gestaltungsbereiches Quelle Gegenstand Methode [Kriegel 2002] Untersuchung der Möglichkeiten der elektronischen Beschaffung sowie des Outsourcings von Logistikaufgaben in deutschen Krankenhäusern Telefonische Befragung von 35 Einkaufsleitern Erkenntnisse Der Einkauf in den befragten Krankenhäusern ist vorwiegend zentral organisiert. 80% sind Mitglied in einer Einkaufsgemeinschaft. Der Grossteil der befragten Krankenhäuser sieht die Möglichkeit des Outsourcings als sinnvolle Alternative, jedoch bestehen Ängste hinsichtlich des Verlustes der eigenen Position, Machtbefugnisse etc. Die Aufgaben des Einkaufs sind v. a. operativer Art; strategische Fragestellungen wie z. B. Lieferantenmanagement werden weniger adressiert. Die Nutzung elektronischer Services in der Beschaffung ist sehr gering, nicht zuletzt weil die internen Voraussetzungen noch geschaffen werden müssen und die Angebote der Lieferanten mangelhaft sind. Das Internet wird vorwiegend zur Informationsbeschaffung genutzt; spezielle Lösungen wie z. B. elektronische Marktplätze, Supplier SelfService oder elektronische Auktionen werden von den meisten noch nicht genutzt. [Boston Consulting Group 2003] Untersuchung der aktuellen Trends im Beschaffungsmanagement von Krankenhäusern Schriftliche Befragung von 80 kaufmännischen Leitern deutscher Krankenhäuser Einkaufsentscheide für den medizinischen Sachbedarf wird überwiegend in interdisziplinären Teams getroffen. Reduzierung des Lieferantenportfolios, regelmäßige Überprüfung der Qualität und Konditionen sowie eine stärkere Zentralisierung und Bündelung werden von den Krankenhäusern bei etwa 60% der Medizinprodukte eingesetzt. Der Preis spielt bei der Auswahl eines Produktes eine dominante Rolle; Prozesskosten werden in den wenigsten Krankenhäusern in die Entscheidungsfindung miteinbezogen. Lediglich 35% der betrachteten Krankenhäuser nutzen Einkaufsgemeinschaften in nennenswertem Umfang. Partnerschaften mit Lieferanten werden heute noch zu wenig professionell geführt. Insbesondere Prozesskosten bleiben bei der Partnerwahl noch zu wenig berücksichtigt. Es wird geschätzt, dass durch eine konsequente Umsetzung aller relevanten Hebel des Supply Managements in Deutschland jährlich ca. 2,6 Mrd. Euro eingespart werden können. Analyse des Gestaltungsbereiches Quelle Gegenstand Methode [Frost and Sullivan 2003] Untersuchung des Standes der elektronischen Beschaffung in europäischen Krankenhäusern Nicht genau spezifiziert; Annahme: Interviews, Sekundärdatenanalyse 75 Erkenntnisse Deutschland und Grossbritannien nehmen eine Vorreiterrolle im Einsatz von E-Business im Krankenhaus ein. Elektronische Marktplätze sind erst im Aufbau und liefern noch keine durchgängige Prozessunterstützung. Es wird geschätzt, dass in Zukunft 75-80% des Einkaufsvolumens durch elektronische Mittel beschafft werden kann. Die grössten Herausforderungen bei der Optimierung des Einkaufs werden aktuell in den divergierenden Interessen der Berufsgruppen eines Krankenhauses, der fehlenden technischen Infrastruktur sowie dem geringen Budget für Organisationsgestaltungsprojekte gesehen. [Offermanns 2003] Breite Untersuchung aktueller Themen im Bereich des Krankenhausmanagements u. a. des Bereiches Beschaffung und Logistik Schriftliche Befragung von 409 deutschen Krankenhäusern Der Grossteil der befragten Krankenhäuser beschafft den medizinischen sowie den Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf zentral. Der Einkauf von Dienstleistungen (z. B. für die Instandhaltung) wird weniger zentralistisch geplant. In der Beschaffung des medizinischen Sachbedarfs hat die Erzielung des besten Preises und die Optimierung der Beschaffungskette eine höhere Priorität als die Reduktion der Lieferantenzahl, das Bündeln der Nachfrage und die Standardisierung des Sortiments. Für den nichtmedizinischen Sachbedarf ist diese Ausprägung noch stärker vorhanden. Die wichtigsten Kriterien zur Auswahl der Lieferanten sind der Preis, die Produktqualität und die Lieferzuverlässigkeit. Als weniger wichtig erachtet wurden der Markenname, Referenzen, die Servicepalette und Produktbreite, die lokale Marktpräsenz sowie die Fähigkeit des Lieferanten die Bestellabwicklung elektronisch zu unterstützen. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser verwenden strukturierte oder formlose Papierformulare für die Bedarfsmeldung. Lediglich 20-30% der Krankenhäuser verwenden ein elektronisches Bestellanforderungssystem oder Barcode Scanner. Die Bedarfsmeldung wird grösstenteils durch das Pflegepersonal durchgeführt. Nur in 19% der Krankenhäuser sind hierfür spezialisierte Versorgungsassistenten zuständig. 76 Analyse des Gestaltungsbereiches Quelle Gegenstand Methode [Oppel 2003] Untersuchung der Anforderungen an die Nutzung elektronischer Marktplätze in Krankenhäusern Schriftliche Befragung und halbstrukturierte Interviews mit 13 Krankenhausvertretern resp. mit Betreibern elektronischer Marktplätze Erkenntnisse Im Bereich der Materialwirtschaft ist die Nutzung von IT heute üblich (z. B. Bestandesführung des Zentrallagers). Das Internet wird allerdings lediglich für die Beschaffung von Informationen und für die Kommunikation (z. B. E-Mail) verwendet. Den Nutzen des Einsatzes elektronischer Marktplätze zur Beschaffung wird v. a. in Preisund Kostenvorteilen (z. B. durch Vereinfachung des Bestellprozesses), aber auch in der besseren Markttransparenz gesehen. Die wichtigsten Kriterien elektronischer Marktplätze sind ihre Integrationsfähigkeit, die Anzahl und Auswahl von Lieferanten, die Sicherheit, die intelligente Produktsuche sowie die an Bedarfspunkte festgelegte Bestellmöglichkeit. In Bezug auf Umfang der Nutzung und zeitliche Einführung elektronischer Marktplätze sind die Befragten allerdings unsicher. Falls Marktplätze genutzt werden, dann in der Regel lediglich für die Bestellabwicklung von Verbrauchsmaterialien. [Centrale für Coorganisation 2004] Untersuchung der Kosten und des Nutzens der Einführung des elektronischen Datenaustauschs zwischen Krankenhaus und ClearingDienstleister Erfahrungen aus Pilotprojekt in zwei deutschen Krankenhäusern Durch die Einführung des elektronischen Datenaustauschs konnten im Vergleich zur papierbasierten Prozessabwicklung Einsparungen von 30-43% erzielt werden. Von den Lieferanten waren allerdings weniger als 50% in der Lage den Datenaustausch ebenfalls elektronisch durchzuführen. Dennoch ergaben sich qualitative Vorteile v. a. in Bezug auf die Informationsqualität (z. B. Verfallsdaten, Gewichtangaben etc.) und Rechtssicherheit (z. B. Rückverfolgung dokumentationspflichtiger Produkte). Es wird davon ausgegangen, dass die weitere Optimierung der Prozesse die Grundlage für eine weitere Zentralisierung der Beschaffungsfunktion ist bzw. im Hinblick auf den Zusammenschluss mit anderen Krankenhäusern erforderlich sein wird. Eine weitere Annahme ist, dass sich eine fehlende technische Vernetzungsfähigkeit stark negativ auf das Geschäftsergebnis eines Krankenhauses resp. eines Lieferanten auswirken wird. Analyse des Gestaltungsbereiches Quelle Gegenstand Methode [Krütten et al. 2005] Untersuchung der mittelfristig erwarteten Entwicklungen in der Krankenhausbeschaffung Interviews mit 30 Unternehmen des Gesundheitswesens aus Deutschland und den USA 77 Erkenntnisse Die bisherigen Kooperationsaktivitäten zwischen den deutschen Krankenhäusern haben zu deutlicher Preiserosion und Renditeeinbussen geführt (die 20 grössten Einkaufsgemeinschaften und Krankenhausgruppen machen rund 50% des Einkaufsvolumens aus). Das Geschäftsgebaren der Einkaufskooperationen ist unterschiedlich, von unverbindlichem und opportunistischem bis hin zu verbindlichem Verhalten. Betriebswirtschaftliches Denken tritt vermehrt in den Vordergrund und klinisch-orientierte Einkaufsentscheide nehmen tendenziell ab. Die strategische Bedeutung elektronischer Marktplätze wird als begrenzt eingeschätzt, da sich das Gesundheitswesen in einer Konsolidierungsphase befindet und deshalb die Bündelung der Nachfrageseite en passant stattfindet. Beziehungsmanagement zu Kostenträgern, Einweisern, Patienten und Lieferanten wird als Schlüssel zur Erlösoptimierung gesehen. [Blum et al. 2006] Untersuchung des aktuellen Standes des Beschaffungsmanagements in Krankenhäusern und Herleitung von Entwicklungstrends Interviews mit 20 Krankenhausdirektoren und Einkaufsleitern deutscher Krankenhäuser Die Optimierung des Supply Managements hat lediglich in Ansätzen stattgefunden; es wird geschätzt, dass 20-25% der Produktkosten und bis zu 20% der Prozesskosten noch eingespart werden können. Lediglich 20% der Krankenhäuser messen ihren Beschaffungserfolg. 80% der Krankenhäuser beschaffen den Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf zentral, während es beim medizinischen Bedarf lediglich 74% sind. Die Einkaufsentscheide werden immer noch stark preisgetrieben gefällt. Die Bestellabwicklung wird von den meisten Krankenhäusern heute immer noch überwiegend papierbasiert durchgeführt. Die Einbindung der Lieferanten in den Informationsfluss ist nicht üblich. Als zentrale Hebel zur Optimierung des Supply Managements werden die Forcierung des Lieferantenwettbewerbs, die Sortimentstandardisierung, die Weiterentwicklung der Prozesse sowie die Vernetzung der IT-Systeme gesehen. Die fortschreitende Konsolidierung des Krankenhausmarktes wird die Rolle der Einkaufsgemeinschaften zusätzlich stärken. 78 Analyse des Gestaltungsbereiches Quelle Gegenstand Methode [E-Business Watch 2007] Untersuchung der Verbreitung und des Einsatzes elektronischer Mittel für die Beschaffung in Krankenhäusern und Vergleich mit anderen Branchen Telefonische Befragung von 25'000 Unternehmen in Europa (branchenübergreifend) kombiniert mit 75 Fallstudien aus dem Gesundheitswesen Im Vergleich zu anderen Branchen ist im Gesundheitswesen die Infrastruktur zur Nutzung des Internets breiter vorhanden; trotz der besseren Infrastruktur werden E-Business Lösungen vergleichsweise wenig genutzt. Untersuchung des Einsatzes elektronischer Mittel für das Lieferantenbeziehungsmanagement in Krankenhäusern Erfahrungen aus Pilotprojekt in einem Schweizer Krankenhaus Strategische und taktische Instrumente in der Beschaffung (z. B. Lieferantensegmentierung, Bündelung der Nachfrage) werden nur sehr rudimentär angewendet. [Mettler, Rohner 2008] Erkenntnisse Kleinere Krankenhäuser scheinen in allen Belangen der IT-Nutzung (interne sowie externe Vernetzung) im Vergleich zu Grosskliniken weniger entwickelt zu sein. Barrieren zur Einführung der elektronischen Beschaffung werden in der Datensicherheit und in der Höhe der Investitionskosten gesehen; eine weitere Hürde ist die Vielzahl der im Gesundheitswesen angewendeten Datenaustauschstandards. Elektronische Mittel werden v. a. für die Optimierung operativer Tätigkeiten genutzt (z. B. Bedarfsmeldung, Bestellung). Der Professionalitätsgrad der Einkaufsgemeinschaft ist noch sehr gering resp. erst im Aufbau begriffen. Die Kooperation mit Lieferanten ist heute auf ein Minimum beschränkt; Potentiale aus der engeren Zusammenarbeit (z. B. kooperative Produktentwicklung) werden heute noch nicht ausgenutzt. [Mettler, Rohner 2009b] Untersuchung der Verbreitung und des Einsatzes elektronischer Mittel für die Beschaffung in Krankenhausapotheken Interviews mit drei Krankenhausapothekern kombiniert mit Dokumentenanalyse Die Beschaffung des medizinischen Sachbedarfs wird vorwiegend durch die Krankenhausapotheke abgewickelt; in kleineren Krankenhäusern ist die Apotheke für die gesamte Beschaffung verantwortlich. Der Einsatz von IT in den Apotheken verfolgt unterschiedliche Ziele, von der rein internen Optimierung bis hin zu Verbesserung der gesamten Versorgungskette. Die grössten Herausforderungen sind die schlechte Datenqualität aufgrund von Medienbrüchen (z. B. manuelle Erfassung von Lieferscheinen) und der hohe Aufwand für die Bestandesführung (insbesondere auf den Stationen). Tabelle 7: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus aktuellen Studien Analyse des Gestaltungsbereiches 79 4.2.2 Fallstudien In der Forschung werden Fallstudien dazu eingesetzt ein klar abgegrenztes Phänomen in seinem natürlichen Kontext im Detail zu untersuchen [vgl. z. B. Cavaye 1996, S. 229; Yin 2002, S. 1]. Die damit verfolgten Zielsetzungen sind vielfältig und reichen von der reinen Beschreibung, der Generierung von Hypothesen bis hin zur Entwicklung und dem Testen von Theorien [vgl. z. B. Benbasat et al. 1987, S. 370; Eisenhardt 1989, S. 548; Darke et al. 1998, S. 275]. Der Erkenntnisfortschritt von Fallstudien ist allerdings oft umstritten [vgl. Smith 1990, S. 126 f.; Lincoln, Guba 2000, S. 27 f.]. Um den wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, bedarf es demnach einer besonders sorgfältigen Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation. 4.2.2.1 Fallauswahl und -eingrenzung Während eine einzelne Fallstudie (Single Case Study) i. d. R. dazu eingesetzt wird, um besonders typische oder ungewöhnliche Situationen zu beschreiben, nutzt man die Mehrfach-Fallstudie (Multi-Case Study) zur Betrachtung unterschiedlicher Kontexte resp. des Querschnitts eines Phänomens [vgl. Stake 2006, S. 23]. Um einen möglichst breiten Überblick des aktuellen Standes und der detaillierten Problemstellungen zu erhalten wurden deshalb verschiedene Krankenhäuser untersucht. Die Auswahl erfolgte nach den Differenzierungsmerkmalen Typologie, Geographie, Betriebsgrösse, Einkaufsorganisation sowie nach dem Grad der Standardisierung der beschaffungsverantwortlichen Organisationseinheit (vgl. Tabelle 8). Merkmal Fall A Fall B Fall C Typologie Krankenhaus der Grundversorgung Krankenhaus der Zentrumsversorgung Krankenhaus der Zentrumsversorgung Geographie Ländlich Sub-urban Urban Betriebsgrösse 185 Betten 530 Betten 730 Betten Patienten pro Jahr 7'000 stationär 23'000 stationär 32'000 stationär 24'000 ambulant 315'000 ambulant 161'000 ambulant Einkaufsorganisation Hybridform Dezentraler Einkauf Zentraler Einkauf Mitarbeiter in der Beschaffung 7 Stellen 8 Stellen 9 Stellen Sortiment 8'000 Artikel 13'000 Artikel 14'000 Artikel Geschätzter Sachbedarf pro Jahr 13 Mio. CHF 63 Mio. CHF 70 Mio. CHF Standardisierung Hoch Gering Mittel Tabelle 8: Profile der betrachteten Krankenhäuser 80 Analyse des Gestaltungsbereiches Die Eingrenzung der zu untersuchenden Bereiche in der Krankenhausbeschaffung erfolgte auf der Grundlage des Supply Chain Operations Reference-Model (SCOR), welches die Versorgungskette eines Akteurs in Planungs-, Einkaufs-, Produktions- und Auslieferprozesse unterteilt und die dafür notwendigen Aufgaben und Aktivitäten beschreibt [vgl. Supply Chain Council 2009]. Die Eingrenzung wurde wie folgt vorgenommen (vgl. Abbildung 33): Die Fallstudie beschränkt sich auf die Untersuchung der Einkaufsprozesse eines Krankenhauses. Da die Prozessabwicklung stark von den zu beschaffenden Materialien abhängt, wird vorrangig die Beschaffung von Medizinprodukten analysiert. Der Fokus liegt dabei auf den Aufgaben Bedarfsermittlung, Bestellung und Wareneingang. Supply Chain Reference-Model Die Beschreibung der Aktivitäten erfolgt generisch mit vordefinierten Prozessbausteinen (Process Building Blocks) [vgl. Baacke et al. 2008a; Baacke et al. 2009]. Prozess Übergeordnete Ebene (Prozesse) Prozesstyp Prozesstyp Konfigurationsebene (Aufgaben) Aufga be Aufga be Gestaltungsebene (Aktivitäten) Aktivität Prozesse: Fokus auf den Einkaufsprozess von Medizinprodukten Aufgaben: Beschränkung auf operative Aufgaben, d. h. Bedarfsermittlung, Bestellung, Wareneingang Aktivitäten: Generische Beschreibung der wichtigsten Aktivitäten Ebene Eingrenzung Abbildung 33: Eingrenzung der Fallstudie 4.2.2.2 Datenerhebung und -analyse Als primäre Erkenntnisquellen dienten semi-strukturierte Experteninterviews45 mit den Einkaufsverantwortlichen der drei Krankenhäuser, welche im Zeitraum zwischen Mai und August 2007 befragt wurden. Weitere Erkenntnisse konnten aus den zur Verfü45 Vgl. Anhang B. Analyse des Gestaltungsbereiches 81 gung gestellten Dokumenten und aus eigenen Beobachtungen gewonnen werden. Die auf diese Weise gesammelten Daten wurden in textueller sowie graphischer Form (Prozessmodelle in der Business Process Modeling Notation (BPMN)) dokumentiert und anschliessend den Interviewpartnern zur kritischen Durchsicht vorgelegt. Auf Anregung der Interviewpartner wurden gegebenenfalls Ergänzungen und Korrekturen vorgenommen. 4.2.2.3 Fall A: Hybrider Einkauf in einem kleinen Krankenhaus Der erste Fall repräsentiert ein kleines, ländliches Krankenhaus mit rund 185 Betten und knapp 31'000 Patienten pro Jahr. Die Beschaffung der für die Leistungserbringung notwendigen Materialien (z. B. Arzneimittel und Medizinprodukte) wird durch die Apotheke des Krankenhauses geführt. Die Bewirtschaftung der Lager erfolgt durch das Zentrallager, welches direkt der Apotheke unterstellt ist. Nebst der Belieferung der medizinischen Fachbereiche des eigenen Krankenhauses werden auch zwei kleinere Aussenstandorte mit Materialien versorgt. Als weitere Dienstleistungen werden die Belieferung der medizinischen Fachbereiche mit aktuellen Produktinformationen und die Unterstützung bei der Bestellaufnahme sowie bei der Sortimentserweiterung und -pflege angesehen. Der Stellenwert der Beschaffung im untersuchten Krankenhaus ist vergleichsweise hoch. Nicht zuletzt weil der Einkaufsverantwortliche eine medizinische Ausbildung besitzt und durch die Funktion als Apotheker in der primären Leistungserbringung involviert (z. B. beratende Funktion bei Fragen in Bezug auf die Medikation) sowie in der Arzneimittel- und Einkaufskommission mitspracheberechtigt ist. Strategische Ausrichtung der Beschaffung Aufgrund der geringen Betriebsgrösse und des bewusst eng gehaltenen Leistungsspektrums des betrachteten Krankenhauses ist es möglich, ein sehr kompaktes Sortiment an Lager- und Durchlaufartikel zu definieren, was die Basis für die Bündelung und Automatisierung der Bestellabwicklung bildet. Folglich ist die übergeordnete Zielsetzung des Einkaufsverantwortlichen die operativen Tätigkeiten möglichst vollständig elektronisch zu unterstützen. Die daraus erhoffte höhere Aktualität, Vollständigkeit und Verfügbarkeit von Bewegungs- und Stammdaten soll in einem nächsten Schritt dazu dienen, die durch die Stationen dezentral bewirtschafteten Lager noch weiter zu verringern. 82 Analyse des Gestaltungsbereiches Eine Strategie die bereits heute zur Minimierung der Kapitalbindung im Zentral- und den Stationslagern Anwendung findet, ist die Errichtung von Konsignationslagern.46 Dadurch werden der eigene Aufwand für die Bewirtschaftung der Lager geschmälert und gleichzeitig wichtige Lieferanten stärker an die Organisation gebunden. In Zukunft soll nicht nur die Kooperation zu den Lieferanten, sondern auch zu anderen Krankenhäusern – insbesondere mit deutschen Krankenhäusern – intensiviert werden. Durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erhofft sich der Einkaufsverantwortliche in erster Linie tiefgreifende Preisvorteile. Allerdings ist aus heutiger Sicht aufgrund der restriktiven regulatorischen Rahmenbedingungen ein Zusammenwirken mit ausländischen Krankenhäusern limitiert. Vorgang der Bedarfsermittlung Auslöser des Vorgangs ist die wöchentliche Bestellaufnahme durch einen Mitarbeitenden der Apotheke. Während des Rundgangs werden die aktuellen Bestände von Arzneimitteln und Medizinprodukten sämtlicher medizinischer Fachbereiche kontrolliert (die Bedarfsmeldung von Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf ist Aufgabe der Bedarfsträger). Der Grossteil der Produkte auf den Stationslagern ist mit einer maschinenlesbaren Barcode-Karte versehen. Wird festgestellt, dass die Vorräte zu gering sind, wird die entsprechende Barcode-Karte entnommen, mittels Barcode-Scanner eingelesen und die benötigte Menge manuell im Lesegerät erfasst. Diese Daten werden anschliessend in der Apotheke auf eine Datenbank übertragen, welche die Materialanforderungen bündelt und gleichzeitig die Datenbasis für ein Desktop Purchasing System (DPS) ist. 47 Materialanforderungen können auch direkt durch die Mitarbeitenden einer Station erzeugt werden. Hierbei werden zwei Fälle unterschieden: Handelt es sich beim benötigten Produkt um einen Standardartikel, kann die Bedarfsmeldung per BarcodeEinlesung (sofern ein entsprechendes Gerät auf der Station vorhanden ist) oder per Formulareingabe im DPS erfolgen. Wird ein Artikel gebraucht, der nicht im Sortiment des Stationslagers zu finden ist, muss in ersten Schritt das entsprechende Produkt im 46 Bei einem Konsignationslager ist der Lagerbestand zwar im Besitz des Krankenhauses, aber noch im Eigentum des Lieferanten. Der Eigentumsübergang erfolgt bei Entnahme. Somit wird erst im Bedarfsfall eine Rechnung fällig [vgl. Bichler et al. 2005, S. 98]. 47 Die Produktbezeichnung auf den Barcode-Karten basiert auf der European Article Number (EAN). Es kann allerdings vorkommen, dass für bestimmte Artikel noch keine Nummer vergeben wurde. In dem Falle erfolgt die Bedarfsmeldung manuell in der Webshop-Applikation. Analyse des Gestaltungsbereiches 83 DPS gesucht und – falls im Standardsortiment des Krankenhauses vorhanden – eine elektronische Materialanforderung erzeugt werden. Für Nicht-Sortimentsartikel ist ein Papierformular mit den entsprechenden Produkt- und Lieferanteninformationen und Mengenangaben auszufüllen. Zusätzlich muss das Formular mit der Referenz eines leitenden Arztes versehen werden. Zur Ermittlung der Bedarfe wird nach dem Bestellpunkteverfahren vorgegangen. Dabei werden für jeden Sortimentsartikel ein Sicherheitsbestand, ein Meldebestand und ein Höchstbestand festgelegt. Diese werden monatlich mittels Bestellhistorie auf massgebliche Abweichungen überprüft und allenfalls angepasst. Bei Unterschreitung eines Bestellpunktes wird im DPS ein Bestellvorschlag automatisch generiert (vgl. Abbildung 34). Abbildung 34: Vorgang der Bedarfsermittlung Fall A 84 Analyse des Gestaltungsbereiches Vorgang der Bestellabwicklung Der Einkaufsverantwortliche erzeugt aufgrund der im DPS gebündelten Materialanforderungen einmal pro Woche eine Bestellung. Da die besagte Applikation eine Schnittstelle zu zwei E-Marktplätzen aufweist, erfolgt die Bestellübermittlung an die Lieferanten in 80% der Fälle elektronisch. Für Lieferanten, welche die elektronische Bestellabwicklung nicht unterstützen, wird die Bestellung sonst per Fax gesendet (vgl. Abbildung 35). Apotheke (Lead-Buyer) Lieferant Wöchentliche Bestellabwicklung Materialanforderung prüfen Produktalternative suchen nein ja Papierbasierte Materialanforderung Fax nein Bestellung erzeugen Bestellung senden Bestellung entgegennehmen Materialanforderung in Ordnung Mapping der Produkt- und Lieferanteninformationen auf E-Marktplatz ja Stammdaten suchen Produkt- und Lieferanteninformationen von Service Provider Daten vorhanden nein Stammdaten erfassen Bestellung bearbeiten ja Stammdaten übernehmen Mapping der Produkt- und Lieferanteninformationen Bestellpunkt auf DPS erfassen Materialanforderung erfassen Produktinformationen an DPS Wareneingang Abbildung 35: Vorgang Bestellabwicklung Fall A In Falle einer Sonderbestellung wird zunächst geprüft, ob ein Sortimentsentscheid hinsichtlich des geforderten Produkts hängig ist und die notwendigen Angaben vorhanden sind. Wird ein Produkt von der Arzneimittelkommission resp. Einkaufskommission Analyse des Gestaltungsbereiches 85 verweigert, wird eine entsprechende Alternative aus dem bestehenden Sortiment gesucht. Wird das Produkt von der Arzneimittelkommission resp. Einkaufskommission bewilligt, werden die Produkt- und Lieferanteninformation zunächst auf einer von einem externen Service Provider gehosteten Datenbank gesucht und falls die gewünschten Informationen dort vorhanden sind, in das DPS integriert oder ansonsten manuell erfasst. Darüber hinaus werden die Produkt- und Lieferanteninformationen mit zusätzlichen Informationen wie Mindestmengen, Lieferkonditionen etc. ergänzt. Schliesslich wird die Bedarfsmeldung nochmals elektronisch im DPS erfasst, um die reguläre Bestellabwicklung anzustossen. Vorgang der Wareneingangskontrolle Verantwortliche Organisationseinheit für die Entgegennahme von Bestellungen ist das Zentrallager.48 Aufgabe der Mitarbeitenden ist es, manuell zu überprüfen, ob die erhaltene Bestellung mit dem Lieferschein übereinstimmt. Ist dies der Fall, wird der Zustand der Lieferung optisch geprüft und anschliessend der Wareneingang per Barcode registriert bzw. wenn keine EAN-Produktbezeichnung verfügbar ist, die Angaben manuell erfasst. Werden Unstimmigkeiten im Lieferschein gefunden oder ist die Lieferung beschädigt, wird dem Lieferanten i. d. R. per Fax eine Beschwerde eingereicht. Im Zentrallager wird auch die Rechnungsstellung der Lieferanten überprüft. Rechnungen treffen generell in Papierform ein. Um die Rechnungsinformationen mit den Bestellinformationen abzugleichen, werden in nicht spezifizierten Abständen die Bestelldaten des DPS ausgedruckt und manuell auf Unstimmigkeiten überprüft. Die Zuweisung von Bestellungen und Rechnungen erweist sich als schwierig, da Teillieferungen durch die Lieferanten häufig vorkommen und dementsprechend oft auch Teilbeträge in Rechnung gestellt werden. Konnte eine Rechnung einer Bestellung eindeutig zugewiesen werden, werden die Rechnungsinformationen manuell im Enterprise Resource Planning (ERP) System des Krankenhauses erfasst. Die Zahlungsabwicklung wird durch das Rechnungswesen durchgeführt. Der Vorgang der Wareneingangsabwicklung ist in Abbildung 36 nochmals grafisch dargestellt. 48 Einzige Ausnahme sind die Stationslager der Chirurgie, welche mit speziellen Artikeln wie z. B. sterilen Operationssets direkt beliefert werden. Die Erfassung der Bedarfe und die Bestellabwicklung erfolgen deckungsgleich wie für die anderen Bereiche. 86 Analyse des Gestaltungsbereiches Lieferant Zentrallager Bestellung Material entgegennehmen Material senden Lieferschein prüfen Papierformular Rechnung senden Papierformular Rechnung entgegennehmen Material entspricht Lieferschein nein Beschwerde senden Fax ja Beschwerde bearbeiten Bestelldaten ausdrucken Material prüfen Bestellung zuweisen Material optisch in Ordnung Bestellinformationen aus E-Marktplatz nein ja Material scannen Lieferinformationen an DPS Bestellung stimmt mit Rechnung überein nein ja Rechnung erfassen Rechnungsinformationen an ERP-System Abbildung 36: Vorgang Wareneingang Fall A Herausforderungen beim aktuellen Zustand Aufgrund der hohen Standardisierung des Sortiments und der zentralisierten Bestellabwicklung und Wareneingangskontrolle konnten nur geringfügige Unzulänglichkeiten identifiziert werden. In Bezug auf die Prozesskosten spielt insbesondere die aufwendige Gegenüberstellung von Rechnungs- und Bestellinformationen eine gestaltungsbedürftige Aktivität dar. Zudem kann aufgrund der fehlenden EANKennzeichnung bestimmter Artikel die Bestellabwicklung nicht vollends automatisiert werden. Dementsprechend ist heute der manuelle Aufwand trotz des hohen Automatisierungsgrades in der Beschaffung immer noch erheblich. Gerade die Planung der Bedarfe ist zeitaufwendig und hängt vom Erfahrungswissen des Einkaufsverantwortlichen ab. Analyse des Gestaltungsbereiches 87 Die Produktkosten werden heute auf Grundlage einer klaren Segmentierung des Lieferantenportfolios optimiert. Weitere Instrumente werden diesbezüglich nicht genutzt. Obgleich E-Marktplätze im Vergleich zur herkömmlichen Beschaffung viele zusätzliche Informationen bieten, wird keine systematische Marktforschung betrieben. Die Bestellabwicklung wird deshalb ungeachtet der aktuellen Preis- und Lieferkonditionen vollzogen. Ausserdem ist die Bestimmung neuer Lieferanten resp. alternativer Produkte heute ein sehr langwieriges Prozedere (vierteljährliche Zusammenkunft der Arzneimittel- und Einkaufskommission) und oftmals mit politischen Interessen verbunden. Folglich sind der Flexibilität der Beschaffung enge Grenzen gesetzt. 4.2.2.4 Fall B: Dezentraler Einkauf in einem mittelgrossen Krankenhaus Als zweiter Fall wurde ein mittelgrosses Krankenhaus mit 530 Betten und vorwiegend dezentralem Supply Management untersucht. Jährlich werden rund 338'000 Patienten behandelt, was eine hohe Koordination der medizinischen und betriebswirtschaftlichen Fachbereiche erfordert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung war, trotz dieses hohen Patientendurchlaufs und einem entsprechendem Einkaufsvolumen von rund 63 Mio. CHF49, keine Beschaffungsfunktion in der Aufbaustruktur des Krankenhauses zu finden. Nebst des internen Transports und der Entsorgung der Materialien wurde die Bestellabwicklung und Warenannahme von Standardartikeln implizit durch den Funktionsbereich „Logistik“ bewerkstelligt. Mittlerweile ist der Einkauf im betreffenden Krankenhaus zu einer eigenständigen Funktion mit klarem Leistungsauftrag zusammengefasst worden. Die weiteren Ausführungen widerspiegeln demnach nicht die aktuelle Sachlage, sondern den Zustand zum Erhebungszeitpunkt. Ziel ist es, die wesentlichen Aufgaben eines dezentralen Krankenhauseinkaufs und die damit verbundenen Herausforderungen zu illustrieren. Strategische Ausrichtung der Beschaffung Aufgrund der historisch gewachsenen Strukturen besitzt die Beschaffung einen mässigen Stellenwert im Krankenhauses („Bestellbüro“). Die Zusammenarbeit mit den anderen Fachbereichen, insbesondere mit der Pflege, ist angespannt und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden der Logistik sowie der für die Beschaffung verantwortlichen 49 Der ausgewiesene Betrag ist eine Schätzung des interviewten Logistikverantwortlichen und bezieht sich lediglich auf die Beschaffung von Medizinprodukten. 88 Analyse des Gestaltungsbereiches Pflegenden ist gering. Die Fluktuation der Mitarbeitenden ist dementsprechend hoch (ca. 20-25% des Personals in den erwähnten Bereichen). Da kein klarer Leistungsauftrag vergeben wurde, sind keine verbindlichen strategischen und operativen Zielsetzungen definiert. Demgemäss ist die Zusammenarbeit mit Lieferanten oftmals unverbindlich und opportunistisch. Auch verhindert der fehlende Einfluss auf die Fachbereiche die Bildung langfristiger Kooperationen. Folglich ist das Sortiment nicht auf die Leistungsfähigkeit der Lieferanten, sondern auf die subjektiven Bedürfnissen der Bedarfsträger ausgerichtet. Vorgang der Bedarfsermittlung Ungleich wie beim ersten Fall wird in diesem Krankenhaus keine routinisierte Planung und Analyse der Bedarfe durchgeführt. Die Beschaffung wird dahingegen ad hoc durch die Bedarfsmeldung der Fachbereiche angestossen. Für die Meldung der Bedarfe wird im untersuchten Krankenhaus ebenfalls ein DPS eingesetzt. Allerdings werden in der betreffenden Applikation ausschliesslich Lagerartikel geführt, welche lediglich 17% des gesamten Sortiments ausmachen.50 Die restlichen 83% der Materialien sind Durchlaufartikel und werden direkt durch die Bedarfsträger per Fax beim Lieferanten bestellt. Folglich ist die Informationsbasis der Logistikabteilung sehr dürftig und erlaubt nur begrenzte Rückschlüsse auf den Verbrauch und das Bestellverhalten der Stationen. Aufgrund der grosszügigen Platzverhältnisse im Zentrallager werden deshalb sämtliche Lagerartikel in relativ grossen Mengen vorrätig gehalten, was zu einer hohen Kapitalbindung führt. Infolge des unkontrollierten Bestellverhaltens der Stationen wird weiterhin davon ausgegangen, dass auch dort ansehnliche Lagerbestände vorzufinden sind. Der Vorgang der dezentralen Bedarfsmeldung ist in nachfolgender Abbildung 37 grafisch dargestellt. 50 Im untersuchten Krankenhaus werden Artikel, die von mehr als zwei Fachbereichen regelmässig angefordert werden, als Lagerartikel klassifiziert. Artikel, die bereits schon einmal beschafft wurden, aber gegenwärtig nur von einem Fachbereich benötigt werden, gelten als Durchlaufartikel. Es ist anzunehmen, dass weitere Artikel bestellt werden, die sich der Kenntnis der Logistikabteilung entziehen. Analyse des Gestaltungsbereiches 89 Lieferant Station Logistik Bedarf tritt auf Material in Stationslager vorhanden ja Material aus Schrank entnehmen ja Materialanforderung erzeugen nein Im Sortiment Materialanforderung bündeln nein Bestellung erzeugen Produktinformationen an DPS Bestellung entgegennehmen Bestellung senden Fax Bestellung bearbeiten Wareneingang Bestellabwicklung Abbildung 37: Vorgang Bedarfsermittlung Fall B Vorgang der Bestellabwicklung Die Bestellabwicklung der im DPS angeforderten Lagerartikel erfolgt einmal pro Woche durch den Logistikverantwortlichen. Hierfür wird zunächst eine Liste mit den Materialanforderungen ausgedruckt. Diese dient als Grundlage zur Suche der angeforderten Materialien in einem vordefinierten elektronischen Produktkatalog eines Service Providers.51 Aufgrund der Personalisierung des Produktkatalogs ist die Suche relativ einfach, allerdings müssen die einzelnen Bestellpositionen der Liste manuell übertragen werden, was folglich fehleranfällig und zeitaufwendig ist. Nach Erfassung der Bestellungen werden diese per Fax automatisch an die Lieferanten übermittelt (vgl. Abbildung 38). 51 Die Stammdaten für das DPS werden direkt aus dem Katalog übernommen, allerdings bestand zum Zeitpunkt der Untersuchung noch kein funktionierendes Mapping-Verfahren für die direkte Übermittlung der Materialanforderungen. 90 Analyse des Gestaltungsbereiches Abbildung 38: Vorgang Bestellabwicklung Fall B Vorgang der Wareneingangskontrolle Das dezentrale Supply Management erschwert insbesondere den Vorgang der Wareneingangskontrolle, da mehrere Orte mit Waren beliefert werden (Zentrallager und die unterschiedlichen Stationen). Wegen der vielen Anlieferorte kommt es häufig vor, dass die Waren einem falschen Fachbereich zugestellt werden resp. die Logistik Lieferungen erhält, von denen sie keine Bestellinformationen besitzt. Folglich wird im betrachteten Krankenhaus viel Zeit aufgewendet, um den richtigen Empfänger einer Lieferung zu eruieren resp. falsch zugestellte Lieferungen zu finden. Gelangen die bestellten Produkte direkt zur Station, so wird i. d. R. der Lieferschein geprüft und bei Unstimmigkeiten der Logistikabteilung zur Abklärung weitergeleitet. Die Rechnungserfassung wird ebenfalls der Logistikabteilung übergeben. Diese nutzt diese Gelegenheit zur annähernden Bestimmung des Einkaufsvolumens der einzelnen Fachbereiche. Analyse des Gestaltungsbereiches 91 Werden die bestellten Produkte zur Logistikabteilung geschickt, werden zunächst der Lieferschein und der Zustand der Materialien überprüft. Konnten keine Fehler gefunden werden, wird der Wareneingang manuell erfasst. Bei Unstimmigkeiten wird dem entsprechenden Lieferanten eine Beschwerde per Fax zugestellt. Rechnungen werden gleich wie beim Fall A erst nach Überprüfung der Bestelldaten erfasst. Hierfür werden die gedruckten Faxberichte resp. das DPS zur Hilfe genommen. Die Begleichung der Rechnung wird durch das Rechnungswesen vollzogen. Abbildung 39 visualisiert die einzelnen Aktivitäten der Wareneingangskontrolle bei einer dezentral ausgerichteten Beschaffung. Station Material entgegennehmen Lieferant Logistik Bestellung Fax Material senden Material entgegennehmen Papierformular Lieferschein prüfen Fax Lieferschein prüfen Rechnung senden Rechnung entgegennehmen Material entspricht Lieferschein Beschwerde senden nein ja Material entspricht Lieferschein nein Lieferschein weiterleiten Bestelldaten prüfen Material prüfen Bestellung einer Rechnung zuweisen Material optisch in Ordnung Beschwerde bearbeiten nein ja Material erfassen Rechnung entgegennehmen Bestellung stimmt mit Rechnung überein nein ja Rechnung weiterleiten Rechnung erfassen Rechnungsinformationen an ERP-System Abbildung 39: Vorgang Wareneingang Fall B Lieferinformationen an DPS 92 Analyse des Gestaltungsbereiches Herausforderungen beim aktuellen Zustand Das Supply Management im betrachteten Krankenhaus zeigt weitaus mehr Gestaltungspotentiale als im ersten Fall. In Bezug auf die kostenorientierte Optimierung des Einkaufs ist durch die direkte Bestellabwicklung seitens der Stationen die Möglichkeit zur Bestelloptimierung weitestgehend genommen. Zudem wird dadurch die Materialbewirtschaftung (z. B. Warenannahme, Beschwerdemanagement) massiv erschwert und eine ordentliche Bedarfsplanung und -analyse unmöglich gemacht. Aufgrund der dezentralen Abwicklung entstehen auch hohe Prozesskosten. Beispielsweise verbringt das Pflegepersonal im besagten Krankenhaus durchschnittlich bis zu 50 Minuten pro Tag mit Aktivitäten für die Beschaffung und Lagerbewirtschaftung von Materialien. Auch für die Logistik entstehen insbesondere wegen der zahlreichen Abklärungen (z. B. Falschlieferungen, fehlende Liefer- und Bestellinformationen etc.) hohe Prozesskosten. Zum Beispiel können von den Rechnungen, die von den Stationen an die Logistik weitergeleitet werden, nur knapp 36% einem Bedarfsträger zugewiesen werden. Dies hat zur Folge, dass viele Positionen als Gemeinkosten verbucht werden und demnach eine verursachergerechte Kostenabrechnung verunmöglicht. Auch können wegen der fehlenden Kontrollmechanismen keine genauen Einschätzungen hinsichtlich des Einkaufsvolumens, Lagerwerts usw. gemacht werden. Die grösste Herausforderung in Bezug auf die Prozesskostenoptimierung stellt jedoch die Fluktuation des Personals dar und führt dazu, dass die Ansprechpartner ständig wechseln und dementsprechend keine langfristige Zusammenarbeit gepflegt werden kann. Da die Beschaffung primär durch das Pflegepersonal durchgeführt wird, kann dies folglich auch einen Einfluss auf die Lieferantenbeziehung haben. Versuche, sowohl die Mitarbeitenden der Logistik als auch das Pflegepersonal langfristig auf eine gemeinsame Linie zu bringen scheiterten, nicht zuletzt auch wegen der fehlenden Unterstützung des Managements. 4.2.2.5 Fall C: Zentraler Einkauf in einem grossen Krankenhaus Um die Charakterzüge eines zentral organisierten Einkaufs zu ergründen, wurde ein Krankenhaus der Zentrumsversorgung mit rund 730 Betten und 193'000 Patienten pro Jahr untersucht. Die Leistungserbringung verteilt sich auf mehr als 40 Spezialkliniken und Institute und ist im Vergleich zu den anderen betrachteten Krankenhäusern breiter gefächert. Organisatorisch wird der Einkauf als eigenständige Funktion geführt und ist zusammen mit der Logistik, dem Hausdienst, dem Technischen Dienst sowie der Gastrono- Analyse des Gestaltungsbereiches 93 mie dem Fachbereich „Betrieb“ unterstellt. Aufgabe des Einkaufs ist, nebst der Versorgung der Kliniken mit Medizinprodukten, auch die Beschaffung von Investitionsgütern und Dienstleistungen. Aufgrund historisch gewachsener Strukturen wird die Arzneimittelversorgung durch die Apotheke sichergestellt. Das vom Einkauf zu beschaffende Sortiment umfasst ca. 14'000 Medizinprodukte, was einem Einkaufsvolumen von rund 70 Mio. CHF pro Jahr entspricht. Strategische Ausrichtung der Beschaffung Der Einkauf wird wesentlich von den Lagerkapazitäten des Zentrallagers beeinflusst. Die Aufnahmefähigkeit ist aufgrund der baulichen Verhältnisse äusserst begrenzt. Dies führt dazu, dass die Bewirtschaftung der Lager vorwiegend dezentral, auf den Stationen durchgeführt wird. Im Zentrallager werden lediglich besonders sperrige oder kritische Artikel vorrätig gehalten. Für den Einkauf ist die genaue Bestimmung der Lagerkapazitäten und Bedarfe deshalb ausserordentlich wichtig. Allerdings ist aus heutiger Sicht der dafür notwendige Informationsfluss noch nicht ausreichend gewährleistet. Ziel des Einkaufsverantwortlichen ist es, sowohl die internen Informationsflüsse zu optimieren, als auch die externe Zusammenarbeit mit Lieferanten und anderen Krankenhäusern zu intensivieren (z. B. versucht man die Lagerbewirtschaftung bestimmter Materialien an Lieferanten oder an Logistikdienstleister auszulagern). Zum Zeitpunkt der Untersuchung war die Kooperation mit Lieferanten auf wenige Bereiche beschränkt (z. B. Vendor Managed Inventory in der Chirurgie) und die Einkaufsgemeinschaft im Aufbau begriffen, weshalb dies in der Fallbeschreibung nicht weiter detailliert wird. Vorgang der Bedarfsermittlung Die Ermittlung der Bedürfnisse erfolgt sowohl bedarfsgesteuert als auch geplant. Da nicht genügend Ressourcen für die Unterstützung der Bestellaufnahme auf den Stationen vorhanden sind und die Stationslager nicht elektronisch bewirtschaftet werden, erfolgt die Bedarfsermittlung dezentral durch die Bedarfsträger selbst. Diese können im Bedarfsfall per DPS sämtliche Produkte anfordern. Dabei können zwei Fälle unterschieden werden: Sortimentsartikel können mittels vorkonfiguriertem Produktkatalog angefordert werden (wiederkehrende Bestellpositionen werden gemerkt und automatisch beim nächsten Mal aufgelistet). Sonderbestellungen müssen in einem Freitextfeld genau spezifiziert werden (Produkt- und Lieferanteninformationen, ungefährer Preis, Verwendungszweck). Die direkte Bestellung beim Lieferanten ist nicht erlaubt und 94 Analyse des Gestaltungsbereiches wird nur in Ausnahmefällen gestattet (Involvierung des Einkaufs ist Pflicht; die Kontrollmöglichkeiten sind allerdings beschränkt). Da der Wareneingang und die Warenentnahme auf den Stationslagern nicht elektronisch erfasst werden, kann eine genaue Planung der Bedarfe nur für die Artikel durchgeführt werden, welche im Zentrallager verwaltet sind. Diese machen jedoch nur knapp 10% des Sortiments aus. Gleich wie im ersten Fall wird die Planung der Bedarfe systemtechnisch unterstützt, indem anhand der registrierten Warenein- und -abgänge Bestellvorschläge generiert werden. Diese dienen den Einkäufern als Basis für die Bestellabwicklung der Zentrallagerartikel (vgl. Abbildung 40). Abbildung 40: Vorgang Bedarfsermittlung Fall C Vorgang der Bestellabwicklung Da täglich bis zu 1'000 Materialanforderungen beim Einkauf eintreffen, ist die Bestellabwicklung nicht auf einen fixen Wochentag festgelegt, sondern wird kontinuierlich ausgeführt. Dabei wird versucht die einzelnen Bedarfsmeldungen nach Dringlichkeit abzuarbeiten und weniger dringliche Anforderungen so gut wie möglich zu bündeln (insbesondere bei Sortimentsartikeln). Der Vorgang der Bestellabwicklung ist dabei Analyse des Gestaltungsbereiches 95 zweigeteilt (vgl. Abbildung 41): Bei regulären Materialanforderungen werden die einzelnen Bestellpositionen im DPS zusammengefasst und anschliessend ein Bestellauftrag ausgedruckt. Die Übermittlung an die entsprechenden Lieferanten erfolgt per Fax. Bei Sonderbestellungen, die als Freitext im DPS erfasst wurden, wird zunächst geprüft, ob das angeforderte Produkt nicht bereits im Sortiment aufgenommen ist. Ist dies nicht der Fall, wird im Internet nach einem adäquaten Lieferanten gesucht. Die Suche ist gleich wie die Bedarfsmeldung i. d. R. unstrukturiert, zeitaufwendig und benötigt teilweise diffizile Abklärungen. Um den Aufwand für eine wiederkehrende Beschaffung zu minimieren, werden bei erfolgreicher Identifizierung eines Lieferanten die dazugehörigen Stammdaten manuell erfasst. Die Auslösung der Bestellung erfolgt danach analog wie bei einer regulären Materialanforderung. Einkauf Lieferant Produktinformationen aus DPS Bedarfsmeldung Materialanforderung prüfen ja Unstrukturierte Materialanforderung nein Bestellung erzeugen Bestellung drucken Unstrukturierte Information aus DPS Im Sortiment nein Produkt suchen Internet Bestellung senden Bestellung entgegennehmen ja Bestellung bearbeiten Stammdaten erfassen Fax Materialanforderung erfassen Produktinformationen an DPS Wareneingang Abbildung 41: Vorgang Bestellabwicklung Fall C Vorgang der Wareneingangskontrolle Aufgrund der Grösse des untersuchten Krankenhauses wird die Entgegennahme der bestellten Materialien nicht durch den Einkauf, sondern durch das Zentrallager ver- 96 Analyse des Gestaltungsbereiches richtet. Dieses ist vom Einkauf sowohl örtlich als auch organisatorisch getrennt. Die Erfassung der Wareneingänge geschieht dabei analog wie bei den vorherigen Fallbeschreibungen (vgl. Abbildung 42). Ein massgeblicher Unterschied ist jedoch in der Handhabung des Beschwerdemanagements zu finden. Anders als bei den anderen Fällen wird hier versucht, sämtliche Kontakte zu den Lieferanten durch den Einkauf zu lenken (Single Point of Contact). Dadurch entsteht intern zwar ein höherer Koordinationsaufwand, da sich das Zentrallager sowie die Fachbereiche im Falle von Unstimmigkeiten mit dem Einkauf absprechen müssen, allerdings kann der Einkauf so die Kommunikation mit den Lieferanten professionalisieren [vgl. z. B. Mühlmeyer, Belz 2003, S. 585 f.]. Abbildung 42: Vorgang Wareneingang Fall C Analyse des Gestaltungsbereiches 97 Herausforderungen beim aktuellen Zustand Das breite Leistungsspektrum, welches das untersuchte Krankenhaus erbringen muss, erfordert eine hohe Flexibilität in der Beschaffung. Demzufolge werden die speziellen Bedürfnisse der medizinischen Fachbereiche laufend registriert und das Sortiment dementsprechend angepasst. Zu Gunsten der Erfüllung der spezifischen Wünsche der Bedarfsträger wird jedoch auf grössere Bündelungseffekte durch Standardisierung des Sortiments und Segmentierung der Lieferantenbasis verzichtet. Dadurch entstehen auch höhere Prozesskosten. Die (unstrukturierte) Suche neuer Produkte nimmt einen Grossteil der Zeit der Einkäufer in Anspruch. Zudem bedingen die zahlreichen Medienbrüche, gleich wie bei den anderen Krankenhäusern, einen erhöhten Erfassungsaufwand, was nicht zuletzt auch einen Einfluss auf die Datenqualität hat. Schliesslich verursacht die dezentrale und lose gekoppelte Verwaltung der Stationslager ebenfalls Mehrkosten wegen einer oftmals bewusst übermässigen Vorratsbildung. In Bezug auf netzwerkspezifische Zielsetzungen des Einkaufs besteht ähnlich wie beim zweiten Fall aufgrund fehlender personeller Kapazitäten für die Bedarfsaufnahme auf den Stationen lediglich ein indirekter Kontakt mit den Bedarfsträgern. Dies führt dazu, dass der Stellenwert der Beschaffung im untersuchten Krankenhaus von den einzelnen Fachbereichen höchst unterschiedlich bewertet wird und die interne Kooperationsbereitschaft nicht überall gleich vorhanden ist. Diese wird aber für die angestrebte Professionalisierung des Lieferantenbeziehungsmanagements sowie für die Bildung der Einkaufsgemeinschaft vorausgesetzt. 4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Literaturanalyse und Fallstudien haben gezeigt, dass die gegenwärtige Reife des Krankenhauseinkaufs eher unterentwickelt ist. Die Herausforderungen hinsichtlich der Beschaffung in Krankenhäusern sind vielschichtig: Interne Positionierung (Verhalten): Krankenhäuser sind traditionell durch ihre unterschiedlichen Berufsgruppen geprägt [vgl. Glouberman, Mintzberg 2001, S. 59].52 Da die Beschaffung eine sekundäre, nicht-medizinische Aktivität darstellt, 52 Mit 37,2% der Mitarbeitenden repräsentieren die Pflegenden die zahlenmässig stärkste Berufsgruppe. Die Ärzteschaft macht 14,9% und andere medizinische Fachbereiche rund 23,4% der Belegschaft aus. Die restlichen 24,5% der Mitarbeitenden arbeiten in technischen (z. B. Informatik, Facility Management) oder betriebswirtschaftlichen Bereichen (z. B. Rechnungswesen, Einkauf) [vgl. Bundesamt für Statistik 2009]. 98 Analyse des Gestaltungsbereiches wird der Stellenwert der Einkaufsorganisation generell als gering eingeschätzt. Die bewusste Umgehung des Einkaufs wird seitens des Krankenhausmanagements heute immer noch toleriert. Externe Positionierung (Macht): Die Kooperation mit Lieferanten, als auch mit anderen Krankenhäusern ist erst im Aufbau begriffen. Angesichts des geringen Stellenwerts des Einkaufs und der daraus resultierenden mangelnden Verbindlichkeit der Verträge (z. B. Aushebelung durch Maverick Buying) versuchen Lieferanten deshalb direkt mit den Fachbereichen zu verhandeln [vgl. Drauschke 2002, S. 24]. Fehlendes Know-how (Führung): Der Einkauf konzentriert sich heute weitestgehend auf operative Beschaffungsaktivitäten (z. B. Bestellabwicklung, Wareneingang) und bestärkt dadurch (bewusst oder auch unbewusst) die ihm zuerkannte Rolle des Bestellbüros. Das Wissen zur Organisierung eines strategischen und taktischen Supply Managements fehlt. Unklare strategische Ausrichtung (Strategie): Die strategische Ausrichtung des Einkaufs ist heute oftmals undurchsichtig oder durch die medizinischen und betriebswirtschaftlichen Fachbereiche fremdbestimmt. Eine Weiterentwicklung des Einkaufs scheitert, weil die erforderlichen Veränderungen nicht klar kommuniziert werden können. Mässiger Prozessgedanke (Organisation): Die betrachteten Prozesse weisen zahlreiche Medienbrüche auf und werden i. d. R. nicht quantitativ geführt. Die beschaffungsrelevanten Aktivitäten können deswegen nicht effektiv kontrolliert und gesteuert werden. Überholte Applikationslandschaft (Technologie): Die systemtechnische Unterstützung der Beschaffungsfunktion ist heute eher gering [vgl. Fitterer, Rohner 2009, S. 10] und nur ansatzweise mit anderen Applikationen integriert [vgl. Khoumbati et al. 2006, S. 72]. Die Effizienz der Einkaufsprozesse ist dementsprechend geschmälert und ein weiterer Grund, warum strategische und taktische Aufgaben nicht wahrgenommen werden können. Auf Grundlage der in Kapitel 2.5 abgeleiteten materiellen Anforderungen für die Artefaktkonstruktion können nun formellen Anforderungen an das zu entwickelnde Reifegradmodell wie folgt abstrahiert werden: Analyse des Gestaltungsbereiches 99 Ganzheitlichkeit: Die Analyse des Gestaltungsbereiches hat ergeben, dass sowohl harte (z. B. schlechte Prozessunterstützung und -automation, geringe Integration der Softwarekomponenten, fehlende Infrastruktur) als auch weiche Faktoren (z. B. geringer Stellenwert der erbrachten Leistungen, mangelndes medizinisches und betriebswirtschaftliches Fachwissen) den Grad der Professionalität des Krankenhauseinkaufs bestimmen. Im Hinblick auf eine ganzheitliche Beurteilung der Reife des Krankenhauseinkaufs können die folgenden Anforderungen spezifiziert werden (vgl. Tabelle 9): Gegenstand Anforderung Erläuterung Strategie Strategische Gestaltung Das Reifegradmodell beinhaltet Gestaltungsob- Taktische Gestaltung jekte mit Rücksicht auf die strategische, taktische Operative Gestaltung und operative Gestaltung des Supply Managements in einem Krankenhaus. Prozessdefinition Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwie- Prozessführung Prozessoptimierung fern die Prozesse und Praktiken des Einkaufs definiert, umgesetzt, geführt und optimiert sind. Automatisierung Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwie- Konnektivität weit Technologien zur Automatisierung der Prozesse vorhanden und die existierenden Systeme Organisation Technologie Alignment mit anderen integriert sind. FührungVerhaltenMacht Anreize Wissen Kooperation Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, wie umfangreich das Wissen, die Kooperationsintensität und die entsprechenden Anreizstrukturen ausgestaltet sind. Tabelle 9: Anforderungen in Bezug auf die Ganzheitlichkeit Multiperspektivität: Auf Grundlage der Fallstudien kann geschlossen werden, dass sich der Entwicklungsstand der Beschaffung sowohl in strategischer, organisatorischer, technologischer und kultureller Hinsicht in den einzelnen Krankenhäusern stark unterscheiden kann. Für diejenigen Krankenhäuser, welche einen geringen Entwicklungsstand aufweisen bzw. einen klar abgestuften Wandelprozess bevorzugen (mechanische Gestaltung), ist ein vorab definierter Entwicklungspfad vorzugeben anhand dessen sie die Einkaufsorganisation ausrichten können. Für diejenigen Krankenhäuser, die bereits einen hohen Entwicklungsstand erreicht haben bzw. eine dynamischen Weiterentwicklung des Einkaufs favorisieren (organische Gestaltung), sollte die Möglichkeit zur selbstständigen und flexiblen Bestimmung 100 Analyse des Gestaltungsbereiches der Entwicklungsrichtung bestehen. Daraus resultieren die folgenden Anforderungen (vgl. Tabelle 10): Wandel Anforderung Erläuterung Mechanisch/ Revolutionär Linearer Entwicklungspfad Das Reifegradmodell weist einen linearen Entwicklungspfad auf, der die Anwender bei der radikalen Fortentwicklung des Einkaufs unterstützt. Organisch/ Evolutionär Dynamischer Entwicklungspfad Das Reifegradmodell weist einen anpassbaren Entwicklungspfad auf, der durch die Anwender flexibel festgelegt werden kann. Tabelle 10: Anforderungen in Bezug auf die Multiperspektivität Situativität: Trägerschaft, Typologie sowie die organisatorische Einbettung innerhalb des Krankenhauses bestimmen massgeblich die Aufgabenstruktur der Einkaufsorganisation. Daraus ergeben sich auch unterschiedliche Zielsetzungen für die Professionalisierung des Supply Managements im jeweiligen Krankenhaus.53 In Bezug auf die Entwicklung des Reifegradmodells können daraus die folgenden Anforderungen entstehen (vgl. Tabelle 11): Situation Anforderung Erläuterung Unternehmen Konfigurative Anpas- Das Reifegradmodell beurteilt die Reife des Kranken- sung der Modellbasis hauseinkaufs auf Basis unterschiedlicher Szenarien. Aggregierte Visuali- Das Reifegradmodell liefert zusätzlich zur Reifebeur- sierung der Einzelbeurteilungen teilung einzelner Organisationen auch eine aggregierte Sicht auf die Reife der Branche. Branche Tabelle 11: Anforderungen in Bezug auf die Situativität 53 Bspw. haben [Herbsleb et al. 1997] festgestellt, dass die Gestaltungsempfehlungen des CMMReifegradmodells von kleineren Unternehmen als weniger relevant eingestuft werden als von grösseren Unternehmen. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass CMM ein „One size fits all“-Ansatz zugrundelegt und die spezifizierten Praktiken höherer Reifegrade für die kleineren Unternehmen ineffizient sind. Vergleich bestehender Reifegradmodelle 101 5 Vergleich bestehender Reifegradmodelle Während in den Anfängen der Entwicklung von Reifegradmodellen die Optimierung bzw. Bewertung des Information Systems Engineering im Vordergrund stand, werden heute zunehmend Reifegradmodelle für das Business Engineering entwickelt. Ziel dieses Kapitels ist es, einen komprimierten Überblick über die existierenden Reifegradmodelle zu geben und diejenigen Modelle, die sich mit Fragestellungen des SCM und E-Business auseinandersetzen, näher zu erläutern, um daraus Rückschlüsse für die Artefaktkonstruktion zu erhalten. Hierfür werden zunächst auf Basis einer Literaturrecherche der aktuelle Modellbestand aufgezeigt und die für die Diskussion relevanten Ansätze ausgewählt (Abschnitt 5.1). Diese werden danach eingehend erklärt (Abschnitt 5.2) und hinsichtlich der definierten Anforderungen bewertet (Abschnitt 5.3). Das Kapitel schliesst mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse (Abschnitt 5.4). 5.1 Gestaltungsbereiche bestehender Reifegradmodelle Reifegradmodelle haben gemeinsam, dass sie entweder im Hinblick auf einen Gestaltungsbereich oder wenige ausgewählte Aufgabenfelder konkretisiert sind [vgl. Daniel 2008, S. 104]. Schätzungen von DE BRUIN et al. zufolge existieren mehr als 150 Reifegradmodelle für die unterschiedlichsten Gestaltungsbereiche und Aufgabenfelder des Information Systems und Business Engineering [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 2]. Die Publikation immer neuer Modelle für häufig sehr ähnliche bzw. die gleichen Problemstellungen erweckt aber zunehmend den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit der vorgeschlagenen Reifegradmodelle [vgl. Becker et al. 2009, S. 250]. Um die Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Reifegradmodells dazulegen, ist deshalb der Rückgriff auf den aktuellen Modellbestand notwendig. Da die Verbreitung von Reifegradmodellen unkoordiniert und unsystematisch stattfindet, ist die Wiederauffindung und Wiederverwendung allerdings erschwert [vgl. Mettler et al. 2009, S. 2].54 Die Systematisierung des Modellbestands beschränkt sich heute auf eine reine Auflistung der Modelle [vgl. Copeland 2003; Sheperd 2009], ohne jedoch Angaben über den Gestaltungsbereich und andere qualitative Merkmale wie z. B. Dokumentation, Erhe54 Eine Diskussion möglicher Klassifikationskriterien für Reifegradmodelle ist in [Mettler 2009; Mettler et al. 2009] zu finden. 102 Vergleich bestehender Reifegradmodelle bungs- und Analyseverfahren, Evaluationsergebnisse usw. zu machen. Zur Identifikation themenverwandter Reifegradmodelle wurde deshalb eine eigenständige Recherche durchgeführt. Die Suche in der ACM Digital Library ergab 186, in IEEE Xplore 357, in AIS Electronic Library 10 und im EBSCOhost 846 Artikel, welche sich mit der Entwicklung, Evaluation oder generellen Diskussion von Reifegradmodellen beschäftigten.55 Als Suchbegriff wurde hierfür der Terminus „Maturity Model“, „Capability Model“ oder „Assessment Model“ verwendet. Nach Subtraktion von Doppeleinträgen (d. h. gleicher Artikel war in mehreren Literaturdatenbanken vorhanden oder gleiches Reifegradmodell wurde in mehreren Artikeln behandelt) konnten schliesslich 117 verschiedene Reifegradmodelle registriert werden.56 Die Abdeckung der Aufgabenfelder und Gestaltungsbereiche ist in Abbildung 43 illustriert. 25 20 15 Basis für die Vergleichsstudie 10 5 Marketing Innovationsmanagement Prozessma nagement Wirtschaftsrecht Personalführung IT-Betrieb Ha rdware E-Collaboration Datenqualitä t Da ta Wa rehousing Persona lentwicklung E-Lea rning Change Management Auditierung IT-Outsourcing IT/Business Alignment SCM & E-Business IT-Sicherheit Internet & World Wide Web Architekturmanagement IT-Management Projektmanagement Wissensmanagement Softwareentwicklung 0 Abbildung 43: Gestaltungsbereiche von Reifegradmodellen 55 Vgl. ACM Digital Library (http://portal.acm.org/dl.cfm), IEEE Xplore (http://ieeexplore.ieee.org/Xplore), AIS Electronic Library (http://aisel.aisnet.org/) und EBSCOhost (http://www.ebscohost.com/). 56 Vgl. Anhang E. Vergleich bestehender Reifegradmodelle 103 5.2 Diskussion ausgewählter Reifegradmodelle Die nachfolgende Diskussion beschränkt sich auf die Reifegradmodelle, welche dem Gestaltungsbereich des SCM und E-Business zugeordnet wurden.57 Dabei folgt die Charakterisierung der Ansätze, soweit die vorhandenen Quellen es zulassen, nach den in Abschnitt 3.2.5 identifizierten Kriterien Verwendungszweck, Struktur, Reifekonzept und Reifegraddefinition. Zudem werden Aussagen darüber gemacht, welche Transfermittel für die Anwender zur Verfügung stehen. 5.2.1 CMMI for Acquisition Neben dem prominenten Capability Maturity Model for Software (SW-CMM) [vgl. Paulk et al. 1993a] wurden im Software Engineering Institute (SEI) der Carnegie Mellon Universität eine Reihe weiterer Reifegradmodelle entwickelt. Ein Modell, das sich ausschliesslich mit der Optimierung der Beschaffung (insbesondere von Software oder IT) auseinandersetzt, ist das CMMI for Acquisition (CMMI-ACQ) [vgl. CMMI Product Team 2007]. Verwendungszweck „[...] CMMI-ACQ provides an opportunity to avoid or eliminate barriers in the acquisition process through practices and terminology that transcend the interests of individual departments or groups“ [CMMI Product Team 2007, S. 4]. Es umfasst insgesamt 22 Prozessgebiete (z. B. Acquisition Validation, Decision Analysis and Resolution, Project Planning) sowie vier Prozesskategorien (Acquisition, Support, Process Management und Project Management).58 Eine Auflistung der im CMMI-ACQ enthaltenen Prozessgebiete ist in Tabelle 12 dargestellt. Struktur Der Aufbau des CMMI-ACQ folgt der vom SEI festgelegten Struktur für CMMIbasierte Modelle (vgl. Abbildung 44). Basis für die Reifebewertung bilden dabei die so genannten Prozessgebiete (Process Area), welche als „[...] cluster of related practices 57 Vgl. auch die thematische Einordnung der Arbeit in Abbildung 3. 58 Von den erwähnten 22 Prozessgebieten beziehen sich allerdings nur sechs auf beschaffungsrelevante Aktivitäten. Die restlichen 16 Prozessgebiete sind wiederkehrende Elemente, welche auch in anderen CMMIModellen wie z. B. dem CMMI for Development (CMMI-DEV) oder CMMI for Services (CMMI-SVC) zu finden sind. 104 Vergleich bestehender Reifegradmodelle in an area that, when implemented collectively, satisfies a set of goals considered important for making improvement in that area“ verstanden werden [CMMI Product Team 2007, S. 10]. Für jedes Prozessgebiet werden die übergeordneten Zielsetzungen (Purpose Statement), Konzepte (Introductory Notes) und Schnittstellen zu den anderen Prozessgebieten (Related Process Areas) spezifiziert sowie eine Zuordnung zu einer Prozesskategorie (Process Category) vorgenommen. Zur detaillierten Beschreibung eines Prozessgebiets werden ein oder mehrere spezifische Ziele und Praktiken formuliert, welche nur für das jeweilige Prozessgebiet relevant sind. Daneben kann ein Prozessgebiet auch generische Ziele und Praktiken umfassen, welche in mehr als einem Prozessgebiet vorkommen. Sowohl für spezifische als auch generische Praktiken können weitere untergeordnete Praktiken beschrieben werden. Eine Beschreibung typischer Arbeitsergebnisse erfolgt jedoch nur für spezifische Praktiken. Reifegrad Übergeordnete Zielsetzung Prozesskategorie 0..* 1..* 1..* 0..1 1..* 1..* 1..* 1..* Prozessgebiet 1..* Schnittstellenbeschreibung Übergeordnetes Konzept Spezifisches Ziel 1..* 1..* Spezifische Praktik Legende 1..* 1..* 1..* 1..* Ergebnis Generisches Ziel Generische Pra ktik 1..* Zwingendes Element Untergeordnete Praktik Fä higkeitsgra d 1..* Erwartetes Element Beschreibendes Element Abbildung 44: Metamodell der Struktur von CMMI-Modellen59 59 Übernommen und erweitert aus [CMMI Product Team 2007; Sharifloo et al. 2008]. Für die Darstellung wurde die Unified Modeling Language verwendet. Vergleich bestehender Reifegradmodelle 105 Reifekonzept und Reifegrade Wie aus dem Metamodell zu entnehmen ist, fusst das CMMI-ACQ Reifegradmodell auf einem prozessorientierten Reifeverständnis. Dabei wird zwischen Reifegraden (Maturity Levels) und Fähigkeitsgraden (Capability Levels) bzw. zwischen einer stufenförmigen (Staged Representation) und kontinuierlichen Darstellung (Continuous Representation) unterschieden. Bei ersterem wird die Reife stets auf Grundlage der Prozessgebiete bewertet: „Maturity levels apply to an organization’s process improvement achievement across multiple process areas. These levels are a means of predicting the general outcomes of the next project undertaken“ [CMMI Product Team 2007, S. 22]. Jedem Reifegrad wird daher eine Anzahl von Prozessgebieten mit konkreten Anforderungen zugeordnet, welche kumulativ erfüllt werden müssen, um auf die nächste Stufe zu gelangen. Insgesamt werden fünf Reifegrade vorgegeben (vgl. Tabelle 12). Reifegrad Erläuterung Zu erfüllendes Prozessgebiet 1 - Initial Prozesse sind chaotisch und werden ad hoc ausgeführt. Der Erfolg der Aufgabenab- Keines wicklung hängt massgeblich vom Einsatz und der Kompetenz einzelner Mitarbeiter ab. Trotz allem werden Produkte und Dienstleistungen eingekauft, die den Bedürfnissen der Bedarfsträger entsprechen. Allerdings werden dabei oft das Budget und die Zeitvorgaben überschritten. 2 - Managed Prozessverbesserungen werden auf Basis Agreement Management eines Acquisition Requirements Development funktionierenden Projektmanage- ments etabliert. Der Einkaufsverantwortliche sorgt dafür, dass die Einkaufsprozesse geplant und mit der Unternehmensstrategie abgestimmt sind. Des Weiteren müssen Configuration Management Measurement and Analysis Mechanismen für das Monitoring und Controlling der Lieferanten und der eige- Project Monitoring and Control nen Leistungsfähigkeit eingeführt werden, so dass eine periodische Überprüfung der Process and Product Quality Assurance Prozessperformance möglich ist. Die Resultate daraus müssen dem Management Requirements Management zur Verfügung gestellt werden. Project Planning Solicitation and Supplier Agreement Development 106 Vergleich bestehender Reifegradmodelle Reifegrad Erläuterung 3 - Defined Für die Beschaffung wird ein Set von Standardprozessen definiert, welche von sämtlichen Organisationseinheiten des Zu erfüllendes Prozessgebiet Acquisition Technical Management Acquisition Validation Unternehmens implementiert und befolgt werden müssen. Während bei Reifegrad 2 Acquisition Verification lediglich die Einkaufsorganisation betroffen war, verlagert sich der Schwerpunkt der Beschaffung deshalb auf die Organisation als Ganzes. Integrated Project Management Decision Analysis and Resolution Organizational Process Defini- Des Weiteren werden die Prozesse detail- tion lierter beschrieben als in der vorherigen Stufe. Die Mindestanforderungen sind eine Organizational Process Focus Definition von Zweck, Aktivitäten, Rollen, Messgrössen, Verifizierungsschritte, Aus- Risk Management Organizational Training löse- und Beendigungskriterien sowie Input und Output. 4 - Quantitatively Zur Verbesserung der EntscheidungsManaged grundlage des Einkaufs müssen differenziertere quantitative und qualitative Messgrössen definiert und statistische Analyseverfahren implementiert werden. Wesentli- Organizational Process Performance Quantitative Project Management ches Unterscheidungsmerkmal zur vorherigen Stufe ist die Vorhersagbarkeit der Prozessperformance. 5 - Optimizing Hauptaugenmerk der letzten Stufe ist die Causal Analysis and Resolution kontinuierliche Verbesserung der Ein- Organizational Innovation and kaufsprozesse. Diese sollten sich nicht nur auf die eigene Organisation, sondern auch Deployment auf die Kernlieferanten beziehen. Ungleich wie bei den vorherigen Stufen, die vorwiegend eine Steigerung der Prozesseffizienz beabsichtigen, spielt hier deshalb auch die Effektivität der Prozesse eine bedeutende Rolle. Tabelle 12: Reifegrade des CMMI-ACQ Eine weitere, weitaus flexiblere Möglichkeit zur Verbesserung der Reife wird durch die so genannten Fähigkeitsgrade bereit gestellt: „Capability levels apply to an organization’s process improvement achievement in individual process areas. These levels are a means for incrementally improving the processes corresponding to a given Vergleich bestehender Reifegradmodelle 107 process area.“ [CMMI Product Team 2007, S. 21]. Grundlage für die Bewertung der Reife ist hier der Erfüllungsgrad der generischen Ziele einzelner Prozessgebiete (d. h. Fähigkeitsgrad n ist für ein Prozessgebiet erreicht, wenn das generische Ziel n erfüllt ist). Eine Beschreibung der einzelnen Fähigkeitsgrade ist in Tabelle 13 zu finden. Fähigkeitsgrad Erläuterung 0 - Incomplete Der Prozess wird im Unternehmen entweder nicht oder nur teilweise ausgeführt. Eines oder mehrere Generisches Ziel Keines der spezifischen und keine generischen Zielsetzungen sind erfüllt. 1 - Performed Der Prozess wird im Unternehmen ausgeführt und erfüllt die definierten spezifischen Zielsetzungen, ist jedoch nicht institutionalisiert worden. 2 - Managed Der Prozess wird im Unternehmen ausgeführt, erfüllt die definierten spezifischen Zielsetzungen und ist mit der notwendigen Infrastruktur ausgestattet. Die einzelnen Aktivitäten des Prozesses werden in Übereinstimmung mit den vorgegebe- Spezifische Ziele des Prozessgebiets erreichen Den gemanagten Prozess institutionalisieren nen Richtlinien erledigt sowie die richtigen Mitarbeiter eingesetzt und die relevanten Stakeholder angemessen involviert. 3 - Defined Der Prozess folgt den Prozessstandards der Unternehmung und enthält detaillierte Beschreibun- Den definierten Prozess institutionalisieren gen von Zweck, Aktivitäten, Rollen, Auslöse- und Beendigungskriterien sowie Input und Output. 4 - Quantitatively Managed Der Prozess folgt den Prozessstandards der Unternehmung und enthält zudem noch quantitative Zielvorstellungen und Kennzahlen zum Zweck Den quantitativ gemanagten Prozess institutionalisieren der Prozessführung. 5 - Optimizing Der Prozess ist soweit geführt, dass eine ständige Prozessoptimierung möglich ist. Darüber hinaus Den optimierten Prozess institutionalisieren besteht ein gemeinsames Verständnis der Gründe für eventuelle Abweichungen von Kennzahlen und für inkrementelle Prozessverbesserungen. Tabelle 13: Fähigkeitsgrade des CMMI-ACQ Anwendung des Reifegradmodells Neben einer textuellen Beschreibung des Modellaufbaus und der Anforderungen der einzelnen Prozessgebiete, existiert für CMMI-basierte Modelle auch ein Vorgehensmodell zur Erhebung der Reife [vgl. SCAMPI Upgrade Team 2006b]. Eine vollständi- 108 Vergleich bestehender Reifegradmodelle ge Dokumentation (inkl. der notwendigen Checklisten, Erhebungs- und Analyseformulare usw.) wird nur dezidierten Partnern des SEI gewährt. Erläuterungen zur Evaluation des Modells konnten keine gefunden werden. 5.2.2 Sales and Operations Planning Maturity Model Ein anderer Ansatz zur Optimierung der organisationsinternen Beschaffung stellt das am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Sales and Operations Planning Maturity Model (S&OP-MM) dar [vgl. Lapide 2005]. Dieses betrachtet die Versorgungskette nicht wie das CMMI-ACQ allein von der Angebotsseite, sondern integriert zusätzlich die Nachfrageseite. Demzufolge ist der Fokus der Prozessoptimierung stärker auf den Kunden bzw. Bedarfsträger ausgerichtet als es beim vorherigen Modell der Fall war. Verwendungszweck Der Zweck des S&OP-MM beschränkt sich auf die heuristische Bestimmung des aktuellen Zustands der Absatz- und Vertriebsplanung innerhalb eines Unternehmens: „The S&OP Maturity Model should be used as a diagnostic tool for helping a company improve its planning processes“ [Lapide 2005, S. 15]. Anders als beim CMMI-ACQ, welches strategische, taktische und operative Aktivitäten beinhaltet, konzentriert sich das S&OP-MM demnach ausschliesslich auf ein Prozessgebiet (am ehesten vergleichbar mit Requirements Management im CMMI-ACQ). Struktur Das S&OP-MM folgt keiner formalen Struktur. Es kann demnach als rasterbasiertes Reifegradmodell eingestuft werden. Im Allgemeinen ist die Dokumentation des Modells insgesamt sehr dürftig. Deshalb konnte nicht festgestellt werden, welche Annahmen und Informationsquellen das Reifegradmodell zugrundelegt. Reifekonzept und Reifegrade Die Bewertung der Reife des Unternehmens basiert auf der Betrachtung der Absatzund Vertriebsplanungsprozesse, demzufolge auf einem prozessorientierten Reifeverständnis. Für jeden Reifegrad wird spezifiziert, wie die Kommunikation zwischen den Beteiligten organisiert, wie die Nachfrage- und Angebotsseite abgestimmt und wie die systemtechnische Unterstützung ausgestaltet ist. Es werden vier Reifegrade unterschieden (vgl. Abbildung 45). Vergleich bestehender Reifegradmodelle 109 Abbildung 45: Reifegrade des S&OP-MM60 Anwendung des Reifegradmodells Das S&OP-MM beschränkt sich auf die rein textuelle Beschreibung der Reifegrade und stellt dem Anwender keine weiteren Hilfsmittel zur Verfügung. Da die Gestaltungsobjekte der einzelnen Dimensionen nicht weiter detailliert wurden (z. B. Erklärung der einzelnen Konstrukte des Reifegradrasters), ist die Einschätzung vom subjektiven Verständnis des Betrachters abhängig. 5.2.3 Supply Chain Management Process Maturity Model Während sich das CMMI-ACQ und das S&OP-MM vorwiegend auf die organisationsinterne Betrachtung des Supply Managements konzentrieren, haben LOCKAMY und MCCORMACK ein Instrument für die Optimierung bzw. Bewertung der gesamten Versorgungskette entwickelt [vgl. Lockamy, McCormack 2004]. Verwendungszweck Primäre Zielsetzung des resultierenden Supply Chain Management Process Maturity Model (SCM-PMM) ist es, einerseits die Effektivität der organisationsinternen und 60 Übernommen aus [Lapide 2005, S. 14]. 110 Vergleich bestehender Reifegradmodelle -externen Prozesse zu erhöhen, andererseits auch die Vorhersagbarkeit und Kontrolle zu steigern. Dabei wird angenommen, dass eine signifikante Beziehung zwischen der Reife des SCM und der Leistungsfähigkeit der Organisation besteht. Struktur Auf Grundlage der vorhandenen Dokumentation wird das SCM-PMM als Hybridmodell eingeschätzt, da zwar auf bestimmte Aspekte des CMMI-Metamodells referenziert wird [vgl. Lockamy, McCormack 2004, S. 275], detaillierte Ausführungen zur Struktur des Reifegradmodells jedoch fehlen. Reifekonzept und Reifegrade Gleich wie die bisher betrachteten Reifegradmodelle legt das SCM-PMM ein prozessorientiertes Reifeverständnis zugrunde. Die vom Modell vorgeschlagenen Reifegrade des SCM (vgl. Tabelle 14) werden aus der gängigen BPR-Literatur abgeleitet [vgl. z. B. Davenport, Short 1990; Hammer, Champy 1993] und auf das SCOR-Modell übertragen [vgl. Supply Chain Council 2009]. Genauere Angaben des deduktiven Vorgehens werden keine gemacht. Reifegrad Erläuterung 1 - Ad Hoc Die Versorgungskette und die dazugehörigen Praktiken sind unstrukturiert und undefiniert. Prozesskennzahlen fehlen. Organisationsstrukturen sind nicht horizontal ausgerichtet. Die Performance der Prozesse ist unvorhersehbar. Ziele, falls überhaupt formuliert, werden oft nicht erreicht. Die Kosten für das SCM sind hoch, die Kundenzufriedenheit tief. Die Zusammenarbeit mit anderen Funktionen ist gering. 2 - Defined Die grundlegenden SCM Prozesse sind definiert und eingängig dokumentiert. Stellenprofile und Organisationsstruktur sind traditionell ausgerichtet. Die Performance der Prozesse ist mehr oder weniger berechenbar. Zielsetzungen sind formuliert, aber werden meistens nicht erreicht. Die Kosten für das SCM sind immer noch hoch, allerdings ist die Kundenzufriedenheit höher als zuvor. Ein Grossteil des Arbeitsaufwands wird dazu verwendet, die Funktionssilos zu durchbrechen. 3 - Linked SCM wird zum strategischen Thema. Es werden neue Stellen und Strukturen geschaffen, die den SCM-Gedanken in der Unternehmung verankern. Die Kooperationsintensität zwischen organisationsinternen, aber auch organisationsexternen Einheiten steigt. Es werden horizontale Prozesse mit gemeinsamen Zielsetzungen und Messgrössen implementiert. Die Kosten für das SCM beginnen dank kontinuierlicher Prozessverbesserungsmassnahmen zu sinken. Kunden werden bei diesen Aktionen miteinbezogen. Vergleich bestehender Reifegradmodelle Reifegrad 111 Erläuterung 4 - Integrated SCM wird ein Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Organisationsstrukturen sind komplett auf das SCM ausgerichtet. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Vertriebspartnern wird auf Prozessebene stabilisiert. Zunehmend werden auch komplexere SCM-Praktiken wie z. B. Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) angewendet. Die Zielerreichung wird konstant, die SCMKosten radikal gesenkt und die Kundenzufriedenheit noch weiter erhöht. 5 - Extended Die Grenzen zwischen den einzelnen Unternehmen verschwinden. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ist Routine. SCM wird in organisationsübergreifenden Teams weiterentwickelt. Eine kundenorientierte und kooperative Kultur wird gelebt. Die Kosten für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Prozesse sowie die daraus resultierenden Erlössteigerungen werden von den beteiligten Akteuren geteilt. Tabelle 14: Reifegrade des SCM-PMM Anwendung des Reifegradmodells Das SCM-PMM wurde als Basis für eine Umfrage von 523 Experten aus insgesamt 90 unterschiedlichen Unternehmen verwendet. Hierfür wurden die zu den Reifegraden gemachten Überlegungen in Form eines Fragebogens operationalisiert. Um die Beziehung zwischen Reifegrad des SCM und der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu testen, wurde ein zusätzliches Messinstrument für die Performancebewertung entwickelt. Die Resultate aus dieser Umfrage wurden in einem wissenschaftlichen Artikel zusammengefasst. Weitere Dokumente oder Transfermittel (z. B. AssessmentFragebogen) konnten nicht identifiziert werden. 5.2.4 Construction Supply Chain Maturity Model Ungleich wie die bisherigen Modelle stellt das Construction Supply Chain Maturity Model (CSCMM) ein branchenabhängiges Reifegradmodell dar, welches speziell für den Bausektor konzipiert ist [vgl. Vaidyanathan, Howell 2007]. Verwendungszweck Ziel des CSCMM ist es, einen Bezugsrahmen für die Bewertung (und nicht zwingender Weise für die Optimierung) der Unternehmen des Bausektors zu liefern. Anders als bspw. in der Fertigungsindustrie, wo eine logische Reihenfolge der Reifeentwicklung beobachtet werden kann (d. h. zuerst Optimierung der organisationsinternen Funktionen, dann die funktionsübergreifende und schliesslich die organisationsübergreifende Zusammenarbeit), gehen VAIDYANATHAN und HOWELL davon aus, 112 Vergleich bestehender Reifegradmodelle dass sich keine klar sequentielle Entwicklung für den Bausektor ableiten lässt: „[...] a construction supply chain typically involves collaboration between multiple firms. Hence, for complete operational efficiency of the construction supply chain, process maturity has to be gained along three dimensions - functional, project, and firm and not necessarily in that order“ [Vaidyanathan, Howell 2007, S. 174]. Struktur Grundlage des CSCMM bilden drei existierende Reifegrademodelle (Project Management Process Maturity Model, Supply Chain Management Process Maturity Model und das Lean Enterprise Transformation Maturity Model). Der formale Aufbau des Modells ist nicht näher spezifiziert. Angesichts der vorhandenen Dokumentation ist das CSCMM am ehesten als Hybridmodell einzustufen. Reifekonzept und Reifegrade Reife wird in diesem Modell als multidimensionales Phänomen verstanden. Folglich wird nicht nur auf die Effizienz und Effektivität von Prozessen fokussiert, sondern auch auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Strategie, Technologie und Wertentwicklung des Unternehmens. Als Rahmen zur Bewertung dieser Dimensionen dient eine textuelle Deskription der Reifegrade, ohne jedoch detaillierte Angaben zu den verschiedenen Gestaltungsobjekten der einzelnen Dimensionen zu machen (vgl. Tabelle 15). Des Weiteren fällt auf, dass die Ergebnisse stark am SCM-PMM Reifegradmodell anlehnen und nur eine geringe Innovation zur brachenunabhängigen Variante zu finden ist. Reifegrad Erläuterung 1 - Ad Hoc Der Prozessgedanke fehlt. Es gibt im Unternehmen einige Funktionen, die automatisiert sind. Jedoch existieren keine Standards für die funktionsübergreifende Automatisierung. Im Allgemeinen werden die Projekte unabhängig von einander abgewickelt. Die Kooperation mit anderen Unternehmen geschieht meist ad hoc. Die organisationsinternen und -externen Kommunikationswege sind unklar. Es wird nur wenig geplant und i. d. R. reaktiv auf Bedürfnisse der Bedarfsträger eingegangen. Die Kosten für das SCM sind hoch, die Kundenzufriedenheit tief. 2 - Defined Innerhalb des Unternehmens werden die Informationen aus den einzelnen Projekten geteilt. Die Bedürfnisse und Ziele der einzelnen Anspruchsgruppen der Versorgungskette sind definiert. Die Zielerreichung ist allerdings noch nicht vollständig vorhersagbar. Die Kosten für das SCM sind immer noch hoch, jedoch ist die Kundenzufriedenheit höher als zuvor. Vergleich bestehender Reifegradmodelle 113 Reifegrad Erläuterung 3 - Managed Das SCM wird Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Organisationsstrukturen werden auf die Versorgungskette ausgerichtet. Es werden Prozesse und Applikationen implementiert, welche die funktions-, projekt- und organisationsübergreifende Zusammenarbeit unterstützen. Der Informationsfluss zwischen den einzelnen Akteuren wird beständig. Ziele werden regelmässiger und öfter eingehalten, so dass keine „Heldentaten“ mehr notwendig sind. Die Kosten für das SCM sinken und die Kundenzufriedenheit steigt weiter an. 4 - Controlled Die Versorgungskette ist vollständig kontrollierbar und vorhersehbar. Traditionelle Funktionen werden durch stark an SCM-Prozessen ausgerichtete Einheiten ersetzt. Fortgeschrittene SCM-Praktiken, Messgrössen etc. sind in den Strukturen, aber auch in der Kultur verankert. Das Unternehmen tritt nicht mehr als einzelner Akteur, sondern als Netzwerk spezialisierter Akteure im Markt auf. Die einzelnen Partner des Netzwerks teilen ein grosses Vertrauen, das über eine vertragliche Abhängigkeit hinaus geht. Die Ziele werden regelmässig erreicht, die SCMKosten sind dank Spezialisierung gering und die Kundenzufriedenheit hoch. Tabelle 15: Reifegrade des CSCMM Anwendung des Reifegradmodells Zur Umsetzung des CSCMM Modells (z. B. Dokumentation der Erhebungs- und Analysetechniken) konnten keine näheren Informationen gefunden werden. Es ist anzunehmen, dass für die Erhebung der Reife ausschliesslich das definierte Raster angewendet wird. 5.2.5 B2B E-Commerce Adoption Readiness Obwohl nicht als Reifegradmodell intendiert, enthält die Arbeit von [Lin et al. 2007] interessante Erkenntnisse hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Reife der ITOrganisation und der Bereitschaft der Einführung von E-Commerce in Unternehmen. Verwendungszweck Die Untersuchung von 181 australischen Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors soll zeigen, dass eine signifikante Relation zwischen der IT-Reife und dem Einsatz von elektronischen Mitteln in der Beschaffung besteht. Hierfür wurde basierend auf GALLIERS und SUTHERLAND ein Fragebogen entwickelt, der die Reife der IT-Organisation operationalisiert [vgl. Galliers, Sutherland 1991]. 114 Vergleich bestehender Reifegradmodelle Struktur Nach FRASER et al. können fragebogenbasierte Reifebeurteilungen zu den Hybridmodellen gezählt werden [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]. Zur Beurteilung der Reife wird eine 6-stufige Likert-Skalierung verwendet. Die einzelnen Konstrukte des Fragebogens sind detailliert beschrieben und aus der gängigen Literatur abgeleitet. Um die Tauglichkeit für die Praxis zu prüfen, wurde vor dem Versand des Fragebogens ein Pre-Test mit zehn IT-Managern durchgeführt. Reifekonzept und Reifegrade Die Reife der IT-Organisation wird in Bezug auf die strategische Ausrichtung der elektronischen Beschaffung, den Führungsstil, die IT-Fähigkeiten der Mitarbeitenden und das Zielsystem bewertet. Die sich daraus ergebenden Reifegrade sind in Tabelle 16 dargestellt. Reifegrad 1 Erläuterung Strategie: Einkauf von Hard- und Software; Führung: Laienhaft; IT-Fähigkeiten: Individuell ausgeprägt; Zielsystem: Unbekannt 2 Strategie: IT-Audit, Identifikation der Bedürfnisse der Anwender; Führung: Gleichgültig; IT-Fähigkeiten: Basierend auf IS-Entwicklungsmethode; Zielsystem: Konfus 3 Strategie: Top-Down IT-Planung; Führung: Delegierend, autoritär; IT-Fähigkeiten: Fokus auf Projektmanagement; Zielsystem: Chefsache 4 Strategie: Integration, Koordination und Kontrolle; Führung: Demokratisch, dialektisch; IT-Fähigkeiten: Fokus auf Business Management und Integration; Zielsystem: Kooperativ 5 Strategie: Umfeldanalyse und Suche nach neuen Möglichkeiten; Führung: Individualistisch; IT-Fähigkeiten: IS-Manager in der Geschäftsleitung, sachkundige Nutzer, wo IT ein Thema ist; Zielsystem: Opportunistisch, unternehmerisch 6 Strategie: Erhaltung komparativer strategischer Vorteile und Trendforschung; Führung: Team-orientiert; IT-Fähigkeiten: Alle Führungskräfte teilen breites IT-Wissen; Zielsystem: Interaktiv Tabelle 16: Reifegrade der B2B E-Commerce Adoption Readiness Anwendung des Reifegradmodells Die Ergebnisse der Umfrage wurden statistisch ausgewertet und zu einem wissenschaftlichen Artikel zusammengefasst [vgl. Lin et al. 2007]. Anhand der Befragung konnte festgestellt werden, dass die Reife der IT-Organisation einen signifikanten Einfluss auf den Einsatz elektronischer Mittel in der Beschaffung hat. Eine Wiederver- Vergleich bestehender Reifegradmodelle 115 wendung des Fragebogens bzw. eine weitere Verfeinerung des Modells für die Praxis ist von den Autoren wahrscheinlich nicht beabsichtigt. 5.3 Beurteilung in Bezug auf den Gestaltungsbereich Situation Branche Situation Unternehmen Dynamische Entwicklung Lineare Entwicklung Kultur Technologie Reifegradmodell Strategie Erfüllung der Anforderungen Organisation Die Entwicklung eines neuen Reifegradmodells ist nur dann sinnvoll, wenn die bestehenden Modelle die Entscheidungsfindung hinsichtlich des Gestaltungsbereichs nicht bereits vollumfänglich unterstützen [vgl. Knackstedt et al. 2009, S. 537]. Im Folgenden werden daher die analysierten Ansätze anhand der in Abschnitt 4.3 abgeleiteten Kriterien bewertet (vgl. Tabelle 17). CMMI for Acquisition (CMMI-ACQ) Sales and Operations Planning Maturity Model (S&OP-MM) Supply Chain Management Process Maturity Model (SCM-PMM) Construction Supply Chain Maturity Model (CSCMM) B2B E-Commerce Adoption Readiness Legende: Intensiv behandelt Rudimentär behandelt Nicht behandelt Tabelle 17: Bewertung der untersuchten Reifegradmodelle Wie aus Tabelle 17 zu entnehmen ist, erfüllt keiner der betrachteten Ansätze alle spezifizierten Anforderungen. In Bezug auf das strategische, taktische und operative Supply Management und dessen prozesstechnische Umsetzung beinhaltet das CMMI-ACQ die differenziertesten Gestaltungsempfehlungen. Alle anderen vorgestellten Reifegradmodelle gehen bei ihren Ausführungen nicht über eine rudimentäre Betrachtung der Strategie und Organisation des Einkaufs hinaus. Da das CMMI-ACQ insbesondere für die Beschaffung von ITProdukten und Dienstleistungen in privatrechtlichen Unternehmen konzipiert wurde, 116 Vergleich bestehender Reifegradmodelle fehlen bestimmte Aspekte, welche für die Beschaffung in öffentlichen Krankenhäusern relevant sein könnten (z. B. Handhabung von Ausschreibungsverfahren). Hinsichtlich der technologischen Reife der Beschaffung liefert kein Modell eine genügend tiefe Bewertungsgrundlage. Es werden teilweise Zustände von Informationssystemkomponenten oder Applikationen aufgezeigt, jedoch liegt der Fokus insbesondere beim CMMI-ACQ und S&OP-MM auf der Prozessperspektive. Kulturelle Gesichtspunkte werden lediglich im Beitrag von LIN et al. thematisiert [vgl. Lin et al. 2007]. Allerdings sind diese weniger auf den Einkauf, sondern vielmehr auf die IT-Abteilung bzw. das Management ausgelegt. Insofern kann hier eine wesentliche Differenzierung zu den untersuchten Modellen erarbeitet werden. Im Hinblick auf die Darstellung der Reife unterstellt die Mehrheit der betrachteten Reifegradmodelle implizit einen linearen Entwicklungspfad. Lediglich das CMMIACQ gibt dem Anwender zusätzlich die Möglichkeit, die gewünschten Optimierungsbereiche flexibel festzulegen. Um jedoch eine CMMI-Zertifizierung zu erhalten, wird immer noch die stufenförmige Darstellung zugrundegelegt. Schliesslich konnte keiner der untersuchten Ansätze die geforderten situativen Anforderungen erfüllen. Jedes der betrachteten Reifegradmodelle geht davon aus, dass situative Einflussfaktoren wie Unternehmensgrösse, Rechtsform, Aufgabenstruktur etc. keine Rolle für die Bewertung spielen. Ebenfalls werden die branchenspezifischen Besonderheiten, insbesondere des Gesundheitswesens, nicht thematisiert. Deshalb wird hier eine weitere Möglichkeit für die Differenzierung gesehen. 5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Bewertung der Ansätze anhand der im vorangehenden Kapitel abgeleiteten Anforderungen zeigt vor allem inhaltliche Lücken in Bezug auf die Identifikation technologischer und kultureller Gestaltungsobjekte für das Supply Management. Die meisten Arbeiten legen den Fokus auf die organisatorische, teilweise auch auf die strategische Entwicklung des Gestaltungsbereichs. Hinsichtlich der strukturellen Anforderungen an die Reifegradmodelle kann festgestellt werden, dass nur ein einziger Ansatz sowohl lineare als auch flexible Gestaltungsempfehlungen umfasst. Keines der betrachteten Reifegradmodelle kann jedoch im Hinblick auf die Situativität eines Krankenhausbetriebes und der Branche überzeugen. Vergleich bestehender Reifegradmodelle 117 Letztlich präsentiert ein Grossteil der diskutierten Beiträge lediglich ein Raster zur Beurteilung der Reife. Erhebungs- und Analysetechniken stehen dem Anwender nicht zur Verfügung und erschweren so deren Nutzung in der Praxis. Da keiner der betrachteten Ansätze eine umfassende, situative Sichtweise auf den Gestaltungsbereich gewährleistet, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein eigener Vorschlag erarbeitet, der die aufgezeigten Schwachstellen adressiert. Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 119 6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung In diesem Kapitel soll die Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung beschrieben werden. Ausgehend von den bisherigen Erkenntnissen werden zunächst die zentralen Modellelemente (Abschnitt 6.1) und danach die fundamentalen Eigenschaften der einzelnen Bestandteile des Reifegradmodells diskutiert (Abschnitt 6.2). Aufgrund der Ermangelung etablierter Konzepte für die Entwicklung von Reifegradmodellen wird anschliessend die Vorgehensweise zur Konstruktion des Modells definiert (Abschnitt 6.3). Das Kapitel schliesst mit einer kurzen Zusammenfassung der dargelegten Ergebnisse (Abschnitt 6.4). 6.1 Beschreibung der Modellelemente Als fundierte Grundlage für die Konstruktion von Artefakten werden in der WI häufig Metamodelle spezifiziert. Folgende Beispiele sollen dies exemplarisch aufzeigen: BRAUN erweitert in seiner Dissertation eine bestehende Methode zur Modellierung von Unternehmensarchitekturen und evaluiert deren Machbarkeit und Nützlichkeit, indem er die Methode mit Hilfe eines Metamodellierungswerkzeugs umsetzt [vgl. Braun 2007]. KURPJUWEIT und WINTER zeigen wie Metamodelle für die multiperspektivische Modellierung (z. B. von IT-Architekturen) sowie für die Entwicklung von Methoden genutzt werden können und demonstrieren anhand von Fallstudien deren Nützlichkeit für die Praxis [vgl. Kurpjuweit, Winter 2007]. WORTMANN entwickelt in seiner Dissertation eine Methode für die unternehmensweite Autorisierung. Grundlage für die Entwicklung der Methode bilden u. a. ein Metamodell für die Autorisierungsarchitektur sowie ein Metamodell für die Integration der Autorisierung [vgl. Wortmann 2006]. In der vorliegenden Arbeit wird das Konzept der Metamodellierung zur Darstellung und Erklärung der wesentlichen Bestandteile der Problemlösung genutzt. Abbildung 46 zeigt demnach das Zusammenwirken der verschiedenen Bestandteile der vorliegenden Arbeit. 120 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Konfigurationstechnik 0..* Erhebungs- und Analysewerkzeug wird operationalisiert durch Erhebungtechnik 0..* 1..* Bewertungsmodell definiert Konstrukte des Analysetechnik Legende 0..* Zentrale Komponente Ontologie Unterstützende Komponente Abbildung 46: Metamodell der zentralen Bestandteile der Arbeit61 Bewertungsmodell: Das Bewertungsmodell stellt die zentrale Lösungskomponente der Arbeit dar. Es umfasst unterschiedliche Techniken zur Erhebung und Analyse der Reife des Supply Managements in Krankenhäusern. Ontologie: Zur Festschreibung der Inhalte und ihrer Zusammenhänge für den einheitlichen Entwurf der Konfigurations-, Erhebungs- und Analysetechniken wird eine Domänenontologie definiert. Diese basiert auf einer spezifischen Sprache und wird in einem hierfür bestimmten Werkzeug abgebildet. Erhebungs- und Analysewerkzeug: Zur Operationalisierung des Bewertungsmodells wird ein Softwareprototyp entwickelt. Der Prototyp wird im Verlaufe der Konstruktion zum einen dazu genutzt, um Daten hinsichtlich der Reife der einzelnen Krankenhäuser zu sammeln, zum anderen, um die Umsetzbarkeit der spezifizierten Modellstruktur und -inhalte zu demonstrieren. Erhebungstechnik: Die Mehrzahl der analysierten Reifegradmodelle bieten unzureichende Hilfsmittel für die strukturierte Beurteilung der Reife. Um die Ermittlung der für die Reifebeurteilung notwendigen Daten zu unterstützen, wird deshalb eine Erhebungstechnik spezifiziert. 61 Die einzelnen Komponenten sind in Anlehnung an [Ahlemann et al. 2005; Hüner et al. 2009; Teuteberg, Freundlieb 2009] abgeleitet worden. Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 121 Analysetechnik: Als Rahmen für die Reflexion und Kommunikation sind unterschiedliche Analysetechniken zu spezifizieren, welche die erhobenen Daten in geeigneter Form darstellen. Konfigurationstechnik: Damit unterschiedliche Situationen abgebildet und bewertet werden können, ist die Definition entsprechender Konfigurationsmechanismen notwendig. 6.1.1 Metamodell der Struktur des Reifegradmodells Eine Referenz zur Ableitung der massgeblichen Strukturelemente des Reifegradmodells bildet – da die anderen untersuchten Modelle keinen formalen Aufbau aufweisen – das in Abschnitt 5.2.1 beschriebene Metamodell des CMMI-ACQ. Aufgrund der im vorherigen Kapitel aufgezeigten Unzulänglichkeiten werden jedoch weitreichende Änderungen vorgenommen (vgl. Abbildung 47). 1..* Generisches Ziel Reifegrad 1..* Gesta ltungsebene 0..* Gestaltungsdimension 0..1 1..* 1..* Gestaltungsobjekt 1..* 1..* Situa tion 1..* Spezifisches Ziel Legende Zwingendes Element Erwartetes Element 1..* Fä higkeitsgrad Beschreibendes Element Abbildung 47: Metamodell der Struktur des Reifegradmodells 122 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Gestaltungsobjekte: Basis für die Bewertung der Reife bilden nicht Prozesse bzw. Prozessgebiete, sondern so genannte Gestaltungsobjekte. Gestaltungsobjekte können materielle (z. B. Infrastrukturkomponenten) oder immaterielle Gegenstände (z. B. Anreizstrukturen) darstellen. Situationen: Zur Sicherstellung der Situativität des Reifegradmodells werden unterschiedliche Konstellationen spezifiziert, in denen ein Gestaltungsobjekt vorkommen kann. Dadurch können vergleichbare Sachverhalte besser gegenübergestellt werden. Spezifische Ziele: Ein Gestaltungsobjekt weist immer ein spezifisches Ziel auf (z. B. ein Kostenziel, Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel, Sicherheitsziel und Flexibilitäts-/Unabhängigkeitsziel).62 Ungleich wie beim CMMI-ACQ kann ein spezifisches Ziel auch mehreren Gestaltungsobjekten zugeordnet werden. Fähigkeitsgrade: Je nach Erfüllung der spezifischen Ziele können Fähigkeitsgrade definiert und entsprechende Zielprofile abgeleitet werden. Gestaltungsebenen: Da nicht nur Prozesse als Grundlage für die Reifebeurteilung betrachtet werden sollen, gilt es unterschiedliche Gestaltungsebenen zu unterscheiden (z. B. Personen, Prozesse, Technologien, Umwelt). Diese helfen, zusammen mit den Gestaltungsdimensionen, thematisch zusammengehörige Gestaltungsobjekte zu gliedern. Generische Ziele: Gestaltungsebenen weisen immer ein oder mehrere generische Ziele auf (z. B. Prozess ist definiert, geführt und optimiert). Ein generisches Ziel ist immer eindeutig einer Gestaltungsebene zugeordnet. Reifegrade: Je nach Erfüllungsgrad der generischen Ziele werden Reifegrade definiert. Diese bilden, zusammen mit den abgeleiteten Fähigkeitsgraden, die Gestaltungsempfehlungen der vorliegenden Arbeit. Gestaltungsdimensionen: Analog wie die Prozesskategorien in CMMI-ACQ werden so genannte Gestaltungsdimensionen als Mittel zur Strukturierung des betrachteten Gestaltungsbereichs abgeleitet. Tabelle 18 zeigt zusammenfassend die Definitionen der Metaentitätstypen des Reifegradmodells und die Zuordnung zur Metastruktur des CMMI-ACQ. 62 Vgl. Abschnitt 4.1.2. Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 123 Metaentitätstyp Erläuterung Zuordnung CMMI Fähigkeitsgrad Ein Fähigkeitsgrad beschreibt die kumulative Erfül- Fähigkeitsgrad lung der spezifischen Ziele der Gestaltungsobjekte. Generisches Ziel Ein generisches Ziel bezeichnet die mit der Optimierung einer Gestaltungsebene verbundene Absicht. Generisches Ziel Gestaltungs- Eine Gestaltungsdimension ist die Zusammenfassung Prozesskategorie dimension aller Anforderungen zu einem Thema (z. B. Bedarfsermittlung, Bestellung) und dient zur Strukturierung des Reifegradmodells. Gestaltungsebene Gestaltungsebenen definieren das Konzept von Reife, welches zur Beurteilung eines Gestaltungsobjekts angewendet werden soll. Nicht vorhanden Gestaltungsobjekt Ein Gestaltungsobjekt ist das zentrale Element zur Prozessgebiet Beurteilung der Reife eines Gestaltungsbereichs. Reifegrad Ein Reifegrad fasst eine Anzahl von Gestaltungsob- Reifegrad jekten zusammen, welche kumulativ erfüllt werden müssen, um auf die nächste Stufe zu gelangen. Situation Eine Situation beschreibt eine typische Konstellation Nicht vorhanden einer Organisation. Sie bildet die Grundlage zur Selektion der für den Sachverhalt zutreffenden Gestaltungsobjekte. Spezifisches Ziel Ein spezifisches Ziel bezeichnet die mit der Optimie- Spezifisches Ziel rung eines Gestaltungsobjekts verbundene Absicht. Tabelle 18: Beschreibung der strukturellen Metaentitätstypen 6.1.2 Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells Grundlage für die Entwicklung der Inhalte des Reifegradmodells ist das Business Engineering Core-Business-Metamodell (BE CBM) [vgl. Österle et al. 2007b]. Es beinhaltet die wesentlichen Elemente zur allgemeinen Beschreibung der Architektur von Organisationen. Zudem sind die folgenden branchenspezifischen Adaptionen vorhanden: BAACKE et al. verwenden das BE CBM als Ausgangslage zur Beschreibung der Transformation der öffentlichen Verwaltung [vgl. Baacke et al. 2008b]. Wesentliche Neuerung ist die Erweiterung des Metamodells um Elemente, welche die regulatorischen Rahmenbedingungen beschreiben. METTLER et al. adaptieren das BE CBM in Hinblick auf die Verwendung im Gesundheitswesen [vgl. Mettler et al. 2008]. Wesentliche Neuerung ist die Unter- 124 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung scheidung zwischen einer intra- und interorganisationalen Perspektive sowie die Erweiterung des Metamodells mit Rücksicht auf branchenspezifische Eigenheiten. Da das BE CBM und die erläuterten Variationen mit Rücksicht auf den zu gestaltenden Gestaltungsbereich zu breit gefasst sind, ist eine Selektion der für die Entwicklung des Reifegradmodells relevanten Konstrukte vorgenommen worden (vgl. Abbildung 48). Ferner werden neu zwei unterschiedliche Typen von Konstrukten differenziert: Abstrakte Konstrukte: Abstrakte Konstrukte bezeichnen Entitäten, deren Attribute für die Ontologie bzw. Modellentwicklung relevant sind, für welche jedoch keine konkreten Instanzen abgeleitet werden. Die Attribute abstrakter Konstrukte werden im Reifegradmodell bspw. dafür genutzt, um eine Situation zu charakterisieren. Instanziierte Konstrukte: Instanziierte Konstrukte bezeichnen Entitäten, für welche konkrete Instanzen erzeugt werden. Die Instanzen werden im Reifegradmodell bspw. dafür genutzt, um ein spezifisches Gestaltungsobjekt abzubilden. Organisation Wissensorganisation unterstützt 0..* Führung 0..1 steuert 1.. * Ziel 1..* Wissenskomponente Aufbauorganisation führt aus 0..* hat 0..1 1..* 0..* Informationssystem 0..1 Prozess wird formuliert für Anreiz unterstützt Ablauforganisation Applikation 1..* 1..* beeinflusst Ausführung von 1..* unterstützt Aufgabe Softwarekomponente beeinflusst Ausführung von Legende Konstrukt aus BE CBM Erweitertes Konstrukt Instanziiert Abstrakt Abbildung 48: Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells Des Weiteren sind die folgenden Erweiterungen gemacht worden: Aufnahme der Entität „Wissensorganisation“: Die Wissensorganisation unterstützt die Führung und besteht aus einer oder mehreren Wissenskomponenten. Sie ist gleich wie die Entitäten Unternehmen, Informationssystem, Applikation, Aufbau- Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 125 und Ablauforganisation eine abstrakte Klasse und dient lediglich zur Abstraktion von Attributen der von ihr abgeleiteten Klassen. Aufnahme der Entität „Wissenskomponente“: Wissenskomponenten werden benötigt, um eine Aufgabe effizient und effektiv auszuführen. Fehlt das Wissen für die Ausführung einer bestimmten Aufgabe, wird dadurch die Zielerreichung des Geschäftsprozesses tangiert. Aufnahme der Entität „Anreiz“: Anreize werden dazu formuliert, um die Realisierung ausgewählter Ziele zu unterstützen. Sie haben i. d. R. einen positiven Einfluss auf die Ausführung einer bestimmten Aufgabe. In Tabelle 19 sind die einzelnen Metaentitätstypen nochmals zusammenfassend beschrieben. Metaentitätstyp Erläuterung Ablauforganisation Die Ablauforganisation beschreibt die stellenübergreifenden Arbeitsabläufe einer Organisation. Anreiz Ein Anreiz ist ein verhaltensbeeinflussender Reiz, der sich auf eine Person oder Gruppe von Personen bezieht. Er kann extrinsisch (z. B. bessere Entlöhnung) oder intrinsisch (z. B. mehr Spass an der Arbeit) ausgestaltet sein. Applikation Eine Applikation ist die fachlogische Zusammenfassung mehrerer Softwarekomponenten und ihrer Operationen. Aufbauorganisation Die Aufbauorganisation gliedert die Organisation in fachlogische Einheiten und verbindet dadurch einzelne Stellen mit Leitungs- und Kommunikationsstrukturen. Aufgabe Eine Aufgabe ist eine fachlogische Verrichtungseinheit mit einem bestimmbaren Ergebnis. Sie wird von Menschen und/oder Maschinen ausgeführt. Führung Führung beschreibt die Entwicklung, Gestaltung und Lenkung der Aufbau- und Ablauforganisation zur Erreichung der spezifizierten Ziele. Informationssystem Ein Informationssystem kann als sozio-technisches System aufgefasst werden, welches Menschen und Maschinen verbindet und zur effizienten Informationsversorgung eingesetzt wird. Organisation Eine Organisation ist ein zweck-bestimmtes, aktivitäten-orientiertes und abgrenzbares System. 126 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Metaentitätstyp Erläuterung Prozess Ein Prozess ist die zusammengehörende Abfolge von Aufgaben zum Zweck einer Leistungserstellung. Input bzw. Output eines Prozesses sind seine Leistungen, die von internen oder externen Akteuren angefordert und abgenommen werden. Softwarekomponente Eine Softwarekomponente fasst alle für die systemgestützte Ausführung einer Aufgabe relevanten Funktionalitäten zusammen und unterstützt diese bei der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung betrieblich relevanter Informationen. Wissenskomponente Eine Wissenskomponente fasst das für die Ausführung einer Aufgabe relevante Wissen zusammen. Wissensorganisation Die Wissensorganisation fasst verschiedene Vorgehensweisen, Methoden und Modelle zur Erschliessung und Strukturierung des Wissens einer Organisation zusammen. Ziel Ziele beschreiben diejenigen Kriterien und Anforderungen, anhand derer die Führung des Unternehmens zu erfolgen hat. Diese werden im Sinne einer hierarchischen Zielstruktur in unterschiedlichen Detaillierungsgraden definiert. Tabelle 19: Beschreibung der inhaltlichen Metaentitätstypen 6.2 Beschreibung der Beschaffenheit des Reifegradmodells Ausgehend vom in Abschnitt 3.4 spezifizierten Entwurfsmuster werden nun der Anspruch und die Charakteristik des Reifegradmodells besprochen. Als erstes erfolgt die Beschreibung der generellen Eigenschaften des Reifegradmodells. In einem zweiten Schritt werden die Eigenschaften der Ontologie und als letztes die des Bewertungsmodells diskutiert. 6.2.1 Generelle Eigenschaften Verwendungszweck: Die übergeordnete Zielsetzung der Artefaktkonstruktion ist es, die Krankenhäuser bei der zielgerichteten Gestaltung des Einkaufs zu unterstützen. Das Artefakt soll, neben dem Aspekt des Gestaltens, auch den Aspekt des Entscheidens (impliziert aus dem Begriff „zielgerichtet“) berücksichtigen. Neuigkeitswert: Die Untersuchung bestehender Reifegradmodelle lässt den Schluss zu, dass es noch keine umfassende Lösung für den spezifizierten Gestaltungsbereich gibt. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass das zu erschaffende Reife- Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 127 gradmodell eine Innovation darstellt, wenngleich für die Konstruktion auf bestehendes Wissen zurückgegriffen wird. Breite: Aufgrund des besonderen Charakters des Gesundheitswesens im Allgemeinen und der Organisation „Krankenhaus“ im Speziellen63 wird angenommen, dass das Reifegradmodell lediglich Gültigkeit für diese spezifische Branche besitzt. Gleichwohl ist denkbar, dass es in angepasster Form auch in der öffentlichen Verwaltung Anwendung finden könnte. Tiefe: Den Fokus des Reifegradmodells bildet die Arbeitsgruppe „Krankenhauseinkauf“. Da diese aber eine Vielzahl intraorganisationaler und interorganisationaler Schnittstellen aufweist, sollten auch Konstrukte identifiziert werden, welche die Organisationseinheit mit dem Rest der Organisation und Wertekette verbinden. Zielgruppe: Krankenhauseinkäufer betrachten den Gestaltungsbereich vorwiegend aus fachlicher Sicht. Die Beleuchtung technologischer Gesichtspunkte wird deshalb sehr oft vernachlässigt. Da eine ganzheitliche Lösung angestrebt wird, sollen beide Betrachtungsweisen gleichermassen adressiert werden. 6.2.2 Eigenschaften der Ontologie Verwendungszweck: Primäre Funktion der zu entwerfenden Ontologie ist es, die wesentlichen Konstrukte der Domäne „Krankenhauseinkauf“ (und ihre Beziehungen) zu erklären. Obwohl sie als Basis für die Erstellung des Softwareprototyps genutzt wird, ist der Aspekt der Automation nicht im Fokus. Abstraktion: Die Ontologie wird bewusst in Hinblick auf die Domäne „Krankenhauseinkauf“ entwickelt und beinhaltet deshalb sowohl allgemeine als auch sehr spezifische Konstrukte, welche diesen Realweltabschnitt erklären. Die Ontologie sollte demzufolge einen mittleren Abstraktionsgrad aufweisen. Subjekt: Durch die Ontologie soll in erster Linie die Terminologie des Reifegradmodells bestimmt werden. Eine weitere Detaillierung des Wissens ist nur begrenzt vorgesehen. Sprache: Für die Umsetzung der Ontologie wird eine klassische, frame-basierte Ontologiesprache gewählt. Diese erlaubt eine hohe Formalisierung der identifizierten Konstrukte und lässt zudem axiomatische Schlussfolgerungen zu. 63 Vgl. Kapitel 4. 128 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Entwurfsmethode: Für den Entwurf der Ontologie wird die anwendungsunabhängige Methode METHONTOLOGY verwendet, da diese den iterativen Problemlösungsprozess der vorliegenden Arbeit begünstigt [vgl. Jones et al. 1998, S. 73]. 64 Entwurfswerkzeug: Aufgrund der Komplexität der Problemstellung soll der Entwurf der Ontologie computergestützt erfolgen. Hierfür wird das Werkzeug Protégé verwendet, da es nicht an eine bestimmte Entwurfsmethode gebunden ist und unterschiedliche Ontologiesprachen (darunter auch eine frame-basierte) zur Verfügung stellt. 6.2.3 Eigenschaften des Bewertungsmodells Verwendungszweck: Das Hauptziel des Bewertungsmodells ist es, Gestaltungsempfehlungen – im Sinne eines Entwicklungspfades – für die Arbeitsgruppe „Krankenhauseinkauf“ zu entwickeln. Dabei steht mehr die organisationsinterne und weniger die organisationsübergreifende Bewertung im Vordergrund. Nichtsdestotrotz kann das Reifegradmodell auch als Grundlage für das Benchmarking unterschiedlicher Krankenhäuser verwendet werden. Struktur: Die Analyse der existierenden Reifegradmodelle hat gezeigt, dass rasterbasierte oder hybride Reifegradmodelle dem Anwender oftmals zu wenig Unterstützung bieten, da diese den Gestaltungsbereich nicht detailliert genug erfassen. Das zu entwickelnde Reifegradmodell soll deshalb eine an die spezifizierten Anforderungen angepasste Struktur von CMMI Modellen erhalten.65 Reifekonzept: Wie bereits dargelegt, sollte das Gestalten von Organisationen möglichst ganzheitlich, multiperspektivisch und situationsspezifisch realisiert werden. Folglich sollte das Bewertungsmodell über eine reine Prozessbetrachtung hinausgehen und auch verhaltensbezogene und technologische Aspekte beurteilen. Reifegraddefinition: Obwohl der Gestaltungsbereich „Supply Management“ im Gesundheitswesen noch wenig ausgereift ist, hat die Thematik in anderen Branchen wie z. B. der Automobil- oder Elektronikindustrie grosse Beachtung gefunden. Dementsprechend existieren bereits erste Vorstellungen darüber, was effizien- 64 Zur detaillierten Beschreibung der Methodik sei auf die entsprechende Literatur verwiesen [vgl. Fernandez et al. 1997]. 65 Vgl. Abschnitt 6.1.1. Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 129 tes und effektives Supply Management bedeutet. Deshalb wird zur Spezifikation der Reifegrade ein Bottom-Up Ansatz gewählt. Entwicklungspfad: Eine ganzheitliche und multiperspektivische Gestaltung von Organisationen erfordert auch, dass unterschiedliche Analysetechniken dem Anwender zur Verfügung gestellt werden. Für Krankenhauseinkäufer mit einer eher mechanistischen Sichtweise der Organisation wird ein stufenförmiger Entwicklungspfad spezifiziert. Bei einer organischen Sichtweise der Organisation trägt die kontinuierliche Repräsentation der Reife dazu bei, dass der Entwicklungspfad dynamisch gestaltet werden kann. Empfehlung: Da das Supply Management in Krankenhäusern noch wenig entwickelt ist und in diesem Sinne noch keine wirklichen Best Practices existieren, wird für die Definition der unterschiedlichen Gestaltungsempfehlungen auf Common Practice-Wissen zurückgegriffen. Gleichwohl wird für die Identifikation der relevanten Konstrukte des Einkaufs auf industrielle Best Practices referenziert. Konfiguration: Die Forderung nach Situativität bedingt, dass unterschiedliche Konstellationen der Beschaffung in Krankenhäuser untersucht und die dafür zutreffenden Konstrukte erfasst werden. Damit der Modellanwender ausschliesslich die für die jeweilige Situation passenden Konstrukte bewerten kann, ist eine generierende Konfiguration erforderlich (Elementselektion). Erhebungsmethode: In Bezug auf die Erhebung der notwendigen Daten wird angenommen, dass eine unterstützte Selbstbeurteilung zielführend ist, da einerseits die ganzheitliche Sichtweise bei den Modellanwendern oftmals fehlt und andererseits die Kontinuität und Konsistenz der Befragung verbessert wird. Erhebungstechnik: Für die Erhebung soll in erster Linie mit Interviews gearbeitet werden, weil auf diese Weise in relativ kurzer Zeit möglichst viele Informationen gesammelt werden können. Realisierung: Da die Mittel für Organisationsentwicklungsprojekte in den Krankenhäusern äusserst knapp bemessen sind und die Verfügbarkeit von Personal (insbesondere des medizinischen Personals) begrenzt ist, sollte die Datenerhebung nicht projektbasiert realisiert werden. Folglich wird davon ausgegangen, dass punktuelle Experteninterviews (i. d. R. mit der oder dem Verantwortlichen der Beschaffung) genügend detaillierte Daten für die Bewertung der Reife liefern. 130 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Häufigkeit: Das Begutachtungsverfahren sollte in regelmässigen Abständen (Zeitspanne 1-2 Jahre) erfolgen. Dadurch wird eine kontinuierliche Betrachtung der Entwicklung der organisationalen Reife gewährleistet. Hilfsmittel: Aufgrund der Komplexität der Problemstellung soll die Datenerhebung und -analyse computergestützt erfolgen. In Abbildung 49 sind die getroffenen Designentscheide nochmals grafisch zusammengefasst. Merkmal Ausprägung Verwendungszweck Neuigkeitswert Generelle Merkmale Breite Tiefe Merkmale der Ontologie Merkmale des Bewertungsmodells Gestalten Entscheiden Lernen/Wissen Variante Version Innovation Branchenunabhängig Arbeitsgruppe Branchenabhängig Organisation Gesellschaft Wertkette Zielgruppe Management-orientiert Technologie-orientiert Verwendungszweck Repräsentation Automation Abstraktion Allgemein Domäne Anwendung Subjekt Terminologie Struktur Wissen Sprache Axiomatisch Webbasiert Entwurfsmethode Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig Entwurfswerkzeug Papierbasiert Computergestützt Verwendungszweck Optimierung Bewertung Struktur Rasterbasiert Hybrid Formal-strukturiert Reifekonzept Prozessreife Personenreife Objektreife Reifegraddefinition Bottom-Up Top-Down Entwicklungspfad Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich) Empfehlung Common-Practice Best-Practice Konfiguration Keine Generierend Erhebungsmethode Selbstbeurteilung Unterstützt durch Dritte Erhebungstechnik Interview Umfrage Nicht-generierend Beurteilung durch Dritte DokumentenBeobachtung analyse Realisierung Punktuell Projektbasiert Häufigkeit Einmalig Mehrmalig Hilfsmittel Keine Dokumentbasiert Computergestützt Abbildung 49: Anwendung des Entwurfsmusters auf die vorliegende Arbeit Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 131 6.3 Vorgehen zur Konstruktion des Reifegradmodells Eine häufige Kritik am Konzept der Reifegradmodellierung ist, dass die Modelle unzureichend theoretisch fundiert werden [vgl. Biberoglu, Haddad 2002, S. 150]. Dieser Umstand ist nicht zuletzt dadurch zu begründen, dass die Entwickler von Reifegradmodellen den Konstruktionsprozess nur selten offenlegen und dadurch eine Beurteilung der Validität und Reliabilität des Modells erschwert wird [vgl. auch Becker et al. 2009, S. 250]. Im Folgenden werden zunächst die explizierten Vorgehensweisen von DE BRUIN et al. und BECKER/KNACKSTEDT et al. diskutiert. Anschliessend wird darauf aufbauend das eigene Vorgehen erklärt. 6.3.1 Vorgehen nach DE BRUIN et al. Auf Basis der Erkenntnisse, welche im Rahmen der Konstruktion des Business Process Maturity Model (BPMM) und des Knowledge Management Capability Assessment (KMCA) gemacht wurden, definieren DE BRUIN et al. ein Phasenmodell zur Reifegradmodellentwicklung, das aus den nachfolgenden sechs Aktivitäten besteht [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 2 f.]. 1. Gestaltungsbereich eingrenzen (Scope): In einem ersten Schritt werden der Gestaltungsbereich eingegrenzt (genereller Gestaltungsbereich vs. domänenspezifischer Gestaltungsbereich) und die relevanten Anspruchsgruppen (Praktiker vs. Wissenschaftler) bestimmt. Grundlage für die Eingrenzung bildet in der Regel eine umfassende Literaturanalyse und erste Erfahrungen im spezifizierten Themengebiet. 2. Reifegrade und Erhebungsverfahren definieren (Design): Die Ergebnisse der durchgeführten Literaturanalyse und Interviews werden weiterhin zur Ableitung der Reifegrade genutzt. Die Definition der Reifegrade erfolgt somit vor der Identifikation möglicher Gestaltungsobjekte oder Messgrössen (Top-Down). Zentral dabei ist die Festlegung der unterschiedlichen Gestaltungsebenen und der Ansprechpartner, welche die zur Erhebung der Reife notwendigen Daten liefern sollen. 3. Modellinhalte ermitteln (Populate): In einem weiteren Schritt folgt die „Befüllung“ der Inhalte des Reifegradmodells. Ausgangspunkt bildet die Bestimmung der Gestaltungsdimensionen resp. die Definition eines geeigneten Erhebungsrasters. Die einzelnen Gestaltungsobjekte werden wiederum aus der gängigen Literatur hergeleitet. Für jedes Gestaltungsobjekt wird anschliessend eine Frage konzipiert. Die 132 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung einzelnen Fragestellungen werden abschliessend in einem Fragenkatalog zusammengefasst. 4. Modellinhalte evaluieren (Test): Der wichtigste Schritt in der Modellentwicklung ist gemäss DE BRUIN et al. die Evaluation der Modellinhalte hinsichtlich ihrer Validität, Reliabilität und Generalisierbarkeit. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Im Rahmen der Entwicklung des BPMM ist der entwickelte Fragenkatalog durch Experteninterviews und Fallstudien, beim KMCA durch Fokusgruppendiskussionen evaluiert worden. 5. Modellinhalte operationalisieren (Deploy): Um die Akzeptanz des Modells zu erhöhen, schlagen DE BRUIN et al. vor, den Fragenkatalog in eine für den potenziellen Anwender nutzbare Form zu bringen. Auf einzelne Techniken oder Ergebnisdokumente wird dabei nicht eingegangen. 6. Nutzung sicherstellen (Maintain): Schliesslich müssen Vorkehrungen getroffen werden, um die weitere Verbreitung und Evolution des Modells zu unterstützen. Hier werden ebenfalls keine näheren Angaben gemacht. 6.3.2 Vorgehen nach BECKER/KNACKSTEDT et al. BECKER/KNACKSTEDT et al. systematisieren ihre Erkenntnisse aus der Konstruktion des IT Performance Measurement Maturity Model (ITPM3) in einem Vorgehensmodell für Reifegradmodellentwicklung [vgl. Becker et al. 2009; Knackstedt et al. 2009]. Die Grundlage dafür bilden die Design Science Research Guidelines von HEVNER et al. [vgl. Hevner et al. 2004, S. 83]. Obwohl explizit auf die Entwicklung von Reifegradmodellen Bezug genommen wird, sind die einzelnen Phasen leider nur sehr generisch beschrieben und liefern nur wenige Anhaltspunkte für die konkrete Reifegradmodellkonstruktion. Das Vorgehensmodell gliedert sich in acht Schritte (vgl. Abbildung 50): 1. Problemdefinition: Der Entwicklungsprozess eines Reifegradmodells startet mit der Problemdefinition. Ziel ist es, den Gestaltungsbereich des Reifegradmodells einschliesslich seiner Einsatzvoraussetzungen festzulegen und den mit dem Reifegradmodell angestrebten Nutzen detailliert zu beschreiben. 2. Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen: Als zweiter Schritt folgt der Vergleich mit bestehenden Reifegradmodellen. Dadurch soll die Notwendigkeit eines zu entwickelnden Reifegradmodells begründet resp. der Nachweis erbracht werden, Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 133 dass noch keine geeignete Problemlösung für den gewählten Gestaltungsbereich existiert. 3. Festlegung der Entwicklungsstrategie: Besteht eine genügend grosse Notwendigkeit zur Entwicklung eines Reifegradmodells, muss als nächster Schritt die Entwicklungsstrategie festgelegt werden (z. B. vollständige Neuentwicklung, die Weiterentwicklung eines bestehenden Reifegradmodells, die Kombination mehrerer Modelle zu einem neuen Reifegradmodell oder die Übertragung von Strukturen oder Inhalten). 4. Iterative Reifegradmodellentwicklung: Nach Festlegung der Entwicklungsstrategie erfolgt die eigentliche Konstruktion des Reifegradmodells, indem die zur Reifebewertung benötigte Modellbasis iterativ in mehreren Schritten verfeinert wird. Hierfür können unterschiedliche Methoden angewendet werden (z. B. Literaturanalyse, Fokusgruppen, Kreativitätstechniken). 5. Konzeption von Transfer und Evaluation: Das Reifegradmodell ist den potentiellen Anwendern in adressatengerechter Weise, d. h. unter Berücksichtigung ihrer Anwendungsvoraussetzungen und -interessen, zur Verfügung zu stellen. Deshalb müssen nach der Entwicklung der Modellbasis auch geeignete Transfermittel für die Praxis spezifiziert werden (z. B. papierbasierte Checklisten für die Erhebung, softwaregestützte Erhebung und Analyse). 6. Implementierung der Transfermittel: Durch die Implementierung der konzipierten Transfermittel wird die Grundlage für die Kommunikation mit den potentiellen Anwendern geschaffen. Darüber hinaus können diese bei geeigneter Umsetzung auch als Grundlage für die Evaluation des Reifegradmodells dienen. 7. Durchführung der Evaluation: Die Evaluation stellt sicher, dass die im Modell eingehenden Grundlagen und Prämissen korrekt und die definierten Anforderungen an das Instrument erfüllt sind. 8. Entscheid über weiteres Vorgehen: Schliesslich muss in einem letzten Schritt darüber geurteilt werden, ob das Reifegradmodell verbreitet oder verworfen werden soll. 134 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung Problem ist unzureichend gelöst oder noch ungelöst Vergleich Reifegradmodelle Problemdefinition Notwendigkeit der Artefa ktkonstruktion ist vorhanden Weitere Iteration Studie zur Problemrelevanz Durchführung der Evaluation Evalua tionsergebnisse Artefakt löst da s Problem oder Artefa ktkonstruktion ist gescheitert Vergleichsstudie Überprüfung von Transfermittel und Eva luationskonzept EntwicklungsÜberprüfung konzept der Modellbasis Implementierung der Tra nsfermittel Konzeption von Tra nsfer und Evaluation Erhebungs- und Analysetechniken Eva luationskonzept Legende Phase Dokument Festlegung der Entwicklungsstrategie Itera tive Reifegradmodellentwicklung Modellbasis Kontrollfluss Abbildung 50: Vorgehensmodell nach BECKER/KNACKSTEDT et al.66 Zentral für das Vorgehensmodell ist die Phase „iterative Reifegradmodellentwicklung“, welche als einzige auf Aktivitätenebene beschrieben und wie folgt untergliedert ist: 1. Gestaltungsbereich festlegen: In einem ersten Schritt wird die „grundlegende Architektur“ des Reifegradmodells definiert. Darunter fallen die Ableitung der Entwicklungsstufen resp. Reifegrade sowie die Definition von Gestaltungsdimensionen und -ebenen. Gleich wie beim obigen Vorgehen wird hierfür eine Literaturanalyse durchgeführt. 2. Vorgehen wählen: Zur Identifikation von Modellinhalten schlagen BECKER/KNACKSTEDT et al. vor, Literaturanalysen oder explorative Forschungsmethoden wie z. B. die Delphi-Methode, Kreativitätstechniken, etc. anzuwenden. 3. Modellbereich gestalten: Im Anschluss ist die definierte Struktur oder Teilbereiche aus dieser gemäss der gewählten Technik zu befüllen. 4. Ergebnis prüfen: In einem letzten Schritt werden die Inhalte des Reifegradmodells evaluiert. Im Rahmen der Konstruktion des ITPM3 ist dies durch neun semi66 Übernommen und geringfügig adaptiert aus [Knackstedt et al. 2009, S. 541]. Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 135 strukturierte Interviews und mehrere Fokusgruppendiskussionen erfolgt. Angaben hinsichtlich der verwendeten Evaluationskriterien fehlen. 6.3.3 Charakterisierung des eigenen Vorgehens Im Allgemeinen sind die diskutierten Vorgehensweisen nur bruchstückhaft beschrieben, was eine begründete Beurteilung der Eignung der einzelnen Ansätze schwer möglich macht. Vergleicht man die beiden Ansätze, so kann jedoch festgehalten werden, dass beide implizit ein Top-Down Vorgehen zur Bestimmung der Reifegrade zugrundelegen (d. h. Ableitung der Reifegrade nach der Ermittlung der konkreten Gestaltungsobjekte). Da in der vorliegenden Arbeit ein Bottom-Up Vorgehen bevorzugt wird,67 muss der Konstruktionsprozess zwangsläufig angepasst werden. Das gewählte Vorgehen ist in Abbildung 51 schematisch dargestellt und wird nachfolgend beschrieben.68 0 Gestaltungsbereich eingrenzen 1.1 Modellinhalte ermitteln 1 Gestaltungsdimensionen ermitteln 1.2 Gesta ltungsebenen ermitteln 1.3 Gestaltungsobjekte ermitteln Modellinhalte testen 2 3 Modellinhalte operationalisieren 3.1 Konfigurationstechnik bestimmen 3.2 Erhebungstechnik bestimmen 3.3 Analysetechnik bestimmen 4 Implementierung anwenden 5.1 5 Reife- und Fähigkeitsgrade ableiten 6 Gesamtkonzept evaluieren 5.2 Reifegrade ableiten Fähigkeitsgrade ableiten Abbildung 51: Gewähltes Vorgehen zur Reifegradmodellentwicklung 67 Vgl. Abschnitt 6.2.3. 68 Die Analyse und Eingrenzung des Gestaltungsbereichs ist bereits in Abschnitt 4.1 und 6.2.1 erfolgt. 136 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 1. Modellinhalte ermitteln: Als erstes werden auf Basis einer Literaturanalyse die Gestaltungsdimensionen des Bewertungsmodells abgeleitet. Da das Bewertungsmodell unterschiedliche Konzepte von Reife beinhalten soll, werden in einem weiteren Teilschritt die einzelnen Gestaltungsebenen definiert. Grundlage dafür sind die Bewertungsskalen existierender Reifegradmodelle. Danach werden anhand der gängigen Literatur sowie aus den Erkenntnissen der Fallstudien die einzelnen Gestaltungsobjekte abgeleitet und formal in einer Domänenontologie beschrieben. 2. Modellinhalte evaluieren: Die formalisierte Beschreibung der Konstrukte dient als Ausgangspunkt für eine erste, inhaltliche Evaluation. In Fokusgruppendiskussionen mit Einkaufsverantwortlichen von Krankenhäusern und spezialisierten ITDienstleistern wird diese hinsichtlich ihrer Relevanz, Konsistenz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Aktualität geprüft. Die Intention ist dabei unklare Formulierungen neu zu artikulieren, unwesentliche Konstrukte zu eliminieren und noch fehlende, relevante Konstrukte hinzuzufügen. 3. Modellinhalte operationalisieren: Um an Daten für die Ableitung der Reifegrade zu gelangen, ist eine Operationalisierung der Konstrukte notwendig. Hierfür werden zunächst eine Regelbasis für die Konfiguration entwickelt sowie verschiedene Erhebungsformulare konzipiert, welche zur Ermittlung des Konfigurationsprofils und zur Bewertung der einzelnen Gestaltungsobjekte dienen. Ferner werden in einem weiteren Teilschritt Analysetechniken spezifiziert, welche die Ergebnisse der Erhebung in geeigneter Form visualisieren und aggregieren. Schliesslich werden die einzelnen Techniken softwaretechnisch umgesetzt. 4. Implementierung anwenden: Ein weiterer Schritt in der Evaluation des Reifegradmodells ist die Demonstration der Umsetzbarkeit [vgl. Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 160 f.]. Einerseits können so weitere, am Konstruktionsprozess bisher unbeteiligte Akteure involviert und damit die Validität und Generalisierbarkeit des Modells erhöht werden. Andererseits können durch den Einsatz des Softwareprototyps aktuelle Daten zur Ableitung der Reifegrade gesammelt werden. 5. Reife- und Fähigkeitsgrade ableiten: Da das Reifegradmodell sowohl statische als auch dynamische Gestaltungsempfehlungen beinhalten soll, sind zwei unterschiedliche Darstellungsformen zu spezifizieren. Basis zur Ableitung der Reife- und Fähigkeitsgrade bilden die zuvor gesammelten Daten des Softwareprototyps. 6. Evaluation des Gesamtkonzepts: In einem letzten Schritt werden mittels einer Umfrage die Zweckmässigkeit der identifizierten Modellinhalte, die Qualität der Imp- Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 137 lementierung und die Eignung des Erhebungsverfahrens beurteilt.69 Dies bildet die Grundlage, um festzustellen, ob weitere Iterationen zur Verfeinerung des Reifegradmodells erforderlich sind. 6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Die systematische Konstruktion eines Reifegradmodells erfordert eine umfassende Beschreibung der grundlegenden Eigenschaften sowie der einzelnen Bestandteile des Modells. Folglich sind in diesem Kapitel die grundlegenden strukturellen und inhaltlichen Metaentitätstypen des zu entwickelnden Reifegradmodells definiert worden. Basierend auf das in Abschnitt 3.4 spezifizierte Entwurfsmuster sind ferner der Anspruch und die Charakteristik des Reifegradmodells abgeleitet worden. Hervorzuheben sind dabei drei Designentscheide: Das Reifegradmodell nutzt unterschiedliche Konzepte von Reife bzw. verschiedene Gestaltungsebenen. Reifegrade werden nicht Top-down – wie es in den meisten der betrachteten Modellen der Fall ist – sondern Bottom-up abgeleitet. Gestaltungsempfehlungen sollen nicht nur statisch in Form von Entwicklungsstufen, sondern auch dynamisch als Zielprofile ausgedrückt werden. Da die Konstruktion von Reifegradmodellen im Allgemeinen unzulänglich dokumentiert ist, konnten lediglich zwei Beiträge identifiziert werden, welche Hinweise zur Ausarbeitung von Reifegradmodellen geben. Diese gehen allerdings beide von einem Top-down Vorgehen zur Ableitung der Reifegrade aus. Folglich ist ein eigenständiges Vorgehen entwickelt worden, das sich durch die folgenden Punkte unterscheidet: Die Modellinhalte werden vor der Festlegung der Reifegrade formal beschrieben. Die Modellinhalte werden zum Zweck der Datenerhebung operationalisiert. Die Anwendung der spezifizierten Techniken bildet die Basis zur Berechnung und Herleitung statischer und flexibler Gestaltungsempfehlungen. 69 Vgl. Anhang C. Entwicklung des Reifegradmodells 139 7 Entwicklung des Reifegradmodells Den substantiellen Beitrag der vorliegenden Arbeit bildet ein situatives Reifegradmodell für das Supply Management in Krankenhäusern, welches in den nachfolgenden Abschnitten im Detail beschrieben wird.70 Basierenden auf dem Vorgehensmodell, das im vorangehenden Kapitel beschrieben wurde, werden als erstes die wesentlichen Konstrukte des Reifegradmodells diskutiert (Abschnitt 7.1). Diese stellen das Ergebnis der ersten beiden iterativen Konstruktionsaktivitäten „Modellinhalte ermitteln“ und „Modellinhalte testen“ dar. Um die Modellbasis an die unterschiedlichen situativen Gegebenheiten eines Krankenhauseinkaufs anzupassen und für die Reifebeurteilung zu operationalisieren, werden in einem weiteren Schritt die Techniken zur Konfiguration, Erhebung und Analyse thematisiert (Abschnitt 7.2). In einem letzten Schritt werden die Reife- und Fähigkeitsgrade ermittelt (Abschnitt 7.3), die das Ergebnis der Konstruktionsaktivitäten „Implementierung anwenden“ und „Reife- und Fähigkeitsgrade ableiten“ darstellen. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der grundlegenden Ergebnisse (Abschnitt 7.4). 7.1 Definition der Modellinhalte In diesem Abschnitt werden die elementaren Inhalte des HSRM3 vorgestellt. Als erstes werden die Gestaltungsdimensionen sowie die verschiedenen Gestaltungsebenen abgeleitet. Danach erfolgt die umfassende Beschreibung der einzelnen Gestaltungsobjekte. Abschliessend wird auf Grundlage der Ergebnisse von zwei durchgeführten Fokusgruppendiskussionen ein kurzes Zwischenfazit gezogen. 7.1.1 Gestaltungsdimensionen Es existiert eine grosse Anzahl von Arbeiten, die sich in verschiedenen Facetten mit der Strukturierung des Gestaltungsbereichs „Supply Management“ auseinandersetzen (vgl. Tabelle 20). Bei näherer Betrachtung können zwei elementare Gestaltungsdimensionen identifiziert werden, welche für die Strukturierung des Themenbereiches „Supply Management“ angewendet werden können [vgl. auch Mettler, Rohner 2010]: 70 Im Folgenden wird das Reifegradmodell mit dem Akronym HSRM 3 (Hospital Supply and Relationship Management Maturity Model) abgekürzt [vgl. auch Mettler, Rohner 2009d]. 140 Entwicklung des Reifegradmodells Die personenzentrierte Sichtweise basiert auf der grundlegenden Annahme, dass durch bessere (soziale) Beziehungen mit Lieferanten die Effektivität des Supply Managements massgeblich erhöht und dadurch strategische Vorteile geschaffen werden. Voraussetzung ist allerdings ein hohes an Mass an Kooperations- und Konfliktkompetenz [vgl. Leftwich et al. 2004, S. 1 f.; Rückert 2007, S. 128 f.]. Ausgangspunkt für die Gestaltung bilden deshalb oft theoretische Modelle aus der betriebswirtschaftlichen Führungslehre, Psychologie oder Soziologie. Bei der prozesszentrierten Sichtweise steht weniger die Effektivität, sondern vielmehr die Effizienz des Supply Managements im Vordergrund. Zentrale Annahme ist, dass durch Automatisierung und kontinuierliche Verbesserung der organisationsinternen und -externen Prozesse langfristige strategische Vorteile erzielt werden können [vgl. Fleming 2004; Nenninger 2005; Österle et al. 2007a]. Basis für die Gestaltung sind darum meist Arbeiten aus dem Bereich des BPR oder der Internetökonomie. In Tabelle 20 sind die wesentlichen Aspekte der beiden Sichtweisen schematisch dargestellt. Merkmal Personenzentrierte Sichtweise Prozesszentrierte Sichtweise Theoretische Fundierung Theorie sozialer Netzwerke Transaktionskostentheorie Beziehungstheorie Work System Method Ausgewählte Quellen [Freeman 1979; Dwyer et al. 1987; Burt 1992; Anderson et al. 1994; Dyer, Singh 1998] [Davenport, Short 1990; Bakos, Brynjolfsson 1993; Leymann, Altenhuber 1994; Bunduchi 2005] Ziele Verbesserung der Kooperation durch Verbesserung der Risikokontrolle durch bessere Informationsflüsse bessere Informationsflüsse Langfristige Sicherung der Versorgung Langfristige Steigerung der Prozessund Compliance mit regulatorischen qualität und Lieferantenperformance Rahmenbedingungen Verkürzung der Durchlaufzeiten und Kontinuierliche Verbesserung durch Minimierung der Prozesskosten (Total gemeinsame Innovation mit Lieferan- Cost of Ownership) ten (Win-win Situation) Erzielen von Hebelwirkungen durch Erzielen von Hebelwirkungen durch Konsolidierung der Lieferantenbasis faire Verhandlungen mit Lieferanten Praktiken Pflege sozialer Beziehungen zu den Automatisierung der organisationsinternen Beschaffungsprozesse wichtigsten Lieferanten Proaktive Gestaltung, Implementierung und Kontrolle der Kommunikationswege (Technische) Integration der Prozesse der Lieferanten Kontinuierliche Analyse und Kontrolle Austausch von Verbesserungsideen der Lieferantenperformance und gemeinsames Projektmanagement Tabelle 20: Sichtweisen auf das Supply Management Entwicklung des Reifegradmodells 141 7.1.1.1 Personenzentrierte Gestaltungsdimension Zur Ausdifferenzierung der personenzentrierten Gestaltungsdimension sind Literaturquellen analysiert worden, die vorwiegend den Beziehungsaspekt in den Vordergrund stellen [vgl. Fox et al. 2000, S. 165; Corsten, Gössinger 2001, S. 99 f.; Shapiro 2001]. Angelpunkt der Überlegungen spielt dabei oft das Konzept „Führung“, welches innerhalb des Supply Managements in die nachfolgenden drei Bereiche untergliedert werden kann: Strategische Führung (S): Die primäre Aufgabe der strategischen Führung ist es, die langfristige Konfiguration der Lieferkette vorzunehmen. Dies beinhaltet die Auswahl der einzubeziehenden Dienstleister und Lieferanten, die Definition des zu beschaffenden Produktsortiments, die Spezifikation der Aufbau- und Ablaufstrukturen sowie die Konzeption und Durchführung des Beschaffungscontrollings. Taktische Führung (T): Auf Grundlage der definierten Beschaffungsstrategie müssen mittelfristig die substantiellen Lieferantenbeziehungen angebahnt und die dafür notwendigen Kommunikations- und Kooperationsstrukturen aufgebaut werden. Dabei gilt es die Interessen der unterschiedlichen Bedarfsträger und Lieferanten auszubalancieren und in Form von Rahmenverträgen und/oder durch sozialen Austausch zu stabilisieren. Operative Führung (O): Kurzfristig muss die operative Führung dafür sorgen, dass die benötigten Waren und Dienstleistungen zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, in der richtigen Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Hierfür sind die Bedarfe exakt zu planen und die Bestellabwicklung effizient zu gestalten. 7.1.1.2 Prozesszentrierte Gestaltungsdimension In Hinblick auf die Skizzierung der prozesszentrierten Betrachtungsweise sind ebenfalls unterschiedliche Literaturquellen untersucht worden. Eine Sichtung der Literatur zeigt, dass eine grosse Anzahl an (Referenz-)Modellen existiert, welche die idealtypische Rolle des Einkaufs abbilden. Aus naheliegenden Gründen können nicht alle verfügbaren Modelle in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden. Dementsprechend sind lediglich Beiträge ausgewählt worden, welche den thematischen Schwerpunkt auf der Austauschbeziehung zwischen einer Organisation und ihren Lieferanten haben und sowohl auf die kurzfristige (Transaktion) als auch auf langfristige Interaktion (Partnerschaft) fokussieren. 142 Entwicklung des Reifegradmodells Abwicklung Bestellung Bedarfsermittlung Stabilisierung Verhandlung Anbahnung Quelle Strategisches Monitoring Strategieformulierung Prozess Strategieimplementierung In Tabelle 21 sind die für die Charakterisierung der prozesszentrierten Gestaltungsdimension ausgewählten Quellen dargestellt. [Schmid, Lindenmann 1998] [Eyholzer et al. 2002] [Riemer, Klein 2002; Riemer 2008] [Wildemann 2003] [Appelfeller, Buchholz 2005] [Weele 2005] [Koplin 2006] [Cetin 2007] Legende: Berücksichtigt Teilweise berücksichtigt Nicht berücksichtigt Tabelle 21: Quellen der prozesszentrierten Gestaltungsdimension Aus Tabelle 21 wird ersichtlich, dass sich die identifizierten Ansätze erheblich in der Breite der Prozessunterstützung des Supply Managements unterscheiden. So konzentrieren sich SCHMID und LINDENMANN vorwiegend auf Aspekte der Verhandlung, Bestellung und Abwicklung von Transaktionen, während bspw. WEELE auch die Formulierung, Implementierung und Überprüfung der Einhaltung einer Beschaffungsstrategie als zentrale Aufgabe des Supply Managements erachtet. Die vorliegende Arbeit möchte diese ganzheitliche Betrachtung des Supply Managements fortführen. Als Basis zur Prozessstrukturierung dient deshalb eine geringfügig adaptierte Variante des Rahmenwerks von APPELFELLER und BUCHHOLZ [vgl. Appelfeller, Buchholz 2005, S. 6]: Strategieformulierung (S1): Innerhalb der Strategieformulierung werden die normativen Leitlinien des Einkaufs definiert. Zentrale Aufgabe ist dabei die Festlegung einer Beschaffungsvision und die Ableitung des für den Einkauf relevanten Entwicklung des Reifegradmodells 143 Zielsystems. Basis dafür sind, wie bereits in Abschnitt 4.1.2 erläutert, die Ziele der Organisation selbst oder die Vorgaben der Fachbereiche. Strategieimplementierung (S2): Während es bei der Strategieformulierung darum geht, die wesentliche Aspekte der angestrebten Strategie des Einkaufs zu konzeptualisieren, ist es das Ziel der Strategieimplementierung, die wesentlichen Rahmenbedingungen zur Realisierung der Strategie zu gestalten. Dies beinhaltet z. B. die Strukturierung der Weisungslinien und Kommunikationswege, die Regelung der Arbeitsteilung sowie die Definition geeigneter Führungsgrössen und Kennzahlen zur Steuerung und Kontrolle der Beschaffungsprozesse. Strategisches Monitoring (S3): Um die Einhaltung der angestrebten strategischen Zielsetzungen überprüfen zu können, ist eine ergebnisorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle notwendig. Folglich gilt es geeignete Methoden und Instrumente zur Analyse der organisationsinternen und -externen Prozesse zu implementieren und ein aussagekräftiges und zeitgemässes Berichtwesen aufzubauen. Anbahnung (T1): Im Rahmen der Anbahnung werden die ersten Kontakte zu den potenziellen Lieferanten hergestellt, um Informationen über Produkte und Dienstleistungen einzuholen. Speziell für den öffentlichen Sektor ist dabei die Pflicht zur Durchführung von Ausschreibungen.71 Verhandlung (T2): Zentral für das Supply Management ist der Prozess der Verhandlung. Dies umfasst, neben der Festlegung des endgültigen Preises für ein Produkt oder eine Dienstleistung, auch die Anfertigung der entsprechenden Dokumente sowie die Prüfung der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen. Stabilisierung (T3): Bei ausgewählten Lieferanten gilt es nach der Verhandlungsphase die Beziehungen weiter zu institutionalisieren, indem der soziale Austausch intensiviert wird und erweiterte Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut werden. Bedarfsermittlung (O1): Grundlage für die Formulierung einer nachfrageorientierten Beschaffungsstrategie sowie für die zielbewusste Verhandlung bildet die präzise Ermittlung der Bedürfnisse der Fachbereiche. Voraussetzung dafür ist allerdings die kontinuierliche Erhebung über Menge und Wert der zentral und dezentral verwalteten Lagerbestände sowie eine saubere Klassifizierung der Produkte und Lieferanten. 71 Vgl. Bundesgesetz und Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB bzw. VoeB). 144 Entwicklung des Reifegradmodells Bestellung (O2): Unmittelbar nach der Bedarfsermittlung erfolgt die Bestellung der benötigten Produkte und Dienstleistungen. Während bei Einzelbeschaffungen sichergestellt werden muss, dass der Freigabeprozess eingehalten und der Einkauf angemessen involviert wird, sind im Falle der Vorratsbeschaffung die einzelnen Bestellpositionen zu bündeln und möglichst medienbruchfrei zu übermitteln. Wie aus den gezeigten Fallstudien ersichtlich wird, macht dies heute immer noch einen wesentlichen Anteil am Tagesgeschäft eines Einkäufers aus. Abwicklung (O3): Schliesslich ist ebenfalls Teil des Tagesgeschäfts die einzelnen Wareneingänge zu registrieren, die Waren selbst sowie die mitgelieferten Dokumente auf Mängel zu prüfen und allenfalls die Zahlungsabwicklung anzustossen. 7.1.1.3 Verwendung der Gestaltungsdimensionen im Bewertungsmodell Im Folgenden werden zur Bewertung der Reife des Supply Managements eines Krankenhauses die beiden Gestaltungsdimensionen miteinander verknüpft. Dabei werden der Prozess der Strategieformulierung, Strategieimplementierung sowie des Strategischen Monitoring mit der strategischen Führung, der Prozess der Anbahnung, Verhandlung und Stabilisierung mit der taktischen Führung und schliesslich der Prozess der Bedarfsermittlung, Bestellung und Abwicklung mit der operativen Führung gekoppelt.72 Abbildung 52 zeigt, wie die Gestaltungsdimensionen zur Strukturierung der verschiedenen Sichtweisen auf das Supply Management im Bewertungsmodell des HSRM3 konkret angewendet werden. 72 In der Praxis ist eine eineindeutige Zuordnung nicht immer möglich. Bspw. werden Monitoring-Aktivitäten nicht nur im strategischen, sondern auch im taktischen und operativen Bereich durchgeführt. Dementsprechend geben die für den Gestaltungsbereich formulierten Dimensionen eine idealisierte Realität wieder. Eine Unterscheidung wird gemacht, um alltägliche von nicht alltäglichen resp. strategisch relevante von strategisch irrelevanten Monitoring-Aktivitäten zu differenzieren. Entwicklung des Reifegradmodells Dimension 2: Prozesse S1 S2 Dimension 1: Führung S3 S T1 T T2 O T3 O1 145 Legende (S) Strategische Führung (S1) Strategieformulierung (S2) Strategieimplementierung (S3) Strategisches Monitoring (T) Taktische Führung (T1) Anbahnung (T2) Verhandlung (T3) Stabilisierung (O) Operative Führung (O1) Bedarfsermittlung (O2) Bestellung (O3) Abwicklung O2 Gestaltungsobjekt O3 Sachlogische Zuordnung Abbildung 52: Strukturierung der Reifebeurteilung im HSRM3 7.1.2 Gestaltungsebenen Eine weitläufige Kritik am Konzept der Reifegradmodellierung ist, dass eine Vielzahl der konzipierten Bewertungsmodelle die Reife des Gestaltungsbereiches ausschliesslich in Bezug auf die Effizienz von Prozessen begutachten. Insbesondere CMMI, dessen wesentliche Modellelemente auf dem Prozessgedanke aufbauen,73 wird diesbezüglich scharf kritisiert: „The CMM reveres process, but ignores people. [...] CMM mention people in passing, but [...] decry them as unreliable and assume that defined processes can somehow render individual excellence less important“ [Bach 1994, S. 15]. Infolgedessen werden in dieser Arbeit unterschiedliche Gestaltungsebenen in Bezug auf das Supply Management bestimmt. Grundlage für die Definition dieser Ebenen bildet das General Practitioner Information Systems Measurement Model (GPIS MM). Dieses unterscheidet zur Bewertung und Messung der Exzellenz sozio-technischer Gestaltungsbereiche die folgenden vier Ebenen [vgl. Saleh, Alshawi 2005, S. 50 f.]: 73 Vgl. Abschnitt 5.2.1. 146 Entwicklung des Reifegradmodells Arbeitsumfeld: Geteilte Symbole, Werte, Rituale und Erlebnisse ergeben das, was HOFSTEDE und HOFSTEDE als „shared mental software“ der Mitarbeitenden einer Organisation bezeichnen [vgl. Hofstede, Hofstede 2005, S. 35]. Gerade in Krankenhäusern spielen kulturelle und machtpolitische Aspekte eine zentrale Rolle und haben einen massgeblichen Einfluss auf die Akzeptanz und den Stellenwert der Beschaffungsfunktion.74 In der vorliegenden Arbeit wird die Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ dazu verwendet, um zu beurteilen, wie stark das Krankenhausmanagement hinter der Aufgabenerfüllung des Einkaufs steht resp. wie ausgeprägt das Anreizsystem des Krankenhauseinkaufs ausgestaltet ist. Praktiken: Praktiken geben Aufschluss darüber, wie bestimmte Handlungen innerhalb und zwischen Organisationen durchgeführt werden. In den meisten Reifegradmodellen bilden sie die einzigen Bezugsobjekte zur Beurteilung der Reife eines Gestaltungsbereiches. In der vorliegenden Arbeit werden Praktiken eingesetzt, um die Formalisierung und Institutionalisierung von Beschaffungsaufgaben zu beurteilen. IT-Infrastruktur: IT unterstützt die Anwender bei der Erfüllung von Aufgaben resp. bei der Durchführung von Praktiken. Mit Rücksicht auf das Supply Management haben mehrere Arbeiten gezeigt, dass der Einsatz von IT und die Produktivität der Einkaufsorganisation positiv korrelieren [vgl. z. B. Cachon, Fisher 2000; Saeed et al. 2005]. In der vorliegenden Arbeit dient die Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ zur Beurteilung, inwieweit die Beschaffungsaufgaben systemtechnisch unterstützt werden. Personen: Neben einem positiven Arbeitsumfeld, effizienten Praktiken und einer leistungsfähigen IT-Infrastruktur sind auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden zentral für das reibungslose Funktionieren des Supply Managements in einem Krankenhaus. Die in Abschnitt 4.2 dargelegten empirischen Untersuchungen und Fallstudien zeigen, dass heute insbesondere das Wissen zur strategischen Ausrichtung der Einkaufsorganisation fehlt. In der vorliegenden Arbeit wird die Erweiterung des Betrachtungswinkels um eine „wissensbezogene“ Ebene genutzt, um einzuschätzen wie hoch die Befähigung der Mitarbeitenden zur Bewältigung von Aufgaben und zur Veränderung des Gestaltungsbereiches ist. 74 Vgl. dazu die Fallstudien in Abschnitt 4.2.2. Entwicklung des Reifegradmodells 147 7.1.2.1 Arbeitsumfeld (AR) Um das Arbeitsumfeld dazu zu bewegen, die Beschaffungsfunktion vermehrt zu unterstützen, spielen Anreize resp. verhaltensbeeinflussende Handlungsanweisungen eine bedeutende Rolle: „Organization results from the modification of the action of the individual through control [...] or influence [...]“ [Barnard 1982, S. 17]. In Anlehnung an BECKMANN und HECKHAUSEN bezeichnet ein Anreiz dabei den auf ein Bedürfnis ausgerichteten situativen Reiz, der einen bestimmten Motivationszustand hervorrufen bzw. anregen kann [vgl. Beckmann, Heckhausen 2006, S. 106]. Grundlegende Annahme ist, dass individuelle Handlungen durch Anreize proaktiv und zielgerichtet gelenkt werden können (vgl. Abbildung 53). bezieht sich auf Bedürfnis beeinflusst Motivation formalisiert Anreiz beeinflusst Handlung erzeugt Ergebnis erwartet Gratifikation wirkt auf Abbildung 53: Wirkungszusammenhang von Anreiz und Handlung75 Da die bisherigen Reifegradmodelle diesem Konzept noch wenig Beachtung schenken, muss eine eigenständige Bewertungsskala definiert werden, um die Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ beurteilen zu können.76 Die Ausgangslage zur Ableitung einer geeigneten Skala bildet das motivationspsychologische Modell von HECKHAUSEN und HECKHAUSEN, besser bekannt als Rubikon-Modell der Handlungsphasen [vgl. Heckhausen, Heckhausen 2006, S. 7]. Für die Implementierung eines Anreizes sind hiernach vier Phasen zu durchlaufen: Abwägen, d. h. Intentionsbildung durch Bestimmung eines Ziels, Planen, d. h. Intentionsinitiierung durch Definition der Realisierung, 75 Übernommen und adaptiert aus [Schanz 1991, S. 20f.; Weber 2006, S. 13]. 76 Obwohl das GPIS MM explizit das Arbeitsumfeld als Gestaltungsebene vorgibt, wird keine eigenständige Bewertungsskala für diese Ebene konzipiert. Generell fehlt auch für die anderen Bereiche eine detaillierte Beschreibung der Bewertungskriterien. 148 Entwicklung des Reifegradmodells Handeln, d. h. Intentionsrealisierung durch konkrete Umsetzung der definierten Ziele, Bewerten, d.h. Intentionsdeaktivierung durch Beurteilung der Zielerreichung. Auf Basis der erläuterten Handlungsphasen lassen sich die nachfolgenden generischen Ziele für die Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ definieren. Tabelle 22 beschreibt die einzelnen Stufen, die ein Anreiz durchlaufen kann. Nr. Generisches Ziel Erläuterung AR 0 Anreiz ist nicht vorhanden Das Krankenhausmanagement ist sich der Situation nicht bewusst oder möchte keine entsprechenden Anreize für den spezifizierten Bereich schaffen. AR 1 Anreiz ist beabsichtigt Das Krankenhausmanagement denkt über eine Formulierung entsprechender Anreize für den spezifizierten Bereich nach. AR 2 Anreiz ist formuliert Das Krankenhausmanagement hat für den spezifizierten Bereich Anreize formuliert, allerdings sind diese noch nicht in der Organisation umgesetzt worden. AR 3 Anreiz ist umgesetzt Das Krankenhausmanagement hat für den spezifizierten Bereich Anreize formuliert und diese in der Organisation umgesetzt, allerdings fehlt eine kontinuierliche Überwachung der Realisierung. AR 4 Anreiz wird überprüft Das Krankenhausmanagement hat für den spezifizierten Bereich Anreize formuliert und umgesetzt sowie geeignete Massnahmen getroffen, um die Zielerreichung kontinuierlich zu überprüfen. Tabelle 22: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ 7.1.2.2 Praktiken (PR) Die Mehrheit der Reifegradmodelle fokussiert bei der Bewertung der Reife eines Gestaltungsbereiches auf die Charakteristika der ausgeführten Prozesse, Aufgaben oder Aktivitäten. Infolgedessen existieren zahlreiche Bewertungsskalen zur Beurteilung der Effizienz und Effektivität der eingesetzten Praktiken [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]. Zur Ableitung der generischen Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“ wird auf das in Abschnitt 5.2.1 beschriebene CMMI-ACQ angelehnt. Tabelle 23 beschreibt dabei die einzelnen Stufen, die eine Praktik bzw. Aufgabe durchlaufen kann. Entwicklung des Reifegradmodells 149 Nr. Generisches Ziel Erläuterung PR 0 Aufgabe ist unbewältigt Die entsprechende Aufgabe wird nicht oder nur sehr rudimentär ausgeführt. PR 1 Aufgabe ist umgesetzt Die entsprechende Aufgabe wird vorbehaltlos ausgeführt. Die Bearbeitung erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen, da keine formale Spezifikation vorhanden ist. PR 2 Aufgabe ist definiert Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten Richtlinien und Vorgaben ausgeführt. Es fehlt allerdings eine kontinuierliche Überwachung der Realisierung innerhalb des Funktionsbereichs. PR 3 Aufgabe ist geführt Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten Richtlinien und Vorgaben ausgeführt sowie bereichsintern überprüft. Es fehlt allerdings eine präzise Abstimmung mit anderen Fachbereichen und/oder Lieferanten. PR 4 Aufgabe ist abgestimmt Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten Richtlinien und Vorgaben ausgeführt sowie bereichs- und organisationsübergreifend überprüft. Es existieren Massnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Aufgabe. Tabelle 23: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“ 7.1.2.3 IT-Infrastruktur (IT) Gemäss einer von der Europäischen Union in Auftrag gegebenen Studie besitzen Krankenhäuser eine überdurchschnittliche Infrastruktur (im Sinne von Hardware und Netzwerk) [vgl. E-Business Watch 2007, S. 37].77 Nichtsdestotrotz ist die systemtechnische Unterstützung der Beschaffungsfunktion im Vergleich zu anderen Branchen erstaunlich unterentwickelt [vgl. Chandra 2008]. Eine aktuelle Untersuchung von FITTERER und ROHNER hat beispielsweise ergeben, dass von fünfzehn analysierten Krankenhäusern in der Schweiz weniger als ein Drittel eine ausreichende Softwarefunktionalität für den Krankenhauseinkauf zur Verfügung stellen [vgl. Fitterer, Rohner 2009, S. 10]. Zentral für die Formulierung einer Bewertungsskala hinsichtlich der Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ ist demnach das ontologische Konstrukt „Softwarekomponente“. Eines der bekanntesten Modelle zur Beurteilung der Reife von Applikationen bzw. von einzelnen Softwarekomponenten stellt das vom amerikanischen Department of Defense definierte „Levels of Information Systems Interoperability Reference Model“ (LISI 77 Vgl. auch Abschnitt 4.2.1. 150 Entwicklung des Reifegradmodells Model) dar [vgl. C4ISR Interoperability Working Group 1998]. Dieses unterscheidet fünf Entwicklungsstufen: Isolated: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche aber nicht miteinander verbunden sind. Der Austausch von Daten erfolgt manuell (z. B. durch Export von Daten auf einen externen Datenträger oder Ausdruck auf Papier und anschliessender manueller Erfassung). Connected: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche eine gemeinsame Schnittstelle besitzen. Daten werden jedoch nicht strukturiert und integriert ausgetauscht (z. B. via Telnet, File Transfer Protocol oder E-Mail). Functional: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche eine gemeinsame Schnittstelle besitzen. Der Austausch von Daten erfolgt strukturiert durch minimal vordefinierte Funktionalitäten (z. B. via Hypertext Transfer Protocol oder News Industry Text Format). Domain: Es existieren eine oder mehrere gemeinsame Datenbanken, welche als Datenbasis für Applikationen oder Softwarekomponenten unterschiedlicher organisationsinterner und -externer Funktionsbereiche dienen. Enterprise: Es existiert eine bereichsübergreifende Applikation oder Softwarekomponente. Ausgehend von den dargelegten Entwicklungsstufen werden die generischen Ziele für die Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ definiert. Da eine Stufe „Enterprise“ für das Supply Management unrealistisch bzw. aus Gründen der Abhängigkeit mit Lieferanten nicht immer erstrebenswert ist, wird deshalb die Stufe „Domain“ als anzustrebendes generisches Ziel erachtet. In Tabelle 24 sind die einzelnen Stufen beschrieben, die eine Softwarekomponente durchlaufen kann. Nr. Generisches Ziel Erläuterung IT 0 Softwarekomponente ist nicht vorhanden Eine entsprechende Funktionalität ist noch nicht implementiert worden. IT 1 Softwarekomponente ist isoliert Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der Datenaustausch mit den einzelnen Fachbereichen und Lieferanten erfolgt manuell (Insellösung). IT 2 Softwarekomponente ist eng gekoppelt Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der Datenaustausch mit den Fachbereichen und Lieferanten erfolgt via formatierter Dateien (Flatfiles). Entwicklung des Reifegradmodells 151 Nr. Generisches Ziel Erläuterung IT 3 Softwarekomponente ist lose gekoppelt Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der Datenaustausch mit den Fachbereichen und Lieferanten erfolgt durch Kopplungsprozeduren (z. B. Remote Procedure Calls, Simple Object Access Protocol, Common Object Request Broker Architecture, etc.). IT 4 Softwarekomponente wird geteilt Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Sowohl organisationsintern als auch organisationsextern wird eine gemeinsame Datenbasis verwendet. Tabelle 24: Generische Ziele der Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ 7.1.2.4 Personen (PE) Der Einsatz einer modernen IT-Infrastruktur und die Anwendung fortgeschrittener Beschaffungspraktiken verlangt vom Krankenhauseinkäufer ein weit über den Bestellvorgang hinausgehendes Wissen. Themenstellungen wie Outsourcing, Öffnung der Märkte, Globalisierung, Ökologie, elektronische Marktplätze, aber auch Soft Skills wie Kooperationskompetenz, Motivations- und Führungskompetenz werden je länger je mehr zum integrativen Bestandteil der Aus- und Weiterbildung eines Einkäufers [vgl. Vlcek 2003, S. 211 f.]. Demzufolge gilt es eine geeignete Bewertungsskala zu definieren, welche den Aspekt der Wissensbildung und -verbreitung innerhalb des Einkaufs, aber auch zwischen den Fachbereichen angemessen wiedergibt. Als Ausgangspunkt zur Ableitung der generischen Ziele werden die bereits in Abschnitt 3.2.1 beschriebenen Entwicklungsstufen von KLIMKO herangezogen [vgl. Klimko 2001]. Während bei KLIMKO der Reifungsprozess jedoch mit der Verteilung des Wissens endet, wird in der vorliegenden Arbeit eine weitere Stufe hinzugefügt, welche die Optimierung der Wissensbasis als finale Zielvorstellung hat. In Tabelle 25 sind die einzelnen Stufen der Gestaltungsebene „Personen“ nochmals schematisch erläutert. Nr. Generisches Ziel Erläuterung PE 0 Wissenskomponente ist nicht vorhanden Kompetenz im spezifizierten Bereich ist nicht vorhanden bzw. die Notwendigkeit ist noch nicht erkannt worden. PE 1 Wissenskomponente wird generiert Kompetenz im spezifizierten Bereich ist noch nicht vorhanden. Es existieren allerdings Massnahmen zur Behebung dieser Wissenslücke. PE 2 Wissenskomponente wird angewendet Kompetenz im spezifizierten Bereich ist vorhanden und wird in der täglichen Arbeit angewendet. 152 Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Generisches Ziel Erläuterung PE 3 Wissenskomponente wird geteilt Kompetenz im spezifizierten Bereich ist vorhanden und wird in der täglichen Arbeit angewendet. Es existieren Massnahmen zur Verbreitung des Wissens über den eigenen Funktionsbereich hinaus. PE 4 Wissenskomponente wird optimiert Kompetenz im spezifizierten Bereich ist in der gesamten Organisation vorhanden und wird in der täglichen Arbeit angewendet. Es existieren Massnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Wissensbasis. Tabelle 25: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Personen“ 7.1.2.5 Verwendung der Gestaltungsebenen im Bewertungsmodell Während die Gestaltungsdimensionen zur Strukturierung der einzelnen Phasen des Supply Managements dienen, wird mit der Formulierung von Gestaltungsebenen ein Raster geschaffen, der zur Ableitung und Bewertung unterschiedlicher Gestaltungsobjekte herangezogen werden kann (vgl. Abbildung 54). Im nachfolgenden Abschnitt wird für jeden der spezifizierten Supply Management Prozesse (S1-O3) konkret geprüft, ob Gestaltungsobjekte existieren, welche für die Bildung von qualifizierten Aussagen hinsichtlich des Zustands des Arbeitsumfelds (AR), der Praktiken (PR), der IT-Infrastruktur (IT) und der Personen (PE) von Bedeutung sein können. Anhand des gleichen Rasters wird auch die Bewertung der Gestaltungsobjekte vorgenommen.78 S1 S2 O3 Legende AR AR AR PR PR PR ... IT IT IT (S1) Strategieformulierung (S2) Strategieimplementierung (O3) Abwicklung (AR) Arbeitsumfeld (PR) Praktiken (IT) IT-Infrastruktur (PE) Personen Gestaltungsobjekt PE PE PE Verlauf der Bewertung Abbildung 54: Verlauf der Reifebeurteilung im HSRM 3 78 Vgl. Abschnitt 7.2.2. Entwicklung des Reifegradmodells 153 7.1.3 Gestaltungsobjekte Die Identifikation der Gestaltungsobjekte und deren spezifischen Zielsetzungen erfolgt auf zwei Wegen: erstens durch Beobachtung der realen Welt bzw. aus den Erkenntnissen der dargelegten Fallstudien und zweitens durch eine Literaturrecherche, welche auf wissenschaftlichen und praxisorientierten Büchern und Beiträgen, Fallstudien sowie auf veröffentlichten Arbeitsberichten basiert. Die Ergebnisse werden nach einem gleichbleibenden Schema dokumentiert, das dem zuvor beschrieben Raster folgt.79 In Abbildung 55 ist die Spezifikation des Gestaltungsobjekts „Bestellverhalten“ beispielhaft dargestellt. Kurzbeschreibung des Gestaltungsobjekts Primä res Ziel des Gestaltungsobjekts Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung O1- Bestellverhalten AR-1 Metaentitätstyp des Gestaltungsobjekts Mögliche Konzepte, die zur Erfüllung der Aufgabe dienen Literatur, die weitere Erkenntnisse liefert Definition: Anreiz zur Optimierung des Bestellverhaltens der Mitarbeitenden. Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten (Kostenziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der Zielerreichung resp. Budgeterfüllung (Individual-/Teamprämie) Ahndung übermässiger Bedarfsmeldungen (Sanktionen) Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007] Abbildung 55: Schema zur Dokumentation eines Gestaltungsobjekts 7.1.3.1 Strategieformulierung (S1) Ausgangspunkt eines klassischen Strategieentwicklungsprozesses bilden die interne und externe Analyse sowie die Formulierung der beabsichtigten Zielsetzungen [vgl. z. B. Andrews 1987; Hungenberg 2004; Müller-Stewens, Lechner 2005]. Gestaltungsobjekte, welche dieser Phase des Supply Managements zuzuordnen sind, werden in nachfolgender Tabelle 26 beschrieben. 79 Um das Reifegradmodell in der Entstehung einfach zu halten, wird einem Gestaltungsobjekt lediglich ein spezifisches Ziel zugeordnet (i.d.R. die Zielkategorie, welche die Hauptintention des Gestaltungsobjekts am besten erfasst). Die Festlegung mehrerer spezifischer Ziele ist nur dann sinnvoll, wenn die gegenseitigen Wirkzusammenhänge klar sind, resp. die Stärke positiver oder negativer Rückkopplungseffekte bekannt ist. Die initiale Zuordnung der spezifischen Ziele ist im Rahmen von Fokusgruppen erfolgt (vgl. Abschnitt 7.1.4). 154 Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S1AR-1 Innovationsverhalten Definition: Anreiz für innovatives, unternehmerisches und erfolgsorientiertes Denken und Handeln der Mitarbeitenden. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Innovationsfähigkeit und des Unternehmertums (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Hervorhebung der Leistung des Einkaufs und regelmässige Rückmeldungen (Anerkennung) Schaffung von Möglichkeiten zur selbständigen strategischen Weiterentwicklung des Einkaufs und der Beschaffung innerhalb des Krankenhauses (Autonomie) S1PR-1 Beschaffungsvision Ausgewählte Quellen: [Maas 1990; Haller 2003] Definition: Konzeption eines normativen Rahmenkonzepts, das die langfristige strategische Ausrichtung sowie das Selbstverständnis und die Philosophie des Krankenhauseinkaufs beschreibt. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Beschreibung der marktlichen Ausrichtung des Krankenhauseinkaufs (Market-based View). Aspekte, die adressiert werden sollten sind z. B. Entscheid über Teilnahme an Einkaufsgemeinschaften, Gestaltung strategischer Allianzen mit Kernlieferanten Beschreibung in Hinblick auf die Ausgestaltung der Beziehungen zu den relevanten Anspruchsgruppen des Krankenhauseinkaufs (Relational View). Denkbare Anspruchsgruppen sind z. B. Patienten, medizinische Fachbereiche, pflegerische Fachbereiche, Administrative Fachbereiche, Krankenhausmanagement, Träger, Lieferanten, Staat und Gesellschaft Beschreibung in Hinblick auf die Ausgestaltung der zur Verfügung stehenden Ressourcen des Krankenhauseinkaufs (Resourcebased View). Darunter fallen bspw. physische, humane und organisationale Ressourcen Beschreibung ökologischer Aspekte des Krankenhauseinkaufs (Ecology-based View). Mögliche Punkte, die adressiert werden sollten sind z. B. Energiebilanz der zu beschaffenden Produkte, Wasser- und Energieverbrauch, Entsorgung und Recycling Ausgewählte Quellen: [Müller-Stewens, Lechner 2005] S1PR-2 Beschaffungsleitlinien Definition: Konzeption eines normativen Rahmenkonzepts, das die grundsätzlichen Handlungs- und Verhaltensweisen in Bezug auf die Beschaffung festlegt (Procurement Governance). Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen Handelns (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Definition ethischer Verhaltensgrundsätze und -vorschriften, welche z. B. die Annahme von Geschenken und das Verhalten bei In- Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt 155 Erläuterung teressenskonflikten, etc. regeln Definition wirtschaftlicher Verhaltensgrundsätze und -vorschriften, welche z. B. die Reise- und Übernachtungskostenübernahme, private Nutzung der Infrastruktur des Krankenhauses, etc. regeln S1PR-3 Interne Analyse Ausgewählte Quellen: [Erdmenger, Winter 2005; Büsch 2007] Definition: Evaluation der gegenwärtigen und zukünftigen Stärken und Schwächen in der Beschaffung, welche innerhalb vorab definierter Kriterien und Zeiträume erfolgt. Spezifisches Ziel: Verbesserung (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) der Entscheidungsfindung Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Beschreibung der wesentlichen Stärken und Schwächen sowie Gefahren und Chancen der Einkaufsorganisation mittels SWOTAnalyse oder Einkaufspotenzialanalyse Nutzung von Referenzmodellen oder Best-Practice Checklisten zur Beurteilung kritischer Erfolgsfaktoren (z. B. Supply Management Health Check, SRM-Kompetenz-Check) Teilnahme an Benchmarkingstudien, um Unterschiede im Vergleich zu anderen Krankenhäusern oder anderen Branchen zu erkennen S1PR-4 Externe Analyse Ausgewählte Quellen: [Wildemann 2003; Appelfeller, Buchholz 2005; Jahns 2005] Definition: Beobachtung der Zusammenhänge und Wechselbeziehungen des Beschaffungsmarktes und des Branchenumfelds. Spezifisches Ziel: Verbesserung (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) der Entscheidungsfindung Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Befragung von Lieferanten und Einkaufsverantwortlichen anderer Krankenhäuser Regelmässige Teilnahme an Gremien oder Erfahrungsaustauschgruppen Analyse öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie Lieferantendatenbanken, Unternehmenswebsites, Analystenbeurteilungen, Jahresberichte, etc. Nutzung kostenpflichtiger Informationsdienste wie z. B. Branchenstudien, Testberichte, Zusatzdienste elektronischer Marktplätze, etc. Ausgewählte Quellen: [Porter 1998; Büsch 2007; Bogaschewsky, Glock 2009] S1PR-5 Beschaffungsstrategie und -teilstrategien Definition: Spezifikation der wesentlichen Zielvorstellungen hinsichtlich Märkte, Produkte, Dienstleistungen, Lieferanten und weiterer Geschäftspartner zum Zweck der langfristigen Ausrichtung der Aktivitäten des Krankenhauseinkaufs. 156 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Spezifisches Ziel: Erhöhung der (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Entscheidungssicherheit Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung der Portfolio-Methode zur Definition beschaffungsrelevanter Normstrategien (z. B. Materialportfolio nach Beschaffungsvolumen, Versorgungsrisiko, Beschaffungskomplexität, Einkaufsposition, etc. oder Lieferantenportfolio nach Bedeutung des Produkts, Investitionskosten, Kosten- und Erlöspotenzial, Liefertreue, etc.) Nutzung vordefinierter Sourcing-Konzepte oder Best-Practice Checklisten zur Ableitung des Zielsystems der Beschaffung Nutzung der Balanced Scorecard-Methode zur Visualisierung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen des Zielsystems des Krankenhauseinkaufs (Strategy Maps) S1IT-1 Unterstützung für interne und externe Analysen Ausgewählte Quellen: [Falk, Da-Cruz 2005; Hammerstein, Demel 2005; Large 2006; Hess 2008] Definition: System zur Unterstützung der Entscheidungsfindung hinsichtlich der interne und externen Beschaffungsanalyse. Spezifisches Ziel: Erhöhung der (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Entscheidungssicherheit Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: ERP- oder SRM-Systeme für die transaktionsorientierte Datenanalyse der Beschaffung Data Mining, Text-Mining, Web-Mining, Case-Based-Reasoning usw. für die integrierte Datenanalyse der Beschaffung. Grundlage dafür bilden i. d. R. Data-Warehouse-Systeme oder Data Marts Spreadsheet-Lösungen, Dashboards und Cockpits für die inhaltlich-fachliche Visualisierung beschaffungsrelevanter Daten S1IT-2 Unterstützung der Kreativität und Dokumentation Ausgewählte Quellen: [Jung, Winter 2000; Brenner, Wenger 2007] Definition: System zur Unterstützung der Erfassung, Verwaltung, Speicherung und Bereitstellung von Inhalten und Dokumenten. Spezifisches Ziel: Erhöhung der (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Softwarekomponente Sichtbarkeit und Image Anwendbare Konzepte: Kreativitäts- und Textverarbeitungstools für die Erstellung von Inhalten Filesystem, Datenbanken, Dokumentenmanagementsystem für die Verwaltung und das Wiederauffinden der erstellten Inhalte Wiki, Blog, Web-Content-Management-System usw. für die Bereitstellung von Inhalten im Intranet- oder Internet-Auftritt des Krankenhauseinkaufs Ausgewählte Quellen: [Fuchs-Kittowski, Köhler 2005; Hinkelmann, Thönssen 2007] Entwicklung des Reifegradmodells 157 Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S1PE-1 Motivations- und Führungskompetenz Definition: Kompetenz zur Beeinflussung der Mitarbeitenden des Krankenhauseinkaufs sowie anderer in der Beschaffung involvierten Personen. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Personalführung-, -beurteilung, -honorierung und -entwicklung Methoden der verbalen (Gesprächsführung) und schriftlichen Kommunikation (Geschäftskorrespondenz) Ausgewählte Quellen: [Ferber et al. 2005; Bruch, Vogel 2007; Bass 2008] S1PE-2 Trendkompetenz Definition: Kompetenz zur frühzeitigen und systematischen Erkennung von Veränderungen (z. B. im Markt, bei Lieferanten). Spezifisches Ziel: Verbesserung (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) der Entscheidungsfindung Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Trendsoziologie (z. B. SzenarioTechnik, Trendanalyse) Ausgewählte Quellen: [Koppelmann 2004; Pillkahn 2007] S1PE-3 Strategisches Einkaufswissen Definition: Fachliche Kompetenz in Fragestellungen der strategischen Ausrichtung des Krankenhauseinkaufs. Spezifisches Ziel: Verbesserung (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) der Entscheidungsfindung Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Strategischen Beschaffungsmanagements (Sortimentsgestaltung, Einkaufsorganisation, Einkaufspotenzialanalyse, etc.) Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003; Büsch 2007] Tabelle 26: Gestaltungsobjekte der Strategieformulierung 7.1.3.2 Strategieimplementierung (S2) In der Phase der Strategieimplementierung gilt es geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um die zuvor spezifizierte strategische Ausrichtung des Krankenhauseinkaufs in der betrieblichen Realität umzusetzen. In Tabelle 27 sind die relevanten Gestaltungsobjekte dieser Phase des Supply Managements zusammengefasst. 158 Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S2AR-1 Veränderungsverhalten Definition: Anreiz zur Steigerung der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Hervorhebung von veränderungswilligen Mitarbeitenden bzw. Schaffung von „Helden“ (Anerkennung) Einbindung bei der Planung und Durchführung von organisatorischen Veränderungsmassnahmen (Partizipation) Vermittlung der Notwendigkeit von Veränderungen (Sinnbildung) Ausgewählte Quellen: [Weick 1995; Manella 2000] S2PR-1 Leistungsdefinition Definition: Spezifikation der zentralen, wiederkehrenden Dienstleistungen (und ihrer Dienstgüte), die der Krankenhauseinkauf den Fachbereichen und allenfalls anderen Krankenhäusern bereitstellt (ServiceLevel-Agreement). Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von Techniken zur formalen Leistungsspezifikation (z. B. Kontextdiagramm, Leistungsverzeichnis) Nutzung von Templates zur textuellen Beschreibung der wesentlichen Vereinbarungsinhalte eines Service-Level-Agreements Ausgewählte Quellen: [Pulverich, Schietinger 2007; Bundesverband Materialwirtschaft Einkauf und Logistik 2008] S2PR-2 Prozessdefinition Definition: Analyse und Dokumentation der wesentlichen Arbeitsabläufe des Krankenhauseinkaufs. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Techniken zur formalen Prozessspezifikation und -analyse (z. B. Prozesslandkarte, ereignisgesteuerte Prozesskette, Extended Business Modelling Language, etc.) Textuelle Beschreibung der wesentlichen Arbeitsvorgänge. Ausgewählte Quellen: [Österle 1995; Hess 1996; Becker 2008] Entwicklung des Reifegradmodells 159 Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S2PR-3 Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung Definition: Bestimmung von Aufgabenkomplexen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Mitarbeitenden im Krankenhauseinkauf. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Techniken zur formalen Spezifikation der Aufbauorganisation (z. B. Funktionsdiagramm) Textuelle Beschreibung der grundlegenden Aufbauorganisation des Einkaufs sowie der Rechte und Pflichten der einzelnen Mitarbeitenden (z. B. Stellenprofil, Organisationshandbuch, Personaleinsatzplan) S2IT-1 Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation Ausgewählte Quellen: [Large 2006; Melzer-Ridinger 2008] Definition: System zur Dokumentation, Analyse und Gestaltung von Geschäftsprozessen. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Einfache, meist nur grafische Geschäftsprozessmodellierungstools (z. B. Income Suite, Microsoft Visio, SemTalk) Erweiterte Geschäftsprozessmodellierungstools, die bspw. die Prozesssimulation oder Prozesskostenrechnung unterstützen (z. B. ADOBEN, ARIS, Oracle Designer) S2PE-1 Transformationskompetenz Ausgewählte Quellen: [Riha et al. 2007] Definition: Kompetenz im Umgang mit der Veränderung organisatorischer, technologischer und kultureller Art. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Organisationsentwicklung und -gestaltung (z. B. Problemlösungstechniken, Moderationstechniken, etc.) S2PE-2 Geschäftsprozesswissen Ausgewählte Quellen: [Österle, Winter 2003; Salomonowitz 2009] Definition: Fachliche Kompetenz organisationsinterne und -externe Ablaufstrukturen zu erkennen, standardisieren und optimieren. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Prozessmanagements (Prozessanalyse, -dokumentation, -simulation, etc.) Ausgewählte Quellen: [Bretschneider, Bohnet-Joschko 2007; Rohner 2009] Tabelle 27: Gestaltungsobjekte der Strategieimplementierung 160 Entwicklung des Reifegradmodells 7.1.3.3 Strategisches Monitoring (S3) Ein wichtiger Schritt im Strategieentwicklungsprozess ist das Monitoring und Controlling. Damit sind zwei Intentionen verbunden: zum einen soll dadurch klar werden, ob die intendierten strategischen Ziele auch tatsächlich durch die implementierten betrieblichen Aufbau- und Ablaufstrukturen realisiert werden (Willenssicherung), zum anderen dient es oftmals als Grundlage für die betriebliche Weiterentwicklung (Lernen) [vgl. Müller-Stewens, Lechner 2005, S. 694]. Die wichtigsten Gestaltungsobjekte dieser Phase sind in Tabelle 28 aufgelistet. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S3AR-1 Informationsverhalten Definition: Anreiz zur wahrheitsgemässen und umfassenden Berichterstattung beschaffungsrelevanter Leistungsgrössen. Spezifisches Ziel: Erhöhung der (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Entscheidungssicherheit Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Mitsprache bei der Budgetierung bzw. bei der Verteilung knapper Ressourcen (Partizipation) Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der Zielerreichung resp. Budgeterfüllung des Einkaufs (Individual-/ Teamprämie) Ausgewählte Quellen: [Ewert, Wagenhofer 2005] S3PR-1 Monitoring der Lieferanten Definition: Kontrolle und Bewertung der Leistungsfähigkeit sowie der Qualität von Lieferantenbeziehungen. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Kennzahlen zur Beurteilung der Nachfrage- und Angebotsstruktur (z. B. Beschaffungsvolumenanteil des Lieferanten, Anzahl Substitutionsprodukte, ABC-Analyse, etc.) und Qualität der Lieferantenbeziehung (z. B. Liefertreue, Anteil Teillieferungen, jährliche Preisveränderungen, Abweichung vom Marktpreis, etc.) Vor-Ort-Begehung (Lieferanten-Audit) Befragung der Lieferanten (z. B. Fragebogen, Telefoninterview, Lieferanten-Benchmark) Ausgewählte Quellen: [Corsten, Hofstetter 2001; Disselkamp, Schüller 2004; Essig 2007b] S3PR-2 Monitoring der Bedarfsträger Definition: Kontrolle des Bestellverhaltens und der Zufriedenheit der Fachbereiche. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Vor-Ort-Kontrolle der Bestände in den Stationslagern Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt 161 Erläuterung Kennzahlen zur Ermittlung und Feststellung der kritischen Ressourcen, die beschafft werden müssen (z. B. Wert-Analyse, XYZAnalyse) Befragung der Fachbereiche (z. B. regelmässige Feedbackrunden, Fragebogen) Ausgewählte Quellen: [Disselkamp, Schüller 2004; Falzmann 2007] S3PR-3 Monitoring der Beschaffungsperformance Definition: Kontrolle und Bewertung der Leistungsfähigkeit sowie der Qualität der implementierten Beschaffungsprozesse. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Kennzahlen zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit (z. B. Anteil standardisierter Beschaffungsobjekte, Preisnachlassquote, etc.), Produktivität (z. B. Beschaffungspünktlichkeit, Beschaffungsvolumenanteil durch elektronische Marktplätze, etc.) und Qualität des Krankenhauseinkaufs (z. B. Beschaffungsbudgettreue, Dezentralisierungsgrad der Beschaffung, etc.) Teilnahme an Benchmarkingstudien, um Unterschiede im Vergleich zu anderen Krankenhäusern oder anderen Branchen zu erkennen Ausgewählte Quellen: [Christiansen 2003; Blome 2007] S3PR-4 Berichterstattung Definition: Erfassung, Verdichtung, und Weiterleitung beschaffungsrelevanter Leistungsgrössen zum Zweck der Information des Krankenhausmanagements, der Fachbereiche und Lieferanten. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung elektronischer Standardberichte aus ERP- und/oder Data Warehouse-System Nutzung vordefinierter Papierformulare Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007] S3IT-1 Unterstützung der Performance Messung, Analyse und des Reportings Definition: System zur Unterstützung der Kontrolle und Überprüfung von Geschäftsprozessen. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: ERP-, Workflow-Management oder Business Process Management System zur Überwachung der Prozessausführung Spreadsheet-Lösungen, Real-Time Dashboards und Cockpits für die Analyse der Prozessausführung Ausgewählte Quellen: [Petrick 2006] 162 Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung S3PE-1 Controlling- und Risikomanagementwissen Definition: Fachliche Kompetenz organisationsinterne und -externe Ablaufstrukturen zu erkennen, standardisieren und optimieren. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Beschaffungscontrollings (Ermittlung von Messgrössen, Statistik, Reporting, etc.) Methoden und Modelle des Risikomanagements (Risiko-Analyse, Schadensfall und Regulierung, Versicherungswesen, etc.) Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003; Essig 2007a] Tabelle 28: Gestaltungsobjekte des Monitorings und Controllings 7.1.3.4 Anbahnung (T1) In Anlehnung an DWYER et al. lassen sich grundsätzlich zwei Arten von Austauschbeziehungen zwischen einer Organisation und ihren Lieferanten unterscheiden: eher langfristige institutionalisierte Beziehungen (relational exchange) und kurzfristig wiederkehrende Interaktionen (discrete transactions) [vgl. Dwyer et al. 1987, S. 12]. Für die Gestaltung von ersteren sind im Rahmen der Anbahnung umfassende (taktische) Vorkehrungen zu treffen. Tabelle 29 beschreibt dabei die Gestaltungsobjekte, welche für diese Phase des Supply Managements von Bedeutung sind. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung T1PR-1 Lieferantensuche Definition: Ermittlung geeigneter Lieferanten und Einholung von Angeboten bei nicht-ausschreibungspflichtigen Produkten und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung eines vordefinierten Kriterienkatalogs oder einer Checkliste zur Spezifikation von Minimalanforderungen an die potenziellen Lieferanten Befragung der Fachbereiche und Einkaufsverantwortlichen anderer Krankenhäuser (z. B. Fragebogen, Telefoninterview, Lieferanten-Benchmark) Regelmässige Teilnahme an Gremien, Messen oder Erfahrungsaustauschgruppen Analyse öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie Lieferantendatenbanken, Unternehmenswebsites, etc. Nutzung spezifischer Funktionalitäten von elektronischen Marktplätzen Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Corsten 2002] Entwicklung des Reifegradmodells 163 Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung T1PR-2 Ausschreibung Definition: Ermittlung geeigneter Lieferanten und Einholung von Angeboten bei ausschreibungspflichtigen Produkten und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung vordefinierter Templates zur Spezifikation von Eignungskriterien, Zuschlagskriterien, Produkte- oder Aufgabenbeschrieb, allgemeine Vertragsbedingungen sowie Anzahlungsund Erfüllungsgarantien Ausgewählte Quellen: [OECD 2007] T1PR-3 Lieferantenbeurteilung und -auswahl Definition: Prüfung und Beurteilung der erhaltenen Angebote sowie Entscheidungsfindung über Aufnahme oder Ablehnung. Spezifisches Ziel: Optimierung der Lieferantenbasis (Kostenziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung eines vordefinierten Kriterienkatalogs oder einer Checkliste, um Angebote vorab zu beurteilen Vor-Ort-Begehung (Lieferantenaudit) Konstitution eines Gremiums zur Entscheidung über die Aufnahme in das Produktsortiment des Krankenhauses (z. B. Materialoder Arzneimittelkommission) T1IT-1 Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Corsten 2002; Wagner 2003; Büsch 2007] Definition: System für die Suche, Einholung und den Austausch beschaffungsrelevanter Informationen wie z. B. Produkt-, Lieferanteninformationen). Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Elektronische Produktkataloge (EPC), Newsletter und -feeds, Lieferantenverzeichnisse und Supplier Portale für die unstrukturierte Suche von Produkten und Lieferanten Preissuchmaschinen und Agentensysteme für die systematisierte bzw. automatisierte Suche von Produkten und Lieferanten Elektronische Marktplätze und Auktionen für den Informationsaustausch und für die Marktforschung Electronic Request for Information (E-RFI), Quotation (E-RFQ), Proposal (E-RFP) und Feature (E-RFF) für die strukturierte Einholung von Informationen T1IT-2 Unterstützung der Ausschreibung Ausgewählte Quellen: [Eyholzer et al. 2002; Huang et al. 2007] Definition: System zur strukturierten Einreichung, Entgegennahme und Eröffnung von Ausschreibungen. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente 164 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Anwendbare Konzepte: Ausschreibungsportal bzw. Ausschreibungsdatenbank für die Veröffentlichung von Submissionen T1PE-1 Sozialkompetenz Ausgewählte Quellen: [Zarnekow et al. 2002; Staatssekretariat für Wirtschaft 2009] Definition: Kompetenz im Umgang mit unterschiedlichen Werten und Einstellungen einer Gruppe/Organisation. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Persönlichkeitspsychologie (z. B. Selbstbeobachtung, Kompromissfähigkeit, Interkulturelle Kompetenz, etc.) T1PE-2 Ausgewählte Quellen: [Kalberer, Drenth 2007] Definition: Fachliche Kompetenz in Fragestellungen des Wirtschaftsrechts sowie der Rechtsanwendung. Rechtswissen Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen Handelns (Sicherheitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Rechtsgrundlagen (z. B. Formen des Vertragsabschlusses, Einkaufs- und Verkaufsbedingungen, Garantie) Rechtliche Durchsetzungsmittel (z. B. Mängelbehebung, Vertragsstrafen, Schadensersatz) Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003] Tabelle 29: Gestaltungsobjekte der Anbahnung 7.1.3.5 Verhandlung (T2) Die Institutionalisierung langfristiger Beziehungen erfolgt in aller Regel durch Formalisierung der gegenseitigen Absichten durch (Rahmen-)Verträge [vgl. Riemer 2008, S. 14]. Diese sind das Ergebnis meist ökonomisch geprägter Verhandlungen. Die wesentlichen Gestaltungsobjekte dieser Phase werden durch die nachfolgende Tabelle 30 beschrieben. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung T2AR-1 Ergebnisverhalten Definition: Anreiz zur kontinuierlichen Verhandlung und Überprüfung von Verträgen. Spezifisches Ziel: Optimierung der Lieferantenbasis (Kostenziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Definition eines am Ergebnis ausgerichteten Budgets für bspw. Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt 165 Erläuterung Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden des Krankenhauseinkaufs (Teamprämie) Definition variabler Lohnkomponenten (Individualprämie); Bonus bei Erfüllung oder Übererfüllung der vom Krankenhausmanagement vorgegebenen Ziele, Malus bei Verfehlen der gesetzten Qualitätsstandards T2PR-1 Verhandlungsvorbereitung Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007] Definition: Inhaltliche und ablauforganisatorische Vorbereitung eines entscheidenden Lieferantentermins. Spezifisches Ziel: Erhöhung der (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Entscheidungssicherheit Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung eines vordefinierten Verhandlungsplans bzw. Rasters für die Ableitung und Beschreibung der wesentlichen Maximal- und Minimalziele, Verhandlungsagenda, Handlungsalternativen, etc. Testen der Stichhaltigkeit der eigenen Argumentation durch Simulation der Verhandlung im Team (Rollenspiel) Berechnung der maximalen Kosten für die Beschaffung eines Produkts oder einer Dienstleistung (Ziel-Kosten-Analyse) T2PR-2 Verhandlungsführung Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007] Definition: Dialogführung mit dem Lieferanten über Lieferung und Leistung benötigter Produkte und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten (Kostenziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Anwendung gängiger Verhandlungstaktiken (z. B. Zeit-Taktik, Autoritäts-Taktik, Mediation, etc.) Nutzung elektronischer Agenten (Online-Verhandlung) T2PR-3 Vertragsabschluss Ausgewählte Quellen: [Erbacher 2009] Definition: Finalisierung einer Verhandlung durch die Gestaltung und den Abschluss eines Vertrages. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen Handelns (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung vordefinierter Vertragsvorlagen (z. B. Rahmenvertrag, Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag, etc.), um die getroffenen Vereinbarungen abzusichern Nutzung elektronischer Agenten (Online-Verhandlung) T2IT-1 Unterstützung der Verhandlungsführung Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007] Definition: System zur Unterstützung der Verhandlungsführung mit Lieferanten. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) 166 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Elektronische Markplätze, Online-Auktionen, etc. für die Durchführung von Transaktionen Videotelefonie, Web-Meeting-Tools, etc. für die Kommunikation mit Lieferanten T2IT-2 Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung Ausgewählte Quellen: [Rebstock 2001] Definition: System zur Unterstützung der Erfassung, Verwaltung, Speicherung und Wiederauffindung von vertragsrelevanten Informationen. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Einfache elektronische Ablagesysteme wie z. B. Filesystem, Datenbanken, die generell zur Speicherung von Dokumenten und Inhalten genutzt werden können Erweiterte elektronische Ablagesysteme wie z. B. Dokumentenmanagementsysteme, Contract Management-Tools, die auf die revisionssichere Aufbewahrung von Verträgen ausgerichtet sind T2IT-3 Elektronische Signatur Ausgewählte Quellen: [Kampffmeyer 2003] Definition: Dienst zur elektronischen Zertifizierung und Authentifizierung eines Geschäftspartners. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen Handelns (Sicherheitsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Einfache Signatur (z. B. gescannte Unterschrift) Fortgeschrittene oder qualifizierte Signatur (z. B. Signatur mit Anbieter-Akkreditierung/Trust Center) T2PE-1 Konfliktkompetenz Ausgewählte Quellen: [Schweizerische Akkreditierungsstelle 2009] Definition: Kompetenz konstruktiv mit Konflikten umzugehen (z. B. ausgewiesen durch Kompromissbereitschaft, Toleranz, etc.). Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Persönlichkeitspsychologie (z. B. Selbstbeobachtung, Kompromissfähigkeit, Interkulturelle Kompetenz, etc.) T2PE-2 Verhandlungswissen Ausgewählte Quellen: [Witschi 2007] Definition: Fachliche Kompetenz zur Vorbereitung und Durchführung von Vertragsverhandlungen. Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten (Kostenziel) Typ: Wissenskomponente Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt 167 Erläuterung Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Verhandlungsführung (z. B. Verhandlungstaktiken, Moderation, Mediation, etc.) Ausgewählte Quellen: [Lemme 2005; Saner 2008] Tabelle 30: Gestaltungsobjekte der Verhandlung 7.1.3.6 Stabilisierung (T3) Neben ökonomisch geprägten Mechanismen zur Institutionalisierung von langfristigen Beziehungen mit Lieferanten sind auch Formen der sozialen Interaktion zu gestalten. Dementsprechend gilt es in der Phase der Stabilisierung anfängliche Barrieren, welche z. B. aus aggressiven Preisverhandlungen entstanden sind, abzubauen und erweiterte Formen der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit zu implementieren. In Tabelle 31 sind die für diese Phase relevanten Gestaltungsobjekte zusammengefasst. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung T3AR-1 Kooperationsverhalten Definition: Anreiz zur Steigerung der Kooperationsbereitschaft der Mitarbeitenden. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Beteiligung an Anreizfonds auf Netzwerkebene (Individual- oder Teamprämie) Mitsprache bei der Budgetierung bzw. bei der Verteilung knapper Ressourcen (Partizipation) Würdigung von Ideen, welche zur verstärkten Kooperation beitragen (Anerkennung) Ausgewählte Quellen: [Wohlgemuth 2002] T3PR-1 Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung Definition: Gemeinsame Planung, Steuerung und Bewertung der Material-, Informations- und Geldflüsse mit ausgewählten Lieferanten. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von Referenzmodellen und erweiterten SCM-Techniken wie z. B. Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment, Cross-Docking, etc. Aufbau einer gemeinsamen Kommunikationsstruktur und -kultur z. B. durch organisationsübergreifende Teamsitzungen, soziale Events, etc. Ausgewählte Quellen: [Kilger, Reuter 2005; Ford, Scanlon 2007] 168 Entwicklung des Reifegradmodells Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung T3PR-2 Kollaborative Produktentwicklung Definition: Gemeinsame Planung, Entwicklung und Evaluation neuer Produkte und Dienstleistungen mit ausgewählten Lieferanten. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von Referenzmodellen und Techniken zur gemeinsamen Planung und Durchführung von Projekten (z. B. PRINCE2, IPMA Competence Baseline, etc.) Durchführung von Lieferantengesprächen mit Zielvereinbarungen T3IT-1 Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit Ausgewählte Quellen: [Lloyd, Simpson 2005; Manjappa et al. 2008] Definition: System zur Unterstützung der gemeinsamen Zusammenarbeit sowie zur Planung und Durchführung von Projekten. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: ERP-, SRM-Systeme, Supplier Self-Services und Supplier Portale für den transaktionsorientierten Austausch von Informationen Projektmanagement-Tools für die Planung von gemeinsamen Vorhaben Videotelefonie, Web Meeting-Tools, etc. für die Kommunikation mit Lieferanten T3PE-1 Kooperationskompetenz Ausgewählte Quellen: [Lefebvre et al. 2003] Definition: Kompetenz gezielt Kooperationen mit ausgewählten Partnern eingehen zu können. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/ Unabhängigkeitsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Kooperationsmanagements (z. B. Geschäftsnetzwerkmodellierung, Teambildung, etc.) Ausgewählte Quellen: [Töpfer, Grossekatthöfer 2006b; Schönsleben, Alard 2007] Tabelle 31: Gestaltungsobjekte der Stabilisierung 7.1.3.7 Bedarfsermittlung (O1) Grundlage für die Optimierung der wiederkehrenden Interaktion mit Lieferanten sowie für die Reduktion der Lagerhaltungs- und Materialkosten bildet eine präzis durchgeführte Bedarfsermittlung. Diese kann als periodisch durchgeführte Disposition oder erst im konkreten Bedarfsfall erfolgen [vgl. Appelfeller, Buchholz 2005, S. 8]. Wie aus den Fallstudien ersichtlich, ist dafür ein enger Kontakt mit den unterschiedlichen Entwicklung des Reifegradmodells 169 medizinischen und administrativen Fachbereichen des Krankenhauses vorteilhaft. Die massgeblichen Gestaltungsobjekte dieser Phase sind in Tabelle 32 beschrieben. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung O1AR-1 Bestellverhalten Definition: Anreiz zur Optimierung des Bestellverhaltens der Mitarbeitenden. Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten (Kostenziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der Zielerreichung resp. Budgeterfüllung (Individual-/Teamprämie) Ahndung übermässiger Bedarfsmeldungen (Sanktionen) Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007] O1PR-1 Bedarfsermittlung bei direkten Materialien Definition: Ermittlung des Bedarfs direkter Materialien der Fachbereiche. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung stochastischer Methoden zur Berechnung der zukünftigen Bedarfe (z. B. ABC-Analyse, Target Costing) Nutzung heuristischer Methoden zur Beurteilung der zukünftigen Bedarfe (z. B. Schätzung durch erfahrene Disponenten oder Stücklistenauflösung) Anwendung erweiterter Techniken der Bedarfssteuerung und Lagerhaltung wie Kanban, Vertragslagerkonzept, etc. Bedarfsaufnahme vor Ort durch spezialisierte Versorgungsassistenten oder systemgestützt durch die Fachbereiche selbst Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007] O1PR-2 Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien Definition: Ermittlung des Bedarfs indirekter Materialien der Fachbereiche. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung stochastischer Methoden zur Berechnung der zukünftigen Bedarfe (z. B. ABC-Analyse, Target Costing) Nutzung heuristischer Methoden zur Beurteilung der zukünftigen Bedarfe (z. B. Schätzung durch erfahrene Disponenten) Bedarfsaufnahme vor Ort durch spezialisierte Versorgungsassistenten oder systemgestützt durch die Fachbereiche selbst Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007] O1PR-3 Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und Dienstleistungen Definition: Ermittlung des Bedarfs an Dienstleistungen und speziellen Einzelbeschaffungen der Fachbereiche. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe 170 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Anwendbare Konzepte: Systemgestützte Bedarfsaufnahme durch die Fachbereiche selbst Nutzung vordefinierter Bestellanforderungsformulare O1IT-1 Unterstützung der Bestandsführung Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007] Definition: System zur Unterstützung der Bedarfsermittlung und Bestandesführung von Produkt- und Lieferanteninformationen. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: ERP-, SRM- und Plan-Driven Procurement Systeme für die Überwachung von Bewegungs- und Bestandsdaten Stammdatenverwaltungssystem (Master Data Management) für die Pflege der zentralen Produkt- und Lieferantenstammdaten O1IT-2 Unterstützung der Bedarfsaufnahme Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Cetin 2007] Definition: System zur Unterstützung der Bedarfsermittlung und Bestandesführung von Produkt- und Lieferanteninformationen. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Spreadsheet-Lösungen und E-Mail für die unstrukturierte Bedarfsaufnahme Desktop Purchasing-Systeme, elektronische Produktkataloge und Supplier Self-Services für die strukturierte Bedarfsaufnahme O1PE-1 Kundenkompetenz Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Cetin 2007] Definition: Kompetenz zur frühzeitigen und systematischen Erkennung der Bedarfe der Fachbereiche und Patienten. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle der Arbeitspsychologie (z. B. Kundenzufriedenheitsmessung, organisationsinternes Marketing, etc.) O1PE-2 Material- und Logistikmanagementwissen Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Wagner 2007] Definition: Fachliche Kompetenz in Umgang mit Fragestellungen des Bestandes- und Materialmanagements. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Bestandes- und Materialmanagements (Lagerorganisation, Inventur, Prozesskostenrechung, etc.) Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007] Tabelle 32: Gestaltungsobjekte der Bedarfsermittlung Entwicklung des Reifegradmodells 171 7.1.3.8 Bestellung (O2) Den Kern der wiederkehrenden Interaktion mit Lieferanten bilden Bestelltransaktionen. Die Betrachtung der Fallstudien legt nahe, dass je nach Art und Häufigkeit des zu beschaffenden Materials unterschiedliche Beschaffungsmodelle mit unterschiedlicher Reife Anwendung finden [vgl. Appelfeller, Buchholz 2005, S. 151]. Die für die Bestellphase relevanten Gestaltungsobjekte sind in Tabelle 33 aufgelistet. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung O2PR-1 Bestellung direkter Materialien Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen direkter Materialien. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail) Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen, etc. für die automatisierte Bestellabwicklung Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007] O2PR-2 Bestellung indirekter Materialien Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen indirekter Materialien. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail) Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen, etc. für die automatisierte Bestellabwicklung Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007] O2PR-3 Bestellung von Einzelbeschaffungen und Dienstleistungen Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen spezieller Einzelbeschaffungen oder Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail) Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen, etc. für die automatisierte Bestellabwicklung Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007] O2IT-1 Unterstützung der Bestellung direkter Materialien Definition: System zur Unterstützung der Bündelung, Erfassung und Übermittlung von Bestellungen direkter Materialien. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente 172 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Anwendbare Konzepte: Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML (Buy-Side) Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge, Supplier Portale (Sell-Side) O2IT-2 Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien Ausgewählte Quellen: [Kriegel 2002; Oppel 2003] Definition: System zur Unterstützung der Bündelung, Erfassung und Übermittlung von Bestellungen indirekter Materialien. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML (Buy-Side) Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge, Supplier Portale (Sell-Side) O2IT-3 Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und Dienstleistungen Ausgewählte Quellen: [Kriegel 2002; Oppel 2003] Definition: System zur Unterstützung der Erfassung und Verarbeitung von nicht-standardisierten Materialien und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge, Supplier Portale (Sell-Side) Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen O2PE-1 Technologiekompetenz Ausgewählte Quellen: [Mettler, Rohner 2009b] Definition: Fachliche Kompetenz in Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Theoretisches Wissen über aktuelle Möglichkeiten in der elektronischen Beschaffung (z. B. Internet, E-Commerce, EProcurement) Praktisches Anwendungswissen (z. B. Online-Verhandlungen, Umgang mit elektronischen Katalogen und Suchmaschinen, etc.) Ausgewählte Quellen: [Zarnekow et al. 2002; Brenner, Wenger 2007] Tabelle 33: Gestaltungsobjekte der Bestellung Entwicklung des Reifegradmodells 173 7.1.3.9 Abwicklung (O3) Den Abschluss einer Bestelltransaktion stellt die Kontrolle und Erfassung des Wareneingangs sowie die Handhabung allfälliger Beschwerden dar. Dies bildet zugleich das Bindeglied zur internen Krankenhauslogistik und kann durch die in Tabelle 34 dargelegten Gestaltungsobjekte skizziert werden. Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung O3AR-1 Qualitätsverhalten Definition: Anreiz zur Steigerung der Qualität der beschafften Produkte und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Anreiz Anwendbare Konzepte: Definition variabler Lohnkomponenten (Individualprämie); Bonus bei Erfüllung oder Übererfüllung der vom Krankenhausmanagement vorgegebenen Ziele, Malus bei Verfehlen der gesetzten Qualitätsstandards Hervorhebung der Leistung des Einkaufs und regelmässige Rückmeldungen (Anerkennung) Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007] O3PR-1 Wareneingangskontrolle Definition: Überprüfung der angelieferten Materialien sowie der Bestell- und Lieferdokumente. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Qualitative und quantitative Prüfung auf Sicht in Bezug auf Fehlmengen, Beschädigungen und andere Qualitätsmängel Stichprobenprüfung einzelner Lieferungen Ausgewählte Quellen: [Euler 1992; Arnolds et al. 1998] O3PR-2 Wareneingangsbuchung Definition: Erfassung der angelieferten Materialien sowie Bearbeitung der Bestell- und Lieferdokumente. Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Manuelle Erfassung der angelieferten Materialien und Dokumente Nutzung von Erfassungshilfen wie z. B. Barcode-Scanner Elektronische Verarbeitung des Wareneingangs (z. B. ELieferschein und E-Rechnung) O3PR-3 Handhabung von Beschwerden Ausgewählte Quellen: [Euler 1992; Arnolds et al. 1998] Definition: Annahme und Behandlung von Beschwerden seitens der Fachbereiche sowie Weiterleitung an die Lieferanten. 174 Nr. Entwicklung des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt Erläuterung Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Aufgabe Anwendbare Konzepte: Nutzung von Papierformularen oder der Unternehmenswebsite des Lieferanten zur Erfassung der Beschwerden Nutzung vordefinierter Checklisten für das Reklamationsmanagement per Telefon O3IT-1 Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung Ausgewählte Quellen: [Brückner 2007; Strauss, Seidel 2007] Definition: System zur Unterstützung der automatisierten Wareneingangsbuchung. Spezifisches Ziel: Minimierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel) Typ: Softwarekomponente Anwendbare Konzepte: Internetbasierte Lösungen wie Supplier Self-Services ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML O3PE-1 Qualitätsmanagementwissen Ausgewählte Quellen: [Giordano 2000] Definition: Fachliche Kompetenz zur Planung, Steuerung, Sicherung und Verbesserung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel) Typ: Wissenskomponente Anwendbare Konzepte: Methoden und Modelle des Qualitätsmanagements (z. B. EFQM, Six Sigma, Zertifikate) Ausgewählte Quellen: [Töpfer, Grossekatthöfer 2006a] Tabelle 34: Gestaltungsobjekte der Abwicklung 7.1.4 Zwischenfazit: Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen Der Term „Fokusgruppendiskussion“ bezeichnet eine moderierte Diskussion zu einer fokussierten Themenstellung innerhalb einer ausgewählten Gruppe von Personen [vgl. Stewart, Shamdasani 1990, S. 10]. In Anlehnung an MORGAN und STEWART et al. können Fokusgruppen u. a. nützlich sein, um Hypothesen auf Grundlage der Eindrücke der Informanten zu generieren, Interviewleitfäden und Fragebogen zu entwickeln oder Ergebnisse von Forschungsarbeiten durch die Informanten interpretieren und bewerten zu lassen [vgl. Morgan 1997, S. 17 f.; Stewart et al. 2007, S. 41 f.]. Entwicklung des Reifegradmodells 175 Obwohl diese qualitative Forschungsmethode in der Vergangenheit überwiegend in soziologischen oder sozialmedizinischen Studien Anwendung gefunden hat [vgl. z. B. Kitzinger 1994; Powell, Single 1996], sind in letzter Zeit Beiträge entstanden, welche deren Eignung in Zusammenhang mit der Evaluation gestaltungsorientierter WIForschung diskutieren [vgl. Gibson et al. 2007; Tremblay et al. 2008]. Um die Relevanz, Konsistenz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Aktualität der identifizierten Modellkonstrukte vor der Operationalisierung zu testen, sind deshalb im Rahmen der vorliegenden Arbeit zwei Fokusgruppendiskussion mit Einkaufsverantwortlichen von Krankenhäusern und spezialisierten IT-Dienstleistern durchgeführt worden. Eine erste Version der Modellbasis wurde im September 2007 neun Krankenhaus- und vier Industrievertretern präsentiert. Ziel war es, einen ersten Meinungsaustausch hinsichtlich der identifizierten Gestaltungsobjekte anzustossen. Einige Äusserungen aus der Gruppendiskussion in Bezug auf die erste Version der Modellbasis waren: Krankenhausvertreter: „Die Modellinhalte sind zu stark auf die operativen Prozesse fokussiert.“ Krankenhausvertreter: „Aspekte der Kundenseite sind nicht abgedeckt, z. B. Thema Bestellverhalten der Fachbereiche.“ Krankenhausvertreter: „Ich vermisse Indikatoren, die auf den Stellenwert des Einkaufs im Unternehmen hinweisen.“ Industrievertreter: „Irgendwie fehlt momentan ein Bezug zu IT-gestützten Kooperationsansätzen.“ Als Reaktion auf die herausgestellten Meinungen sind zahlreiche Änderungen an der ursprünglichen Modellbasis vorgenommen worden.80 Einerseits sind unklar formulierte Konstrukte berichtigt, andererseits sind die aus der Sicht der Informanten unerlässlichen oder unwesentlichen Konstrukte hinzugefügt bzw. eliminiert worden (z. B. sind mehrere Konstrukte aus dem operativen Bereich durch Konstrukte wie „Kundenkompetenz“, „Ergebnisverhalten“ oder „Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit“ ersetzt worden). Zur Überprüfung der zweiten Version der Modellbasis ist im Januar 2009 eine weitere Fokusgruppendiskussion durchgeführt worden. Als Vorbereitung dafür wurden sämtli80 Die zuvor beschriebenen Gestaltungsobjekte geben den aktuellen Stand wieder und beinhalten bereits die angemerkten Änderungen. 176 Entwicklung des Reifegradmodells che Konstrukte in einer Domänenontologie formal beschrieben.81 Abbildung 56 zeigt dabei exemplarisch die frame-basierte Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“ im Protégé-Toolset. Abbildung 56: Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“ in Protégé82 Durch die Formalisierung der Modellinhalte konnten verschiedene grafische Auswertungen gemacht werden, welche als Grundlage für die Diskussion dienten (vgl. Abbildung 57). Abbildung 57: Visualisierung eines Teilbereichs der Domänenontologie 81 Die formale und grafische Darstellung von Modellinhalten mittels Ontologien hat in einer Reihe von Projekten zur Konsensbildung beigetragen [vgl. Obrst et al. 2007, S. 149]. 82 Eine ausführliche Beschreibung zur frame-basierten (http://protege.stanford.edu/overview/protege-frames.html) abrufbar. Ontologiespezifikation ist unter Entwicklung des Reifegradmodells 177 Folgende Meinungen sind zur zweiten Version der Modellbasis geäussert worden: Krankenhausvertreter: „Mir wird erst klar, dass es so viele technische Hilfsmittel in meinem Bereich gibt. Ich erkenne bereits klare Defizite.“ Krankenhausvertreter: „Die Inhalte sind klar und sauber strukturiert. Meiner Meinung nach sind die wesentlichen Elemente enthalten.“ Industrievertreter: „Die Navigation innerhalb der Ontologie ist wenig gefiltert und dadurch oftmals unübersichtlich. Inhaltlich scheint damit jedoch ein wesentlicher Teil des Krankenhauseinkaufs abgedeckt zu sein.“ Der durch die beiden Fokusgruppendiskussionen vorwiegend positive Eindruck bildet die Ausgangslage für die weitere Operationalisierung der Modellbasis. Die durchgeführte naturalistische Evaluation der Modellbasis besitzt jedoch wesentliche Grenzen, die eine erneute Überprüfung nach deren Operationalisierung erforderlich machen: Eine Fokusgruppe setzt sich aus einem „unnatürlichen“ Setting an Personen zusammen. Einzelne Meinung könnten aufgrund der ungewohnten Umgebung und heterogenen Gruppenzusammensetzung (z. B. Kontakt mit Industrievertretern) beeinflusst worden sein [vgl. Stewart et al. 2007, S. 25 f.]. Zur Beurteilung des Gesamtkonzepts wäre demnach eine individuelle Befragung bzw. der Einsatz des Instruments im gewohnten Umfeld sinnvoll. Die Zusammensetzung einer Fokusgruppe ist nicht repräsentativ, da nur eine kleine Anzahl Personen an der Diskussion teilnimmt. Eine Übertragung der Ergebnisse auf alle möglichen Situationen im Kontext des Krankenhauseinkaufs (z. B. Krankenhäuser mit ausgelagertem oder dezentralem Einkauf) ist deshalb nur mit Vorbehalt möglich. Der thematische Inhalt einer Fokusgruppendiskussion ist sehr konzentriert. Beispielsweise fokussierten die durchgeführten Diskussionen ausschliesslich auf die Beurteilung der Relevanz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, etc. der identifizierten Modellinhalte. Eine Beurteilung der Nützlichkeit des operationalisierten Instruments ist deshalb nicht möglich, da die Teilnehmer weder Erhebungs- und Analysetechniken, noch die Reife- und Fähigkeitsgrade kennen. 178 Entwicklung des Reifegradmodells 7.2 Operationalisierung der Modellinhalte Im Folgenden sollen die identifizierten Modellinhalte durch unterschiedliche Techniken operationalisiert werden. Eine Technik stellt dabei eine Vorschrift zur Erstellung und Dokumentation von (Design-)Ergebnissen dar [vgl. Winter 2003, S. 88]. Um die Modellinhalte an spezifische Situationen eines Krankenhauseinkaufs anzupassen, wird zunächst eine Technik zur Konfiguration des Bewertungsmodells präsentiert. Des Weiteren werden Techniken für die Datenerhebung und -analyse spezifiziert und anhand eines entwickelten Softwareprototyps illustriert. 7.2.1 Konfiguration Anders als beim Methoden Engineering oder bei der Referenzmodellierung, wo das Konzept der Situativität meist ein integraler Bestandteil der Konstruktion bildet [vgl. z. B. vom Brocke, Buddendick 2004, S. 19 f.; Baumöl 2008, S. 149 f.; Aier et al. 2009, S. 111 f.; Winter 2009b, S. 19 f.], bleiben solche Überlegungen bei der Entwicklung von Reifegradmodellen meist unberücksichtigt [vgl. Mettler, Rohner 2009d, S. 3]. Demnach wird für sämtliche Organisationstypen oftmals das gleiche Bewertungsmodell zugrundegelegt (One-size-fits-all Modell). Wie bereits in Abschnitt 3.2.4 erläutert, wird dadurch die Kritik laut, dass die Bewertungsergebnisse für bestimmte Organisationen verzerrt werden bzw. dass Reifegradmodelle für diese Klasse von Organisationen irrelevante Gestaltungsobjekte aufweisen. Um eine situationsgerechte Bewertung der Reife eines Krankenhauseinkaufs und damit eine Vergleichbarkeit der Resultate gewährleisten zu können, wird im Rahmen eines Assessments mit dem HSRM3 die Modellbasis konfiguriert. 7.2.1.1 Identifikation möglicher Konfigurationsparameter Der situative Kontext der Beschaffungsfunktion eines Krankenhauses lässt sich durch verschiedenste Faktoren beschreiben. Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von situativen Faktoren unterscheiden [vgl. Bucher et al. 2007, S. 37 f.]:83 83 Ungleich wie bei BUCHER et al., die zwischen kontext- und projektbeschreibenden Faktoren unterscheiden, wird in der vorliegenden Arbeit eine Differenzierung nach der Stärke des Einflusses auf den Gestaltungsbereich gemacht. Die Intention dahinter ist jedoch dieselbe. Entwicklung des Reifegradmodells 179 Indirekte situative Faktoren sind Einflussgrössen, welche die Gestaltungsobjekte mittelbar tangieren. Sie eignen sich vorrangig zur Beschreibung des Umfelds des Gestaltungsbereichs. Direkte situative Faktoren sind Einflussgrössen, welche die Gestaltungsobjekte unmittelbar tangieren. Sie eignen sich vorrangig zur Beschreibung des Gestaltungsbereichs selbst und können für die Konfiguration der Modellbasis verwendet werden. Aus der in Kapitel 4 durchgeführten Analyse sind eine Reihe situativer Faktoren mit Rücksicht auf die Beschaffung in Krankenhäusern hervorgegangen, welche nun in Bezug auf deren Tauglichkeit für die Konfiguration der Modellbasis bewertet werden (vgl. Abbildung 58): Betriebsgrösse: Die Grösse eines Krankenhauses (üblicherweise gemessen an dessen Anzahl verfügbarer Betten) wird als indirekter situativer Faktor gesehen. Zwar ist davon auszugehen, dass mit steigender Betriebsgrösse auch mehr Personen im Krankenhauseinkauf zur Bewältigung dieser Funktion notwendig sind, das Leistungsspektrum bleibt aber in aller Regel bestehen. Somit ist die Betriebsgrösse für die Beurteilung der Reife nur indirekt von Bedeutung. Trägerschaft: Die Handlungsfreiheit eines Krankenhauses wird stark durch die Rechtsform bzw. den Träger beeinflusst.84 In Zusammenhang mit dem Krankenhauseinkauf hat die Trägerschaft vereinzelt Auswirkungen auf das betriebliche Handeln (z. B. sind öffentliche Krankenhäuser verpflichtet, ab einem bestimmten Beschaffungsvolumen eine Ausschreibung durchzuführen), jedoch unterscheiden sich dadurch die Arbeitsweise nicht fundamental (z. B. können private Krankenhäuser Ausschreibungen ebenfalls als Aufforderung zur Angebotsabgabe nutzen). Dementsprechend wird die Trägerschaft als indirekter situativer Faktor eingestuft. Typologie: Die Typologie gibt darüber Aufschluss, wie spezialisiert ein Krankenhaus ist. Für den Krankenhauseinkauf hat dies insbesondere einen Einfluss auf die Ausgestaltung des Sortiments (z. B. ist bei einem allgemeinen Krankenhaus das Sortiment i. d. R. breiter gefasst als bei einer Spezialklinik). In Bezug auf die Reife der identifizierten Gestaltungsobjekte hat die Typologie allerdings nur einen indirekten Einfluss. 84 Vgl. Abschnitt 4.1.1. 180 Entwicklung des Reifegradmodells Versorgungsstufe: In Anlehnung an die Krankenhaustypologie des BFS kann die Versorgungsstufe als eine weitere Detaillierung der Typologie gesehen werden [vgl. Bundesamt für Statistik 2006, S. 4]. Dementsprechend kann auch hier von einer lediglich indirekten Beeinflussung des Krankenhauseinkaufs ausgegangen werden. Einkaufsorganisation: Ein weiterer situativer Faktor ist die Organisationsform des Krankenhauseinkaufs. Dadurch wird festgelegt, wie die Funktion des Einkaufs in die Krankenhausorganisation eingebettet resp. wer für die Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen verantwortlich ist. Dies hat einen wesentlichen und direkten Einfluss auf die Gestaltungsobjekte des Reifegradmodells (z. B. weist ein dezentraler Einkauf eine andere Aufgabenstruktur als ein zentraler Einkauf auf). Der Faktor „Einkaufsorganisation“ wird demnach als zentrale Einflussgrösse zur Konfiguration der Modellbasis betrachtet. Indirekte situative Faktoren Betriebsgrösse Kleine Krankenhäuser (1-149) Mittlere Krankenhäuser (150-400) Direkte situative Faktoren Grosse Krankenhäuser (>400) Einkaufsorganisation Dezentral Öffentlich Trägerschaft Gemeinnützig Privat Hybrid Zentral Allgemeine Krankenhäuser Typologie Versorgungsstufe ZentrumsGrundversorgung versorgung Spezialkliniken Psychiatrische RehaAndere Kliniken kliniken Spezialkliniken Ausgelagert Netzwerk Abbildung 58: Direkte und indirekte situative Faktoren des HSRM3 7.2.1.2 Beschreibung der Konfigurationsszenarien Die Konfiguration der Modellbasis geschieht über die Wahl eines bestimmten Szenarios, welches eine möglichst treffende Annäherung an die Situation der Beschaffungsfunktion eines Krankenhauses wiedergibt. Hierfür werden auf Grundlage des situativen Faktors „Einkaufsorganisation“ die folgenden Konfigurationsszenarien abgeleitet:85 85 Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 4.1.3 sowie [Kriegel 2002, S. 22; Padberg 2006]. Entwicklung des Reifegradmodells 181 Dezentrales Supply Management: Erfolgsentscheidende Verantwortlichkeiten für die Einkaufsaktivitäten liegen nicht in einer zentralen Funktion, sondern dezentral über die Organisation verteilt bei den Fachbereichen. Sowohl das Verwaltungspersonal als auch das medizinische und pflegerische Personal entscheiden über die zu bestellenden Artikel, das Bestellvolumen sowie über die jeweiligen Preis- und Lieferkonditionen. Die Rolle des Einkaufs ist vorwiegend die eines Transaktionsabwicklers. Mögliche Indikatoren, die auf dieses dezentrale Szenario hinweisen, sind z. B. eine Einkaufsabteilung ohne Sortimentsverantwortung (reines Bestellbüro), keine formale Verankerung des Einkaufs im Organigramm des Krankenhauses, Lieferanten verhandeln tendenziell immer zuerst mit den Fachbereichen. Hybrides Supply Management: Die Aufgabenteilung zwischen der Einkaufsabteilung und den Fachbereichen ist nicht klar abgrenzbar. Bspw. werden Verträge dezentral verhandelt, Bestellungen aber zentral durch die Einkaufsabteilung abgewickelt. Dementsprechend ist auch die Rolle des Einkaufs nicht eindeutig zu bestimmen und bewegt sich zwischen der eines Servicepartners und eines Transaktionsabwicklers. Mögliche Indikatoren, die auf dieses hybride Szenario hinweisen, sind z. B. die Bestimmung von Lead-Buyer-Einheiten im Krankenhaus (z. B. Apotheke), Verhandlungen mit Lieferanten werden stets zusammen mit den Fachbereichen geführt. Zentrales Supply Management: Die zentrale Einkaufsabteilung deckt alle strategischen, taktischen und operativen Aufgaben von Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Vertragsverhandlungen bis hin zum Monitoring und Controlling ab. Die Rolle des Einkaufs ist vielschichtig und reicht vom Transaktionsabwickler bis hin zum Marktanalyst und Auditor. Mögliche Indikatoren, die auf dieses zentrale Szenario hinweisen, sind z. B. eine Einkaufsabteilung mit umfassender Sortimentsverantwortung, eine formale Verankerung des Einkaufs im Organigramm des Krankenhauses, Lieferanten verhandeln tendenziell zuerst mit der Einkaufsabteilung. Ausgelagertes Supply Management: Ein externer Dienstleister deckt nahezu alle taktischen und operativen Aufgaben der Beschaffung ab (bspw. Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Vertragsverhandlungen). Das Aufgabenspektrum des organisationsinternen Einkaufs (sofern vorhanden) beschränkt sich auf die strategischen Supply Management Prozesse. Demnach kommt dem Einkauf hier vorwiegend die Rolle eines Controllers zu. Mögliche Indikatoren, die auf dieses ausgelagerte Szenario hinweisen, sind z. B. eine inexistente Einkaufsfunktion im Krankenhaus, die Fachbereiche werden praktisch ausschliesslich durch externe Dienstleister versorgt. 182 Entwicklung des Reifegradmodells Vernetztes Supply Management: Strategische und taktische Aufgaben der Beschaffung werden partnerschaftlich mit anderen Krankenhäusern verrichtet. Entscheide hinsichtlich der zu bestellenden Artikel, des Bestellvolumens sowie über die jeweiligen Preis- und Lieferkonditionen werden im Netzwerk getroffen. Die Rolle des Einkaufs ist vorwiegend die eines Verhandlungspartners. Mögliche Indikatoren, die auf dieses vernetzte Szenario hinweisen, sind z. B. die Mitgliedschaft in einem Einkaufsverbund, organisationsübergreifend abgestimmte Sortimentsentscheide, organisationsübergreifend abgestimmte Lieferantenverhandlungen. Auf Basis der beschriebenen Szenarien sind zusammen mit ausgewählten Einkaufsverantwortlichen unterschiedliche Konfigurationsprofile abgeleitet worden. Pro Konfigurationsprofil wird festgelegt, welche Gestaltungsobjekte bei der Reifebeurteilung zwingend zu beachten sind und welche lediglich fakultativen Charakter haben oder gar Innovationsverhalten Beschaffungsvision Beschaffungsleitlinien Interne Analyse Externe Analyse Beschaffungsstrategie Unterstützung für interne und externe Analysen Unterstützung der Kreativität und Dokumentation Motivations- und Führungskompetenz Trendkompetenz Strategisches Einkaufswissen Veränderungsverhalten Leistungsdefinition Prozessdefinition Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation Transformationskompetenz Geschäftsprozesswissen Informationsverhalten Monitoring der Lieferanten Monitoring der Bedarfsträger Vernetztes SM S1-AR-1 S1-PR-1 S1-PR-2 S1-PR-3 S1-PR-4 S1-PR-5 S1-IT-1 S1-IT-2 S1-PE-1 S1-PE-2 S1-PE-3 S2-AR-1 S2-PR-1 S2-PR-2 S2-PR-3 S2-IT-1 S2-PE-1 S2-PE-2 S3-AR-1 S3-PR-1 S3-PR-2 Ausgelagertes SM Gestaltungsobjekt Zentrales SM Nr. Hybrides SM Szenario Dezentrales SM von der Bewertung auszuschliessen sind. Tabelle 35 zeigt die Verdichtung sämtlicher Konfigurationsaussagen in einer entsprechenden Matrix. S3-PR-3 S3-PR-4 S3-IT-1 S3-PE-1 T1-PR-1 T1-PR-2 T1-PR-3 T1-IT-1 T1-IT-2 T1-PE-1 T1-PE-2 T2-AR-1 T2-PR-1 T2-PR-2 T2-PR-3 T2-IT-1 T2-IT-2 T2-IT-3 T2-PE-1 T2-PE-2 T3-AR-1 T3-PR-1 T3-PR-2 T3-IT-1 T3-PE-1 O1-AR-1 O1-PR-1 O1-PR-2 O1-PR-3 O1-IT-1 O1-IT-2 O1-PE-1 O1-PE-2 O2-PR-1 O2-PR-2 O2-PR-3 O2-IT-1 O2-IT-2 O2-IT-3 O2-PE-1 Monitoring der Beschaffungsperformance Berichterstattung Unterstützung der Perform. Messung, Analyse und des Reportings Controlling- und Risikomanagementwissen Lieferantensuche Ausschreibung Lieferantenbeurteilung und -auswahl Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl Unterstützung der Ausschreibung Sozialkompetenz Rechtswissen Ergebnisverhalten Verhandlungsvorbereitung Verhandlungsführung Vertragsabschluss Unterstützung der Verhandlungsführung Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung Elektronische Signatur Konfliktkompetenz Verhandlungswissen Kooperationsverhalten Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung Kollaborative Produktentwicklung Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit Kooperationskompetenz Bestellverhalten Bedarfsermittlung bei direkten Materialien Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und DL Unterstützung der Bestandesführung Unterstützung der Bedarfsaufnahme Kundenkompetenz Material- und Logistikmanagementwissen Bestellung direkter Materialien Bestellung indirekter Materialien Bestellung von Einzelbeschaffungen und DL Unterstützung der Bestellung direkter Materialien Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und DL Technologiekompetenz Vernetztes SM Gestaltungsobjekt Ausgelagertes SM Nr. Zentrales SM Szenario Hybrides SM 183 Dezentrales SM Entwicklung des Reifegradmodells O3-AR-1 O3-PR-1 O3-PR-2 O3-PR-3 O3-IT-1 O3-PE-1 Qualitätsverhalten Wareneingangskontrolle Wareneingangsbuchung Handhabung von Beschwerden Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung Qualitätsmanagementwissen Legende: Beurteilung notwendig Beurteilung fakultativ Vernetztes SM Gestaltungsobjekt Ausgelagertes SM Nr. Zentrales SM Szenario Hybrides SM Entwicklung des Reifegradmodells Dezentrales SM 184 Beurteilung nicht notwendig Tabelle 35: Konfigurationsmatrix 7.2.1.3 Wahl eines Konfigurationsszenarios Die Beschreibung der Konfigurationsszenarien liefert zwar eine erste Orientierung zur Festlegung der Situation eines Krankenhauseinkaufs, jedoch sollte die Wahl eines Szenarios auf der Basis verdichteter Informationen erfolgen.86 Anhaltspunkte, welche die Selektion des richtigen Konfigurationsszenarios erleichtern, sind zum Beispiel: Einordnung des Einkaufs im Organigramm des Krankenhauses (eigene Funktion vs. untergeordnete Funktion) Struktur der Aufgaben (mehrheitlich operative Tätigkeiten vs. vorwiegend strategische Tätigkeiten) Geführtes Sortiment (komplette Bestandesführung vs. dezentral geführte Warengruppen) Beschaffungsbefugnis (ausschliessliche Beschaffungsbefugnis vs. verteilte Beschaffungsbefugnis) Vereinbarungen mit externen Dienstleistern oder anderen Krankenhäusern (Outsourcing-Vertrag oder Mitgliedschaft in einem Einkaufsverbund) 86 Die Wahl eines von der Realität abweichenden Szenarios ist nur dann sinnvoll, wenn organisatorische Veränderungen geplant sind (z. B. Wechsel von einer dezentralen zu einer zentralen Einkaufsorganisation) und das Reifegradmodell die Anforderungsanalyse unterstützen soll. Entwicklung des Reifegradmodells 185 7.2.2 Datenerhebung und -analyse Der Verlauf eines Begutachtungsverfahrens mit dem HSRM3 wird in die folgenden Schritte untergliedert [vgl. auch Bush, Dunaway 2005]: 1. Planung: Im Rahmen der Planung werden die Personen identifiziert, welche für die Beurteilung der Reife des Supply Managements eines Krankenhauses in Frage kommen. Ferner gilt es die ausgewählten Personen über den Zweck der Befragung zu informieren und einen Termin zu fixieren. 2. Vorbereitung: Als Vorbereitung für die Befragung werden grundlegende Informationen wie z. B. Name und Funktion des Beurteilenden, Betriebsgrösse, Typologie des Krankenhauses, etc. erfasst. 3. Datenerhebung: Die Erhebung der benötigten Daten erfolgt anhand einer unterstützten Selbstbeurteilung durch den oder die zuvor bestimmten Ansprechpartner. In einem ersten Schritt werden die vorerfassten Informationen zur Person und Organisation überprüft und das Konfigurationsszenario festgelegt. Danach werden die für das Szenario zulässigen Gestaltungsobjekte bewertet. Dabei ist zu achten, dass die befragten Personen möglichst nicht in ihrer Urteilsfällung beeinflusst werden. Dem Assessor kommt bei der Befragung demnach lediglich eine subsidiäre Funktion zu (z. B. Klärung von unverständlichen Konzepten, Moderation durch die einzelnen Fragestellungen). 4. Datenanalyse: Nach Aufnahme der Beschaffenheit der einzelnen Gestaltungsobjekte werden die erhobenen Daten grafisch ausgewertet und markante Wertungspunkte nochmals kritisch hinterfragt. Allenfalls werden im Falle von Fehleinschätzungen die betreffenden Gestaltungsobjekte nochmals neu bewertet. 5. Reporting: Den Abschluss einer Begutachtung bildet die Formulierung von „Lessons Learned“ und die Einstufung in einen Reifegrad bzw. Fähigkeitsgrad. Bei mehreren Beurteilungen müssen die Einzelbetrachtungen für die finale Berichterstattung konsolidiert und bei markanten Abweichungen allenfalls in der Gruppe thematisiert werden. 7.2.2.1 Erhebungstechnik Grundlage für die Datenerhebung bildet ein softwaregestütztes Befragungswerkzeug, dessen Aufbau sich eng an der Struktur des Reifegradmodells orientiert. Der Prototyp besteht aus drei wesentlichen Komponenten: eine Komponente zur Erfassung der Basisdaten eines Krankenhauses (inkl. Konfiguration der Modellbasis), eine Komponente 186 Entwicklung des Reifegradmodells zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte und schliesslich eine Komponente zur Darstellung der Ergebnisse der Befragung. Die technische Umsetzung ist einfach gehalten. Die Hypertext Markup Language (HTML) wird zur Präsentation der Daten, Visual Basic Script (VBS) zur Programmierung der Anwendungslogik und die Extensible Markup Language (XML) zur Speicherung der Daten verwendet. Eine Anbindung an das Protégé-Toolset ist für die initiale Version nicht vorgesehen. Für die Verbesserung der Dokumentation und Modellevolution ist dies in einer zukünftigen Version jedoch zu berücksichtigen. Abbildung 59 zeigt das Einstiegsformular zur Erfassung der Basisdaten und Konfiguration der Modellbasis. Abbildung 59: Formular zur Konfiguration der Modellbasis Je nach Wahl des Konfigurationsszenarios werden zur Beurteilung der relevanten Gestaltungsobjekte unterschiedliche Erhebungsformulare generiert. Grundlage für die Generierung der verschiedenen Eingabemasken ist die zuvor beschriebene Konfigurationsmatrix. In Abbildung 60 ist beispielhaft für die Gestaltungsdimension „Stabilisierung“ ein entsprechendes Formular für das Szenario „Zentrales Supply Management“ dargestellt. Um ein zielgerichtetes Gestalten zu unterstützen werden pro Gestaltungsobjekt sowohl der Ist- als auch der Soll-Zustand erhoben. Dies erlaubt bei einer erneuten Beurteilung die Messung der Zielerreichung bzw. -abweichung. Die Festlegung des Zielhorizonts Entwicklung des Reifegradmodells 187 ist frei wählbar. Allerdings sollte im Falle eines Branchen-Benchmark dieser für alle zu beurteilenden Krankenhäuser gleich sein. Gestaltungsdimension Gestaltungsebene Gestaltungsobjekt Spezifisches Ziel Generisches Ziel Abbildung 60: Formular zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte 7.2.2.2 Analysetechnik Für die Analyse der erhobenen Daten sind drei Auswertungsdimensionen vorgesehen: Gestaltungsdimensionen, Gestaltungsebenen und situative Faktoren (vgl. Abbildung 61). Gestaltungsdimension Strategisches Supply Management Taktisches Supply Management Operatives Supply Management Strategieformulierung Strategieimplementierung Gestaltungsebene Dezentral Arbeitsumfeld Monitoring & Controlling Anbahnung Situation Praktiken Einkaufsorganisation Vernetzt Abwicklung Klein IT-Infrastruktur Bedarfsermittlung Bestellung Zentral Ausgelagert Verhandlung Stabilisierung Hybrid Betriebsgrösse Mittel Gross Personen ... Abbildung 61: Auswertungsdimensionen des HSRM3 ... 188 Entwicklung des Reifegradmodells Dadurch sind neben einer eindimensionalen Betrachtung der Reife (bspw. Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte in Bezug auf die Gestaltungsdimension „Stabilisierung“) auch mehrdimensionale Auswertungen möglich (z. B. Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte mit Rücksicht auf die operativen Supply Management Prozesse in dezentral organisierten Einkaufsorganisationen). Zur grafischen Auswertung der Daten können unterschiedliche Darstellungsformen angewendet werden.87 Punktdiagramme eignen sich insbesondere, um eine Gesamtsicht auf die erhobenen Daten zu erzeugen. Abbildung 62 zeigt exemplarisch die Darstellung mehrerer Erhebungsresultate in Bezug auf deren Einkaufsorganisation. Gesetzter Zielzustand Erfüllungsgrad (SOLL) 100% Legende 75% Krankenhaus mit dezentralen SM Krankenhaus mit hybridem SM 50% Krankenhaus mit zentralem SM 25% Krankenhaus mit vernetztem SM Krankenhaus mit ausgelagertem SM 0% 0% 25% 50% 75% 100% Erfüllungsgrad (IST) Beurteiltes Krankenhaus Zustand heute Abbildung 62: Punktdiagramm zur Darstellung der Gesamtsicht Für die detaillierte Analyse der erhobenen Daten sind z. B. Netzdiagramme oder Balkendiagramme zweckmässig [vgl. Mettler, Rohner 2009d, S. 6]. Durch Netzdiagramme lassen sich anschaulich Abweichungen zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand illustrieren. Ferner können zusätzlich auch die aggregierten Ergebnisse aus anderen Erhebungen88 mit den eigenen Resultaten verglichen werden. Abbildung 63 zeigt, wie die verschiedenen Zustände der Supply Management Prozesse in einem Netzdiagramm dargestellt werden. Beispielsweise ist zu erkennen, dass im untersuchten Krankenhaus der Erfüllungsgrad strategischer Aufgaben vergleichsweise unter dem Branchenschnitt 87 Zu Demonstrationszwecken sind im Prototyp lediglich ausgewählte Analysemöglichkeiten umgesetzt worden. Die weiteren Ausführungen sollen gleichwohl zeigen, wie auf Basis der erhobenen Daten umfangreiche Analysen erzeugt werden können. 88 Im Folgenden werden die aggregierten Ergebnisse als Indikator für den Zustand der Branche angesehen. Entwicklung des Reifegradmodells 189 liegt, die operativen Aufgaben dagegen besser gelöst werden als in anderen Krankenhäusern. Abweichung zur Branche Strategieformulierung 100% Abwicklung Strategieimplementierung 75% Abweichung zum Zielzustand Legende 50% IST: Spital X 25% Bestellung SOLL: Spital X Monitoring & Controlling IST: Branche 0% SOLL: Branche Bedarfsermittlung Anbahnung Stabilisierung Verhandlung Gestaltungsdimension Abbildung 63: Netzdiagramm für die detaillierte Datenanalyse Als Alternative zu Netzdiagrammen haben sich Balkendiagramme bewährt. In Abbildung 64 ist beispielhaft der durchschnittliche Erfüllungsgrad der unterschiedlichen Gestaltungsebenen dargestellt. Dabei wird bspw. ersichtlich, dass der Ist-Zustand nur geringfügig unter dem Branchenschnitt liegt, sich die Vorstellungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der IT-Infrastruktur jedoch stark unterscheiden. Entwicklungstendenz der Branche Unterschied zur Branche aktuell Erfüllungsgrad in % 100% 75% Legende IST: Spital X 50% IST: Branche 25% SOLL: Spital X SOLL: Branche 0% Arbeitsumfeld Praktiken IT-Infrastruktur Personen Gestaltungsebene Abbildung 64: Balkendiagramm für die detaillierte Datenanalyse 190 Entwicklung des Reifegradmodells Des Weiteren sind je nach Auswertungsdimension auch mehrere Detaillierungsstufen denkbar. Abbildung 61 zeigt z. B. die verschiedenen Detaillierungsstufen in Bezug auf die Gestaltungsdimensionen. Erfüllungsgrad in % 100% Ebene 1: Gestaltungsdimension „Führung“ 75% Legende IST: Spital X 50% IST: Branche SOLL: Spital X SOLL: Branche 25% 0% Strategisches SM Erfüllungsgrad in % 100% Taktisches SM Operatives SM Ebene 2: Gestaltungsdimension „Prozess“ 75% Legende IST: Spital X 50% IST: Branche SOLL: Spital X SOLL: Branche 25% 100% Stabilisierung Verhandlung Anbahnung 0% Ebene 3: Gestaltungsobjekte Erfüllungsgrad in % 75% Legende IST: Spital X 50% IST: Branche SOLL: Spital X 25% SOLL: Branche Kooperationskompetenz Unterstützung der Kollaborativen Zusammenarbeit Kollaborative Produktentwicklung Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung Kooperationsverhalten 0% Abbildung 65: Detaillierungsstufen der Auswertung nach Gestaltungsdimensionen Entwicklung des Reifegradmodells 191 7.3 Definition der Reife- und Fähigkeitsgrade Anders als bei den meisten Reifgradmodellen, welche die Reifegrade vor der Identifizierung möglicher Gestaltungsobjekte spezifizieren, werden in der vorliegenden Arbeit die unterschiedlichen Reifegrade auf Grundlage der ermittelten Gestaltungsobjekte bestimmt. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt, analog wie in CMMI, zusätzlich noch Fähigkeitsgrade definiert, welche eine flexiblere und bedürfnisgerechte Weiterentwicklung des Gestaltungsbereiches erlauben. 7.3.1 Definition der Reifegrade Grundlegende Hypothese von (stufenförmigen) Reifegradmodellen ist, dass höhere Reifegrade in irgendeiner Form tieferen Reifegraden überlegen sind. Beispielsweise wird beim CMMI-ACQ davon ausgegangen, dass ein höherer Reifegrad mit geringeren Risiken, höherer Produktivität und Qualität der Beschaffungsprozesse assoziiert wird [vgl. CMMI Product Team 2007, S. 48 f.]. Allerdings sind diese Annahmen für die meisten Reifegradmodelle noch weitestgehend unbestätigt bzw. nur in Ansätzen nachgewiesen [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 95]. 7.3.1.1 Ansatz zur Bestimmung der Reifegrade Eine Alternative zur üblichen deduktiven Herleitung stellt die Anwendung induktiver Verfahren zur Definition der Reifegrade dar. DEKLEVA und DREHMER heben hervor, dass sich diesbezüglich insbesondere die probabilistische Testtheorie (Item Response Theory) als tauglich erwiesen hat [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 96]. Eines der meisten angewandten probabilistischen mathematischen Modelle ist das so genannte Rasch-Modell [vgl. dazu Rasch 1980; Rost 1996; Linacre, Wright 2002]. Es basiert auf der Annahme, dass anhand der Fähigkeiten einer Person und der Schwierigkeit eines Test-Items geschätzt werden kann, wie wahrscheinlich eine bestimmte Fragestellung zufriedenstellend gelöst wird. Die Absicht besteht darin, aufgrund der Schätzung der Personen- und Itemparameter die Tests so zu konstruieren, dass sie entweder eine gleichbleibende (z. B. für einen Schnelligkeits-Test) oder ansteigende Schwierigkeit (z. B. für einen Niveau-Test) aufweisen.89 89 Probabilistische Modelle werden vorwiegend in der Sozialpsychologie oder Sozialmedizin genutzt, um aus Ergebnissen standardisierter Tests auf Persönlichkeitsmerkmale wie bspw. die Intelligenz eines Probanden zu schliessen. Das Rasch-Modell unterscheidet sich von Verfahren der klassischen Testtheorie insofern, als dass diese die Itemparameterschätzungen primär dazu nutzen einen hinsichtlich der Reliabilität und Validität op- 192 Entwicklung des Reifegradmodells Eine Rasch-Analyse erfolgt grundsätzlich in drei Schritten [vgl. Bühner 2004a, S. 36].90 Zuerst werden alle Items eliminiert, die entweder von allen oder keiner der befragten Personen gelöst wurden, da sie keine relevanten Informationen über die Fähigkeitsausprägung enthalten. Ebenso werden alle Personen aus der Analyse ausgeschlossen, welche entweder alle oder keinen der Items korrekt beantwortet haben. In einem zweiten Schritt werden die Itemparameter bzw. die Itemschwierigkeit ( ) und die Personenparameter bzw. die Fähigkeit der Person ( ) berechnet. Die Itemschwierigkeit ergibt sich aus dem Anteil nicht oder falsch beantworteter Items (1-p) durch den Anteil richtig beantworteter Items (p). Der Personenparameter kann durch den Anteil richtig gelöster Items (p) durch den Anteil falsch gelöster Items (1-p) ausgedrückt werden. Damit sich die Quotienten auch auf den negativen Wertebereich ausdehnen, werden Itemparameter und Personenparameter logarithmiert.91 Daraus ergeben sich die folgenden Formeln: (1) Itemparameter ( ): ln 1 p p (2) Personenparameter ( ): ln p 1 p Nach der Berechnung der Itemparameter und Personenparameter wird in einem letzten Schritt geschätzt, ob eine Person ein Item theoretisch beantworten kann oder nicht. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit (p), mit der eine Person mit einer bestimmten Fähigkeit ( ) ein Item mit einer bestimmten Schwierigkeit ( ) korrekt beantwortet, durch die Exponentialfunktion der Differenzen aus Personenparameter und Itemparameter beschrieben [vgl. Bühner 2004a, S. 39]: (3) Lösungswahrscheinlichkeit (p): exp( 1 exp( ) ) Der wesentliche Vorteil des oben beschriebenen Rasch-Modells gegenüber anderen probabilistischen Verfahren ist, dass spezifisch objektive Messungen dadurch ermögtimierten Test zu konstruieren. Die Unterscheidung zwischen Schwierigkeit der Fragestellung und Fähigkeit der Person ist dementsprechend einzigartig [vgl. Krauth 1995, S.111]. 90 Die Ausführungen von BÜHNER beziehen sich auf das dichotome Rasch-Modell (binäre Skala). Gleichwohl kann das Modell auch bei multidimensionalen Problemstellungen (Ratingskalen) Anwendung finden. 91 Dadurch werden hohe Itemschwierigkeiten oder Personenfähigkeiten durch positive, schlechte durch negative Werte abgebildet. Typischerweise liegt der Wertebereich des sogenannten Logits zwischen +3 und -3 [vgl. Bühner 2004a, S. 37]. Entwicklung des Reifegradmodells 193 licht werden [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 96; Schnell et al. 2008, S. 200]. Das bedeutet, dass Items unabhängig von Personen und Personen unabhängig von Items verglichen werden können. Die Anwendung des Rasch-Modells auf die vorliegende Problemstellung erfordert allerdings die nachfolgenden Festlegungen: Die Beurteilung einer Organisation (Assessment) in Bezug auf die identifizierten Gestaltungsobjekte wird als Test bezeichnet. Insofern stellen die Gestaltungsobjekte die Items des Tests dar. Das Konstrukt „Itemparameter“ kann als Komplexität eines Gestaltungsobjekts interpretiert werden. Ist der Itemparameter hoch, so wird davon ausgegangen, dass das entsprechende Gestaltungsobjekt nur sehr schwer zu erfüllen und dementsprechend Ausdruck einer hohen Reife ist. Ist der Itemparameter gering, so wird angenommen, dass auch weniger reife Probanden dieses Gestaltungsobjekt erfüllen können. Anstelle der Fähigkeit von Personen wird in der vorliegenden Arbeit von der Fähigkeit einer Organisationseinheit bzw. Organisation ausgegangen. Demzufolge kann das Konstrukt „Personenparameter“ als Reife einer Organisation interpretiert werden. Da die Gestaltungsobjekte durch eine mehrdimensionale Skala bewertet werden, misst das Konstrukt „Lösungswahrscheinlichkeit“ nicht die dichotome Erfüllung eines Gestaltungsobjekts (z. B. vorhanden/nicht vorhanden), sondern den spezifischen Erfüllungsgrad eines Gestaltungsobjekts. 7.3.1.2 Beschreibung der Stichprobe Zur Erlangung der nötigen Datenbasis für die Durchführung einer Rasch-Analyse sind im Zeitraum zwischen Februar und Mai 2009 mit Hilfe des zuvor entwickelten Prototyps insgesamt n = 15 Krankenhäuser in der Schweiz beurteilt worden. Um eine breite Abdeckung der spezifizierten Situationen zu erhalten war es das Ziel, möglichst unterschiedliche Konstellationen des Krankenhauseinkaufs zu untersuchen. In Tabelle 36 ist die Verteilung der unterschiedlichen situativen Faktoren der Stichprobe schematisch dargestellt. Dabei sind folgende Limitationen zu nennen: In Bezug auf das Merkmal „Einkaufsorganisation“ konnten leider keine Krankenhäuser mit einem ausgelagerten Einkauf für eine Begutachtung gefunden werden. Des Weiteren enthält die Stichprobe 194 Entwicklung des Reifegradmodells mehrheitlich Krankenhäuser, die unter einer öffentlichen Trägerschaft stehen und allgemein ausgerichtet sind. Merkmal Ausprägung Einkaufsorganisation Dezentral: 6.7% Hybrid: 13.3% Zentral: 46.7% Vernetzt: 33.3% Ausgelagert: 0.0% Betriebsgrösse 1-149: 20% 150-400: 46.7% >400: 33.3% Trägerschaft Öffentlich: 80.0% Gemeinnützig: 13.3% Privat: 6.7% Typologie Allgemeine Krankenhäuser: 93.3% Spezialklinik: 6.7% Tabelle 36: Charakterisierung der Stichprobe Da probabilistische Modelle häufig stichprobenunabhängig sind [vgl. Bühner 2004a, S. 38], spielen die aufgezeigten Limitationen erst dann eine Rolle, wenn die Modellgeltung nicht angemessen nachgewiesen werden kann. Gilt das Modell für sämtliche Teilstichproben (Rasch-Homogenität), sind Vergleiche zwischen den Ergebnissen verschiedener Organisationen erlaubt. Das heisst, wenn bspw. ein öffentliches Krankenhaus A besser ist als öffentliches Krankenhaus B, so ist dieser Vergleich unabhängig davon, welche Gestaltungsobjekte beim Assessment vorgegeben werden. Ist das Modell auch für private Krankenhäuser gültig, dann gilt Gleiches auch für ein privates Krankenhaus A und ein privates Krankenhaus B. Die Differenz der Personenparameter sagt itemunabhängig etwas über den Fähigkeitsunterschied der Krankenhäuser aus [vgl. Bühner 2004a, S. 38]. Analog drückt die Differenz der Itemparameter den Unterschied im Erfüllungsgrad eines Gestaltungsobjektes aus, unabhängig von den Fähigkeiten einer Organisation. Ob Rasch-Homogenität vorliegt, lässt sich u. a. anhand eines Streudiagramms ermitteln. Weichen die Punkte nur geringfügig von der Winkelhalbierenden ab, so wird die Stichprobenunabhängigkeit angenommen [vgl. Bühner 2004a, S. 39]. Abbildung 66 zeigt das Streudiagramm, das für die erhobene Stichprobe anhand der Software Bigsteps Version 2.8292 berechnet wurde. Dabei ist zu erkennen, dass die untersuchten 92 Eine ausführliche Dokumentation ist unter (http://www.winsteps.com/bigsteps.htm) abrufbar. Entwicklung des Reifegradmodells 195 Krankenhäuser (dargestellt als Gross- und Kleinbuchstaben) nahe an der Winkelhalbierenden liegen und somit die Rasch-Homogenität angenommen wird. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Resultate der Rasch-Analyse auf sämtliche spezifizierten Situationen übertragbar sind. Abbildung 66: Streudiagramm zur Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit 7.3.1.3 Diskussion der Resultate Die Ergebnisse einer Rasch-Analyse können auf unterschiedliche Weise diskutiert werden. Gleich wie im Beitrag von DEKLEVA und DREHMER, welche das RaschModell zur Validierung der CMM-Reifegrade angewendet haben, wird hier für die Diskussion ein so genanntes Item-Person-Map verwendet [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 101]. In Abbildung 67 ist ein solches für die erhobene Stichprobe dargestellt. Links im Diagramm sind die Personenparameter ( ) der einzelnen Krankenhäuser 196 Entwicklung des Reifegradmodells (gekennzeichnet durch den Buchstaben X) abgebildet. Dabei ist zu erkennen, dass alle untersuchten Krankenhäuser einen Logit zwischen +1 und -1 besitzen und demnach ähnliche Fähigkeiten in Bezug auf das Supply Management aufweisen. Auf der rechten Seite des Diagramms ist die Itemschwierigkeit ( ) dargestellt. Der Wertebereich der berechneten Logits bewegt sich zwischen +3 und -2, was auf eine sehr unterschiedliche Komplexität der Gestaltungsobjekte hinweist. Abbildung 67: Ergebnisse der Rasch-Analyse Betrachtet man die Gestaltungsobjekte welche bei den Krankenhäusern einen verhältnismässig hohen Erfüllungsgrad aufweisen (Logit < -1), so wird klar, dass es sich dabei vorwiegend um Basiskompetenzen wie z. B. Sozialkompetenz, Geschäftsprozesswissen oder Material- und Logistikmanagementwissen handelt. Ferner kann festgestellt werden, dass Praktiken zur Ermittlung der Bedarfe und Monitoring der Bedarfsträger ebenfalls relativ früh einen hohen Erfüllungsgrad erreichen. Fasst man diese Gestaltungsobjekte zu einem ersten, initialen Reifegrad zusammen, so kann dieser wie folgt beschrieben werden (vgl. Tabelle 37): Entwicklung des Reifegradmodells 197 Reifegrad Erläuterung 1 - Ungezielte Koordination Die Zielsetzungen des Krankenhauseinkaufs sind Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte S1-PE-1 nicht definiert. SM-Aktivitäten sind unstrukturiert S2-PE-2, S2-PR-1, S2- und undefiniert. Die IT-Unterstützung ist mangelhaft, die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen im Krankenhaus gering. Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsumfelds fehlen komplett. Die PR-3 Mitarbeitenden besitzen lediglich die grundlegenden Kompetenzen für eine bedarfsgerechte Be- PR-2 S3-PR-2 T1-PE-1 O1-PE-2, O1-PR-1, O1- schaffung. Tabelle 37: Reifegrad 1 „Ungezielte Koordination“ Einen etwas weniger hohen Erfüllungsgrad (Logit -1 und < 0) besitzen Gestaltungsobjekte, die sich insbesondere mit der Abwicklung häufig auftretender Aufgaben beschäftigen (z. B. Bestellung von indirekten und direkten Materialien, Lieferantensuche, Lieferantenbeurteilung und -auswahl, Verhandlungsführung, Vertragsabschluss) oder diese unterstützen (z. B. IT-Systeme für die Bestandesführung oder für die Bestellung indirekter Materialien). Im Vergleich zu Gestaltungsobjekten, die mehrheitlich die interfunktionale oder gar interorganisationale Koordination adressieren, sind diese vorwiegend intrafunktional ausgerichteten Gestaltungsobjekte jedoch weiter fortgeschritten. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen mehrerer Studien [vgl. z. B. Burgess 1998; Ballou et al. 2000; Burt et al. 2003; Ballou 2007]. Basierend auf den so identifizierten Gestaltungsobjekten ist ein weiterer Reifegrad in Tabelle 38 charakterisiert. Reifegrad Erläuterung 2 - Intrafunktionale Koordination Die Ziele des Krankenhauseinkaufs sind formu- Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte S1-IT-2, S1-PR-3, S1- liert, werden allerdings nicht konsequent gemes- PR-5 sen und gesteuert. Alltägliche SM- Aktivitäten sind strukturiert, jedoch nicht genau definiert. S3-PR-3, S3-PR-4 IT-Systeme werden v. a. dazu eingesetzt, um häufig wiederkehrende Aufgaben zu unterstüt- T1-PE-2, T1-PR-1, T1PR-3 T2-PE-1, T2-PR-2, T2- zen. Aufgrund der intrafunktionalen Ausrichtung ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachberei- PR-3 chen immer noch gering. Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsumfelds fehlen weiterhin. Die O1-IT-1, O1-IT-2 Kompetenzen der Mitarbeitenden werden mit Rücksicht auf die steigende Vernetzungsfähigkeit der Beschaffung allmählich ausgebaut. PR-1, O2-PR-2 T3-PE-1 O2-IT-1, O2-IT-2, O2O3-PR-1, O3-PR-2 Tabelle 38: Reifegrad 2 „Intrafunktionale Koordination“ 198 Entwicklung des Reifegradmodells Eine mittlere Itemschwierigkeit (Logit 0 und < 1) besitzen insbesondere solche Gestaltungsobjekte, die einen interfunktionalen Charakter aufweisen, d. h. Aufgaben, Anreize, Kompetenzen und IT-Systeme, welche die organisationsinterne Zusammenarbeit zwischen dem Einkauf und den anderen Fachbereichen des Krankenhauses wesentlich beeinflussen (z. B. Innovationsverhalten, Transformationskompetenz, Ergebnisverhalten, Beschaffungsleitlinien, Handhabung von Beschwerden). Des Weiteren ist zu erkennen, dass zunehmend auch strategische und taktische Aufgaben (z. B. Prozessdefinition, Externe Analyse, Ausschreibung) bewerkstelligt werden. Hierfür werden auch die dafür notwendigen Kompetenzen aufgebaut (z. B. strategisches Einkaufswissen, Trendkompetenz, Controlling- und Risikomanagementwissen). In Tabelle 39 ist die zusammenfassende Beschreibung des dritten Reifegrades dargestellt. Reifegrad Erläuterung 3 - Interfunktionale Koordination Die Zielsetzungen werden nicht nur für den Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte S1-AR-1, S1-IT-1, S1- Krankenhauseinkauf, sondern für die gesamte Organisation formuliert, gemessen und gesteu- PE-2, S1-PE-3, S1-PR1, S1-PR-2, S1-PR-4 ert. Organisationsinterne Supply Management Aktivitäten sind strukturiert und definiert. IT- S2-IT-1, S2-PE-1, S2- Systeme werden zunehmend auch für die Unterstützung strategischer und taktischer Aufgaben S3-AR-1, S3-IT-1, S3- eingesetzt. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen des Krankenhauses ist aufgrund der interfunktionalen Ausrichtung gestiegen. Erste Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsum- T1-IT-2, T1-PR-2 felds werden eingeführt. Die Kompetenzen der Mitarbeitenden werden mit Rücksicht auf die O2-PE-1 PR-2 PE-1 T2-AR-1, T2-IT-3, T2PE-2, T2-PR-1 O1-PE-1 O3-PE-1, O3-PR-3 steigende Vernetzungsfähigkeit der Beschaffung massiv ausgebaut und teilweise neu geordnet. Tabelle 39: Reifegrad 3 „Interfunktionale Koordination“ Als relativ komplex (Logit 1 und < 2) gelten zumeist diejenigen Gestaltungsobjekte, welche die interorganisationale Zusammenarbeit mit den Lieferanten adressieren (z. B. kollaborative Bedarfsplanung, Lagerhaltung und Produktentwicklung oder Monitoring der Lieferanten). Dass gerade diese Gestaltungsobjekte eine hohe Itemschwierigkeit aufweisen ist nicht verwunderlich, wenn man den heutigen Stand des Supplier Relationship Managements (SRM) in Forschung und Praxis betrachtet: „[...] der SRMBereich [...] wirkt fortwährend so, als stünde er in den Startlöchern, [...] darauf wartend, dass es endlich losgeht“ [Koch, Strahringer 2008, S. 3]. Entwicklung des Reifegradmodells 199 Nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Branchen scheint das Management von Lieferantenbeziehungen weniger weit fortgeschritten zu sein, als bspw. das mit Kunden. Infolgedessen wird angenommen, dass ein hoher Erfüllungsgrad dieser Gestaltungsobjekte eine hohe Reife der Einkaufsorganisation eines Krankenhauses ausdrückt. Der entsprechende Reifegrad kann wie folgt beschrieben werden (vgl. Tabelle 40): Reifegrad Erläuterung 4 - Interorganisationale Koordination Neben Zielsetzungen für den Krankenhausein- Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte S2-AR-1 kauf und die Organisation, werden zunehmend auch verbindliche Zielvereinbarungen mit Lieferanten formuliert und deren Einhaltung kontrolliert. Organisationsübergreifende Supply Mana- S3-PR-1 gement Aktivitäten sind strukturiert und defi- PR-1, T3-PR-2 niert. IT-Systeme werden für die Kooperation mit Geschäftspartnern ausgerichtet. Der Kran- O1-AR-1 T1-IT-1 T2-IT-1, T2-IT-2 T3-AR-1, T3-IT-1, T3- kenhauseinkauf ist sowohl organisationsintern, als auch -übergreifend gut vernetzt. Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsumfelds sind umfassend vorhanden. Die Mitarbeitenden besitzen erweiterte Kompetenzen im Bereich der Beschaffung. Tabelle 40: Reifegrad 4 „Interorganisationale Koordination“ Die Gestaltungsobjekte mit einem heute sehr geringen Erfüllungsgrad (Logit 2) sind innerhalb des operativen Supply Managements zu finden. Einerseits deuten diese Gestaltungsobjekte auf eine stärkere Integration mit der Logistik hin (z. B. Qualitätsverhalten, IT-System für die Wareneingangskontrolle und -buchung), andererseits verweisen sie auch auf eine Professionalisierung des Krankenhauseinkaufs bezüglich der Beschaffung von Dienstleistungen und Investitionsgütern (z. B. Bedarfsermittlung und Bestellabwicklung von Einzelbeschaffungen und Dienstleistungen). Fasst man diese Gestaltungsobjekte zu einem letzten Reifegrad zusammen, so kann dieser wie folgt beschrieben werden (vgl. Tabelle 41): 200 Entwicklung des Reifegradmodells Reifegrad Erläuterung 5 - Dienstleistungsorientierte Koordination Neben Zielsetzungen für den Krankenhausein- Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte O1-PR-3 kauf und die Organisation, werden verbindliche O2-IT-3, O2-PR-3 Zielvereinbarungen mit Lieferanten formuliert und deren Einhaltung kontrolliert. Ein strukturiertes und definiertes Supply Management ist nicht nur für direkte und indirekte Materialien O3-AR-1, O3-IT-1 vorhanden, sondern auch für Dienstleistungen und Investitionsgüter. IT-Systeme sind mit denen der internen Fachbereiche (insbesondere mit der Krankenhauslogistik) und externen Geschäftspartner integriert. Der Krankenhauseinkauf ist organisationsintern und -übergreifend hervorragend vernetzt. Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsumfelds sind etabliert. Die Mitarbeitenden teilen ihre erweiterten Kompetenzen mit anderen. Tabelle 41: Reifegrad 5 „Dienstleistungsorientierte Koordination“ 7.3.2 Bestimmung der Fähigkeitsgrade Während die Reifegrade den Wandel des Krankenhauseinkaufs als linearen und abgestuften Prozess verstehen, versuchen Fähigkeitsgrade eine höhere Flexibilität des Gestaltens zu schaffen. Ferner soll dadurch auch ein stärkerer Fokus auf das zielgerichtete Gestalten gelegt werden: Da beim Konzept der Reifegrade das organisationale Gestalten zielunabhängig erfolgt bzw. die Ziele implizit durch die Optimierung sämtlicher Gestaltungsobjekte erreicht werden, geht es bei den Fähigkeitsgraden darum, explizit definierte Zielprofile zu erfüllen. 7.3.2.1 Ansatz zur Bestimmung der Fähigkeitsgrade Grundlage für die Festlegung eines Zielprofils bilden die spezifischen Ziele der Gestaltungsobjekte bzw. deren übergeordnete Zieldimensionen wie Kosten, Sicherheit, Flexibilität und Unabhängigkeit oder Leistungssteigerung und Qualität.93 Pro Zieldimension ist im Protégé-Toolset ein Axiom formuliert worden, welches die Identifikation der entsprechenden Gestaltungsobjekte ermöglicht (vgl. Abbildung 68). 93 Vgl. auch Abschnitt 4.1.2. Entwicklung des Reifegradmodells 201 Abbildung 68: Definition eines Axioms zur Ableitung eines Zielprofils 7.3.2.2 Diskussion der Resultate Basierend auf den Axiomen sind insgesamt vier Zielprofile abgeleitet worden: Das erste Zielprofil beschreibt den Entwicklungspfad eines kostenorientierten Krankenhauseinkaufs (vgl. Tabelle 42). Es besteht grösstenteils aus Gestaltungsobjekten, welche die taktische und operative Beschaffung effizienter machen (z. B. Bestellverhalten, Lieferantenbeurteilung und -auswahl, IT-gestützte Bestellung). Die Reihenfolge bzw. zeitliche Sequenz, in der Gestaltungsobjekte verbessert werden sollten, ist wiederum durch die Itemschwierigkeit festgelegt. Das bedeutet, dass anfänglich diejenigen Gestaltungsobjekte optimiert werden, die relativ einfach zu realisieren sind (Quick Wins) und später die, die mit einem grösserem Aufwand verbunden sind. Zielprofil Erläuterung A - Kostenorientierte Beschaffung Primäre Zielsetzung ist es, die Kosten für die Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen zu optimieren. Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/ Zeitliche Sequenz der Optimierung Einfach (Fähigkeitsgrad 1): Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2): O2-IT-1, O2-IT-2, T1-PR-3, T2-PR-2 Mittel (Fähigkeitsgrad 3): T1-IT-2, T2-AR-1, T2-PE-2 Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4): O1-AR-1, T1-IT-1, T2-IT-1, T2-IT-2 Schwierig (Fähigkeitsgrad 5): O2-IT-3, O3-IT-1 Tabelle 42: Zielprofil „Kostenorientierte Beschaffung“ Ein weiteres Zielprofil, das auf die Steigerung der Flexibilität der Beschaffung und auf den Ausgleich der Machtstrukturen zwischen Nachfrager und Anbieter abzielt, ist in 202 Entwicklung des Reifegradmodells Tabelle 43 dargestellt. Es beinhaltet einerseits „weiche“ Gestaltungsobjekte, die auf eine Verbesserung des Arbeitsumfelds und des Wissens der Mitarbeitenden eines Krankenhauses abzielen (z. B. Kooperationskompetenz und -verhalten), andererseits sind auch „harte“ Gestaltungsobjekte (z. B. kollaborative Produktentwicklung) darin enthalten. Auffallend ist, dass operative Gestaltungsobjekte anscheinend keinen Einfluss auf die Flexibilität der Beschaffung haben. Zielprofil B - Flexibilitätsund unabhängigkeitsorientierte Beschaffung Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/ Zeitliche Sequenz der Optimierung Einfach (Fähigkeitsgrad 1): Primäre Zielsetzung ist es, die Flexibilität der S1-PE-1, T1-PE-1 Beschaffung und die Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2): Machtstruktur zwi- T2-PE-1, T3-PE-1 schen Nachfrager und Mittel (Fähigkeitsgrad 3): Anbieter zu optimie- S2-PE-1 ren. Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4): S2-AR-1, T3-AR-1, T3-IT-1, T3-PR-2 Schwierig (Fähigkeitsgrad 5): - Tabelle 43: Zielprofil „Flexibilitäts- und unabhängigkeitsorientierte Beschaffung“ Liegt der Fokus weniger auf den Kosten oder der Flexibilität der Beschaffung, sondern vielmehr auf der generellen Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Qualität der Beschaffung, so ergibt sich ein weiteres Zielprofil (vgl. Tabelle 44). Es beinhaltet eine Vielzahl verschiedenartiger Gestaltungsobjekte mit ebenso unterschiedlicher Komplexität. Während das kostenorientierte Zielprofil taktisch-operativen und das flexibilitätsorientierte Zielprofil strategisch-taktischen Charakter aufweisen, ist hier eher die Tendenz eines strategisch-operativen Entwicklungspfades zu erkennen. Zielprofil C - Leistungsund qualitätsorientierte Beschaffung Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/ Zeitliche Sequenz der Optimierung Primäre Zielsetzung ist Einfach (Fähigkeitsgrad 1): es, die Leistungsfähig- O1-PE-2, S2-PE-2, S2-PR-1, S2-PR-3, S3-PR-2 keit und Qualität der Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2): Beschaffung zu opti- O1-IT-1, O1-IT-2, O3-PR-1, O3-PR-2, S1-IT-2, S1mieren. PR-3, S1-PR-5, S3-PR-3, S3-PR-4 Mittel (Fähigkeitsgrad 3): O1-PE-1, O2-PE-1, O3-PE-1, O3-PR-3, S1-AR-1, S1-IT-1, S1-PE-2, S1-PE-3, S1-PR-1, S1-PR-4, S2IT-1, S2-PR-2, S3-AR-1, S3-IT-1, S3-PE-1, T2-PR1 Entwicklung des Reifegradmodells Zielprofil Erläuterung 203 Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/ Zeitliche Sequenz der Optimierung Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4): Schwierig (Fähigkeitsgrad 5): O3-AR-1 Tabelle 44: Zielprofil „Leistungs- und qualitätsorientierte Beschaffung“ Das letzte Zielprofil beschreibt den Entwicklungspfad eines sicherheitsorientierten Krankenhauseinkaufs (vgl. Tabelle 45). Anders als die bisherigen Zielprofile enthält es sowohl strategische als auch taktische und operative Gestaltungsobjekte. Zielprofil Erläuterung D - Sicherheitsorientierte Beschaffung Primäre Zielsetzung ist es, die Versorgungssicherheit zu optimieren. Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/ Zeitliche Sequenz der Optimierung Einfach (Fähigkeitsgrad 1): O1-PR-1, O1-PR-2 Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2): O1-PR-2, O2-PR-1, O2-PR-2, T1-PE-2, T1-PR-1, T2-PR-3 Mittel (Fähigkeitsgrad 3): S1-PR-2, T1-PR-2, T2-IT-3 Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4): S3-PR-1, T3-PR-1 Schwierig (Fähigkeitsgrad 5): O1-PR-3, O2-PR-3 Tabelle 45: Zielprofil „Sicherheitsorientierte Beschaffung“ 7.3.3 Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden Mit der Definition von Reifegraden und Fähigkeitsgraden stellt sich die Frage, welche Gestaltungsempfehlungen für welchen Kontext besser geeignet sind und ob diese einzeln oder in Kombination verwendet werden können. In Bezug auf die Eignung (Reifegrade vs. Fähigkeitsgrade) ist keine eindeutige Antwort möglich. Wie in Kapitel 2 diskutiert, hängt dies wesentlich von der Denkweise des Gestalters ab. Wird eine klare, lineare Entwicklung angestrebt, so eignen sich die Reifegrade besser, da diese sämtliche Aspekte des Krankenhauseinkaufs behandeln. Möchte man sich lediglich auf die Optimierung bestimmter Gesichtspunkte fokussieren, so würden sich die Fähigkeitsgrade besser eignen. Dies führt zum zweiten Punkt der Frage (Einzeln vs. Kombination). Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich die beiden Ansätze nicht ausschliessen. Vielmehr besteht ein enger Zusammenhang zwischen den beiden Konzepten (vgl. (D) Sicherheitsorientierte Beschaffung (C) Leistungsorientierte Beschaffung (B) Flexibilitätsorientierte Beschaffung (A)Kostenorientierte Beschaffung Fähigkeitsgrad 3 • T1-IT-2, T2-AR-1, T2-PE-2 Fähigkeitsgrad 3 • S2-PE-1 Fähigkeitsgrad 3 • S1-AR-1, S1-IT-1, S1-PE-2, S1-PE-3, S1-PR-1, S1-PR-4, S2-IT-1, S2-PR-2, S3-AR-1, S3-IT-1, S3-PE-1 • T2-PR-1 • O1-PE-1, O2-PE-1, O3-PE-1, O3-PR-3 Fähigkeitsgrad 3 • S1-PR-2 • T1-PR-2, T2-IT-3 Fähigkeitsgrad 2 • T1-PR-3, T2PR-2 • O2-IT-1, O2IT-2 Fähigkeitsgrad 2 • T2-PE-1, T3-PE-1 Fähigkeitsgrad 2 • S1-IT-2, S1-PR-3, S1-PR-5, S3-PR-3, S3-PR-4 • O1-IT-1, O1-IT-2, O3-PR-1, O3-PR-2 Fähigkeitsgrad 1 • keine Fähigkeitsgrad 1 • S1-PE-1 • T1-PE-1 Fähigkeitsgrad 1 Fähigkeitsgrad 2 Fähigkeitsgrad 1 • O1-PR-1, O1-PR-2 • T1-PE-2, T1-PR-1, T2-PR-3 • O1-PR-2, O2-PR-1, O2-PR-2 • S2-PE-2, S2-PR-1, S2-PR-3, S3-PR-2 • O1-PE-2 Reifegrad 3 Reifegrad 2 Reifegrad 1 Fähigkeitsgrad 4 • S3-PR-1 • T3-PR-1 Fähigkeitsgrad 4 • keine Fähigkeitsgrad 4 • S2-AR-1 • T3-AR-1, T3-IT-1, T3-PR-2 Fähigkeitsgrad 4 • T1-IT-1, T2-IT-1, T2-IT-2 • O1-AR-1 Reifegrad 4 Fähigkeitsgrad 5 • O1-PR-3, O2-PR-3 Fähigkeitsgrad 5 • O3-AR-1 Fähigkeitsgrad 5 • keine Fähigkeitsgrad 5 • O2-IT-3, O3-IT-1 Reifegrad 5 204 Entwicklung des Reifegradmodells Abbildung 69). Eine Optimierung auf Basis von Reifegraden hat demnach immer auch einen Effekt auf die Fähigkeitsgrade und umgekehrt. Um die Gefahr einer möglichen Verzettelung aufgrund der ansteigenden Komplexität zu minimieren wird empfohlen, sich auf die Nutzung eines Konzepts zu beschränken. Abbildung 69: Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden Entwicklung des Reifegradmodells 205 7.3.4 Ermittlung von Reife- und Fähigkeitsgraden Die Grundlage für die Ermittlung eines Reife- oder Fähigkeitsgrades sind die Resultate eines Assessments mit dem Erhebungs- und Analysewerkzeug. Ein Reifegrad ist dann erreicht, wenn sämtliche diesem Reifegrad zugeordneten Gestaltungsobjekte mindestens das generische Ziel dritter Stufe erreichen (z. B. Anreize sind umgesetzt, Aufgaben werden geführt, Softwarekomponenten sind lose gekoppelt, Wissenskomponenten werden geteilt).94 Um auf einen nächsthöheren Reifegrad zu gelangen, müssen sowohl die aktuellen als auch die vorherigen Gestaltungsobjekte das generische Ziel dritter Stufe bewältigen. Auf gleiche Weise lassen sich die Fähigkeitsgrade bestimmen. Da die Erreichung eines Fähigkeitsgrades aufgrund der geringeren Anzahl zugeordneter Gestaltungsobjekte tendenziell einfacher zu bewerkstelligen ist, wird als Mindestanforderung nicht die Erreichung des generischen Ziels dritter Stufe, sondern die vollständige Erfüllung verlangt (d. h. Anreize werden überprüft, Aufgaben sind abgestimmt, Softwarekomponenten werden geteilt, Wissenskomponenten werden optimiert). Auch hier sind für die Erreichung eines nächsthöheren Fähigkeitsgrades alle vorhergehenden und aktuellen Gestaltungsobjekte zu optimieren. 7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Entwicklung eines Reifegradmodells für das Supply Management von Krankenhäusern ist dadurch motiviert, dass bisherige Ansätze nur unzureichend branchenspezifische Eigenheiten abbilden, vorwiegend eindimensional – mit ausschliesslichem Fokus auf Prozesse – ausgestaltet sind und mangelhafte Unterstützung in Bezug auf die Erhebung und Analyse bieten. Basierend auf dem im vorangehenden Kapitel spezifizierten Vorgehensmodell und Entwurfsmuster, wird in diesem Kapitel deshalb ein situatives und ganzheitliches Reifegradmodell entwickelt, das diesen Schwachpunkten Rechnung trägt. Infolgedessen sind zunächst anhand einer Untersuchung der gängigen Literatur die wesentlichen Gestaltungsdimensionen, -ebenen und -objekte des Supply Managements identifiziert und anschliessend im Rahmen von zwei Fokusgruppendiskussionen naturalistisch evaluiert worden. Um der Forderung nach Realitätsnähe bzw. Situativität nachzukommen, sind in einem weiteren Konstruktionsschritt situationsspezifische Konfigurationsszenarien bestimmt und zu einer Konfigurationsmatrix zusam- 94 Vgl. Abschnitt 7.1.2. 206 Entwicklung des Reifegradmodells mengefasst worden. Schliesslich sind verschiedene Erhebungsformulare und Analysemöglichkeiten spezifiziert worden. Die Resultate dieser Konstruktionsschritte bildeten die Basis für die Entwicklung eines Prototyps. Dieser wurde dazu genutzt, um fünfzehn Krankenhäuser anhand des operationalisierten Bewertungsmodells zu beurteilen. Ferner dienten die so erhobenen Daten als Input für die spezifisch objektive Messung der Itemschwierigkeit bzw. der Komplexität der definierten Gestaltungsobjekte. Dieser Parameter erfüllt dabei zwei Funktionen: Einerseits können je nach dem Grad der Komplexität die Gestaltungsobjekte einem Reifegrad zugewiesen werden, andererseits können in Verbindung mit den spezifischen Zielen eines Gestaltungsobjekts daraus Fähigkeitsgrade gebildet werden. Offen ist, was für ein Nutzen aus der Konstruktion des HSRM3 Reifegradmodells für die vorgesehenen Modellnutzer tatsächlich entstanden ist. Aus der Fokusgruppendiskussion konnten zwar erste positive Tendenzen festgestellt werden, allerdings sind diese Aussagen subjektiv gefärbt und aufgrund des selektiven Charakters einer Fokusgruppe auch nur begrenzt repräsentativ. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die zugrundegelegten Annahmen des Reifegradmodells korrekt sind und ob das Instrument reliable Ergebnisse liefert. Angesichts der aufgezeigten Problematik findet im nachfolgenden Kapitel eine multiperspektivische Evaluation statt, die dazu dient, die noch offenen Fragestellungen zu klären. Evaluation des Reifegradmodells 207 8 Evaluation des Reifegradmodells Die Evaluation des entwickelten Artefakts stellt einen zentralen Schritt im Rahmen eines gestaltungsorientierten Forschungsvorhabens dar [vgl. March, Smith 1995, S. 258; Simon 1996, S. 128 f.; Hevner et al. 2004, S. 85]. Ziel dieses Kapitels ist es, die zu Beginn der Arbeit definierten Gestaltungsziele und Anforderungen hinsichtlich ihres Erfüllungsgrades zu prüfen. Darüber hinaus sollen die grundlegenden Annahmen, die mit der Konstruktion des Reifegradmodells getroffen wurden, bestätigt resp. widerlegt werden. Hierzu werden zunächst die Grundlagen der Evaluation aus der Sicht der gestaltungsorientierten WI dargelegt (Abschnitt 8.1) und danach das Vorgehen zur Evaluation des entwickelten Reifegradmodells erläutert (Abschnitt 8.2). Auf Grundlage des Bezugsrahmens von FRANK wird das Artefakt in Hinblick auf das ingenieurmässige Vorgehen (Abschnitt 8.3), die Anwendbarkeit durch die vorgesehenen Modellnutzer (Abschnitt 8.4), den ökonomischen Nutzen (Abschnitt 8.5) und die epistemologische Argumentation (Abschnitt 8.6) bewertet [vgl. Frank 2007, S. 124 f.]. Das Kapitel schliesst mit einer komprimierten Betrachtung der Evaluationsergebnisse (Abschnitt 8.7). 8.1 Grundlagen der Evaluation Der Begriff der Evaluation wird in Praxis und Wissenschaft ausserordentlich vielseitig verwendet und entzieht sich bislang einer abstrakten, die Wirklichkeit gleichzeitig voll umfassenden Definition [Wottawa, Thierau 1998, S. 13]. Deshalb soll, bevor auf das Vorgehen zur Evaluation des HSRM3 Reifegradmodells eingegangen wird, das Begriffsverständnis geklärt werden. Unter Evaluation wird in der vorliegenden Arbeit die gezielte Bewertung von materiellen oder immateriellen Gegenständen unter Rückgriff auf objektivierbare Kriterien und Verfahren verstanden [House 1993, S. 1]. Grundlegende Absicht ist es, den Wert eines Gegenstandes in all seinen Facetten zu erfassen [vgl. Scriven 1991, S. 74 f.]. Dieser Auffassung folgend wird ersichtlich, dass eine Evaluation nicht eine rein wissenschaftliche, auf die Schaffung neuen Wissens oder auf die Steigerung des theoretischen Kenntnisstandes abzielende Aktivität ist, sondern auch wertende Aussagen hinsichtlich des praktischen Nutzens des entwickelten Artefaktes hervorbringt und als Legitimation der durchgeführten Massnahmen dient [vgl. Stockmann 2006, S. 66]. 208 Evaluation des Reifegradmodells In der gestaltungsorientierten Forschung ist der Gegenstand der Evaluation in aller Regel das Ergebnis des Konstruktionsprozesses (Design Product) und/oder der Konstruktionsprozess (Design Process) selbst [vgl. Cross 2001, S. 52; Winter 2008, S. 471; Cleven et al. 2009, S. 4]. Bei ersterem gilt es einerseits zu prüfen, ob die entwickelte Problemlösung die identifizierte Forschungslücke korrekt adressiert, andererseits, ob die Problemlösung tatsächlich den ihr zugedachten Nutzen zu stiften vermag [vgl. Riege et al. 2009, S. 75].95 In Bezug auf zweiteres gilt es nachzuweisen, dass die Konstruktion systematisch, nach den geltenden Vorstellungen der Scientific Community, erfolgt ist. Zentral ist in beiden Fällen das Bemühen um Objektivität [vgl. Frank 2000, S. 36; Heinrich 2000, S. 9]. Infolgedessen sind, um die intersubjektive Nachprüfbarkeit der Evaluationsergebnisse zu gewährleisten, sowohl die für die Evaluation angewendeten Methoden als auch Kriterien offen zu legen. Das Spektrum der angewendeten Evaluationsmethoden ist in der WI ausserordentlich breit (vgl. Abbildung 70). In Anlehnung an FETTKE und LOOS lassen sich grundsätzlich empirische und analytische Evaluationsverfahren unterscheiden [vgl. Fettke, Loos 2003b, S. 82 f.].96 Empirische Methoden können weiter in quantitative (z. B. Umfragen, quantitative Inhaltsanalysen, etc.) und qualitative Verfahren (z. B. Interviews, Fokusgruppendiskussionen, etc.) untergliedert werden [vgl. z. B. Patton 1997, S. 268]. Analytische Methoden können ebenfalls weiter in eigendisziplinäre (z. B. metamodellbasierte oder ontologiebasierte Verfahren, etc.) und fremddisziplinäre Ansätze (z. B. kognitionspsychologische Verfahren, historische Analyse, etc.) unterteilt werden [vgl. z. B. Siau, Rossi 2007, S. 4]. 95 Von untergeordneter Bedeutung ist nach BUCHER et al. die Evaluation in Hinblick auf die statistische Validität der Forschungsergebnisse [vgl. Riege et al. 2009, S. 75]. 96 Eine weitere gebräuchliche Form der Klassifizierung von Evaluationsmethoden ist die Unterteilung in naturalistische (z. B. Ethnographie, Action Research, etc.) und artifizielle Verfahren (z. B. Simulation, Laborexperiment, etc.) [vgl. z. B. Venable 2006a, S. 186] oder die Differenzierung in konstruktive (z. B. Prototyping, konzeptionell-deduktive Analyse, etc.) und verhaltenswissenschaftliche Methoden (z. B. Fallstudien, qualitative Querschnittsanalyse, etc.) [vgl. Wilde, Hess 2007, S. 281 f.]. Evaluation des Reifegradmodells 209 Evaluationsmethoden Empirisch Quantitativ Quantitative Inhaltsanalyse Testtheoretische Verfahren Laborexperiment Umfragen ... Analytisch Qualitativ Interviews Fokusgruppe Beobachtung Fallstudien ... Eigendisziplinär Fremddisziplinär Metamodellbasiert Ontologiebasiert Merkmalsbasiert Masterreferenzmodellbasiert ... Kognitionspsychologisch Ökonometrisch Kontigenztheoretisch Historisch ... Abbildung 70: Evaluationsmethoden in der gestaltungsorientierten WI Ist der Methodeneinsatz geklärt, so ist dadurch nicht notwendigerweise festgelegt, welche Kriterien für die Evaluation betrachtet werden. Folglich müssen neben den Methoden auch Merkmale bzw. Indikatoren bestimmt werden, die eine möglichst präzise Bewertung des Gegenstandes erlauben. Dies führt allerdings zu einem Dilemma: „Einerseits ist das Bemühen um Objektivität eine wesentliche Orientierung für Evaluationsvorhaben, andererseits gibt es die Erwartung, dass Evaluationsergebnisse möglichst eindeutig sein sollten“ [vgl. Frank 2000, S. 41]. Des Weiteren hängt die Güte der Evaluationsergebnisse auch stark von den Vorstellungen der einzelnen Adressaten und dem Erkenntnisinteresse ab. Während in der deutschsprachigen WI der Nachweis der praktischen Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse den wichtigsten Indikator darstellt [vgl. Heinzl et al. 2001, S. 232], ist im angelsächsischen Sprachraum v. a. die Leistungsfähigkeit des konstruierten Artefakts von Bedeutung [vgl. Nunamaker et al. 1991, S. 98 f.; Cao et al. 2006, S. 211].97 Um die Ergebnisse gestaltungsorientierter Forschung möglichst umfassend zu evaluieren schlagen deshalb mehrere Autoren eine multiperspektivische Herangehensweise vor [vgl. Fettke, Loos 2003b, S. 82; Frank 2007, S. 123]. Mit Rücksicht auf die Evaluation von Referenzmodellen können nach FRANK die folgenden Perspektiven differenziert werden [vgl. Frank 2007, S. 124 f.]: 97 CAO et al. unterscheiden deshalb zwischen Demonstration (Does it work?) und Evaluation (How well does it work?) [vgl. Cao et al. 2006, S. 211]. Anders sehen VAISHNAVI und KUECHLER den Nachweis der praktischen Umsetzbarkeit nicht als vorgelagerte Aktivität, sondern als eine eigenständige Möglichkeit der Evaluation. Diese sei allerdings „ the weakest form of validation“ [vgl. Vaishnavi, Kuechler, 2008, S. 159]. 210 Evaluation des Reifegradmodells Ingenieursperspektive: Die Evaluation aus einer Ingenieursperspektive versucht zwei grundlegende Fragen zu beantworten. Einerseits gilt es zu prüfen, ob die definierten Anforderungen geeignet sind, um den intendierten Verwendungszweck zu verwirklichen, andererseits, ob das entwickelte Modell die Anforderungen korrekt erfüllt. Mögliche Ansatzpunkte für die Evaluation sind bspw. die Untersuchung der technischen und sprachlichen Qualität des Referenzmodells oder die Prüfung der Belegbarkeit und Plausibilität substantieller Modellanforderungen und Designentscheide. Nutzerperspektive: Zentrale Fragestellung aus einer Nutzerperspektive ist, ob die vorgesehenen Modellnutzer in der Lage und gewillt sind das konstruierte Modell tatsächlich anzuwenden. Kriterien, die in diesem Zusammenhang geprüft werden können sind bspw. die Verständlichkeit und Angemessenheit sowie die persönliche Einstellung der potenziellen Nutzer zur Verwendung des Modells. Ökonomische Perspektive: Aus einer ökonomischen Perspektive gilt es den potenziellen und/oder realen Aufwand und Ertrag aus der Nutzung des Artefakts gegenüberzustellen. Mögliche Kriterien, die betrachtet werden können sind z. B. die Kosten der Einführung und Wartung des Modells, die Verfügbarkeit von Hilfsmitteln zur Schulung und Anwendung des Modells, die Kompatibilität mit existierenden Lösungsansätzen oder die (ökonomische) Wirkung auf Geschäftsprozesse und Personaleinsatz. Epistemologische Perspektive: Bei der Evaluation aus epistemologischer Perspektive gilt es zu prüfen, ob die grundlegenden Annahmen des Modells gültig sind. Anders als bei der erklärungsorientierten Forschung, welche den lückenlosen Beweis der Wahrheit von Modellen verlangt, ist dies für gestaltungsorientierte Forschungsergebnisse aufgrund des oftmals präskriptiven Charakters des Artefakts nicht vollumfänglich möglich.98 Stattdessen ist es aus gestaltungsorientierter Sicht legitim, die Validität eines Modells auf Grundlage des allgemeinen Konsens anerkannter Experten zu verargumentieren [vgl. Frank 2007, S. 134]. Weitere denkbare Ansätze für die Evaluation aus epistemologischer Sicht sind z. B. der Vergleich des Referenzmodells mit bewährten Theorien oder Design Patterns. 98 FRANK spricht in diesem Zusammenhang auch von „relaxed truth“ und vertritt damit die Auffassung, dass Referenzmodelle nicht komplett der Realität entsprechen, aber auch nicht bestehendem Wissen widersprechen sollen [Frank 2007, S. 133]. Evaluation des Reifegradmodells 211 8.2 Charakterisierung der Evaluation Im Folgenden wird der Versuch unternommen das entwickelte HSRM3 Reifegradmodell multiperspektivisch zu evaluieren. Da aufgrund zeitlicher und materieller Restriktionen eine vollumfängliche Artefaktevaluation innerhalb eines Dissertationszyklus meist nicht möglich ist [vgl. auch Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 25], ist es zur Gewährleistung der Objektivität des Evaluationsvorhabens umso wichtiger, die gewählten Kriterien und Methoden hinreichend zu begründen. Nach SERAFEIMIDIS sind deshalb die nachfolgenden Fragenstellungen zu klären [vgl. Serafeimidis 2001, S. 60]: Zweck (Warum?): Ziel der vorliegenden Evaluation ist es, den praktischen Nutzen des Artefakts festzustellen. Nach MARCH und SMITH gilt es bei Design Research Modellen – anders als erklärungsorientierten Modellen – insbesondere deren Nützlichkeit zu beweisen und weniger deren Wahrheitsgehalt [vgl. March, Smith 1995, S. 256]. Folglich kommt der ökonomischen Perspektive und der Nutzerperspektive eine besondere Bedeutung zu. Gegenstand (Was?): Dieser Argumentation folgend steht vorwiegend das Ergebnis der Forschung (Design Product) im Zentrum der Evaluation und weniger der Forschungsprozess selbst (Design Process). Nichtsdestotrotz soll gezeigt werden, dass die Entwicklung des Reifegradmodells nach den heute geltenden, artefakttypischen Konstruktionsnormen erfolgt ist. Kriterien (Welche Aspekte?): Die Ableitung der wesentlichen Kriterien, wonach die Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit bewertet werden, richtet sich nach den von BUCHER et al. identifizierten grundlegenden Ansätzen der Evaluation, d. h. Prüfung der Erfüllung feststehender oder aufgestellter Anforderungen und Untersuchung der Einwirkung auf die Realwelt [vgl. Riege et al. 2009, S. 75]. In Bezug auf ersteres sind drei Kriterienkataloge relevant: Zur Untersuchung der Einhaltung der artefakttypischen Konstruktionsnormen wird auf die Konstruktionsrichtlinien von BECKER/KNACKSTEDT et al. zurückgegriffen [vgl. Becker et al. 2009; Knackstedt et al. 2009].99 Für die qualitative Beurteilung der (ingenieurmässigen) Güte des Konstruktionsergebnisses werden die Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung nach BECKER/ROSEMANN/SCHÜTTE [vgl. Becker et al. 99 Vgl. auch Abschnitt 1.5.2. 212 Evaluation des Reifegradmodells 1995; Rosemann, Schütte 1997; Schütte 1998] und die eigenen Modellanforderungen zugrundegelegt.100 In Bezug auf die Evaluation gegenüber der Realwelt werden Metriken aus den Bereichen Information Systems Success und Technology Acceptance sowie Design Science Research genutzt. Grundlage hierfür bilden die Arbeiten von DELONE/MCLEAN, MIRANI/LEDERER und HEVNER et al. [vgl. DeLone, McLean 1992; Mirani, Lederer 1998; DeLone, McLean 2003; Hevner et al. 2004]. Schliesslich werden, obwohl nicht im Vordergrund der Evaluation gestaltungsorientierter Arbeiten stehend, auch statistische Gütekriterien diskutiert. Zeitpunkt (Wann?): Wie in Abschnitt 6.3.3 erläutert, sind sowohl während als auch nach der Fertigstellung des Artefakts evaluierende Massnahmen unternommen worden. In einem ersten Schritt sind die Modellinhalte des Reifegradmodells in einer Ontologie formalisiert und mittels Fokusgruppendiskussionen evaluiert worden. In einem zweiten Schritt ist das entwickelte Bewertungsmodell prototypisch umgesetzt und im Rahmen einer Befragung von fünfzehn Krankenhäusern in der Realwelt eingesetzt worden. Ex post soll nun hauptsächlich die Nützlichkeit und Sachdienlichkeit des Reifegradmodells anhand der oben genannten Kriterien bewertet werden. Gutachter (Wer?): Die Beurteilung des Erfüllungsgrades definierter Anforderungen (Prüfung gegenüber Forschungslücke) erfolgt durch eigenständige Einschätzung. Die Bewertung des praktischen Nutzens des Reifegradmodells (Prüfung gegenüber Realwelt) wird durch die vorgesehenen Modellnutzer vorgenommen. Methoden (Wie?): Es hat sich gezeigt, dass die Anwendung mehrerer, unterschiedlicher Methoden zu besseren Evaluationsergebnissen führt [vgl. Cao et al. 2006, S. 210]. Folglich werden im Rahmen der Evaluation des Reifegradmodells sowohl analytische als auch qualitativ- und quantitativ-empirische Methoden angewendet. Das Spektrum des Methodeneinsatzes und der entsprechenden Evaluationskriterien ist in Abbildung 71 dargestellt. 100 Vgl. Abschnitt 4.3. Evaluation des Reifegradmodells Evaluationskriterien 213 Evaluationsmethoden • Argumentative Deskription • Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung • Richtlinien zur Entwicklung von Reifegradmodellen • Ontologiebasiertes Verfahren* • Eigene Modellanforderungen • Prototyping* Ingenieursperspektive Nutzerperspektive • Abgeleitete Kriterien aus Technology-Acceptance/ IS-Sucess-Theorien und Design Science Research • Umfrage • Fokusgruppendiskussion* Ökonomische Perspektive • Abgeleitete Kriterien aus Technology-Acceptance/ IS-Sucess-Theorien und Design Science Research • Umfrage • Statistische Gütekriterien • Statistische Analyse Epistemologische Perspektive * Während der iterativen Konstruktion des Reifegradmodells angewendet. Abbildung 71: Verwendete Evaluationskriterien und -methoden 8.3 Evaluation aus Ingenieursperspektive Die Forschungsfrage „Wie kann der Einkauf in Krankenhäusern zielgerichtet gestaltet werden?“ kann aus der Ingenieursperspektive als Problem verstanden werden. Nach DÖRNER ist dieses durch drei Komponenten gekennzeichnet: einem unerwünschten Anfangszustand s , einem erwünschten Endzustand s und der Barriere, welche die Transformation von s und s im Moment verhindert [vgl. Dörner 1976, S. 10]. Ausgangspunkt eines ingenieursmässigen Problemlösungsvorgehens (VDI-Richtlinie 2221) ist deshalb das Klären und Präzisieren des Anfangszustands, indem die erwünschten Merkmale des Endzustands und die Funktionen der Problemlösung in einer Anforderungsliste resp. Funktionsliste formalisiert werden [vgl. Verein Deutscher Ingenieure 1993].101 Die formalisierten Anforderungen und Funktionen bilden u. a. die Basis für die spätere Verifikation der Problemlösung, d. h. der Beweis der Konsistenz zwischen der entwickelten Lösung und seiner Spezifikation [vgl. Balzert 2005, S. 476] bzw. der Beweis der Korrektheit der Transformation vom Anfangs- zum Endzustand [vgl. Balci 1998, S. 41]. 101 Vgl. auch Abschnitt 1.5.1. 214 Evaluation des Reifegradmodells Neben der Verifikation der Problemlösung und/oder des Problemlösungsvorgehens gilt es auch eine Validierung, d. h. einen formalen Nachweis der Lösungsadäquanz, durchzuführen.102 Da in der vorliegenden Evaluation weniger der Beweis der praktischen Anwendbarkeit (dieser wurde durch die prototypische Umsetzung und Anwendung in 15 Krankenhäusern bereits erbracht), sondern vielmehr die Bewertung der Nützlichkeit des entwickelten Reifegradmodells im Vordergrund steht, wird die Validierung der Ergebnisse durch die potenziellen Anwender vorgenommen und deshalb in der nachfolgenden Nutzerperspektive und ökonomischen Perspektive behandelt. Infolgedessen wird im Zuge der Evaluation aus der Ingenieursperspektive, auf Basis einer argumentativ-deskriptiven Beurteilung existierender und definierter Anforderungen, ausschliesslich die Verifikation der Problemlösung und des Problemlösungsprozesses diskutiert. Grundlage hierzu sind, wie zuvor erläutert, die Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung (GoM), existierende Konstruktionsrichtlinien für Reifegradmodelle sowie die eigenen Modellanforderungen, welche zu Beginn der Arbeit spezifiziert wurden. 8.3.1 Analytische Beurteilung der GoM Die GoM bilden einen normativen Ordnungsrahmen für die Entwicklung, den Vergleich sowie die qualitative Bewertung von Referenzmodellen [vgl. Becker et al. 1995, S. 444] und kann folglich auch für die Evaluation von Reifegradmodellen angewendet werden. Eine objektive Verifikation nach diesen Kriterien ist aufgrund des Charakters gestaltungsorientierter Modelle allerdings nicht möglich [vgl. Schütte 1998, S. 113]. Inwieweit die GoM durch das entwickelte Reifegradmodell erfüllt werden, soll deshalb argumentativ abgeleitet werden. In Tabelle 46 sind die Resultate der Verifikation in Bezug auf die GoM zusammengefasst. Kriterium Anforderung Vergleichbarkeit Das Reifegradmodell kann mit anderen Modellen auf einfache Weise verglichen werden. 102 Argument Es existiert ein Metamodell, das einen Vergleich mit anderen Reifegradmodellen erleichtert. Die Modellkonstrukte sind formal in einer Ontologie beschrieben und umgesetzt, was semantische Analysen möglich macht. Fazit Die hohe Formalisierung der Inhalte und Struktur des Reifegradmodells erleichtert die Vergleichbarkeit mit anderen Modellen. Insofern wird davon ausgegangen, dass dieses Kriterium erfüllt ist. BALCI spricht in diesem Zusammenhang deshalb von „[...] building the model right“ (Verifikation) und „[...] building the right model“ (Validierung) [vgl. Balci 1998, S. 41]. Evaluation des Reifegradmodells 215 Kriterium Anforderung Argument Fazit Richtigkeit Das Reifegradmodell ist semantisch und syntaktisch insofern richtig, als dass es vom Modellersteller und -nutzer in gleicher Weise interpretiert wird. Die Herleitung der Modellkonstrukte fusst auf der bestehenden praxisorientierten Literatur. Es existiert eine formale Ontologie, die dazu beiträgt, dass die Modellkonstrukte einheitlich und syntaktisch korrekt spezifiziert werden. Die Formalisierung der Modellkonstrukte induziert eine (zumindest) hohe syntaktische Richtigkeit. Die semantische Richtigkeit des Modells kann ohne die Befragung der Modellanwender nur sehr schlecht eingeschätzt werden. Folglich muss auf diesen Punkt in der Evaluation aus der Nutzerperspektive weiter eingegangen werden. Klarheit Das Reifegradmodell ist verständlich, anschaulich und optimal leserlich. Die Modellkonstrukte sind von Experten in Fokusgruppendiskussionen positiv in Bezug auf ihre Verständlichkeit beurteilt worden. Das in einem Prototyp implementierte Bewertungsmodell konnte in fünfzehn Krankenhäusern ohne Probleme angewendet werden. Der Konstruktionsprozess des Reifegradmodells enthält einige Ansatzpunkte, um die Klarheit zu evaluieren. Sowohl die naturalistische Begutachtung durch ausgewählte Experten als auch die praktische Anwendung mittels Prototyp deuten auf eine hohe Verständlichkeit der Modellinhalte hin. Eine detailliertere Analyse dieses Kriteriums folgt in der Evaluation aus Nutzerperspektive. Relevanz Das Reifegradmodell enthält all diejenigen Elemente und Verknüpfungen, ohne deren Existenz der Nutzeneffekt der Modellverwendung sinken würde. Die durchgeführte Literaturanalyse und erhobenen Fallstudien demonstrieren, dass ein genereller Handlungsbedarf im Bereich des Krankenhauseinkaufs vorhanden ist. Die Analyse existierender Reifegradmodelle zeigt zudem, dass kein Modell genügend inhaltliche Tiefe und Breite bietet. Die breite empirische Fundierung der Arbeit weist (zumindest) auf die grundsätzliche Relevanz der Thematik hin. Ob das Reifegradmodell die wesentlichen Teile des Gestaltungsbereiches adressiert, muss ebenfalls aus der Nutzerperspektive evaluiert werden. Systematischer Aufbau Das Reifegradmodell folgt einer logischen Struktur und ist in sich konsistent. Die Beschreibung der Inhalte folgt nach einem einheitlichen Raster (Frame). Die Struktur des Reifegradmodells basiert auf einem Metamodell. Es existieren eindeutige Namenskonventionen für die einzelnen Modellelemente. Die Nutzung von Metamodellen und formalen Sprachen zur Spezifikation der Modellinhalte und -struktur lässt darauf schliessen, dass (zumindest) eine hohe interne Konsistenz besteht. Ob das Reifegradmodell systematisch konstruiert wurde, muss noch geklärt werden. 216 Evaluation des Reifegradmodells Kriterium Anforderung Wirtschaftlichkeit Das Reifegradmodell ist hinsichtlich seines Detaillierungsgrades optimal und nutzt Mechanismen zur Flexibilisierung des Modells. Argument Die Modellkonstrukte und deren Relationen basieren auf dem bewährten BE CBM. Die Modellstruktur beruht im Wesentlichen auf dem CMM-Reifegradmodell. Der Bewertungsfokus kann durch Konfigurationsregeln auf die jeweils relevante Situation eingeschränkt werden. Fazit Durch die Verwendung bereits existierender und bewährter Modelle konnte die Konstruktion des Reifegradmodells effizienter gestaltet werden, als eine komplett losgelöste Modellentwicklung. Hinsichtlich der Modellnutzung kann gesagt werden, dass die Anpassung der Modellbasis (Situativität) eine schnelle und zuverlässige Bewertung erlaubt, da dadurch nur die relevanten Teile betrachtet werden. Offen ist jedoch, was für einen ökonomischen Nutzen das Reifegradmodell bewirkt. Dies gilt es in der Evaluation aus ökonomischer Perspektive noch zu klären. Tabelle 46: Verifikation nach den GoM 8.3.2 Analytische Beurteilung von Konstruktionsrichtlinien Zur Überprüfung, ob der Problemlösungsprozess den einschlägigen Konstruktionsnormen gefolgt ist, werden die von BECKER/KNACKSTEDT et al. bestimmten Richtlinien auf die vorliegende Arbeit angewendet [vgl. Becker et al. 2009, S. 250 f.; Knackstedt et al. 2009, S. 537 f.]. Insgesamt gilt es bei der Entwicklung von Reifegradmodellen acht Richtlinien – die im Wesentlichen auf den von HEVNER et al. definierten Design-Science Research Guidelines basieren [vgl. Hevner et al. 2004, S. 83] – einzuhalten:103 Problemdefinition (R1): Der zukünftige Anwendungsbereich des Reifegradmodells einschliesslich seiner Einsatzvoraussetzungen und der mit dem Reifegradmodell angestrebte Nutzen sind vor der Entwicklung festzulegen (problem relevance). Aufzeigen der Problemrelevanz (R2): Der Bedarf eines Problemlösungsbeitrags in Form des zu entwickelnden Reifegradmodells in Forschung und/oder Praxis ist darzulegen. Das Artefakt muss deshalb nicht nur innovativ sein, sondern auch eine praktische oder wissenschaftliche Relevanz besitzen (problem relevance). 103 In Klammern ist die korrespondierende DSR-Guideline angegeben. Evaluation des Reifegradmodells 217 Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen (R3): Die Notwendigkeit eines zu entwickelnden Reifegradmodells ist durch einen Vergleich mit bestehenden Reifegradmodellen zu begründen (design as an artifact). Multimethodisches Vorgehen (R4): Die Entwicklung von Reifegradmodellen bedient sich unterschiedlicher Forschungsmethoden, deren Einsatz zu begründen und aufeinander abzustimmen ist (research rigor). Iteratives Vorgehen (R5): Reifegradmodelle sind iterativ in mehreren Schritten zu entwickeln (design as a search process). Evaluation (R6): Die in die Reifegradmodellentwicklung eingehenden Grundlagen und Prämissen sowie die Nützlichkeit, Qualität und Effektivität des Artefakts selbst müssen evaluiert werden (design evaluation). Adressatengerechte Ergebnisbereitstellung (R7): Das Reifegradmodell ist den Nutzern in adressatengerechter Weise zur Verfügung zu stellen (communication of research). Wissenschaftliche Dokumentation (R8): Der Prozess der Entwicklung des Reifegradmodells ist hinsichtlich der Einzelschritte, Beteiligten, angewendeten Methoden und Ergebnisse ausführlich zu dokumentieren (communication of research). Da die aufgezeigten Richtlinien, im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen GoM, grösstenteils dichotom beurteilt werden können, ist eine genauere Aussage in Bezug auf deren Einhaltung möglich.104 Im Folgenden wird die Einhaltung der oben genannten Richtlinien wie folgt beurteilt: Problemdefinition (R1): In Kapitel 6 wird festgelegt, was der Verwendungszweck, die Zielgruppe, sowie Tiefe und Breite des Reifegradmodells ist. Die mit der Artefaktkonstruktion verfolgten Zielsetzungen (Gestaltungsziele) sind in Kapitel 1 beschrieben. Aufzeigen der Problemrelevanz (R2): Die praktische Relevanz der identifizierten Forschungslücke wird in Kapitel 1 und Kapitel 4 anhand der einschlägigen Literatur, aktueller Studien und eigener Fallstudien dokumentiert. Des Weiteren wird in Kapitel 6 gezeigt, wie Reifegradmodelle auf Grundlage von Entwurfsmustern und 104 Rückschlüsse hinsichtlich der Güte des Problemlösungsprozesses lassen sich dadurch allerdings nur bedingt ziehen. Bspw. ist die Richtlinie „Multimethodisches Vorgehen“ erfüllt, wenn mehrere Forschungsmethoden für die Entwicklung des Reifegradmodells angewendet werden. Ob diese Methoden auch tatsächlich miteinander vereinbar sind, ist dadurch nicht nachgewiesen. 218 Evaluation des Reifegradmodells Metamodellen systematisch entwickelt werden können. Dies ist insbesondere für die Wissenschaft von Interesse, da eine methodische Durchdringung der Thematik noch weitestgehend fehlt. Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen (R3): Mittels einer umfassenden Literaturrecherche sind in Kapitel 5 insgesamt 117 Reifegradmodelle identifiziert worden. Zudem sind fünf themenverwandte Reifegradmodelle detaillierter betrachtet und deren Mängel in Bezug auf den gewählten Gestaltungsbereich analysiert worden. Multimethodisches Vorgehen (R4): Die Entwicklung des Reifegradmodells bedient sich mehrerer unterschiedlicher Forschungsmethoden, deren Vielfalt und Verwendungszweck in Kapitel 1 beschrieben ist. Iteratives Vorgehen (R5): In Kapitel 7 ist dargelegt, wie die Modellbasis iterativ entwickelt und naturalistisch evaluiert wurde. Ferner wird auch der Prototyp laufend verbessert (aktuell Version 1.3). Evaluation (R6): Die multiperspektivische Evaluation wird im derzeitigen Kapitel 8 unternommen. Adressatengerechte Ergebniserstellung (R7): Das Ergebnis der Artefaktkonstruktion besteht aus drei Teilen (Domänenontologie, Bewertungsmodell, Prototyp) und ist in Kapitel 7 beschrieben.105 Anders als bei den meisten Reifegradmodellen existiert mehr als eine rein textuelle Dokumentation. Wissenschaftliche Dokumentation (R8): (Teil-)Ergebnisse der Konstruktion sind zeitnah dokumentiert und an verschiedenen wissenschaftlichen Konferenzen präsentiert worden [vgl. z. B. Mettler 2009; Mettler, Rohner 2009d; Mettler et al. 2009]. Die vollständige Dokumentation der Artefaktkonstruktion wird durch die vorliegende Arbeit erbracht. 8.3.3 Analytische Beurteilung der spezifizierten Anforderungen Abgeleitet aus den in Abschnitt 2.5 definierten materiellen Anforderungen sind in Abschnitt 4.3 erstmals die formellen Anforderungen an die Entwicklung des Reifegradmodells beschrieben. Analog zur vorherigen Verifikation nach den GoM, soll der Abgleich der eigenen Modellanforderungen ebenfalls argumentativ-deskriptiv erfolgen. 105 Wie bereits dargelegt, findet die Validierung der Konstruktionsergebnisse erst in den nachfolgenden Evaluationsperspektiven statt. Evaluation des Reifegradmodells 219 Aus diesem Grund folgt die Bewertung nach dem gleichen Darstellungsmuster wie in Abschnitt 8.3.1. Demgemäss sind die Resultate der Verifikation der eigenen funktionalen Anforderungen in Tabelle 47 zusammenfassend dargestellt. Kriterien Anforderung Argument Fazit Strategische Aspekte Das Reifegradmodell beinhaltet Gestaltungsobjekte mit Rücksicht auf die strategische, taktische und operative Gestaltung des Supply Managements in einem Krankenhaus. Unterscheidung von drei Führungsebenen (personenzentrierte Gestaltungsdimension). Bestimmung von 25 strategischen, 21 taktischen und 21 operativen Gestaltungsobjekten. Das Reifegradmodell unterscheidet bewusst unterschiedliche Strategieebenen des Supply Managements und enthält auch zahlreiche Gestaltungsobjekte, die aus Sicht des BE als strategisch bezeichnet werden können. Folglich wird davon ausgegangen, dass dieses Kriterium erfüllt ist. Organisatorische Aspekte Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwiefern die Prozesse und Praktiken des Einkaufs definiert, umgesetzt, geführt und optimiert sind. Unterscheidung von neun Supply Management Prozessen (prozesszentrierte Gestaltungsdimension). Definition einer Gestaltungsebene, die den generischen Zustand einer Praktik misst. Bestimmung von insgesamt 29 Supply Management Praktiken. Prozesse und Praktiken spielen auch im entwickelten HSRM3 eine bedeutende Rolle. Die Beurteilung der Reife ist jedoch oftmals schwierig, da die definierte Bewertungsskala nicht dichotom ist und daher einen bestimmten Grad an Subjektivität zulässt. Die Anforderung gilt deshalb als teilweise erfüllt. Technologische Aspekte Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwieweit Technologien zur Automatisierung der Prozesse vorhanden und die existierenden Systeme mit anderen integriert sind. Definition einer Gestaltungsebene, die den generischen Zustand der eingesetzten Softwarekomponenten misst. Bestimmung von insgesamt 16 Softwarekomponenten für das Supply Management. Als eines der wenigen untersuchten Reifegradmodellen enthält das in der vorliegenden Arbeit entwickelte HSRM3 auch eine ITBewertungsperspektive. Der Detaillierungsgrad der spezifizierten Softwarekomponenten ist allerdings nicht sonderlich tief. Ferner fehlen Gestaltungsobjekte, die den Stand der Hardware beurteilen. Daher ist diese Anforderung nur teilweise erfüllt. 220 Evaluation des Reifegradmodells Kriterien Anforderung Argument Fazit Kulturelle Aspekte (FührungVerhaltenMacht) Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, wie umfangreich das Wissen, die Kooperationsintensität und die entsprechenden Anreizstrukturen ausgestaltet sind. Definition jeweils einer Gestaltungsebene, die den generischen Zustand des Wissens der Mitarbeitenden und der Anreizstrukturen misst. Bestimmung von 7 Anreizen und 15 Wissenskomponenten, die das Supply Management unterstützen. Kulturelle Aspekte sind im HSRM3 vorhanden, jedoch besteht, gleich wie bei den Praktiken, das Problem, dass keine objektive Bestimmung der Reife möglich ist. Zudem ist es schwierig, kulturelle Aspekte einer Organisation nur durch eine Person oder kleine Gruppe von Personen bewerten zu lassen. Folglich ist auch dieses Kriterium nur teilweise erfüllt. Organisationsinterne Betrachtung Das Reifegradmodell beurteilt die Reife des Krankenhauseinkaufs auf Basis unterschiedlicher Szenarien. Beschreibung von fünf grundlegenden Szenarien für die Bewertung. Definition weiterer situativer Faktoren, die für die Analyse der Ergebnisse verwendet werden können. Neben einer Beschreibung der typischen Reifegrade eines Krankenhauseinkaufs sind auch unterschiedliche Analysen in Bezug auf die Gestaltungsdimensionen, -ebenen und -objekte definiert worden. Das Kriterium gilt deshalb als erfüllt. Branchenweite Betrachtung Das Reifegradmodell liefert zusätzlich zur Reifebeurteilung einzelner Organisationen auch eine aggregierte Sicht auf die Reife der Branche. Prototypische Umsetzung verschiedener Analysemöglichkeiten, die eine aggregierte Sicht auf die Branche erlauben. Reifegrade sind massgeblich durch die Resultate der Branche bestimmt (Rasch-Analyse). Die definierten und im Prototyp umgesetzten Analysetechniken enthalten explizite Informationen über den aktuellen Zustand und die Entwicklungstendenz der Branche. Allerdings sind diese Angaben nur dann verlässlich, wenn genügend Krankenhäuser beurteilt werden. Insofern ist dieses Kriterium erfüllt. Lineare Entwicklung Das Reifegradmodell weist einen linearen Entwicklungspfad auf, der die Anwender bei der radikalen Fortentwicklung des Einkaufs unterstützt. Abgestufte Reifegrade sind definiert (d. h. zur Erreichung eines höheren Reifegrades müssen die weniger schwierigen Items einen hohen Erfüllungsgrad aufweisen). Für jeden Reifegrad sind die zu erfüllenden Gestaltungsobjekte definiert. Die lineare und schrittweise Entwicklung des Krankenhauseinkaufs ist deshalb möglich und dieses Kriterium damit erfüllt. Dynamische Entwicklung Das Reifegradmodell weist einen anpassbaren Entwicklungspfad auf, der durch die Anwender flexibel festgelegt werden kann. Zielprofile sind definiert (d. h. je nach Priorität kann auch nur eine Zieldimension optimiert werden). Der Beurteiler ist frei in seiner Wahl des Zielhorizonts und Zielprofils. Folglich ist dieses Kriterium erfüllt. Tabelle 47: Verifikation nach den eigenen Modellanforderungen Evaluation des Reifegradmodells 221 8.4 Evaluation aus Nutzerperspektive Ziel der Evaluation aus Nutzerperspektive ist es, die Angemessenheit des Reifegradmodells und den Willen zur tatsächlichen Nutzung zu bewerten. Daher kann dieser Teil der Evaluation als Validierung der Problemlösung verstanden werden. Diese ist auf zwei Arten erfolgt: Einerseits sind in mehreren Fokusgruppendiskussionen ausgewählte Krankenhausvertreter und IT-Dienstleister hinsichtlich ihres Empfindens in Bezug auf die Qualität des Bewertungsmodells mündlich befragt worden, andererseits sind diejenigen Einkaufsverantwortlichen, bei denen ein Assessment durchgeführt wurde, nachträglich angehalten worden einen Evaluationsfragebogen auszufüllen. Wie bereits in Abschnitt 7.1.4 angesprochen, unterliegt die in den Fokusgruppen durchgeführte naturalistische Evaluation einer Reihe von Limitationen, weshalb an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingegangen wird. In den folgenden Ausführungen wird deswegen lediglich auf die Resultate der Umfrage Bezug genommen.106 Im Wesentlichen setzt sich die Stichprobe zur Validierung der Problemlösung aus der in Abschnitt 7.3.1.2 beschriebenen Auswahl von Einkaufsverantwortlichen Schweizer Krankenhäuser zusammen.107 Laut eigener Einschätzung geben 29% der Befragten einen geringen Kenntnisstand und 50% einen mittleren Kenntnisstand in Hinblick auf die Thematik an. Nur 21% der Befragten konnten von sich behaupten Experten im Bereich des Supply Managements zu sein. 8.4.1 Empirische Beurteilung der Konzeption des Reifegradmodells Grundlegende Annahme des IS-Success-Modells von DELONE und MCLEAN ist es, dass die Qualität des Informationssystems und die Qualität der Information eine positive Relation zur Nutzerzufriedenheit und -akzeptanz aufweisen [vgl. DeLone, McLean 1992, S. 87; 2003, S. 24]. Die Qualität der Information wird in der vorliegenden Arbeit überwiegend durch das Bewertungsmodell resp. die definierten Konstrukte des HSRM3 bestimmt. Kriterien, die zur Beurteilung der Modellqualität angewendet werden, sind die Relevanz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Zuverlässigkeit, Aktualität und Nachhaltigkeit [vgl. DeLone, McLean 1992, S. 84; Hevner et al. 2004, S. 85]. 106 Vgl. Frageblöcke B und C im Anhang C. 107 Eine entsprechende Beschreibung der Charakteristika der Stichprobe ist in Abschnitt 7.3.1.2 zu finden. Trotz mehrmaliger Aufforderung sind allerdings nur 93% der abgeschickten Bewertungsfragebögen retourniert worden, was einer Stichprobengrösse von n = 14 entspricht. 222 Evaluation des Reifegradmodells Die Bewertung dieser Kriterien erfolgt anhand einer ordinalen Rating-Skala, wonach der Wert 1 eine hohe Zustimmung, 2 eine tendenzielle Zustimmung, 3 eine indifferente Meinung, 4 eine tendenzielle Ablehnung und 5 eine strikte Ablehnung ausdrückt. Die Medianwerte sämtlicher Kriterien liegen bei 2, was auf eine tendenzielle Zustimmung schliessen lässt. Mit einem Mittelwert von 1,57 wird die Relevanz des Bewertungsmodells besonders hoch eingeschätzt. Etwas weniger hoch eingeschätzt sind die Aktualität (Mittelwert = 1,71), Vollständigkeit (Mittelwert = 1,86), Verständlichkeit (Mittelwert = 1,86), Konsistenz (Mittelwert = 1,93) und Zuverlässigkeit (Mittelwert = 2,0). Am schlechtesten bewertet, aber dennoch mit einer tendenziellen Affirmation verbunden, ist das Kriterium der Nachhaltigkeit des Bewertungsmodells (Mittelwert = 2,08). Die Ergebnisse sind in Abbildung 72 nochmals schematisch zusammengefasst. 0% 20% 40% 60% 80% 100% Relevanz Verständlichkeit Vollständigkeit Konsistenz Zuverlässigkeit Aktualität Nachhaltigkeit Legende Stimme völlig zu Stimme eher zu Bin unentschieden Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Abbildung 72: Bewertung der Qualität des Bewertungsmodells Aus dem ergänzenden, textuellen Frageblock am Ende des Evaluationsbogens ist zu entnehmen, dass insbesondere die ganzheitliche, umfassende und strukturierte Betrachtung der gewählten Thematik positiv empfunden wird. Wünschenswert sind gemäss den Aussagen der Befragten eine Ausweitung des Bewertungsmodells hinsichtlich finanzieller Messgrössen und eine stärkere Einbindung von Aspekten, die sich auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten beziehen. Evaluation des Reifegradmodells 223 8.4.2 Empirische Beurteilung der Umsetzung des Reifegradmodells Anders als die meisten Reifegradmodelle bietet das entwickelte HSRM3 nicht nur eine textuelle Beschreibung oder einen Raster der Reifegrade, sondern auch ein Analyseund Erhebungswerkzeug, das die organisationsbezogene Reifebeurteilung unterstützt und zugleich branchenweite Analysen ermöglicht. Die Frage, ob der zur Verfügung gestellte Prototyp adressatengerecht ist, ist noch offen und wird nun an dieser Stelle beantwortet.108 Kriterien, die hier zur Anwendung kommen, sind ebenfalls aus der gängigen Literatur abgeleitet [vgl. z. B. DeLone, McLean 2003, S. 26]. Dabei gilt es Kriterien zu unterscheiden, die generell zur Beurteilung des Prototyps angewendet werden (bspw. die Einfachheit der Bedienung, die Übersichtlichkeit der Darstellungen, die Stabilität, die Benutzerangemessenheit oder die Anwendbarkeit im realen Kontext) und solche, die zur Beurteilung des Mehrwerts dienen (z. B. übersichtlichere Darstellung oder bessere Verständlichkeit und Kommunizierbarkeit der Resultate eines Assessments im Vergleich zu einer papierbasierten Variante). Die Bewertung dieser Kriterien ist mit der gleichen fünfstufigen Rating-Skala erfolgt. Gleich wie bei der vorherigen Beurteilung des Bewertungsmodells liegen die Medianwerte sämtlicher Kriterien bei einem Wert von 2. Folglich kann auch daraus eine tendenzielle Zustimmung gedeutet werden. Allerdings ist die Spannweite der Ergebnisse etwas breiter. Dies ist insbesondere beim ersten Kriterium – Einfachheit der Bedienung (Mittelwert = 1,92) – der Fall. Rund 69% der Befragten stimmen zu oder tendenziell zu, 23% sind unentschieden und 8% stimmen eher nicht zu. Am besten bewertet wurde die Übersichtlichkeit des Prototyps (Mittelwert = 1,86) und die Visualisierung der Resultate (Mittelwert = 1,86). Etwas weniger hoch eingeschätzt sind die Anwendbarkeit (Mittelwert = 1,92) und Stabilität des Prototyps (Mittelwert = 1,92). Tendenzielle Zustimmung herrscht auch in Bezug auf die Verständlichkeit (Mittelwert = 2,15) und Kommunizierbarkeit der Assessment-Ergebnisse (Mittelwert = 2,00). Die Frage, ob der Prototyp weitgehend den Bedürfnissen bzw. Vorstellungen der Einkaufsverantwortlichen entspricht, ist am schlechtesten bewertet worden (Mittelwert = 2,29). Gemäss den Befragten würde eine Filterfunktion zur Auswahl von Auswertungen sowie eine Funktion für den Import und Export der Assessment-Ergebnisse die Qualität des Prototyps merklich verbessern. Abbildung 73 zeigt die zusammengefassten Resultate dieses Teils der Umfrage. 108 Vgl. Abschnitt 8.3.2. 224 Evaluation des Reifegradmodells 0% 20% 40% 60% 80% 100% Bedienbarkeit Übersichtlichkeit Legende Stabilität Anwendbarkeit Stimme völlig zu Angemessenheit Stimme eher zu Bin unentschieden Kommunizierbarkeit* Stimme eher nicht zu Verständlichkeit* Visualisierung* Stimme überha upt nicht zu * Verbesserung in Bezug auf Papiervariante Abbildung 73: Bewertung der Qualität des Analyse- und Erhebungswerkzeugs 8.4.3 Empirische Beurteilung der Nutzerakzeptanz Zur Beurteilung der Nutzerakzeptanz sind die Einkaufsverantwortlichen zum einen gefragt worden, ob sie das Reifegradmodell in Zukunft tatsächlich nutzen wollen, zum anderen, wie sie das Reifegradmodell nutzen wollen. Für die Bewertung der ersten Fragestellung wird eine vierstufige Rating-Skala verwendet (vgl. Abbildung 74). Insgesamt geben 74% der Befragten an, das entwickelte HSRM3 Reifegradmodell in Zukunft nutzen zu wollen. 33% sind sogar bereit, für die Nutzung des Reifegradmodells und der entsprechenden Hilfsmittel zu bezahlen. Lediglich 8% der Einkaufsverantwortlichen verzichten auf eine Wiederverwendung des Reifegradmodells. 18% sind noch unentschlossen und machen dies von der weiteren Entwicklung des Prototyps und der Ausweitung der Befragungsbasis abhängig. Aus den dargelegten Ergebnissen kann also geschlossen werden, dass die zukünftige Nutzungswahrscheinlichkeit relativ hoch eingestuft und durch zusätzliche Massnahmen weiter erhöht werden kann. Gerade in Bezug auf die Ausweitung der Befragungsbasis ist ein grosses Potenzial zu erkennen, da ausschliesslich Schweizer Krankenhäuser befragt wurden. Angesichts der hohen Vergleichbarkeit der Gesundheitssysteme des deutschsprachigen Raumes ist auch eine Erhebung in Deutschland und Österreich denkbar. Dies würde eine weitere interessante Auswertungsperspektive „Internationaler Vergleich“ ermöglichen und die oftmals regional oder national fokussierte Denkweise erweitern. Evaluation des Reifegradmodells 225 Legende 18% 33% Ja Ja , wenn kostenfrei 8% Nein Weiss nicht 41% Abbildung 74: Bewertung der Nutzungswahrscheinlichkeit Neben der Einschätzung der Nutzungswahrscheinlichkeit ist es für die Weiterentwicklung und Pflege des Reifegradmodells fundamental zu wissen, welche Nutzungsszenarien präferiert werden.109 Wie bereits in Abschnitt 3.2.5 erläutert, kann ein Reifegradmodell grundsätzlich als Mittel zur Selbstbeurteilung (self-assessment), zur unterstützten Selbstbeurteilung (third-party assisted) oder im Rahmen einer Fremdbeurteilung (certified professionals) genutzt werden. Basierend auf dieser Differenzierung sind die Einkaufsverantwortlichen befragt worden, wie sie das HSRM3 zukünftig einsetzen wollen. Rund 43% der Befragten geben an, das Reifegradmodell im Rahmen einer Selbstbeurteilung und 22% im Rahmen einer unterstützten Selbstbeurteilung nutzen zu wollen. Weitere 21% der Einkaufsverantwortlichen würden eine Fremdbeurteilung – wie es bspw. bei CMMI oder SPICE der Fall ist – bevorzugen. Die restlichen 14% wollte keine Präferenz formulieren resp. konnten sich nicht entscheiden, was für sie die beste Alternative darstellt. Die Resultate sind in Abbildung 75 ersichtlich. 109 Die Betrachtung des Lebenszyklus eines Reifegradmodells ist in [Mettler 2009, S. 7 f.] ausführlich beschrieben. Hiernach wird zwischen Entwickler- und Anwenderperspektive unterschieden. Aus der Entwicklerperspektive endet die Konstruktion des Reifegradmodells nicht nach dessen Evaluation, sondern nach der Reflexion hinsichtlich der Evolution des Modells, d. h. ob und wie das Artefakt weiterentwickelt werden soll. 226 Evaluation des Reifegradmodells Legende 14% Ich selbst 43% 21% Ich selbst unterstützt durch Bera ter Durch Bera ter 22% Weiss nicht Abbildung 75: Bewertung des Nutzungsszenarios 8.5 Evaluation aus ökonomischer Perspektive Aus ökonomischer Sicht stellt sich die Frage, welchen Nutzen das entwickelte Reifegradmodell in Bezug auf den vorher spezifizierten Wirkungsbereich generiert. Insbesondere im Design Research ist dies mitunter eines der wichtigsten Kriterien für die Beurteilung der Güte eines Forschungsvorhabens [vgl. March, Smith, S. 253]. Im Rahmen dieser Arbeit kann die Bewertung des Nutzens als erweiterte Validierung der Problemlösung verstanden werden. Wie bereits zu Beginn der vorliegenden Arbeit dargelegt, konzentriert sich der Wirkungsbereich des Reifegradmodells in erster Linie auf die Einkaufsverantwortlichen von Krankenhäusern. Für die Bewertung des Nutzens ergeben sich somit eine individuelle (der Einkaufsverantwortliche) als auch eine organisationale (das Krankenhaus) Betrachtungsebene.110 Kriterien zur Bewertung sowohl individueller als auch organisationaler Nutzenaspekte sind auch hier anhand der gängigen Literatur abgeleitet [vgl. dazu DeLone, McLean 1992, S. 84; Mirani, Lederer 1998, S. 812] und im Rahmen der Umfrage, die bereits für die Evaluation aus Nutzerperspektive durchgeführt wurde, bewertet worden.111 110 Diese Unterscheidung wird auch im IS-Success-Modell getroffen, auf welches sich bereits die Ausführungen in der vorherigen Evaluationsperspektive stützen [vgl. DeLone, McLean 1992, S. 87; 2003. S. 12]. 111 Vgl. Frageblöcke D und E im Anhang C. Evaluation des Reifegradmodells 227 8.5.1 Empirische Beurteilung des persönlichen Nutzens Grundlegende Aufgabe eines Reifegradmodells ist es, den Anwender bei der Einschätzung des Zustands eines Gestaltungsbereichs zu unterstützen (Ist-Analyse).112 Des Weiteren kann das Reifegradmodell auch als Grundlage zur Planung und Analyse von Veränderungen dienen (Gap-Analyse). Einerseits können dadurch die Zeit für die Entscheidungsfindung verkürzt, andererseits die getroffenen Entscheide besser begründet werden. Schliesslich kann durch die Anwendung eines Reifegradmodells auch das persönliche Wissen des Anwenders erweitert werden. In Hinblick auf die erwähnten Nutzenpotenziale kann gesagt werden, dass das entwickelte HSRM3 Reifegradmodell diese hinreichend erfüllt (der Median aller diesbezüglich definierten Kriterien liegt bei einem Wert von 2). Gemäss der Einschätzung der befragten Einkaufsverantwortlichen hilft das Reifegradmodell insbesondere bei der Erkennung der eigenen Stärken und Schwächen (Mittelwert = 1,64) sowie bei der Planung (Mittelwert = 1,79), Kommunikation (Mittelwert = 1,79) und Analyse (Mittelwert = 2,07) von Veränderungen. Ferner sind mehr als 70% der Befragten der Meinung, dass das Reifegradmodell die Akzeptanz der getroffenen Entscheide erhöht (Mittelwert = 2,07). Weniger Zustimmung fand die Aussage, dass das Reifegradmodell zu besseren Entscheiden führe (Mittelwert = 2,14) oder die Entscheidungsfindung verkürze (Mittelwert = 2,14). Letzteres kann daher motiviert sein, dass für die initiale Erhebung der definierten Gestaltungsobjekte mehrstündige Interviews (teilweise mit Vor- und Nachbesprechungen) notwendig waren. Das schlechte Abschneiden in Bezug auf den ersten Punkt lässt sich dadurch erklären, dass zum Zeitpunkt der Umfrageerhebung keine berechtigten Aussagen gemacht werden können, da erst bei fortdauernder Nutzung des Reifegradmodells genügend Evidenz zur Beurteilung dieser Fragestellung vorhanden ist. Folglich haben viele der Befragten eine indifferente Meinung vertreten. Die geringste Zustimmung findet die Aussage, dass das Reifegradmodell das persönliche Wissen der Einkaufsverantwortlichen erweitere (Mittelwert = 2,21). In Anbetracht der Tatsache, dass rund 71% der Befragten einen mittleren bis hohen Kenntnisstand der Thematik aufweisen, ist diese Beurteilung nicht sonderlich bedeutungsvoll. Eine nähere Betrachtung derjenigen Fragebögen, die von Einkaufsverantwortlichen mit geringer Sachkenntnis ausgefüllt wurden, zeigt eine tendenzielle bis hohe Affirmation. Abbildung 76 stellt die Resultate nochmals grafisch dar. 112 Vgl. Abschnitt 3.2.1. 228 Evaluation des Reifegradmodells Das Reifegradmodell hilft... 0% 20% 40% 60% 80% 100% ...Stärken und Schwä chen zu erkennen ...Verä nderungen na chhaltig zu pla nen ...die Entscheidungsfindung zu verkürzen Legende ...bessere Entscheidungen zu treffen Stimme völlig zu ...Veränderungen zu kommunizieren Stimme eher zu ...die Akzeptanz zu erhöhen ...Verä nderungen zu ana lysieren ...das persönliche Wissen zu erweitern Bin unentschieden Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Abbildung 76: Bewertung des persönlichen Nutzens 8.5.2 Empirische Beurteilung des organisationalen Nutzens Durch die oben aufgezeigten individuellen Effekte kann auch ein Nutzen für die Arbeitsgruppe und die Organisation entstehen. Beispielsweise könnten mit der regelmässigen Anwendung des Reifegradmodells die Zielerreichung des Einkaufs und/oder der Fachbereiche verbessert sowie die Effektivität, Effizienz, Veränderungsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit der Organisation erhöht werden. Möglich sind auch eine Stärkung der internen Positionierung des Einkaufs innerhalb eines Krankenhauses sowie der Positionierung im Beschaffungsmarkt. Da diese organisationalen Nutzeneffekte im Vergleich zu den individuellen Auswirkungen meist sehr viel später eintreten, können hier die befragten Einkaufsverantwortlichen lediglich grobe Schätzungen anstellen.113 Folglich ist die Spannweite der Antworten vergleichsweise höher als bei den zuvor diskutierten Fragenkomplexen (vgl. Abbildung 77). Beispielsweise wird die Aussage, dass das Reifegradmodell die Lieferantenbeziehung verbessere, höchst unterschiedlich bewertet (Maximum = 2 und Minimum = 5). Auch liegen die Medianwerte bestimmter Kriterien erstmals über dem Wert von 2, was auf eine Missbilligung hindeuten könnte. Kritisch ist deshalb die Wirkung des Reifegradmodells in Bezug auf die Effektivität (Median = 3), Lieferan113 Befriedigende empirische Erkenntnisse hinsichtlich der organisationalen Effekte des CMM-Reifegradmodells konnten erst neun Jahre nach dessen Erstellung präsentiert werden [vgl. Herbsleb, Goldenson 1996; Herbsleb et al. 1997]. Evaluation des Reifegradmodells 229 tenbeziehung (Median = 3) oder externe Positionierung (Median = 2,5) zu interpretieren. Betrachtet man die durchschnittliche Beurteilung aller Kriterien, so stellt man auch hier eine vergleichsweise geringere Zustimmung fest als bei den zuvor diskutierten Nutzenaspekten. Mit am besten bewertet wird der Effekt auf die interne Positionierung (Mittelwert = 2,00) und auf die Veränderungsfähigkeit (Mittelwert = 2,21). Tendenzielle Zustimmung herrscht auch hinsichtlich des Effekts auf die Zielerreichung (Mittelwert = 2,29) und auf die Effizienz (Mittelwert = 2,43). Eher indifferent sind die Befragten in Bezug auf die Aussage, dass das Reifegradmodell die Effektivität erhöhe (Mittelwert = 2,57) oder die Stellung im Beschaffungsmarkt festige (Mittelwert = 2,57). Kein Effekt wird in Bezug auf die Verbesserung der Lieferantenbeziehungen gesehen (Mittelwert = 3,29). Das Reifegradmodell hilft... 0% 20% 40% 60% 80% 100% ...die Zielerreichung zu verbessern ...die Liefera ntenbeziehungen zu verbessern ...die Verä nderungsfä higkeit zu steigern Legende Stimme völlig zu ...die interne Positionierung zu verbessern Stimme eher zu ...die externe Positionierung zu verbessern ...die Effektivität zu erhöhen ...die Effizienz zu erhöhen Bin unentschieden Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Abbildung 77: Bewertung des organisationalen Nutzens 8.6 Evaluation aus epistemologischer Perspektive Das Ziel der Evaluation aus epistemologischer Perspektive ist die Beurteilung der Einhaltung genereller wissenschaftlicher Anforderungen sowie die Überprüfung des effektiven Beitrags zur Wissensbasis [vgl. Frank 2007, S. 133]. Nach FRANK sind die wesentlichen Kriterien zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse – ungeachtet des gewählten Forschungsparadigmas – die Originalität, Abstraktion und Begründung [vgl. Frank 2006, S. 33 f.]. 230 Evaluation des Reifegradmodells Damit ein Artefakt als originell bezeichnet werden kann, gilt es den Nachweis zu erbringen, dass es ein bisher unbewältigtes Problem angemessen löst oder eine bereits adressierte Problemstellung besser löst als bisherige Ansätze.114 Wie zu Beginn der Arbeit dargelegt und durch eine Literaturanalyse existierender Reifegradmodelle bekräftigt, gibt es für die gewählte Forschungsfrage noch keine entsprechende Problemlösung. Die zuvor beschriebenen Evaluationsergebnisse lassen zudem den Schluss zu, dass das konzipierte HSRM3 Reifegradmodell die Einkaufsverantwortlichen bei der Gestaltung ihres Feldes angemessen unterstützt. Insofern wird angenommen, dass das Kriterium der Originalität erfüllt wird. Das Postulat der Abstraktion fordert, dass das Artefakt nicht für eine spezifische Problemstellung oder für eine bestimmte Organisation konzipiert wurde (z. B. Reorganisation des Einkaufs des Krankenhaus x), sondern eine Klasse von Problemen löst resp. für eine Klasse von Organisationen gilt [vgl. Frank 2006, S. 33]. Dabei sind drei unterschiedliche Formen der Abstraktion zu unterscheiden: Abstraktion zum Allgemeinen: Wesentliche Zielsetzung dieser Form der Abstraktion ist es, spezifische Sachverhalte in allgemeine zu überführen. Durch die Generalisierung der Resultate der Artefaktkonstruktion wird die Übertragbarkeit auf andere Kontexte erhöht. Abstraktion vom Irrelevanten: Mit der zweiten Form der Abstraktion wird eine Begrenzung des Gestaltungsbereiches resp. eine Verkürzung der Realität beabsichtigt. Dadurch sollen komplexe Sachverhalte vereinfacht und für die vorgesehenen Adressaten allgemein verständlich werden. Abstraktion des Möglichen: Anders als in der erklärungsorientierten Forschung ist die Vielfalt der relevanten Kontexte in der gestaltungsorientierten Forschung nicht auf die existierende Realität beschränkt, sondern konzentriert sich auch auf die Welt des Möglichen (z. B. künstliche Intelligenz). Dies erlaubt die Konstruktion besonders innovativer Artefakte [vgl. Frank 2009, S. 168 f.]. Allerdings lassen sich durch diese Form der Abstraktion nicht alle implizit oder explizit getroffenen Annahmen eines Artefakts durch die faktische Welt bzw. durch ihre empirische Untersuchung erklären (relaxed truth). 114 Vgl. auch Abbildung 5. Evaluation des Reifegradmodells 231 Dies führt zum nächsten epistemologischen Bewertungskriterium, der Begründung der wissenschaftlichen Erkenntnis, resp. der Fragestellung, inwieweit die Annahmen eines Reifegradmodells begründet werden können? Wie bereits erläutert, ist die Evaluation eines neu konzipierten Reifegradmodells insoweit limitiert, als dass einerseits die definierten Gestaltungsobjekte oftmals zu innovativ sind und deshalb nicht in der Realität beobachtet werden können, andererseits es sehr schwierig ist eine umfängliche Testbasis aufzustellen.115 Dies führt häufig dazu, dass die zentrale Hypothese eines Reifegradmodells, nämlich „höhere Reifegrade sind in irgendeiner Form besser als die niederen Reifegrade“, nicht direkt beobachtet werden kann. Dies ist auch beim entwickelten HSRM3 der Fall, da wie zu Beginn der Arbeit erläutert, die Reife des Supply Managements im Gesundheitswesen eher gering ist und daher viele der spezifizierten Gestaltungsobjekte nicht in einem Krankenhaus wiederzufinden sind.116 Infolgedessen ist für das entwickelte HSRM3 die Überprüfung der generellen Korrektheit des Reifegradmodells indirekt durch die Einschätzung der befragten Einkaufsverantwortlichen erfolgt.117 Nichtsdestotrotz lassen sich einige, während der Konstruktion getroffene Annahmen genauer testen. Folgende Hypothesen sollen nachfolgend geprüft werden: Die abstrahierten Gestaltungsobjekte sind relevant und erlauben ein zuverlässiges Gestalten des Krankenhauseinkaufs. Die Zuordnung der Gestaltungsobjekte ist korrekt resp. die Gestaltungsdimensionen sind in sich schlüssig. Die definierten Szenarien geben eine korrekte Verallgemeinerung der Realität wider resp. das verwendete Konzept der Situativität ist geeignet. Aufgrund dieser Hypothesen ergeben sich die folgenden Fragestellungen: Sind alle Gestaltungsobjekte für eine Beurteilung der Reife des Supply Managements eines Krankenhauses zwingend notwendig? Welche Gestaltungsobjekte verringern die Reliabilität der Bewertung? 115 Vgl. Abschnitt 3.2.3. 116 Aus der Rasch-Analyse (vgl. Abbildung 67) wird ersichtlich, dass die Fähigkeiten der untersuchten Krankenhäuser nahe beieinander und im Mittelfeld des möglichen Spektrums liegen. Folglich ist ein Vergleich der besten mit den schlechtesten Krankenhäusern der Stichprobe nur bedingt sinnvoll für die Überprüfung dieser Hypothese. 117 Vgl. Abschnitt 8.4.1. 232 Evaluation des Reifegradmodells Enthalten die Gestaltungsdimensionen die richtigen Gestaltungsobjekte? Gibt es Gestaltungsobjekte, die auch in anderen Dimensionen Anwendung finden können? Hat die Situativität einen Einfluss auf die Gestaltung des Supply Managements eines Krankenhauses? Bewerten die spezifizierten Szenarien tatsächlich unterschiedliche Situationen? Die folgenden Ausführungen sollen die aufgestellten Fragestellungen beantworten und zugleich die Begründung der bei der Modellentwicklung angewandten Abstraktionen liefern. 8.6.1 Theoretische Beurteilung der Reliabilität Die Bewertung der Zuverlässigkeit der definierten Modellbasis erfolgt anhand der Durchführung einer Reliabilitätsanalyse. Diese prüft nach verschiedenen Kriterien, welche Gestaltungsobjekte sich für die Beurteilung des Gestaltungsbereiches als brauchbar und welche als unbrauchbar erweisen. In diesem Zusammenhang kommen häufig die nachfolgenden statistischen Gütekriterien zur Anwendung: Trennschärfekoeffizient: Die Trennschärfe bzw. der Trennschärfekoeffizient (r) gibt an, wie gut ein einzelnes Gestaltungsobjekt das Gesamtergebnis eines Assessments repräsentiert und wird in der Statistik als die Korrelation eines Items mit dem Gesamttestwert eines Tests verstanden [vgl. Bortz, Döring 2002, S. 218]. Itemschwierigkeit: Die Itemschwierigkeit entspricht dem Verhältnis richtig gelöster oder bejahter Items zu den falsch gelösten oder verneinten Items. Dieses Kriterium ist bspw. im Rahmen der Rasch-Analyse angewendet worden, um die Reifegrade des Bewertungsmodells zu ermitteln.118 Reliabilitätskoeffizient: Der Reliabilitätskoeffizient ist ein wichtiger Indikator zur Beurteilung der Güte des gesamten Tests und kann als Mass der Genauigkeit verstanden werden, mit der ein bestimmtes Gestaltungsobjekt durch das Assessment erfasst wird. Eine Kenngrösse, die vielfach dafür verwendet wird, ist das sogenannte Cronbach’s Alpha ( ), welche Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Eine Messung ist reliabel, wenn 118 > 0,7 ist [vgl. Cortina 1993; Schmitt 1996]. Da die Itemschwierigkeit in Abschnitt 7.3.1.1 zur Bestimmung der Reifegrade Anwendung findet, beschränkt sich die Evaluation auf die Betrachtung des Trennschärfekoeffizients und des Reliabilitätskoeffizients. Evaluation des Reifegradmodells 233 Zur Beantwortung der ersten der oben aufgezeigten Fragestellungen wird anhand der Software SPSS Version 17.0 der Trennschärfekoeffizient (r) der einzelnen Gestaltungsobjekte und der Reliabilitätskoeffizient des Bewertungsmodells ( ) berechnet. Die Ergebnisse dieser Berechnung sind in Tabelle 48 dargestellt. Die Zuverlässigkeit des Reifegradmodells mit einem bemessenen Cronbach’s Alpha von 0,959 scheint sehr hoch zu sein. Allerdings ist dieser ausserordentlich gute Wert relativ zu sehen, da mit zunehmender Anzahl der Items dieser Indikator ebenfalls steigt. Infolgedessen wird die Nützlichkeit der Verwendung von Cronbach’s Alpha zur Beurteilung der Reliabilität einer Messung kontrovers diskutiert [vgl. Cortina 1993; Schmitt 1996]. Deshalb sollte diese Masszahl lediglich als Anhaltspunkt zur Beurteilung der Reliabilität dienen. In Bezug auf ein einzelnes Gestaltungsobjekt ist so zu interpretieren: Wenn < 0,959 ist, dann bedeutet dies, dass das entsprechende Gestaltungsobjekt die Reliabilität des Assessments verringert. Wenn > 0,959 ist, dann ist dieses Gestaltungsobjekt unbedingt beizubehalten. Der Trennschärfekoeffizient kann wie folgt interpretiert werden: Wenn r < 0,5 ist, dann hat dieses Gestaltungsobjekt einen relativ geringen bis negativen Effekt auf das Resultat des Assessments (ist nicht trennscharf) und sollte daher weggelassen werden. Eine hohe Korrelation (Werte für r > 0,5) bedeutet, dass dieses Gestaltungsobjekt entscheidend auf das Resultat der Reifebeurteilung einwirkt. Die aufgrund dieser Berechnung als „kritisch“ einzustufenden Gestaltungsobjekte sind in der nachfolgenden Tabelle 48 fett hervorgehoben. r Gestaltungsobjekt Innovationsverhalten ,853 ,959 Beschaffungsvision ,711 ,958 Beschaffungsleitlinien ,944 ,959 Interne Analyse ,946 ,959 Externe Analyse ,579 ,960 Beschaffungsstrategie ,878 ,958 Unterstützung für interne und externe Analysen ,565 ,959 Unterstützung der Kreativität und Dokumentation ,278 ,958 Motivations- und Führungskompetenz ,799 ,959 Trendkompetenz ,878 ,959 Strategisches Einkaufswissen ,853 ,959 Veränderungsverhalten ,560 ,960 Leistungsdefinition ,765 ,960 Prozessdefinition ,799 ,959 234 Evaluation des Reifegradmodells r Gestaltungsobjekt Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung ,545 ,960 Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation ,794 ,959 Transformationskompetenz ,799 ,959 Geschäftsprozesswissen ,564 ,959 Informationsverhalten ,946 ,959 Monitoring der Lieferanten ,643 ,959 -,146 ,962 Monitoring der Beschaffungsperformance ,853 ,959 Berichterstattung ,760 ,960 Unterstützung der Perform. Messung, Analyse und des Reportings ,579 ,960 Controlling- und Risikomanagementwissen ,853 ,959 Lieferantensuche ,653 ,961 Ausschreibung -,033 ,961 Lieferantenbeurteilung und -auswahl ,564 ,959 Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl ,553 ,961 Unterstützung der Ausschreibung ,560 ,960 Sozialkompetenz ,564 ,958 -,033 ,961 Ergebnisverhalten ,807 ,963 Verhandlungsvorbereitung ,657 ,961 Verhandlungsführung ,946 ,959 Vertragsabschluss ,561 ,961 Unterstützung der Verhandlungsführung ,565 ,959 Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung ,822 ,959 Elektronische Signatur ,661 ,961 Konfliktkompetenz -,153 ,960 Verhandlungswissen ,946 ,959 Kooperationsverhalten ,946 ,959 Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung ,853 ,959 Kollaborative Produktentwicklung ,794 ,959 Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit ,586 ,960 Kooperationskompetenz ,946 ,959 Bestellverhalten ,564 ,959 Bedarfsermittlung bei direkten Materialien ,532 ,960 Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien ,799 ,959 Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und DL ,656 ,959 Unterstützung der Bestandesführung ,753 ,960 Unterstützung der Bedarfsaufnahme ,540 ,960 -,033 ,960 Monitoring der Bedarfsträger Rechtswissen Kundenkompetenz Evaluation des Reifegradmodells 235 r Gestaltungsobjekt Material- und Logistikmanagementwissen ,564 ,959 Bestellung direkter Materialien ,560 ,960 Bestellung indirekter Materialien ,656 ,959 Bestellung von Einzelbeschaffungen und DL ,788 ,959 Unterstützung der Bestellung direkter Materialien ,799 ,959 Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien ,656 ,959 Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und DL ,656 ,959 Technologiekompetenz ,579 ,960 Qualitätsverhalten ,799 ,959 Wareneingangskontrolle ,564 ,959 Wareneingangsbuchung ,853 ,959 Handhabung von Beschwerden ,542 ,960 Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung ,799 ,959 Qualitätsmanagementwissen ,564 ,959 Tabelle 48: Item-Skala-Statistik Eine geringfügig nachteilige Wirkung auf die Zuverlässigkeit des Reifegradmodells haben die Gestaltungsobjekte Sozialkompetenz und Beschaffungsvision. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese Items eine grosse Ähnlichkeit zu anderen Gestaltungsobjekten aufweisen und daher nicht eindeutig bestimmt werden können. Bspw. ist eine Abgrenzung zwischen Sozialkompetenz und Motivations- und Führungskompetenz nicht eindeutig möglich. Gleiches kann auch in Bezug auf die Beschaffungsvision und die Beschaffungsstrategie gesagt werden, da in der Praxis die Begriffe meist nicht klar definiert sind. Dahingegen scheinen die Gestaltungsobjekte Ausschreibung, Konfliktkompetenz, Kundenkompetenz, Monitoring der Bedarfsträger und Rechtswissen einen negativen Einfluss auf das Ergebnis der Reifebeurteilung zu haben. Dies kann dadurch begründet sein, dass diese Gestaltungsobjekte einerseits ebenfalls nicht genügend trennscharf von anderen abgegrenzt werden können (bspw. kann eine Ausschreibung auch als Lieferantensuche verstanden werden), andererseits herrscht bei bestimmten Gestaltungsobjekten ein grösserer subjektiver Spielraum (bspw. ist es für die Befragten schwierig einzuschätzen, ob ihr Kenntnisstand hinsichtlich der für den Krankenhauseinkauf einschlägigen Rechtsgrundlagen vorhanden ist oder nicht). Einen geringen Einfluss auf die Reife eines Krankenhauseinkaufs hat auch das Gestaltungsobjekt Unterstützung der Kreativität und Dokumentation. Ein Grund dafür könnte sein, dass dieses Gestaltungsobjekt eine geringe Spezifität in Bezug auf den betrach- 236 Evaluation des Reifegradmodells teten Gestaltungsbereich aufweist (bspw. werden Systeme zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung und Bereitstellung von Inhalten und Dokumenten in praktisch allen Bereichen genutzt, wo Informationen verarbeitet werden). 8.6.2 Theoretische Beurteilung der Konvergenzvalidität Aus epistemologischer Sicht steht der Begriff der Validität für die Gültigkeit bzw. für die konzeptionelle Richtigkeit einer Aussage. Im Hinblick auf die zweite Fragestellung, ob die Gestaltungsdimensionen die richtigen Gestaltungsobjekte enthalten, ist insbesondere die sogenannte Konvergenzvalidität von Bedeutung. Diese beschreibt den Grad der Übereinstimmung zwischen einer Messung und ihrer Operationalisierung [vgl. Bagozzi, Phillips 1982, S. 468; Schnell et al. 2008, S. 157]. Übertragen auf die zuvor aufgestellte Hypothese bedeutet dies, dass diejenigen Gestaltungsobjekte, die derselben Gestaltungsdimension zugewiesen sind, hoch korrelieren sollten. Als Mittel zur Überprüfung der Korrektheit der Zuordnung der Gestaltungsobjekte wird, auf Basis der Assessment-Resultate der fünfzehn Krankenhäuser, eine Faktorenanalyse durchgeführt.119 Dies ist ein statistisches Verfahren, um eine grössere Anzahl Variablen (hier: die Gestaltungsobjekte) auf eine kleinere Anzahl Faktoren (hier: die Gestaltungsdimensionen) zurückzuführen. Dabei werden diejenigen Variablen, die untereinander stark korrelieren, zu einem Faktor zusammengefasst. Da die Anzahl Faktoren bereits bekannt ist, die extrahiert werden soll, handelt es sich in der vorliegenden Arbeit um eine konfirmatorische Faktorenanalyse.120 Folglich sind, ausgehend von der prozesszentrierten Sichtweise des Supply Managements, insgesamt neun Faktoren mittels Hauptachsenmethode extrahiert und die berechneten Faktorwerte zwecks Vereinfachung der Interpretation mit der Varimax-Methode rotiert worden. Tabelle 49 zeigt die Resultate dieser Berechnung, die wie folgt zu interpretieren sind: Ist der Wert > ±0,5 bedeutet dies, dass das Gestaltungsobjekt mit der entsprechenden Dimension korreliert. Ist der Wert < ±0,5 bedeutet dies, dass keine signifikante Korrelation besteht und eine eindeutige Zuordnung nicht zweifelsfrei möglich ist. In Tabelle 49 sind diejenigen Gestaltungsobjekte fett hervorgehoben, bei denen entweder keine eindeuti- 119 Zur Berechnung ist ebenfalls SPSS Version 17.0 verwendet worden. 120 Im Gegensatz dazu geht die explorative Faktorenanalyse von einer unbekannten Struktur bzw. Faktorenanzahl aus und versucht diese anhand grafischer Tests (z. B. Scree-Plot) oder numerischer Indikatoren (z. B. Kaiser-Kriterium) zu bestimmen. Beispiele für die Anwendung der explorativen Faktorenanalyse in der WI sind [Fitterer et al. 2009; Mettler, Rohner 2009a]. Evaluation des Reifegradmodells 237 ge Zuordnung möglich ist oder deren ausgewiesene Zuordnung mit der im Reifegradmodell implizit getroffenen Zuordnung nicht übereinstimmt. Gestaltungsobjekt Innovationsverhalten Beschaffungsvision Beschaffungsleitlinien Interne Analyse Externe Analyse Beschaffungsstrategie Unterstützung für interne und externe Analysen Unterstützung der Kreativität und Dokumentation Motivations- und Führungskompetenz Trendkompetenz Strategisches Einkaufswissen Veränderungsverhalten Leistungsdefinition Prozessdefinition Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation Transformationskompetenz Geschäftsprozesswissen Informationsverhalten Monitoring der Lieferanten Monitoring der Bedarfsträger Monitoring der Beschaffungsperformance Berichterstattung Unterstützung der Perform, Messung, Analyse und des Reportings Controlling- und Risikomanagementwissen Lieferantensuche Ausschreibung Lieferantenbeurteilung und -auswahl Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl Unterstützung der Ausschreibung Sozialkompetenz Rechtswissen Ergebnisverhalten Verhandlungsvorbereitung Verhandlungsführung Vertragsabschluss Unterstützung der Verhandlungsführung S1 ,654 ,769 ,728 ,825 ,707 ,584 ,684 S2 ,696 ,432 S3 Gestaltungsdimension T1 T2 T3 O1 O2 O3 ,414 ,645 ,453 ,628 ,513 ,559 ,421 ,568 ,440 ,738 ,742 ,419 ,848 ,709 ,402 ,695 ,663 ,489 ,627 ,695 -,426 ,590 -,464 -,582 ,580 ,531 ,471 ,453 ,843 ,431 ,453 ,445 ,441 ,833 ,421 ,408 ,689 ,433 ,465 ,715 ,484 ,431 ,573 ,588 -,539 ,497 ,518 -,405 -,443 238 Evaluation des Reifegradmodells Gestaltungsobjekt S1 Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung Elektronische Signatur Konfliktkompetenz Verhandlungswissen Kooperationsverhalten Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung Kollaborative Produktentwicklung Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit Kooperationskompetenz Bestellverhalten Bedarfsermittlung bei direkten Materialien Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und DL Unterstützung der Bestandesführung Unterstützung der Bedarfsaufnahme Kundenkompetenz Material- und Logistikmanagementwissen Bestellung direkter Materialien Bestellung indirekter Materialien Bestellung von Einzelbeschaffungen und DL Unterstützung der Bestellung direkter Materialien Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und DL Technologiekompetenz Qualitätsverhalten Wareneingangskontrolle Wareneingangsbuchung Handhabung von Beschwerden Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung Qualitätsmanagementwissen S2 S3 Gestaltungsdimension T1 T2 T3 O1 ,674 O2 O3 ,874 ,874 ,748 ,954 ,623 ,428 ,409 ,482 ,765 ,456 ,705 ,425 ,506 ,610 ,584 ,453 ,496 ,486 ,460 ,404 ,467 ,433 ,832 ,556 ,644 ,461 -,637 -,569 -,446 ,780 ,551 ,629 ,457 ,550 ,405 ,477 ,803 -,537 ,451 ,472 -,908 Tabelle 49: Rotierte Faktormatrix Aus der rotierten Faktormatrix wird ersichtlich, dass mehrere Gestaltungsobjekte anders zugeordnet werden sollten. Beispielsweise tendiert das Gestaltungsobjekt Trendkompetenz stärker zur Gestaltungsdimension Strategieimplementierung (S2) und we- Evaluation des Reifegradmodells 239 niger – wie eigentlich erwartet – zur Strategieformulierung (S1). Umgekehrt soll die Leistungsdefinition bereits bei der Strategieformulierung (S1) erfolgen und nicht erst bei der Strategieimplementierung (S2). Auch scheint, dass die Transformationskompetenz stärker mit der Gestaltungsdimension Stabilisierung (T3) korreliert als mit der Strategieimplementierung. Dies mag damit verbunden sein, dass für die Entwicklung nachhaltiger Lieferantenbeziehungen eine hohe Kompetenz im Bereich Business und Change Engineering notwendig ist. Interessant ist, dass das Gestaltungsobjekt Geschäftsprozesswissen eine stärkere Korrelation zur Dimension Bestellung (O2) aufweist als zur zugeordneten Strategieimplementierung (S2). Ein Grund dafür könnte sein, dass mit dem Begriff „Geschäftsprozess“ mehrheitlich operative Aktivitäten verbunden werden und dieser damit eher einer operativen Gestaltungsdimension zuzuordnen ist als einer strategischen. Weitere Gestaltungsobjekte, die stark mit O2 korrelieren, sind die Elektronische Signatur (zugeordnet bei T2) und die Handhabung von Beschwerden (zugeordnet bei O3). Gestaltungsobjekte, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind das Ergebnisverhalten, die Lieferantensuche, das Qualitätsverhalten und die Sozialkompetenz. Die dargelegten Ergebnisse sind, gleich wie die zuvor durchgeführte Reliabilitätsanalyse, kritisch zu reflektieren, da die aufgezeigte Faktorenanalyse diversen Limitationen unterliegt. Einerseits ist die verwendete Stichprobe von n = 14 zu gering, um signifikante Aussagen machen zu können,121 andererseits ist die Wahl der Extraktions- und Rotationsmethode arbiträr und führt meist zu anderen Ergebnissen. Deshalb sollten die durch die statistische Analyse hervorgegangenen Modelländerungen zuvor mit den vorgesehenen Modellnutzern nochmals diskutiert werden. 8.6.3 Theoretische Beurteilung der Diskriminanzvalidität Eine zentrale Annahme des entwickelten HSRM3 Reifegradmodells ist, dass die Koordinationsform des Krankenhauseinkaufs einen wesentlichen Einfluss auf die Reifebeurteilung hat. Folglich sind, basierend auf der gängigen Literatur, fünf Szenarien definiert worden, welche als Grundlage für die Klassifizierung der Einkaufsorganisation dienen.122 Anders als bei einem Grossteil der Reifegradmodelle ist die Situativität demnach inhärenter Bestandteil des HSRM3. Fraglich ist jedoch, ob für die Bewertung der Reife des Krankenhauseinkaufs die Situativität tatsächlich eine Rolle spielt und 121 Nach BÜHNER wird mindestens ein n = 60, besser noch ein n > 100 erwartet [Bühner 2004a, S. 157]. 122 Vgl. Abschnitte 4.1.3 und 7.2.1. 240 Evaluation des Reifegradmodells falls ja, ob die definierten Szenarien geeignet sind, um eine zweckmässige Differenzierung herzustellen. Wesentliches erkenntnistheoretisches Kriterium zur Beurteilung der konzeptionellen Richtigkeit der aufgezeigten Fragestellungen ist deshalb die Diskriminanzvalidität. Diese bezeichnet den Grad in dem andere Einflussgrössen bei der Messung ausgeschlossen werden [vgl. Schnell et al. 2008, S. 157]. Übertragen auf die aufgestellte Hypothese liegt Diskriminanzvalidität vor, wenn ein Gestaltungsszenario andere Sachverhalte erfasst als die anderen Szenarien. Ein geeignetes Mittel, um die beiden Teilfragestellungen zu beantworten, ist die statistische Methode der Diskriminanzanalyse [vgl. Backhaus et al. 2006, S. 156 f.]. Diese liefert zum einen Anhaltspunkte darüber, ob ein signifikanter Unterschied zwischen den Einkaufsorganisationen der untersuchten Krankenhäuser besteht, zum anderen, ob die spezifizierten Szenarien für die Klassifizierung geeignet sind.123 Infolgedessen werden die Gestaltungsszenarien als Gruppenvariable (Differentiator) und die durchschnittlichen Ergebnisse der personenzentrierten Gestaltungsdimensionen als unabhängige Variablen verstanden.124 Daraus ergeben sich drei Subhypothesen, die mit den vorliegenden Daten getestet werden können: 1. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das strategische Supply Management eines Krankenhauses. 2. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das taktische Supply Management eines Krankenhauses. 3. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das operative Supply Management eines Krankenhauses. Die Resultate der Diskriminanzanalyse sind in Tabelle 50 und Tabelle 51 dargestellt. Erstere zeigt, ob die Szenarien einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der jeweiligen Gestaltungsdimension haben. Eine Aussage kann als signifikant verstanden werden, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p 0,05 und als sehr signifikant, wenn p 123 Anders als die Clusteranalyse, die anhand von Distanzmassen ähnliche Strukturen entdecken möchte, werden bei der Diskriminanzanalyse die Klassifikationsvariablen vorgegeben und die Eignung zur Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit geprüft. Beispiele für die Anwendung der Clusteranalyse in der WI sind [Baumöl 2008; Bucher 2009; Reinshagen 2009]. 124 Aus Komplexitätsgründen wird für die Prüfung der Diskriminanzvalidität die personenzentrierte anstelle der prozesszentrierten Gestaltungsdimension zugrundegelegt. Die Berechnung erfolgt wiederum mit SPSS Version 17.0. Evaluation des Reifegradmodells 241 0,01 ist. Ferner beschreibt das Gütemass Wilks-Lambda ( ) die Trennkraft der Diskriminanzfunktion [vgl. Backhaus et al. 2006, S. 182]. Der Wertebereich von liegt zwischen 0 und 1, wobei kleinere Werte eine hohe Trennkraft und grössere Werte eine geringe Trennkraft bedeuten. Aus Tabelle 50 ist also ersichtlich, dass eine signifikante Relation zwischen dem gewählten Szenario und dem strategischen Supply Management und eine sehr signifikante Relation in Bezug auf das taktische Supply Management besteht. Keinen Einfluss hat das gewählte Szenario auf das operative Supply Management, was ebenfalls auf die geringe Trennkraft zurückzuführen ist (da keines der untersuchten Krankenhäuser seinen Einkauf ausgelagert hat, werden die operativen Tätigkeiten mehr oder weniger überall ähnlich durchgeführt). Demzufolge können die ersten beiden Subhypothesen bestätigt und die letzte verworfen werden. In Hinblick auf die initale Fragestellung, ob die Situativität einen Einfluss auf die Gestaltung des Supply Managements eines Krankenhauses hat, kann dies insofern bejaht werden. Gestaltungsdimension Wilks-Lambda df1 df2 Signifikanz Strategisches Supply Management ,403 3 11 ,049 Taktisches Supply Management ,326 3 11 ,005 Operatives Supply Management ,719 3 11 ,286 Tabelle 50: Gleichheitstest der Szenariomittelwerte Aus Tabelle 51 ist zu entnehmen, wie gut die Operationalisierung der Szenarien geeignet ist, um die Krankenhäuser richtig zu klassifizieren. Insgesamt sind lediglich 73,3% der ursprünglich gruppierten Krankenhäuser korrekt klassifiziert worden (z. B. wird ein anfänglich als dezentraler Einkauf klassifiziertes Krankenhaus durch die Diskriminanzfunktion als Netzwerk eingestuft oder vier zentrale Einkaufsorganisationen als Hybride). Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation ist demnach relativ hoch. Infolgedessen ist zu überlegen, wie die Szenarien noch eindeutiger beschrieben werden können, um eine richtige Klassifikation zu gewährleisten (z. B. Hilfetext im Prototyp, grafische Erklärung entsprechend Abbildung 29, etc.). Demnach kann die Tauglichkeit der spezifizierten Szenarien als ein Schwachpunkt gesehen und sollte in einer weiteren Iteration des Konstruktionsprozesses unbedingt adressiert werden. Insgesamt kann jedoch gesagt werden, dass das Konzept der Situativität ebenfalls auf den Artefakttyp „Reifegradmodell“ angewendet werden kann resp. unabdingbar ist, wenn die Reifebeurteilung situationsgerechte und vergleichbare Resultate liefern soll. 242 Evaluation des Reifegradmodells Szenario Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit Dezentral Anzahl Zentral Hybrid Dezentral Zentral 3 Hybrid % Gesamt Netzwerk 1 1 4 7 2 2 Netzwerk 5 5 Dezentral 100,0 100,0 Zentral 42,9 Hybrid 57,1 100,0 100,0 100,0 Netzwerk 100,0 100,0 Tabelle 51: Klassifizierungsergebnisse 8.7 Zusammenfassung der Ergebnisse Ziel der vorliegenden Evaluation ist eine möglichst breite und umfassende Bewertung des in Kapitel 7 vorgeschlagenen Reifegradmodells zu liefern. Aufbauend auf dem von FRANK vorgeschlagenen Bezugsrahmen für die multiperspektivische Evaluation von Referenzmodellen, ist das konstruierte Artefakt aus einer ingenieurmässigen Sicht, aus Anwendersicht, aus ökonomischer Sicht und schliesslich auch aus epistemologischer Sicht anhand verschiedener Kriterien und unterschiedlicher Evaluationsmethoden beurteilt worden: Mittels argumentativer Deskription ist das Reifegradmodell hinsichtlich der Einhaltung allgemeingültiger Qualitätsmerkmale und Konstruktionsrichtlinien sowie mit Rücksicht auf die eigenen Anforderungen verifiziert worden. Die Validierung des vorgeschlagenen Artefakts ist auf Basis einer empirischen Untersuchung erfolgt. Hierzu sind die Einkaufsverantwortlichen ex post im Hinblick auf die Angemessenheit und Nützlichkeit des Reifegradmodells in einer schriftlichen Umfrage befragt worden. Auf Basis verschiedener statistischer Analysen sind schliesslich zentrale Modellannahmen auf ihre erkenntnistheoretische Begründbarkeit untersucht worden. Grundlage dafür bildeten die Resultate aus der Reifebeurteilung von insgesamt fünfzehn Krankenhäusern, welche bereits für die Definition der Reife- und Fähigkeitsgrade genutzt wurden. Die Verifikation der Problemlösung und des Problemlösungsprozesses hat ergeben, dass die grundlegenden Anforderungen an das Reifegradmodell eingehalten werden. Evaluation des Reifegradmodells 243 Hier kann allerdings angemerkt werden, dass das konstruierte HSRM3, insbesondere bei der Beurteilung organisatorischer und kultureller Gestaltungsobjekte, oftmals zu viel Raum für subjektive Urteile offen lässt. Dieser Aspekt kann dadurch abgefangen werden, dass die Reifebeurteilung durch mehrere Personen (z. B. vor- oder nachgelagerte Bereiche des Krankenhauseinkaufs, Krankenhausmanagement) durchgeführt wird. Da dies mit einem Mehraufwand verbunden ist, muss jedoch eine klare und langjährige Verpflichtung zur Nutzung dieses Reifegradmodells bestehen, da ansonsten der Mehraufwand nicht gerechtfertigt ist. Die Analyse aus Nutzerperspektive hat deutlich gemacht, dass die Mehrheit der befragten Einkaufsverantwortlichen eine Wiederverwendung des Reifegradmodells begrüsst. Sowohl die Qualität des Bewertungsmodells als auch die des Analyse- und Erhebungswerkzeugs scheinen positiv auf die Nutzerakzeptanz zu wirken. Uneinheitlicher Meinung sind die befragten Personen in Bezug auf das Vorgehen der Reifebeurteilung. Lediglich ein Fünftel ist mit der derzeitigen unterstützten Befragung einverstanden. Weitaus mehr der Einkaufsverantwortlichen sehen sich in der Lage das Assessment selbständig durchzuführen. Dies wäre mit den zur Verfügung stehenden (textuellen und softwaretechnischen) Mitteln vermutlich auch möglich, jedoch würde die Konsistenz der Befragung trotz der hohen Reliabilität des Bewertungsmodells darunter leiden. Insbesondere in Bezug auf die branchenweite Betrachtung der Reife des Krankenhauseinkaufs könnte dies verschiedene Folgen haben: Zum einen könnte der Zielhorizont unterschiedlich gewählt werden und somit die Bewertung des Soll-Zustands empfindlich beeinflusst werden, zum anderen könnte es vermehrt zu Ausreissern kommen (bspw. aufgrund ausserordentlich konservativer oder progressiver Bewertungen, internem Erklärungsdruck, etc.). Das andere Extremum, die Fremdbeurteilung, ist indes nur von einer kleinen Gruppe der Befragten befürwortet worden. Die Beurteilung aus ökonomischer Perspektive hat gezeigt, dass das Reifegradmodell vorwiegend einen persönlichen Nutzen für die jeweiligen Einkaufsverantwortlichen und weniger einen organisationalen Nutzen generiert. Es darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Wirkungen aus der kontinuierlichen Anwendung eines Reifegradmodells erst nach mehreren Jahren auftreten. Folglich sind die hier dargelegten Resultate mit Vorsicht zu geniessen. Um die Nützlichkeit des Reifegradmodells abschliessend bewerten zu können, ist deshalb eine Langzeitstudie notwendig. Aus epistemologischer Sicht sind drei zentrale Modellannahmen überprüft worden: Die Reliabilität des Reifegradmodells resp. ob die abstrahierten Gestaltungsobjekte ein zuverlässiges Gestalten des Krankenhauseinkaufs erlauben, 244 Evaluation des Reifegradmodells Die Konvergenzvalidität des Reifegradmodells resp. ob die spezifizierten Gestaltungsdimensionen in sich schlüssig sind, Die Diskriminanzvalidität des Reifegradmodells resp. ob die definierten Szenarien eine korrekte Verallgemeinerung der Realität wiedergeben. Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass sich diese zentralen Annahmen bestätigt haben. Das gilt sowohl für die Reliabilität als auch für die Validität des Reifegradmodells. In Bezug auf die erste Annahme zeigt sich, dass mehrere Gestaltungsobjekte nicht trennscharf voneinander differenziert werden können und deshalb evtl. ausgeschlossen werden sollten. Im Hinblick auf die zweite Modellannahme kann gesagt werden, dass der Grossteil der Gestaltungsobjekte der richtigen Gestaltungsdimension zugeordnet ist. Lediglich vereinzelte Gestaltungsobjekte scheinen eine nachteilige Zuordnung aufzuweisen. Bevor allerdings eine Änderung an der Modellbasis vorgenommen wird, sollten die Modellnutzer darüber entscheiden, ob dieser Umstand die interne Konsistenz des Reifegradmodells tatsächlich wesentlich beeinflusst, da gemäss ihren Angaben dieses Kriterium weitestgehend erfüllt ist. Die letzte Modellannahme lässt sich insofern bekräftigen, als dass die Situativität einen bedeutenden Einfluss auf das strategische und taktische Supply Management eines Krankenhauses ausmacht. Jedoch scheinen die definierten Szenarien keine eineindeutige Klassifizierung zu erlauben, da rund ein Drittel der beurteilten Krankenhäuser statistisch gesehen falsch klassifiziert wurde. Damit dies geschmälert werden kann, sind textuelle und grafische Erklärungen im Analyse- und Erhebungswerkzeug zu integrieren. In Hinblick auf die in Kapitel 1 definierten Gestaltungsziele der vorliegenden Arbeit kann gesagt werden, dass die gesteckten Ziele sowohl in Bezug auf die Konzeption als auch auf die Umsetzung des Reifegradmodells erreicht wurden. Folglich sollte in Anlehnung an SIMON eine weitere Iteration des Problemlösungsprozesses nur dann erfolgen, wenn der Aufwand für eine weitere Optimierung der Zielfunktion den daraus resultierenden Nutzen übersteigt [vgl. Simon 1996, S. 116 f.]. Dies ist in Anbetracht der dargelegten Evaluationsergebnisse nur bedingt der Fall. Allerdings gibt es zahlreiche Anschlusspunkte, die näher diskutiert werden müssen. Im folgenden und letzten Kapitel 9 werden deshalb die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch einmal zusammengefasst, kritisch analysiert und ein Ausblick auf die weitere Entwicklung und den Forschungsbedarf in diesem Gebiet gegeben. Schlussbetrachtung 245 9 Schlussbetrachtung In den nachfolgenden Abschnitten erfolgt eine abschliessende Zusammenfassung der Ergebnisse und eine Generalisierung der Erkenntnisse dieser Arbeit (Abschnitt 9.1). Daran anschliessend greift die kritische Würdigung die wesentlichen Limitationen und Nutzenaspekte auf (Abschnitt 9.2). Zuletzt werden die Betrachtungen mit einem kurzen Ausblick auf mögliche Anschlusspunkte für weiterführende Forschungsarbeiten abgeschlossen (Abschnitt 9.3). 9.1 Zusammenfassung und Generalisierung der Ergebnisse Stetig ansteigende Gesundheitsausgaben erhöhen den Druck zur effektiveren und effizienteren Gestaltung von Anreizstrukturen, Praktiken, Softwarekomponenten und Wissenskomponenten im Gesundheitswesen. Insbesondere die Beschaffung in Krankenhäusern sieht sich davon betroffen, da die Krankenhäuser zum einen den grössten Kostenblock des Gesundheitswesens verursachen, zum anderen die Sachkosten einfacher zu optimieren sind als die mit der Erbringung einer Gesundheitsleistung verbundenen Personalkosten. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die betreffenden Stellen bei der organisationalen Gestaltung des Krankenhauseinkaufs durch die Entwicklung eines konfigurierbaren Reifegradmodells zu unterstützen. Das Forschungsziel wurde entsprechend wie folgt formuliert: 1. Identifikation der für den Kontext des Krankenhauseinkaufs relevanten Gestaltungsobjekte und -situationen, 2. Konzipierung eines multidimensionalen Modells zur Bewertung der Reife der identifizierten Gestaltungsobjekte und -situationen sowie 3. Konstruktion eines Softwareprototyps, welcher die notwendigen Funktionen bereitstellt, um die Reife des Gestaltungsbereichs zu erheben und zu analysieren. Den Ausgangspunkt zur Lösung dieser Problemstellung bilden die Klärung der grundlegenden Begriffe in Kapitel 2 und die Aufarbeitung der elementaren Konzepte in Kapitel 3. Im Sinne der Strukturierung und Ordnung der untersuchten Grundlagen ist ein Entwurfsmuster abgeleitet worden, das bei der späteren Problemlösung genutzt wird. Zur Feststellung der Voraussetzungen und Anforderungen an das zu entwickelnde Reifegradmodell sind in Kapitel 4 unterschiedliche Erkenntnisquellen untersucht worden: Einerseits werden auf Basis der einschlägigen Literatur der Auftrag, die Zielsetzungen 246 Schlussbetrachtung und Organisationsformen des Krankenhauseinkaufs diskutiert, andererseits ist eine Einordnung in den grösseren Kontext vorgenommen worden. Darüber hinaus werden auf Grundlage empirischer Untersuchungen und eigener Fallstudien die aus heutiger Sicht substantiellen Herausforderungen ermittelt. In einem weiteren Schritt ist in Kapitel 5 eine umfassende Analyse bestehender Reifegradmodelle aus dem Bereich SCM und E-Business erfolgt. Da jedoch keiner der betrachteten Ansätze für sich genommen in der Lage ist, den gewählten Gestaltungsbereich adäquat und erschöpfend zu adressieren, dient die vergleichende Bewertung als Begründung der Notwendigkeit für die Entwicklung eines neuen Reifegradmodells. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass nur wenige Modelle ihre Konstruktionsprinzipien offen legen und ausreichend begründen. Infolgedessen werden in Kapitel 6 die grundlegenden Designentscheide in Bezug auf die Struktur und Beschaffenheit des Reifegradmodells erklärt. Schliesslich wird auch gezeigt, wie die Modellentwicklung vollzogen wird. Diese unterscheidet sich hinsichtlich dreier Aspekte von den herkömmlichen Vorgehen: Die Modellinhalte werden vor der Festlegung der Reifegrade formal beschrieben. Die Modellinhalte werden zum Zweck der Datenerhebung operationalisiert. Die Anwendung der spezifizierten Techniken bildet die Basis zur Berechnung und Herleitung statischer und flexibler Gestaltungsempfehlungen. Die eigentliche Modellentwicklung wird in Kapitel 7 beschrieben. Diese ist sowohl induktiv auf Basis von Erkenntnissen aus der Praxis (z. B. Fokusgruppen, Fallstudien) als auch deduktiv auf Grundlage bestehender Ansätze erfolgt (z. B. CMMI-ACQ, GPIS MM, LISI). Das resultierende Reifegradmodell besteht aus drei Lösungskomponenten: Einer Domänenontologie, welche die inhaltlichen Aspekte des Gestaltungsbereichs in Beziehung setzt und formalisiert, einem Bewertungsmodell, welches das Raster für die Reifebeurteilung bildet und schliesslich einem Erhebungs- und Analysewerkzeug. Letzteres ist dazu genutzt worden, um den Zustand von fünfzehn Schweizer Krankenhäuser aufzunehmen. Basierend auf diesen Daten und eines probabilistischen Analyseverfahrens konnten im Sinne von Common-Practice-Empfehlungen die Reifeund Fähigkeitsgrade abgeleitet werden. Zum Nachweis der korrekten Umsetzung der definierten Anforderungen sowie zur Prüfung des Erfüllungsgrades der zu Beginn der Arbeit aufgestellten Gestaltungsziele ist das entwickelte Reifegradmodell in Kapitel 8 einer umfassenden Evaluation unterzogen worden. Dies ist aus einem ingenieurmässigen, nutzerbezogenen, ökonomischen Schlussbetrachtung 247 sowie epistemologischen Blickwinkel und unter Anwendung verschiedener Evaluationsmethoden geschehen. Aus der Ingenieursperspektive ist mittels einer argumentativdeduktiven Analyse in erster Linie die Einhaltung allgemeingültiger Konstruktionsrichtlinien und Qualitätskriterien geprüft worden, was einer Verifikation der Problemlösung gleichkommt. Die Validierung ist aus einer nutzerbezogenen und ökonomischen Perspektive erfolgt. Hierzu sind diejenigen Krankenhausvertreter, bei denen eine Erhebung mit dem Reifegradmodell durchgeführt wurde, nachträglich schriftlich hinsichtlich der Tauglichkeit und Nützlichkeit des Modells befragt worden. Schliesslich ist das Reifegradmodell auch aus epistemologischen Gesichtspunkten mittels unterschiedlicher statistischer Tests bewertet worden. Die Ergebnisse der Evaluation sprechen grundsätzlich für die Relevanz und Angemessenheit des Reifegradmodells. Da eine Reihe von Aspekten nicht solide evaluiert werden konnten, bleiben insbesondere aus ökonomischer und epistemologischer Sicht einige Fragen offen. In späteren Betrachtungen sollte deshalb auf die organisationalen Auswirkungen und die Korrektheit der Reifegradstufen stärker Bezug genommen werden. Unabhängig davon stellt sich weiterhin die Frage, was aus der Lösung des Problems gelernt werden kann [vgl. Rossi, Sein 2003, S. 10]. Generell kann hier festgehalten werden, dass die Entwicklung eines Reifegradmodells stets eine Gratwanderung zwischen den Vorstellungen des Konstrukteurs und den Wünschen der Anwender darstellt. Insbesondere aus den Fokusgruppendiskussionen wurde klar, dass die Meinungen hinsichtlich des Innovationsgehalts, Tiefe und Breite der Inhalte eines Reifegradmodells stark differieren können. Da in aller Regel die Modellkonstrukteure das methodische und die Anwender das fachliche Wissen mit sich bringen, sollte eine „symbiotische“ Beziehung angestrebt werden. Nicht zuletzt sind die Entwicklung und Anwendung eines Reifegrademodells als in einander verkettete Zyklen zu betrachten (vgl. Abbildung 78): Bei der Modellentwicklung ist zu beachten, wie das Reifegradmodell in der Praxis Anwendung finden soll. Umgekehrt muss bei der Vorbereitung eines Assessments dafür gesorgt werden, dass das erforderliche Wissen und die hinreichenden Hilfsmittel vorhanden sind. Ähnliche Anknüpfungspunkte ergeben sich auch in Bezug auf die Modellevaluation und Modellanwendung. Beispielsweise sind in der vorliegenden Arbeit auf Basis der Daten, die durch die Anwendung des Reifegradmodells in der Praxis erhoben wurden, unterschiedliche Aspekte der Problemlösung evaluiert worden. Auf der anderen Seite stellt die Evaluation eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Güte und Anwendbarkeit eines Reifegradmodells dar. Ge- 248 Schlussbetrachtung rade in der heutigen Zeit, in der sich dieses Konzept zunehmender Beliebtheit erfreut [vgl. z. B. Mettler et al. 2009, S. 1, Mettler, Rohner 2009, S. 1], sollten die Modellentwickler den potenziellen Modellnutzern genügend Anhaltspunkte für die richtige Auswahl eines Reifegradmodells liefern. Konstruktion Zweck bestimmen Bedürfnis oder Chance erkennen Modell entwickeln Anwendung Anwendung Modell vorbereiten auswählen Bedürfnis erkennen Weiterentwicklung reflektieren Modell evaluieren Modell anwenden Erfahrungen festhalten und lernen Abbildung 78: Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung125 9.2 Kritische Würdigung Im Rahmen einer multiperspektivischen Evaluation ist das Reifegradmodell im vorherigen Kapitel 8 bereits einer kritischen Bewertung der erarbeiteten Ergebnisse unterzogen worden. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die konstruierte Problemlösung gleichermassen den theoretischen Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeit als auch den Ansprüchen der Praxis genügt und somit ein positiver Nutzen generiert wird. Noch unreflektiert ist die Fragestellung, ob das Reifegradmodell den Anspruch der Allgemeingültigkeit und des Empfehlungscharakters zureichend erfüllt.126 Dies ist der Fall, wenn die abstrahierten Ergebnisse der Artefaktkonstruktion resp. das Artefakt selbst den Erfordernissen einer (Design-)Theorie nachkommt. GREGOR definiert diesbezüglich sechs notwendige und zwei hinreichende Voraussetzungen [vgl. Gregor 2007, S. 322 f.]: Zweckbestimmung (causa finalis): Das entwickelte Reifegradmodell muss seine intendierte Zielfunktion definieren und den Wirkungsbereich abgrenzen. In der 125 Übernommen aus [Mettler 2009, S. 8]. 126 Wie in Abschnitt 3.2 erläutert, ist ein Reifegradmodell eine spezielle Form eines Referenzmodells und sollte folglich auch nach diesen Kriterien beurteilt werden. Schlussbetrachtung 249 vorliegenden Arbeit ist dies auf unterschiedliche Weise erfolgt: Einerseits ist zu Beginn der Arbeit der Wirkungsbereich im Hinblick auf die Gestaltung des Krankenhauseinkaufs klar eingegrenzt und unterschiedliche Gestaltungsziele formuliert worden. Andererseits ist anhand einer morphologischen Analyse möglicher Designentscheide ein Bezugsrahmen für den Entwurf des Reifegradmodells formuliert worden, der als weiterer Anhaltspunkt für die Zweckbestimmung dient. Konstruktdefinition (causa materialis): Die für die Artefaktkonstruktion benötigten Entitäten müssen entsprechend definiert werden. Dies ist in der vorliegenden Arbeit im Zuge der Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung geschehen. Auf Basis der dort beschriebenen Metaentitäten sind in einem weiteren Schritt die einzelnen Metaentitäten, im Sinne von Gestaltungsobjekten, instanziiert und mittels Ontologie formalisiert worden. Form- und Strukturprinzipien (causa formalis): Nebst der Definition der grundlegenden Entitäten ist auch ein „Bauplan“ der Artefaktkonstruktion zu spezifizieren. Infolgedessen sind auf Basis der Untersuchung unterschiedlicher Referenz- und Reifegradmodelle die konzeptuellen Inhalte und Struktur des hier entwickelten Artefakts anhand von Metamodellen abgebildet worden. Ferner sind die einzelnen Schritte des Vorgehens, wie das Reifegradmodell entwickelt wurde, textuell beschrieben. Begründete Wissensbasis: Das konstruierte Artefakt baut auf akzeptiertem Wissen auf. Ausgangspunkt der Artefaktkonstruktion bildet die Untersuchung der theoretischen und konzeptionellen Grundlagen. Ferner greifen die Anforderungsanalyse und die anschliessende Konstruktion explizit auf die bestehende Wissensbasis verschiedener Disziplinen zurück. Wandlungsfähigkeit des Artefakts: Der Grad der Wandelungsfähigkeit eines Artefakts ist explizit zu beschreiben. Die Situativität spielt, anders als bei den meisten Reifegradmodellen, in der vorliegenden Arbeit eine bedeutende Rolle. Indem verschiedene Konfigurationsszenarien textuell beschrieben und in einer Konfigurationsmatrix formalisiert werden, kann eine situationsgerechte Reifebeurteilung garantiert werden. In diesem Zusammenhang sind jedoch zwei Limitationen aufzuführen: Zum einen ist die Trennschärfe der definierten Szenarien noch zu ungenau, was sich in einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation ausdrückt.127 Zum anderen fussen die verdichteten Konfigurationsaussagen der definierten Mat127 Vgl. Abschnitt 8.6.3. 250 Schlussbetrachtung rix ausschliesslich auf die Erkenntnisse der gängigen Literatur und konnten nicht im Detail evaluiert werden. Im Rahmen der Assessments bei den Krankenhäusern wurde die szenariobasierte Reifebeurteilung zumindest nicht als unrichtig oder als unpassend wahrgenommen. Aus den dargelegten Erläuterungen ergibt sich deshalb ein zusätzlicher Forschungsbedarf im Hinblick auf die inhaltliche Anpassungen und Erweiterungen der Konfiguration des Reifegradmodells. Überprüfbare Prämissen: Die letzte zwingende Voraussetzung ist die Formulierung überprüfbarer Aussagen aus den Ergebnissen des Artefakts [vgl. Gregor 2007, 322]. Generell kann gesagt werden, dass mit Ausnahme des CMMI nur wenig überprüfbare Erkenntnisse zur Effizienz und Effektivität von Reifegradmodellen existieren. Im Zuge der Evaluation aus epistemologischer Perspektive konnte erstmals gezeigt werden, dass die Situativität bei der Reifebeurteilung von Bedeutung ist. Ferner lassen die Ergebnisse der Befragung den Schluss zu, dass der Nutzen von Reifegradmodellen primär auf Individualebene und erst sekundär auf der organisationalen Ebene entsteht. Da letzterer erst verzögert auftritt ist eine finale Aussage über die Nützlichkeit des entwickelten Reifegradmodells nicht möglich und kann somit als Kritikpunkt gesehen werden. Eine weitere Limitation ist die fehlende Evaluation der Korrektheit der definierten Reife- und Fähigkeitsgrade. Ähnlich wie der organisationale Nutzen kann dies erst durch eine erneute Erhebung bzw. einer Langzeitbetrachtung belegt werden. Speziell in Bezug auf die vorliegende Arbeit ist auch die geringe Stichprobengrösse von n = 15 Krankenhäuser als weiterer Kritikpunkt aufzuführen. Hieraus motiviert sich unmittelbar der Bedarf einer weitergehenden empirischen Absicherung der dargelegten Ergebnisse. Implementierungsprinzipien (causa efficiens): Eine hinreichende Voraussetzung ist die Beschreibung von Implementierungsprinzipien, d. h. wie das Artefakt konkret zu implementieren ist. Im Hinblick auf das entwickelte Reifegradmodell kann eine mögliche Form die Definition einer Begutachtungsmethode sein.128 Da in der vorliegenden Arbeit die Konstruktion des Modells im Vordergrund stand und weniger deren Anwendung ist das Vorgehen zur Begutachtung nur in Teilen spezifiziert. Zentrale Elemente einer ordentlichen Methode (z. B. Vorgehens-, Dokumentationsund Rollenmodell) fehlen. Dementsprechend besteht auch hier ein Bedarf für weitere Forschungsbemühungen. 128 Vgl. Abschnitt 3.2.4. Schlussbetrachtung 251 Darlegende Instanziierung: Eine weitere hinreichende Voraussetzung ist die Instanziierung der angedachten Annahmen und Prinzipien. Dies ist in der vorliegenden Arbeit durch die Entwicklung eines relativ einfachen Prototyps erfolgt. Die Funktionen des Prototyps sind rudimentär, jedoch konnten dadurch wichtige Erfahrungen gesammelt werden, welche auch für die Evaluation des Reifegradmodells genutzt werden konnten. Aufgrund der positiven Ergebnisse der ex post Befragung besteht eine mögliche Entwicklungsrichtung der vorliegenden Arbeit darin, die Funktionalitäten des Prototyps weiter auszubauen und allenfalls weitere Reifegradmodelle dadurch zu unterstützen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das entwickelte Reifegradmodell durchaus als (Design-)Theorie verstanden werden kann.129 Die Allgemeingültigkeit und der Empfehlungscharakter sind insofern gegeben, als dass das Reifegradmodell durch Praktiker weitestgehend positiv bewertet und die Richtlinien fundierter Design Research Forschung eingehalten wurden. 9.3 Ausblick und mögliche Anschlusspunkte Mit der Entwicklung eines Reifegradmodells für das Supply Management in Krankenhäusern greift die vorliegende Arbeit einerseits inhaltliche als auch methodische Fragestellungen heraus. Folgende inhaltliche Erweiterungen oder Ergänzungen der vorliegenden Arbeit umreissen mögliche Anschlusspunkte für weiterführende Forschungsarbeiten: Weiterführende empirische Erhebungen in Krankenhäusern: Wie bereits erläutert, ist ein erkannter Schwachpunkt der vorliegenden Arbeit die geringe Stichprobengrösse. Auch konnte nicht für jedes der spezifizierten Szenarien eine ausreichend grosse Testbasis zur Verfügung gestellt werden (z. B. Krankenhäuser mit ausgelagerten Einkaufsorganisationen). Deshalb ist diese mit Rücksicht auf die weitere Überarbeitung und Evaluation des Reifegradmodells entsprechend auszuweiten, insbesondere dann, wenn eine längerfristige Überprüfung der Korrektheit und des Nutzens des entwickelten HSRM3 Reifegradmodells angestrebt wird. Um an die notwendige Testbasis zu gelangen, ist eine Ausdehnung des Befragungsradius auf Krankenhäuser des gesamten deutschsprachigen Raums erforderlich. Dies sollte 129 Wie in Abschnitt 1.4.2 erläutert geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass die entwickelten Artefakte die Theorien der gestaltungsorientierten Forschung sind und dementsprechend keine eigenständige Ergebnisse repräsentieren. 252 Schlussbetrachtung aufgrund der hohen Ähnlichkeit dieser Gesundheitssysteme jedoch unproblematisch sein. Hierdurch erhalten nicht nur die Aussagen in Bezug auf den Zustand der Branche ein höheres Gewicht, sondern es kann auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Vernetzungsfähigkeit der einzelnen Organisationen in diesem Bereich gestärkt werden. Ausdetaillierung des Begutachtungsverfahrens: Gemäss der Ergebnisse der nutzerbezogenen Evaluation spricht sich eine Mehrheit der befragten Einkaufsverantwortlichen für eine Selbstbeurteilung oder unterstützte Selbstbeurteilung aus.130 Dies erfordert eine weitere Ausdifferenzierung der Vorgehensweise, wie die notwendigen Daten erhoben und interpretiert werden. An dieser Stelle können weitere Forschungsarbeiten ansetzen, welche die hier aufgezeigten Techniken zur Konfiguration, Erhebung und Analyse sowie das Bewertungsmodell in einer weiterführenden Begutachtungsmethode integrieren und komplettieren. Weiterentwicklung des Prototyps: Aus der nutzerbezogenen Evaluation kommt ebenfalls der Wunsch einer besseren Toolunterstützung zu Tage. Da der entwickelte Prototyp lediglich zu Evaluationszwecken angefertigt wurde, sind wesentliche Funktionen wie z. B. der Import und Export von Daten weggelassen worden. Auch ist die spezifizierte Ontologie nicht direkt mit dem Prototyp gekoppelt (ontologybased design). Infolgedessen könnte in weiterführenden Forschungsarbeiten die Funktionalität des Prototyps kontinuierlich ausgebaut werden, zumal eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Nutzer diesen auch tatsächlich anwenden werden. Um einfache Modellanpassungen zu ermöglichen sollte eine Schnittstelle zwischen dem Prototyp und der Ontologie geschaffen werden (ontology-driven design). Ergänzende lieferantenseitige Reifebeurteilung: Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Reifegradmodell adressiert die Thematik „Supply Management“ überwiegend aus einem organisationsinternen Blickwinkel und ist deshalb hauptsächlich für die (interne) Standortbestimmung gedacht. Um auch eine lieferantenseitige (externe) Beurteilung der Stärken und Schwächen des Krankenhauseinkaufs zu erhalten, bietet sich eine entsprechende Erweiterung des Modells an. Ausweitung auf angrenzende Gestaltungsbereiche: Das entwickelte Reifegradmodell unterstützt die Krankenhäuser lediglich in Bezug auf einen sehr begrenzten administrativen Bereich in der Bestrebung die Effektivität und Effizienz zu erhö130 Vgl. Abschnitt 8.4.3. Schlussbetrachtung 253 hen. Auf Grundlage der vorliegenden Arbeit kann z. B. der Versuch unternommen werden, weitere Themenstellungen durch Reifegradmodelle abzubilden. Neben den aufgezeigten inhaltlichen Erweiterungen, können auch die folgenden (forschungs-)methodischen Anschlusspunkte genannt werden: Konkretisierung des Konstruktions- und Evaluationsvorgehens: Die Konstruktion und Evaluation von Reifegradmodellen ist im Vergleich zu anderen Themenkomplexen der WI wie z. B. Referenzmodellierung oder konzeptuelle Modellierung immer noch in den Anfängen begriffen. Im Zuge der Grundlegung des hier entwickelten Reifegradmodells konnten lediglich zwei Ansätze identifiziert werden, welche sich mit der Systematisierung des Problemlösungsprozesses solcher Artefakte beschäftigen. Beispielsweise könnte das hier spezifizierte Bottom-upVerfahren zur Konzeption von Reifegradmodellen weiter verfeinert und zu einem alternativen Vorgehensmodell erweitert werden. Des Weiteren könnte auch der Versuch unternommen werden, das spezifizierte Entwurfsmuster in die bestehenden Vorgehensmodelle einfliessen zu lassen. Intensivierung des situativen Reifegradmodellkonzepts: Im Rahmen dieser Arbeit wurde erstmals das Konzept der Situativität in der Entwicklung von Reifegradmodellen angewendet. Die Evaluation hat zudem gezeigt, dass dies durchaus berechtigt ist. Die gemachten Erfahrungen könnten in weiteren Forschungsarbeiten aufgegriffen, kritisch reflektiert und weiterentwickelt werden (z. B. Konstruktion von Reifegradmodellen, welche nicht nur eine situative Bewertung ermöglichen, sondern auch helfen die optimale Gestaltungssituation zu bestimmen). Vereinigung und Wiederverwendung bestehender Reifegradmodelle: Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit von Reifegradmodellen existieren immer mehr Modelle, welche die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Gestaltungsbereiche abdecken. Die umfassende Erhebung des vorhandenen Spektrums an Reifegradmodellen könnte als Anschlusspunkt zweier Aspekte dienen:131 Einerseits könnte basierend auf dieser Liste ein Reifegradmodellkatalog entwickelt werden, der die Wiederverwendung und Wiederauffindung erhöht [vgl. Mettler et al. 2009]. Andererseits könnten Doppelspurigkeiten minimiert werden, indem themenverwandte Modelle zusammengefasst werden. Die spezifizierte Ontologie könnte als Ausgangspunkt für die Modellvereinigung dienen. 131 Vgl. Anhang E. 254 Schlussbetrachtung Systematisierung von Erfahrungen und Modellevolution: In Anlehnung an die aufgezeigten Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung stellt sich schlussendlich auch die Frage, wie man die Erfahrungen aus Assessments generalisieren und wie dieses Wissen wiederum in die Modellbasis einfliessen kann. Dadurch könnte der „knowing-doing gap“, welcher dem Konzept der Referenzmodellierung und Reifegradmodellen anhaftet [vgl. Pfeffer, Sutton 1999, S. 85], überwunden werden. Schliesslich bleibt festzuhalten, dass angesichts der Vielzahl an offenen Fragestellungen sich diese Arbeit nicht als Ultima ratio in Bezug auf die aufgezeigten Inhalte und Methoden versteht. In Anbetracht der zunehmenden Popularität des Reifegradmodellkonzepts in Forschung und Praxis können aber die gewonnenen Erkenntnisse als Anregung bei der Entwicklung, Erweiterung und Evaluation solcher Modelle dienen. Anhang 255 Anhang Der Anhang fasst die wesentlichen Dokumente, die in die vorliegende Ausarbeitung eingeflossen sind zusammen. Zunächst werden die Kontaktinformationen der an der Erstellung der Fallstudien und quantitativen Querschnittsanalyse beteiligten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner dokumentiert (Anhang A). Im Anschluss wird der Gesprächsleitfaden für die Erhebung der Fallstudien (Anhang B) und der Fragebogen für die empirische Evaluation des Artefakts (Anhang C) präsentiert. Abschliessend werden die untersuchten Reifegradmodelle (Anhang D) dargestellt. A. Ansprechpartner Die quantitative Querschnittsanalyse sowie die Fallstudien wurden auf Basis von Interviews und Dokumentanalysen zusammengestellt. Es sei den folgenden Interviewpartnern für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Erhebung nochmals herzlich gedankt: Name Funktion Anschrift Manfred Bartels Leiter Einkauf Investitionen Kantonsspital Winterthur, Brauerstrasse 15, 8401 Winterthur Stefan Bernleithner Leiter Einkauf und Logistik GZO Spital Wetzikon, Spitalstrasse 66, 8620 Wetzikon Reto Bucher Leiter Beschaffung und Kantonsspital Aarau, Tellstrasse, 5001 Aarau Logistik Vreni Bürgi Leiterin Apotheke Spital Uster, Brunnenstrasse 42, 8610 Uster Wolfgang Dröscher Leiter Einkauf und Lo- Uniklinik Balgrist, Forchstrasse 340, 8008 Zürich gistik André Dubied ehem. Leiter Apotheke Kantonsspital Baden, Im Ergel, 5404 Baden Richard Egger Leiter Medizinische Spitalregion Oberaargau, St. Urbanstrasse 67, 4901 Dienste Langenthal Leiter Einkauf Kantonsspital Winterthur, Brauerstrasse 15, 8401 Verbrauchsmaterial Winterthur Leiter Beschaffung und SpitalSTS AG, Krankenhausstrasse 12, 3600 Thun Viktor Gubler Martin Gut Logistik 256 Anhang Name Funktion Anschrift Christian Heeb Geschäftsführer Gesundheitswesen Beschaffung & Logistik (GEBLOG), Münstergasse 17, 8001 Zürich Daniel Maag Leiter Einkauf UniversitätsSpital Zürich, Spöndlistrasse 9, 8091 Zürich Robert Marsam Leiter Beschaffung und Kantonsspital Baden AG, Im Ergel, 5404 Baden Logistik Enea Martinelli Leiter Apotheke Spitäler FMI AG, Weissenaustrasse 27, 3800 Unterseen Marco Reist Leiter Zentrale Dienste Kantonsspital Liestal, Rheinstrasse 26, 4410 Liestal Roland Rubin Leiter Einkauf und Logistik Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland, Alte Landstrasse 106, 9445 Rebstein Jürg Schiesser Leiter Logistik Kantonsspital St. Gallen, Rorschacher Strasse 95, 9007 St. Gallen Werner Wasmer Leiter Einkauf Luzerner Kantonsspital, 6000 Luzern Edgar Zbinden Leiter Materialwirtschaft Spital Uster, Brunnenstrasse 42, 8610 Uster Andreas Zimmermann Leiter Materialwirtschaft Stadtspital Waid, Tièchestrasse 99, 8037 Zürich Martin Zurburg Bereichsleiter Einkauf Kantonsspital Graubünden, Loestrasse 170, 7000 und Logistik Chur Tabelle 52: Ansprechpartner für Fallstudien und quantitative Querschnittsanalyse B. Gesprächsleitfaden für Fallstudien Die in dieser Arbeit enthaltenen Fallstudien wurden auf Grundlage von strukturierten Interviews sowie vertiefenden Nachbesprechungen erstellt. Nachfolgend sei der generische Gesprächsleitfaden dargestellt, der bei allen beteiligten Krankenhäusern für die initiale Erhebung der Fallstudien zum Einsatz kam. Ablauf und Inhalte der Nachbesprechung waren einzelfallspezifisch und deswegen hier nicht näher erläutert. Anhang Allgemeine Informationen zum Krankenhaus A01 Was ist der primäre Leistungsauftrag des Krankenhauses? A02 Wie will sich das Krankenhaus positionieren? A03 Was für org. Strukturen (Abteilungen, Institute, etc.) hat das Krankenhaus? A04 Wie viele Mitarbeiter hat das Krankenhaus? A05 Wie viele Betten hat das Krankenhaus? A06 Wie hoch schätzen Sie den medizinischen Bedarf in CHF pro Jahr? Allgemeine Informationen zum Krankenhauseinkauf B01 Was ist der Leistungsauftrag des Krankenhauseinkaufs? B02 Wie viele Mitarbeiter setzen sich ausschliesslich mit der Beschaffung auseinandersetzen? B03 Wie ist die Krankenhauseinkauf in die Strukturen des Krankenhauses eingebunden? B04 In welchen Bereichen wird mit anderen Krankenhäusern zusammengearbeitet? B05 In welchen Bereichen wird mit Lieferanten zusammengearbeitet? B06 Was für einen Stellenwert hat der Krankenhauseinkauf heute? B07 Wie soll der Krankenhauseinkauf in Zukunft ausgestaltet werden? Aufgaben und Aktivitäten des Krankenhauseinkaufs C01 Wie werden die Bedarfe ermittelt (Planung, Forecasting des Bedarfs)? C02 Wer ist für die Bedarfsermittlung zuständig? C03 Wie wird heute der Vorgang der Bedarfsermittlung geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)? C04 Wie wird bestellt (zentral/dezentral)? C05 Wie häufig werden Bestellungen ausgelöst? C06 Wie werden Bestellungen an die Lieferanten übermittelt (EDI, Fax, Telefon, Email etc.)? C07 Welche Infrastruktur und Hilfsmittel kommt dabei zum Einsatz? C08 Wie wird heute der Vorgang der Bestellabwicklung geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)? C09 Wie wird der Wareneingang registriert? C10 Wer ist für die Eingangskontrolle (Menge, Qualität) zuständig und wie wird geprüft? C11 Wird geprüft, ob das Material defekt/ abgelaufen ist? C12 Welche Dokumente/Daten werden dabei erfasst? C13 Welche Infrastruktur kommt dabei zum Einsatz? C14 Wie viele Anlieferorte gibt es (zentral/dezentral)? C15 Wie wird heute der Vorgang der Wareneingangskontrolle geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)? C16 Was passiert bei Retouren (Abschiebung an Lieferanten, Entsorgung)? 257 258 Anhang C. Evaluationsfragebogen Die nachfolgende Aufstellung dokumentiert den Fragebogen für die Evaluation des Reifegradmodells aus ökonomischer Perspektive und Nutzerperspektive. Allgemeine Angaben A01 Organisationstyp [ ] Spital [ ] Andere ........................................... A02 Koordinationsform des Einkaufs (nur Spitäler) [ ] Dezentraler Einkauf [ ] Zentraler Einkauf [ ] Regionales Netzwerk [ ] Einkaufs kooperation A03 Ihr Funktionsbereich in Ihrer Organisation [ ] Einkauf [ ] Logistik [ ] IT [ ] Andere ............................ A04 Anzahl Mitarbeitende in Ihrer Organisation [ ] Bis zu 50 [ ] 51-200 [ ] 201-1‘000 [ ] 1‘001-5‘000 A05 Ihr Kenntnisstand im Bereich [ ] Einsteiger [ ] Fortgeschritten [ ] Experte [ [ ] Ausgelagert ] Über 5‘000 Qualität des Modells (Inhalt) Die behandelten Inhalte des Reifegradmodells ... stimme völlig zu stimme eher zu bin unent- stimme eher stimme nicht zu überhaupt schieden nicht zu B01 sind relevant für meine Arbeit [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B02 sind meiner Meinung nach verständlich [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B03 sind meiner Meinung nach vollständig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B04 sind meiner Meinung nach konsistent [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B05 sind meiner Meinung nach zuverlässig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B06 sind meiner Meinung nach zeitgemäss [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] B07 sind meiner Meinung nach nachhaltig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] Qualität der Implementierung (Toolunterstützung) Das zur Verfügung gestellte Tool ... stimme völlig zu stimme eher zu bin unent- stimme eher stimme schieden überhaupt nicht zu nicht zu C01 ist einfach zu bedienen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C02 ist übersichtlich gestaltet [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C03 ist weitgehend stabil [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C05 entspricht weitgehend meinen Bedürfnissen/Vorstellungen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C06 hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser zu verstehen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C07 hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser zu visualisieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] C04 C08 ist aufgrund der Systemanforderungen in meiner Organisation ohne Weiteres anwendbar hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser anderen zugänglich zu machen Anhang 259 Nutzen für die persönliche Entscheidungsfindung stimme völlig zu Das Reifegradmodell ... stimme eher zu bin unent- stimme eher stimme schieden nicht zu überhaupt nicht zu D01 hilft mir Stärken und Schwächen zu identifizieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D02 hilft mir Veränderungen nachhaltig zu planen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D03 hilft die Zeit der Entscheidungsfindung zu verkürzen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D04 hilft qualitativ bessere Entscheidungen zu treffen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D05 hilft mir Veränderungen anschaulich zu kommunizieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D06 hilft die Akzeptanz der gemachten Entscheidungen zu erhöhen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D07 hilft mir Veränderungen systematisch zu analysieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] D08 hilft das persönliche Wissen zu erweitern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] Nutzen für die Organisation stimme völlig zu Das Reifegradmodell ... stimme eher zu bin unent- stimme eher stimme schieden nicht zu überhaupt nicht zu E01 hilft, dass der Einkauf die Organisationsziele erreicht [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E02 hilft die Beziehung zu Lieferanten nachhaltig zu verbessern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E03 hilft, dass der Einkauf besser auf Veränderungen vorbereitet ist [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E04 hilft die Positionierung des Einkaufs innerhalb der Organisation zu verbessern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E05 hilft die Positionierung des Einkaufs gegenüber des Beschaffungsmarktes zu verbessern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E06 hilft die Wirtschaftlichkeit des Einkaufs zu erhöhen (Effektivität) [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] E07 hilft die Leistungsfähigkeit des Einkaufs zu erhöhen (Effizienz) [ ] [ ] [ ] [ ] [ ] Abschliessende Fragen F01: Was hat Ihnen am Reifegradmodell besonders gut gefallen? F02: Was hat Ihnen am Reifegradmodell weniger gut gefallen? F03: Welche inhaltlichen Aspekte fehlen Ihrer Meinung nach, resp. was würde die Qualität der Modellinhalte erhöhen? F04: Welche funktionellen Aspekte fehlen Ihrer Meinung nach, resp. was würde die Benutzerfreundlichkeit des Tools erhöhen? F05: Werden Sie das Reifegradmodell in Zukunft anwenden, [ ] ja [ ] ja, wenn kostenfrei [ ] nein [ ] weiss nicht ] Durch Berater (Certified Professionals) [ ] weiss nicht F06: Wer sollte das Assessment durchführen? [ ] Ich selbst (Self-Assessment) [ ] Ich selbst, aber unter[ stützt durch einen Berater (Third-party assisted) 260 Anhang D. Verzeichnis der Reifegradmodelle Zum Nachweis der Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Reifegradmodells sind in der vorliegenden Arbeit insgesamt 117 Reifegradmodelle identifiziert und analysiert worden. Die nachfolgende Tabelle 53 stellt die untersuchten Zeitschriften- und Konferenzbeiträge dar. Nr. Autor 1 1993 Bryant, A. CASE Tools and Method Integration, Proc. of the IEE Colloquium on CASE (Computer Aided Software Engineering): Towards Software Process Maturity, S. 7.1-7.5 1993 Kubicki, The System Administrator Maturity Model, Proc. of the C. 7th USENIX Conference on System Administration, S. 213-225 Paulk, M. Capability maturity model, version 1.1, IEEE Software, 10, 1993 C. et al. 4, S.18-27 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Gowda, R.G.; Satterthwaite, C.P. Burnstein, I. et al. Quelle Management Issues in Developing Reusable Avionics Software, Proc. of the IEEE Aerospace and Electronics Conference, S. 866-873 Developing a Testing Maturity Model for Software Test Process Evaluation and Improvement, Proc. of the International Test Conference, S. 581-589 Cusick, K. The Systems Engineering Capability Maturity Model: Where to Start? Proc. of the IEEE Aerospace and Electronics Conference, S. 410-416 Hassan, S. A Contingency Based Capability Maturity Model for DeZ.; Sherveloping Countries, Proc. of the 3rd Pacific Asia Confedil,K. rence on Information Systems, S. 741-753 Saiedian, Characterizing a Software Process Maturity Model for Small Organizations, ACM SIGICE Bulletin, 23, 1, S. 2-11 H.; Carr, N. Capone, Concepts for a Network Maturity Model, Proc. of the IEEE J.M. et al. Workshop on Application-Specific Software Engineering Technology, S. 102-107 Earthy, A Human Factors Integration Capability Maturity Model, J.V. et al. Proc. of the International Conference on Human Interfaces in Control Rooms, Cockpits and Command Centres, S. 320-326 Vetter, R. The Network Maturity Model for Internet Development, IEEE Computer, 32, 10, S. 117-118 Clark, T.; Jones, R. Jahr Bereich Softwareentwicklung IT-Betrieb Softwareentwicklung 1994 Softwareentwicklung 1996 Softwareentwicklung 1997 ITManagement Softwareentwicklung 1997 1997 Softwareentwicklung 1998 Internet & World Wide Web Personalführung 1999 1999 Organisational Interoperability Maturity Model for C2, 1999 Proc. of the 1999 Command and Control Research and Technology Symposium, S. 1-13 Conwell, Capability Maturity Models Support of Modeling and Si2000 C. L. et al. mulation Verification, Validation, and Accreditation, Proc. of the Winter Simulation Conference S. 819-828 The Berkeley Project Management Process Maturity Mod- 2000 Kwak, Y.H.; Wil- el: Measuring the Value of Project Management, Proc. of the 2000 IEEE Engineering Management Society, S. 1-5 liam, C. Internet & World Wide Web Architekturmanagement Softwareentwicklung Projektmanagement Anhang Nr. 15 261 Quelle Towards the Software Engineering of Neural Networks: A Maturity Model, Proc. of the 2000 Australian Software Engineering Conference, S. 45-51 Brohman, Gaining Insight from the Data Warehouse: The CompeM.K.; tence Maturity Model, Proc. of the 34th Annual Hawaii Parent, M. International Conference on System Sciences, S. 1-10 Jahr 2000 Bereich Softwareentwicklung 2001 Harigopal, U.; Satyadas, A. Holland, C. P.; Light, B., KajkoMattsson, M. et al. Nawrocki, J. et al. Cognizant Enterprise Maturity Model (CEMM), IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, Part C: Applications and Reviews, 31, 4, S. 449-459 A Stage Maturity Model for Enterprise Resource Planning Systems Use, ACM SIGMIS Database, 32, 2, S. 34-45 2001 Datenbanken & Data Warehousing Architekturmanagement 21 Berztiss, A. T. 22 Curtis, B. et al. 23 Jacobs, J. C.; Trienekens, J. J. M. Nightingale, D. J.; Mize, J. H. Suchan, W. Capability Maturity for Knowledge Management, Proc. of the 13th International Workshop on Database and Expert Systems Applications, S. 162-166 The People Capability Maturity Model, Arbeitsbericht, Software Engineering Institute, Carnegie Mellon University Towards a Metrics Based Verification and Validation Maturity Model, Proc. of the 10th International Workshop on Software Technology and Engineering Practice, Montreal, S. 123-128 Development of a Lean Enterprise Transformation Maturity Model, Information-Knowledge-Systems Management, 3, 1, S. 15-30 The Organizational Information Infrastructure Maturity Model: Implications for IT Professionals, Proc. of the 8th Americas Conference on Information Systems, S. 1-6 Improving Hardware, Software, and Training Deployment Processes, Proc. of the International Conference onSoftware Maintenance, S. 377-380 Managing Change in Process and People: Combining a Maturity Model with a Competency-based Approach, Total Quality Management & Business Excellence, 14, 7, S. 779787 Assessing Organisational Project Management Capability, Journal of Facilities Management, 2, 3, S. 298-311 16 17 18 19 20 24 25 26 27 Autor Senyard, A. et al. Forbes, J. A.; Baker, E. R. Gillies, A.; Howard, J. Corrective Maintenance Maturity Model (CM3): Maintain- 2001 er's Education and Training, Proc. of the 23rd International Conference onSoftware Engineering, S. 610-619 Toward Maturity Model for Extreme Programming, Proc. 2001 of the 27th Euromicro Conference, S. 233-239 28 Hillson, D. 29 Huang, S.; Towards a Documentation Maturity Model, Proc. of the Tilley, S. 21st Annual International Conference on Documentation, S. 93-99 Luftman, Assessing IT/Business Alignment, Information Systems J. Management, 20, 4, S. 9-15 30 31 Pennypacker, J. S.; Grant, K. P. 2001 Project Management Maturity: An Industry Benchmark, Project Management Journal, 34, 1, S. 4 IT-Management IT-Betrieb Softwareentwicklung 2002 Wissensmanagement 2002 Personalentwicklung 2002 Softwareentwicklung 2002 Prozessmanagement 2002 IT-Management 2003 IT-Management 2003 Change Management 2003 Projektmanagement 2003 Wissensmanagement 2003 IT/Business Alignment 2003 Projektmanagement 262 Nr. 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 Anhang Autor Ruzhi, X. et al. Quelle CMM-based Software Risk Control Optimization, Proc. of the IEEE International Conference on Information Reuse and Integration, S. 499-503 Serrano, An Experience on Using the Team Software Process for M. A. et Implementing the Capability Maturity Model for Software al. in a Small Organization, Proc. of the 3rd International Conference on Quality Software, S. 327-334 Muller, M. Introducing Chat into Business Organizations: Toward an J. et al. Instant Messaging Maturity Model, Proc. of the 2003 International ACM SIGGROUP Conference on Supporting Group Work, S. 50-57 Avritchir, A Maturity Model for Offshore Insourcing: A Research J. et al. Proposal, Proc. of the 10th Americas Conference on Information Systems, S. 1-10 Bouchaib, Toward a Capability Maturity Model for the Management B. of Outsourcing Information Services, Proc. of the 10th Americas Conference on Information Systems, S. 1-10 Cottam, I. A Local Government CRM Maturity Model: A Component et al. in the Transformational Change of UK Councils, Proc. of the 10th Americas Conference on Information Systems, S. 1-10 Best Practices in IT Portfolio Management, MIT Sloan Jeffery, Management Review, 45, 3, S. 41-49 M.; Leliveld, I. Kaner, M.; A Capability Maturity Model for Knowledge-based DeciKarni, R. sionmaking, Information-Knowledge-Systems Management, 4, 4, S. 225-252 Leem, C. 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Annual Hawaii International Conference on System Science, S. 1-9 Jahr 2003 Bereich Softwareentwicklung 2003 Softwareentwicklung 2003 Internet & World Wide Web 2004 Projektmanagement 2004 IT-Outsourcing 2004 Change Management 2004 IT Management 2004 Wissensmanagement 2004 Softwareentwicklung 2004 Supply Chain Management & E-Business E-Learning 2004 2004 Projektmanagement 2004 IT-Management 2004 Projektmanagement 2004 Architekturmanagement Anhang Nr. 47 Autor Valerie, M. et al. 48 263 Jahr 2004 Bereich IT/Business Alignment April, A. et al. Quelle Bridging the Business/IT Gap through the Relationship Management Maturity Model, Proc. of the 14th Australasian Conference on Information Systems, S. 1-10 Software Maintenance Maturity Model (SMmm), Journal of Software Maintenance, 17, 3, S. 197-223 2005 Softwareentwicklung 49 Beecham, S. et al. Defining a Requirements Process Improvement Model, Software Quality Control, 13, 3, S. 247-279 2005 Softwareentwicklung 50 Braungarten, R. et al. 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November 1979 Geburtsort Münsterlingen, Schweiz Studium und schulischer Werdegang 04. 2006 – 10. 2009 Universität St. Gallen Doktoratsstudium 10. 1999 – 03. 2004 Universität St. Gallen Lizentiat der Wirtschaftswissenschaften, Vertiefung Informationsmanagement 08. 1994 – 02. 1999 Kantonsschule Romanshorn Matura Berufserfahrung und praktische Tätigkeiten 01. 2010 – heute SAP Research, CEC St. Gallen Senior Researcher 04. 2006 – 09. 2009 Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Robert Winter 06. 2004 – 03. 2006 Solution Providers Management Consulting Business Analyst 08. 2003 – 12. 2003 Ancoso Business Technologies Softwareentwickler 03. 2002 – 12. 2003 Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Dr. Robert Winter 02. 2001 – 03. 2001 02. 2000 – 03. 2000 Thurgauer Kantonalbank Sachbearbeiter im Fachzentrum Anlegen in den Bereichen Namenaktienbuchhaltung und Wertschriftenabwicklung