Der Dschungel ist der Luxus
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Der Dschungel ist der Luxus
Reisen HINGEFLOGEN 29. JULI 2012 Zur Datscha Seite 79 BMW hat seine 7er-Reihe auch für den russischen Geldadel erneuert Zum Chalet Seite 79 Warum Subaru im europäischen Automarkt gern ein Nischenplayer ist Extra: Brasilien ABGEFAHREN Wo Hippies und Millionäre Rösti essen Ein Kunstpark und eine Barockstadt SEITE 78 SEITE 76 73 Der Dschungel ist der Luxus Die Cristalino Lodge im Südamazonas hat ein Stück des Regenwalds gerettet – heute ist das Reservat ein Paradies für Vögel und Naturliebhaber Mystischer Sonnenuntergang: Kanufahren auf dem Teles-Pires-Fluss Den Dschungel haben wir uns gemütlicher vorgestellt. Über unseren Köpfen hören wir das hysterische Gekreische der Kapuzineraffen, Tautropfen fallen uns in den Nacken. Dann beissen uns Ameisen in die Knöchel, und in den Haaren bleiben Spinnweben hängen. Verschlafen stapfen wir durch das Dickicht, es ist sechs Uhr morgens, der Regenwald in eine gespenstische Dunkelheit gehüllt. Jeder Ast am Boden sieht aus wie eine Schlange. Und dieses Knurren – ein Jaguar? Mit der Taschenlampe weist unser Guide den Weg, führt uns auf eine Lichtung. An der Rezeption mussten wir auf einem Formular ankreuzen, ob wir Höhenangst hätten. Jetzt wird klar, warum: Wir stehen vor einem 50 Meter hohen Aussichtsturm. Eine kriminelle Treppe – 288 Stufen – führt in die Höhe, und je mehr Das Land am Atlantik ATL ANTIK REGENWALD Amazonas Manaus Alta Floresta MATO GROSSO BRASILIEN Arraial d’Ajuda Brasilia MIN A S GERA I S Cuiabà Belo Horizonte Ouro Preto Inhotim-Museum São Paulo Rio de Janeiro BRASILIEN SoZ Huwi VON STEFANIE RIGUTTO (TEXT) UND MALTE JÄGER (FOTOS) SÜD� AMERIKA 1000 km Leute hochsteigen, desto heftiger wackelt das Ganze. Schnaufend kommen wir auf der Plattform an, fünf Meter über den Kronen, passend zum Sonnenaufgang. In den Bäumen liegen Dunstschleier, ein Durcheinander von Vogelstimmen dringt zu uns hoch, ein grosser blauer Schmetterling ruht sich auf dem Geländer aus. Zwei Papageien fliegen krächzend vorüber, was der Amerikaner neben uns mit einem Stakkato-Geknatter seiner Kamera quittiert. Das frühe Aufstehen, die Spinnen, die Ameisen – alles vergessen. Wir sind in der Cristalino Lodge mitten im Amazonas-Regenwald. Die nächste Stadt ist zwei Stunden entfernt. Vom Bundesstaat Mato Grosso kennt man die Überschwemmungsebene Pantanal; wir jedoch haben uns in den unentdeckten Norden nach Alta Floresta – 50 000 Einwohner – gewagt. Um ein Haar wäre diese wilde Region den Holzfällern zum Opfer gefallen. Dass ANZEIGE aubahn r f g n u J e 100 Jahr Nostalgie .– * 606 F H C b a age T 4 – r u p engen.ch * www.w Jungfrau Region wir die Vögel auf dem Aussichtsturm beobachten können, verdanken wir einer einzigen mutigen Frau: Vitória Da Riva Carvalho. Der Ökotourismus finanziert das Reservat um die Lodge «Eine Person kann eben doch einen Unterschied machen», sagt die 67-Jährige und bittet uns auf eine Batida de Maracuja – einen süffigen Drink aus Cachaça, Maracuja und Zucker – in die Bibliothek. In den Regalen stehen Tierbücher, an der Wand hängt eine Karte des Amazonasgebiets: Rot markiert sind die abgeholzten Bereiche. Die Gegend um Alta Floresta ist sehr rot. «Alles fing mit meinem Vater an», erzählt Vitória Da Riva Carvalho und setzt sich auf ein Sofa. Sie ist eine kleine Frau mit festem Händedruck. Ihr Vater war einer der letzten Siedler Brasiliens und gründete Mitte der 70er die Stadt Alta Floresta. Er träumte von einer Landwirtschaftsstadt im Einklang mit der Natur. Doch statt verantwortungsvoller Landwirte kamen Goldschürfer, Holzfäller und Rinderbauern. Vitória Da Riva Carvalho schüttelt angewidert den Kopf. «Mein Vater starb mit einem gebrochenen Herzen.» Tränen glitzern in ihren Augen, dann wird ihr Blick wieder entschlossen: «Uns war klar: Wenn wir jetzt nicht reagieren, ist der Wald innert Kürze gerodet.» Sie, die in der Natur aufgewachsen war, wollte das nicht kampflos hinnehmen. Die einzige Chance sah sie in einem privaten Naturreservat, finanziert durch Ökotourismus. Sie begann Ende der 80er Land zusammenzukaufen. Ein grosses Stück erwarb sie von ihrem Bruder, der dringend Geld brauchte für die Hochzeit seines Sohnes. Darauf baute sie ein paar simple Hütten und nannte sie Cristalino Lodge. Heute ist die Fläche ihres Reservats 20 Prozent grösser als Manhattan. Auf dem schwimmenden Sonnendeck der Lodge entspannen sich zwei Amerikaner auf Liegestühlen. Sie suchen mit ihren Ferngläsern den Himmel nach Vögeln ab – genau 595 verschiedene Arten zählt die Gegend. Alex, der 33-jährige Sohn von Vitória Da Riva Carvalho, zeigt uns die kleine Anlage mit den 16 Zimmern. Der Standard ist urchig und unkompliziert: Kein Handynetz, kein TV, keine Klimaanlage, kein Spa und auch kein Pool – der Luxus ist der Dschungel, den es ohne die Lodge nicht mehr geben würde. Die Rechnung zahlt man im Partnerhotel in Alta Floresta; hier im Wald gibt es keinen Empfang für das Kreditkartengerät. (Noch wissen wir nicht: Die Lodge bezahlt man nicht mit der Kreditkarte, sondern mit Mückenstichen . . .) Elektrizität gibts nur von 12 bis 15 Uhr und von 17 bis 22 Uhr – danach ists dunkel. Kein Licht. Aus. Ende. «Und im Zimmer?», fragen wir Alex. Er schneidet eine FORTSETZUNG AUF SEITE 75 BrasilienReisen 75 29. JULI 2012 wurde in schicke Hotelguides aufgenommen. Das missfiel den Einheimischen. «Es gab Drohungen», sagt die Besitzerin. Einmal so massiv, dass sie die Stadt vorübergehend verlassen musste. In den letzten Jahren jedoch habe ein Umdenken stattgefunden. «Die Leute haben erkannt, dass man auch mit nachhaltigem Tourismus Geld verdienen kann», sagt sie. Heute gibt es sieben Lodges in der Gegend, zwei tägliche Flüge und immer mehr Ökotouristen. Rechtzeitig zum Sonnenuntergang, der sogar knallharte Antiromantiker in Verzückung versetzt, nimmt uns Alex zum Kanufahren mit auf den Cristalino-Fluss. Nach dem Aussichtsturm ist dies unser zweitliebster Ort, um Vögel zu beobachten. Kingfisher segeln elegant übers Wasser, weisse Vögel – ihr Name ging vergessen – machen sich bereit für die Nachtruhe, eine Gruppe Ara-Papageien flattert über uns hinweg. Zurück auf dem schwimmenden Floss trinken wir einen Caipirinha, sitzen ums grosse Feuer, während sich die Amerikaner mit Stirnlampen ausgerüstet zu einer Nachtwanderung aufmachen. Kurz vor zehn Uhr eilen alle in die Bungalows. Um 22.05 Uhr geht das Licht aus. Jetzt gibts nur noch die Kerze, die auf dem Nachttisch steht. Doch die Zündhölzer sind – feucht. 3 FORTSETZUNG VON SEITE 73 Der Dschungel ist der Luxus Grimasse und schaut uns schräg an: «Dort natürlich auch nicht. Welcome to the jungle!» Am Ufer des Rio Cristalino sonnen sich Hunderte von gelben und pastellgrünen Schmetterlingen im Sand. Ob er je von einem Piranha gebissen worden sei, fragen wir Alex. «Das ist die grösste Lüge des Amazonas», ruft er fröhlich aus und springt zum Beweis ins kühle Wasser. Also wagen auch wir uns hinein, schwimmen kühn zum Floss – und kreischen hysterisch, als uns am Bein ein Zweiglein berührt. Hätte auch ein Kaiman sein können! Wir erholen uns vom Schock auf der Veranda unseres Bungalows, in einer Hängematte, dösend, schwebend. Widerstand der Bevölkerung inklusive Morddrohungen Die ersten Gäste der Lodge, Anfang der 90er, schliefen nicht nur am Nachmittag in der Hängematte, sondern auch nachts. Sehr rudimentär sei alles gewesen, sagt Vitória Da Riva Carvalho mit abwesendem Blick. «Der Anfang war hart.» Niemand kannte Alta Floresta, es gab keinen Tourismus, keinen Flug – nur ganz wenige Reisende fanden hierher. Eines Tages stand Ted Parker vor der Tür, einer der berühmtesten US-Ornithologen. «Er entdeckte, dass die Gegend zu den besten Orten der Welt zählt, um Vögel zu beobachten», sagt Vitória Da Riva Carvalho. Parker machte die Gegend bei den Ornithologen bekannt und die Lodge zu ihrem Ziel. Heute wandeln auf den 20 Kilometer Dschungelwegen aber auch «ganz normale Naturliebhaber», sagt Carvalho. Der zweite grosse Schub kam ebenfalls mit einem Wissenschaftler: Der Stanford-Professor Chip Haven hatte sich dermassen in den Ort verliebt, dass er den 50 Meter hohen Aussichtsturm spendete. So viel Euphorie die Gäste mitbrachten, so viel Widerstand gab es aus der lokalen Bevölkerung. Diese wollten in Ruhe den Wald abholzen – doch Vitória Da Riva Carvalho hatte die Region mit ihrer Lodge in den Fokus gerückt von NGOs, Wissenschaftlern, Journalisten und Universitäten. Man entdeckte im Cristalino-Park neue Pflanzenarten, die Lodge gewann Nachhaltigkeitspreise und Cristalino Lodge bei Alta Floresta: Tagsüber durchstreift man den Dschungel, abends berichtet man von Tieren, die man gesehen hat Bungalow im Regenwald Anreise Mit TAP via Lissabon z. B. nach Brasilia, ab ca. 1200 Franken, www.flytap.com. Oder mit Swiss ab Zürich nach São Paulo, ab ca. 1400 Franken, www.swiss. com Weiter mit Trip via Cuiabà nach Alta Floresta, ab ca. 200 Franken, www.voetrip.com.br Arrangement Der Zürcher Brasilien-Spezialist Brasa Reisen bietet Alta Floresta exklusiv in der Schweiz an. Sechs Tage in der Cristalino Lodge kosten ab 3250 Franken/Person im Superior Bungalow inkl. Flug ab Zürich, Transfers, Guides und VP. Tel 044 201 58 00, www.brasa.ch Cristalino Lodge Die Lodge liegt 39 Kilometer von Alta Floresta entfernt. Nach Ankunft am Flughafen checkt man im Hotel Floresta Amazônica ein, danach gehts mit Jeep und Boot zur Lodge. Man kann seinen Aufenthalt z. B. auf Vogelbeobachtung, Ökotourismus, Schmetterlinge oder Fotografie fokussieren. www.cristalinolodge.com.br Allg. Infos www.visitbrasil.com Ohne sie gäbe es den Dschungel nicht mehr: Vitória Da Riva Carvalho, Besitzerin der Cristalino Lodge, hat dafür gesorgt, dass sich Mensch und Tier am Cristalino-Fluss wohl fühlen können ANZEIGE Kreuzflug im eigenen Jet Zürich Riviera Maya Rund um Südamerika, 8.–29. Mai 2013 Cartagena Fliegen Sie in 22 Tagen mit dem Langstreckenjet Airbus A330-200 zu den atemberaubenden Naturschauspielen, kulturellen Höhepunkten und schönsten Metropolen Südamerikas. 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