Der Dschungel ist der Luxus

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Der Dschungel ist der Luxus
Reisen
HINGEFLOGEN
29. JULI 2012
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Wo Hippies und
Millionäre Rösti essen
Ein Kunstpark und
eine Barockstadt
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Der Dschungel
ist der Luxus
Die Cristalino Lodge im Südamazonas hat ein Stück des
Regenwalds gerettet – heute ist das
Reservat ein Paradies für Vögel und Naturliebhaber
Mystischer
Sonnenuntergang:
Kanufahren auf
dem Teles-Pires-Fluss
Den Dschungel haben wir uns
gemütlicher vorgestellt. Über
unseren Köpfen hören wir das
hysterische Gekreische der Kapuzineraffen, Tautropfen fallen uns
in den Nacken. Dann beissen uns
Ameisen in die Knöchel, und in
den Haaren bleiben Spinnweben
hängen. Verschlafen stapfen wir
durch das Dickicht, es ist sechs
Uhr morgens, der Regenwald in
eine gespenstische Dunkelheit gehüllt. Jeder Ast am Boden sieht
aus wie eine Schlange. Und dieses Knurren – ein Jaguar?
Mit der Taschenlampe weist
unser Guide den Weg, führt uns
auf eine Lichtung. An der Rezeption mussten wir auf einem Formular ankreuzen, ob wir Höhenangst hätten. Jetzt wird klar, warum: Wir stehen vor einem 50 Meter hohen Aussichtsturm. Eine
kriminelle Treppe – 288 Stufen –
führt in die Höhe, und je mehr
Das Land am Atlantik
ATL ANTIK
REGENWALD
Amazonas
Manaus
Alta Floresta
MATO
GROSSO
BRASILIEN
Arraial
d’Ajuda
Brasilia
MIN A S
GERA I S
Cuiabà
Belo Horizonte
Ouro
Preto
Inhotim-Museum
São
Paulo
Rio de
Janeiro
BRASILIEN
SoZ Huwi
VON STEFANIE RIGUTTO (TEXT)
UND MALTE JÄGER (FOTOS)
SÜD�
AMERIKA
1000 km
Leute hochsteigen, desto heftiger
wackelt das Ganze. Schnaufend
kommen wir auf der Plattform an,
fünf Meter über den Kronen, passend zum Sonnenaufgang. In den
Bäumen liegen Dunstschleier, ein
Durcheinander von Vogelstimmen dringt zu uns hoch, ein grosser blauer Schmetterling ruht sich
auf dem Geländer aus. Zwei Papageien fliegen krächzend vorüber, was der Amerikaner neben
uns mit einem Stakkato-Geknatter seiner Kamera quittiert. Das
frühe Aufstehen, die Spinnen, die
Ameisen – alles vergessen.
Wir sind in der Cristalino Lodge
mitten im Amazonas-Regenwald.
Die nächste Stadt ist zwei Stunden entfernt. Vom Bundesstaat
Mato Grosso kennt man die
Überschwemmungsebene Pantanal; wir jedoch haben uns in
den unentdeckten Norden nach
Alta Floresta – 50 000 Einwohner – gewagt. Um ein Haar wäre diese wilde Region den Holzfällern zum Opfer gefallen. Dass
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Jungfrau Region
wir die Vögel auf dem Aussichtsturm beobachten können, verdanken wir einer einzigen mutigen
Frau: Vitória Da Riva Carvalho.
Der Ökotourismus finanziert
das Reservat um die Lodge
«Eine Person kann eben doch
einen Unterschied machen», sagt
die 67-Jährige und bittet uns auf
eine Batida de Maracuja – einen
süffigen Drink aus Cachaça,
Maracuja und Zucker – in die Bibliothek. In den Regalen stehen
Tierbücher, an der Wand hängt
eine Karte des Amazonasgebiets:
Rot markiert sind die abgeholzten
Bereiche. Die Gegend um Alta Floresta ist sehr rot. «Alles fing mit
meinem Vater an», erzählt Vitória
Da Riva Carvalho und setzt sich
auf ein Sofa. Sie ist eine kleine Frau
mit festem Händedruck. Ihr Vater
war einer der letzten Siedler Brasiliens und gründete Mitte der 70er
die Stadt Alta Floresta. Er träumte
von einer Landwirtschaftsstadt im
Einklang mit der Natur.
Doch statt verantwortungsvoller
Landwirte kamen Goldschürfer,
Holzfäller und Rinderbauern.
Vitória Da Riva Carvalho schüttelt angewidert den Kopf. «Mein
Vater starb mit einem gebrochenen Herzen.» Tränen glitzern in
ihren Augen, dann wird ihr Blick
wieder entschlossen: «Uns war
klar: Wenn wir jetzt nicht reagieren, ist der Wald innert Kürze gerodet.» Sie, die in der Natur aufgewachsen war, wollte das nicht
kampflos hinnehmen. Die einzige
Chance sah sie in einem privaten
Naturreservat, finanziert durch
Ökotourismus. Sie begann Ende
der 80er Land zusammenzukaufen. Ein grosses Stück erwarb sie
von ihrem Bruder, der dringend
Geld brauchte für die Hochzeit
seines Sohnes. Darauf baute sie
ein paar simple Hütten und nannte sie Cristalino Lodge. Heute ist
die Fläche ihres Reservats 20 Prozent grösser als Manhattan.
Auf dem schwimmenden Sonnendeck der Lodge entspannen
sich zwei Amerikaner auf Liegestühlen. Sie suchen mit ihren
Ferngläsern den Himmel nach
Vögeln ab – genau 595 verschiedene Arten zählt die Gegend. Alex,
der 33-jährige Sohn von Vitória Da
Riva Carvalho, zeigt uns die kleine Anlage mit den 16 Zimmern. Der
Standard ist urchig und unkompliziert: Kein Handynetz, kein
TV, keine Klimaanlage, kein Spa
und auch kein Pool – der Luxus
ist der Dschungel, den es ohne die
Lodge nicht mehr geben würde.
Die Rechnung zahlt man im Partnerhotel in Alta Floresta; hier im
Wald gibt es keinen Empfang für
das Kreditkartengerät. (Noch wissen wir nicht: Die Lodge bezahlt
man nicht mit der Kreditkarte,
sondern mit Mückenstichen . . .)
Elektrizität gibts nur von 12 bis
15 Uhr und von 17 bis 22 Uhr –
danach ists dunkel. Kein Licht.
Aus. Ende. «Und im Zimmer?»,
fragen wir Alex. Er schneidet eine
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BrasilienReisen
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wurde in schicke Hotelguides aufgenommen. Das missfiel den Einheimischen. «Es gab Drohungen»,
sagt die Besitzerin. Einmal so
massiv, dass sie die Stadt vorübergehend verlassen musste. In den
letzten Jahren jedoch habe ein
Umdenken stattgefunden. «Die
Leute haben erkannt, dass man
auch mit nachhaltigem Tourismus
Geld verdienen kann», sagt sie.
Heute gibt es sieben Lodges in der
Gegend, zwei tägliche Flüge und
immer mehr Ökotouristen.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang, der sogar knallharte Antiromantiker in Verzückung versetzt, nimmt uns Alex zum Kanufahren mit auf den Cristalino-Fluss.
Nach dem Aussichtsturm ist dies
unser zweitliebster Ort, um Vögel
zu beobachten. Kingfisher segeln
elegant übers Wasser, weisse Vögel – ihr Name ging vergessen –
machen sich bereit für die Nachtruhe, eine Gruppe Ara-Papageien
flattert über uns hinweg. Zurück
auf dem schwimmenden Floss
trinken wir einen Caipirinha, sitzen ums grosse Feuer, während
sich die Amerikaner mit Stirnlampen ausgerüstet zu einer Nachtwanderung aufmachen. Kurz vor
zehn Uhr eilen alle in die Bungalows. Um 22.05 Uhr geht das Licht
aus. Jetzt gibts nur noch die Kerze,
die auf dem Nachttisch steht. Doch
die Zündhölzer sind – feucht.
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Der Dschungel
ist der Luxus
Grimasse und schaut uns schräg
an: «Dort natürlich auch nicht.
Welcome to the jungle!»
Am Ufer des Rio Cristalino sonnen sich Hunderte von gelben und
pastellgrünen Schmetterlingen im
Sand. Ob er je von einem Piranha
gebissen worden sei, fragen wir
Alex. «Das ist die grösste Lüge des
Amazonas», ruft er fröhlich aus
und springt zum Beweis ins kühle Wasser. Also wagen auch wir
uns hinein, schwimmen kühn zum
Floss – und kreischen hysterisch,
als uns am Bein ein Zweiglein berührt. Hätte auch ein Kaiman sein
können! Wir erholen uns vom
Schock auf der Veranda unseres
Bungalows, in einer Hängematte,
dösend, schwebend.
Widerstand der Bevölkerung
inklusive Morddrohungen
Die ersten Gäste der Lodge, Anfang der 90er, schliefen nicht nur
am Nachmittag in der Hängematte, sondern auch nachts. Sehr rudimentär sei alles gewesen, sagt
Vitória Da Riva Carvalho mit
abwesendem Blick. «Der Anfang
war hart.» Niemand kannte Alta
Floresta, es gab keinen Tourismus, keinen Flug – nur ganz wenige Reisende fanden hierher.
Eines Tages stand Ted Parker vor
der Tür, einer der berühmtesten
US-Ornithologen. «Er entdeckte,
dass die Gegend zu den besten
Orten der Welt zählt, um Vögel zu
beobachten», sagt Vitória Da Riva
Carvalho. Parker machte die Gegend bei den Ornithologen bekannt und die Lodge zu ihrem
Ziel. Heute wandeln auf den
20 Kilometer Dschungelwegen
aber auch «ganz normale Naturliebhaber», sagt Carvalho. Der
zweite grosse Schub kam ebenfalls mit einem Wissenschaftler:
Der Stanford-Professor Chip Haven hatte sich dermassen in den
Ort verliebt, dass er den 50 Meter
hohen Aussichtsturm spendete.
So viel Euphorie die Gäste mitbrachten, so viel Widerstand gab
es aus der lokalen Bevölkerung.
Diese wollten in Ruhe den Wald
abholzen – doch Vitória Da Riva
Carvalho hatte die Region mit
ihrer Lodge in den Fokus gerückt
von NGOs, Wissenschaftlern,
Journalisten und Universitäten.
Man entdeckte im Cristalino-Park
neue Pflanzenarten, die Lodge gewann Nachhaltigkeitspreise und
Cristalino Lodge bei Alta Floresta: Tagsüber durchstreift man den Dschungel, abends berichtet man von Tieren, die man gesehen hat
Bungalow im Regenwald
Anreise Mit TAP via Lissabon z. B.
nach Brasilia, ab ca. 1200 Franken, www.flytap.com. Oder mit
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nach Alta Floresta, ab ca. 200
Franken, www.voetrip.com.br
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Schweiz an. Sechs Tage in der
Cristalino Lodge kosten ab 3250
Franken/Person im Superior
Bungalow inkl. Flug ab Zürich,
Transfers, Guides und VP. Tel
044 201 58 00, www.brasa.ch
Cristalino Lodge Die Lodge
liegt 39 Kilometer von Alta Floresta entfernt. Nach Ankunft am
Flughafen checkt man im Hotel
Floresta Amazônica ein, danach
gehts mit Jeep und Boot zur
Lodge. Man kann seinen Aufenthalt z. B. auf Vogelbeobachtung,
Ökotourismus, Schmetterlinge
oder Fotografie fokussieren.
www.cristalinolodge.com.br
Allg. Infos www.visitbrasil.com
Ohne sie gäbe es den Dschungel nicht mehr: Vitória Da Riva Carvalho, Besitzerin der Cristalino Lodge,
hat dafür gesorgt, dass sich Mensch und Tier am Cristalino-Fluss wohl fühlen können
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