Handout 26062007 Esping-Andersen
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Handout 26062007 Esping-Andersen
Universität Rostock Institut für Soziologie und Demografie SS 2007 Seminar: Soziologie des Wohlfahrtsstaates Dozent: Prof. Dr. Peter A. Berger Referenten: Anja Rölrdanz, Loreen Sejnovsky-Genzmann, Sara Kokemüller, Henrike Pupke, Uljana Gaidenko Datum: 26.06.2007 Die „drei Welten“ des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus 1. Gøsta Esping-Andersen Unterscheidung der vorliegenden Systeme anhand dessen, was als grundlegende soziale Sicherheit angesehen wird, und wie deren Sicherstellung organisiert wird: MARKT Wohlfahrtstriade unterscheidet 3 Produzenten von Wohlfahrt: Staat, Markt und Familie liberal Konservativ Sozial-demokratisch FAMILIE STAAT Konservative (z.B. Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich) relativ starker Staat drängt Einfluss des Marktes zurück (Dirigismus) Erhalt der bestehenden Statusunterschiede als Ziel/Folge der Sozialpolitik Hoher Status der Familie – basierend auf traditionellem Familienbild Pflichtsozialversicherung mit Anspruchsvoraussetzungen und nach Versicherungsprinzip Leitende Prinzipien: Hierarchie, Autorität, direkte Unterordnung des Individuums (oder der Familie) unter den Patriarchen oder den Staat Sozialdemokratische (Schweden, Dänemark, Norwegen) „Gleichheit auf hohem Niveau“ BeveridgeModell = universelle Basis- und Grundsicherung, bedarfsunabhängig und für alle zugänglich Abschaffung/Verringerung von Bedarfsprüfung und Anspruchsvoraussetzungen, um Aufspaltung der Arbeiterklasse zu unterbinden Gegner von betrieblichen Fürsorgesystemen und staatlichen Versicherungsformen 1 Korporatismus1 Gemessen als Anzahl unterschiedlicher Pensionsfonds Etatismus gemessen als Ausgaben für Beamtenpensionen in % des GDP Grad des Universalismus Grad der Leistungsgleicheit als durchschnittlicher Unterschied zwischen Minimal- und Maximalleistung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Altersruhe De-Kommodifizierung = „Entmarktlichung des Lebensunterhalts“ Liberale (z.B. USA, Kanada, Australien) starke Stellung des Marktes private Absicherung vorherrschend Sozialfürsorge nach Bedarfsprüfung der Vermögens- und Einkommenssituation Abhängigkeit vom Staat = negatives Stigma Zentrale Wesensmerkmale/Kriterien anhand der Prinzipien: De-stratifizierung = „Entschichtung“ der Gesellschaft Bedarfsgeprüfte Sozialfürsorge gemessen als %-ualer Anteil an gesamten sozialen Ausgaben %-Anteil privater Renten an Gesamtrenten %-Anteil privater Gesundheitsausgaben an Gesamtausgaben Höhe der Sozialausgaben (Pensionen, Kranken- und Arbeitslosengeld) Wohlfahrtsstaats-Typ und allgemeine Merkmale: Diese sollen jeweils dort einsetzen, wo die anderen versagen, um so die Last der sozialen Risiken (Armut, Arbeitslosigkeit etc.) möglichst gleichmäßig aufzuteilen – je nachdem, wie diese Triade „arrangiert“ ist, kann man drei Grundtypen von Wohlfahrtsstaaten unterscheiden: gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis von Akteuren der Interessenvermittlung (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) mit dem Staat, das nicht durch Konkurrenz-, sondern durch Aushandlungsmechanismen geprägt ist. 2. Kritik an Esping-Andersen‘s Wohlfahrtsstaats-Typologie (nach KOHL) Zuordnung von Ländern zu Modellen gestaltet sich schwierig, d.h. eindeutige Zuordnung zur Klassifizierung der real existierenden sozialen Sicherungssysteme ist kaum zweifelsfrei möglich Unterschiede zwischen dem konservativen und liberalen Modell verschwimmen dann, wenn der Staat das Prinzip der Sozialversicherung in jedem Fall, also auch als ein liberal ausgerichteter Staat, annimmt und durchsetzt Gründe: Sicherungssystem eines Landes ist aus verschiedenen Einzelprogrammen zusammengesetzt, mit unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien (staatliche Transferprogramme mit Rechtsanspruch & diverse Förderprogramme) ein Land kann unterschiedlichen Regimetypen zugeordnet werden durch die Einführung neuer Programme oder Reformen in einem Land kann sich kann sich der Charakter des gesamten Systems verändern; ein Land darf nicht statisch betrachtet werden, die sozialpolitischen Institutionen müssen stetig (also über Jahrzehnte hinweg) verfolgt werden 3. Feministische Kritik an Esping-Andersen‘s Wohlfahrtsstaats-Typologie (nach Ilona Ostner) A) Esping-Andersens Begriff vom Wohlfahrtsstaat gesteht der Versorgungsleistung von Familie und der Familie an sich kein Eigengewicht zu, das dem von Markt und Staat vergleichbar wäre. Nicht die Familie, nicht die Frau an sich interessiert, sondern nur das Ausmaß ihrer Markt- und Staatintegration durch Frauenerwerbsarbeit. B) Frauen tauchen in Esping-Andersens Typologie nur dann auf, wenn sie erwerbstätig sind oder wenn sie als Ehefrau an denen vom Mann erworbenen Sozialleistungen profitieren C) De-Kommodifizierung: um von den de-kommodifiziernenden Wirkungen profitieren zu können, muss jeder erstmal kommodifiziert sein. Frauen vergleichbar mit Männern. Dies sei aber nicht der Fall. Das übergreifende Problem der nationalen Geschlechterordnung durch sie werden Normen und Erwartungen an die Geschlechter formuliert der Staat steuert dies durch Hilfestellungen oder das Unterlassen von Hilfe wird untersucht mittels dreier Indikatoren: Ausmaß der ( Voll- oder Teilzeit) Müttererwerbstätigkeit in einem Land Ausmaß eigenständiger oder abgeleiteter sozialer Sicherung von Frauen Ausmaß und Art öffentlicher Betreuungsleistungen Zusammenfassung der Indikatoren > idealtypische Ernährermodelle: Stark ( Uk, NL, D, IRE) soziale Sicherung der Frau läuft über den Mann, wenn sie die Kinder betreut (Geld und Krankenversicherung) Pflegeleistungen werden vom Staat nicht belohnt - Wenig öffentliche Kinderbetreuung im Sinne der Frauen Kommodifizierung (sondern wenn dann vormittags und zur Vorbereitung der Kinder auf das Leben) Schwach (Skandinavische Länder, am idealsten: Finnland) alle sollen arbeiten Sorgeaufgaben werden vom Staat belohnt Kinderbetreuung wird vom Staat gewährleistet Frauen arbeiten im Schnitt lange Teilzeit Moderat (Frankreich) Frau gleichermaßen Mutter und erwerbstätiges Mitglied der Familie Frau kann wählen ob sie zu Hause bleiben will (staatliche Absicherung) oder arbeitet (staatliche Kinderbetreuung) 4. Esping-Andersen’s Reaktion auf die Kritik Esping-Andersens Konzept über die Rolle der Familie in WF: Defamilialisierung Familialismus Grad der Verantwortungsabgabe für Wohlfahrt Öffentlichkeit nimmt an, dass Familie und Betreuung an Staat und Markt Verantwortung für Wohlfahrt seiner Mitglieder Staat versucht Haushalt zu entlasten und trägt Abhängigkeit der Verwandtschaft zu geht einher mit passiver, unentwickelter verringern Familienpolitik verläuft parallel mit Konzept der DePrinzip der Subsidiarität kommodifizierung öffentliche Einmischung nur wenn Familie versagt Quellen: Esping-Andersen, Gøsta (1990): The three worlds of welfare capitalism, Cambridge. Esping-Andersen, Gøsta (1999): Social foundations of postindustrial economies. New York : Oxford, S. 47- 94 Holtmann, D.; Mutz, M.; Fütterer, B. (2006): Drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus nach Esping-Andersen. In: Holtmann, D. (Hrsg.): Zur Performanz von Wohlfahrtsregimen und zu den Unterstützungspotentialen für die verschiedenen Wohlfahrtskonzepte : Eine empirische Untersuchung. Potsdam : Universitätsverlag Potsdam Kohl, J. (1993): Der Wohlfahrtsstaat in vergleichender Perspektive. Anmerkungen zu Esping-Andersens´: The Three Worlds of Welfare Capitalism. In: Zeitschrift für Sozialreform 39, S. 67-82 Ostner, Ilona (1995): Arm ohne Ehemann? : Sozialpolitische Regulierung von Lebenschancen für Frauen im internationalen Vergleich. In: Politik und Zeitgeschichte (B36-37/95): 3-12 Ostner, Ilona (1998): Quadraturen im Wohlfahrtsdreieck. In: Lessenich, St.; Ostner, I. (Hrsg.): Welten des Wohlfahrtskapitalismus. New York : Campus Ratzlaff, O. (2006): „Gendered welfare regimes“ nach Ilona Ostner. In: Holtmann, D. (Hrsg.): Zur Performanz von Wohlfahrtsregimen und zu den Unterstützungspotentialen für die verschiedenen Wohlfahrtskonzepte : Eine empirische Untersuchung. Potsdam : Universitätsverlag Potsdam