kunsthandwerk 02 2015 - Wiener Kunsthandwerk

Transcrição

kunsthandwerk 02 2015 - Wiener Kunsthandwerk
KUNSTHANDWERK
02 2015
ERZEUGUNG KUNSTGEWERBLICHER GEGENSTÄNDE
BUCHBINDER
GOLD- UND
SILBERSCHMIEDE
MUSIKINSTRUMENTENERZEUGER
UHRMACHER
Vorwort | Kunsthandwerk
Herausforderung
angenommen!
KommR Hans Joachim Pinter
Sehr geehrte Mitglieder!
Besten Dank für Ihre Teilnahme an der Wirtschaftskammer­
wahl 2015. Die Beteiligung an der Wahl war für mich als
Vertreter dieser Berufsgruppen durchaus zufriedenstellend
und Sie haben mit der Abgabe der Stimme Ihre Meinung
zum Ausdruck gebracht.
Da wir von der Anzahl her eher kleine Berufsgruppen mit
entsprechend überschaubaren Schülerzahlen darstellen,
ist der Druck seitens der Schulerhalter sehr groß, Kosten
einsparen und die Ausbildung entsprechend ausdünnen
zu wollen.
Sie haben uns in der Bundesinnung und in den Landes­
innungen einen Auftrag erteilt, die vielschichtigen
Themen in der neuen Funktionsperiode mit voller Kraft
und vehement zu vertreten. Wir sollen für unsere Berufs­
gruppen die bestmöglichen Rahmenbedingungen
schaffen, erhalten und zukünftig möglichst noch
verbessern.
Das bedeutet für uns, einer emotionalen Ansage entge­
genzutreten und mit allen möglichen Argumenten die
qualitativ gute Ausbildung für unser Land im Sinne einer
zukünftigen Generation mit fachlicher Kompetenz zu
erhalten.
Wie Sie aus dieser Aufgabenstellung sehen können,
stellt das in der heutigen schnelllebigen Zeit und in
der Zukunft eine große Herausforderung dar.
Ich habe diese Herausforderung mit der neuerlichen
Wahl zum Bundesinnungsmeister angenommen, wohl
wissend, damit keine leichte Aufgabe angenommen zu
haben. Zusammen mit meinen Stellvertretern und den
Berufsgruppensprechern werden wir Ihre Anregungen
und Probleme einer Lösung zuführen.
In unserer Verantwortung der Bundesinnung liegt der
Themenbereich der Aus- und Weiterbildung unserer
beruflichen Nachkommen als ein wesentlicher Schwer­
punkt für unsere Arbeit in der angelaufenen Funktions­
periode vor uns. Dies gilt im Wesentlichen für alle
Berufsgruppen.
Diese sensible Situation können wir jedoch nur mit
Ihrer Unterstützung durchstehen. Wir müssen bereit
sein, allen Schülern und lernwilligen Jugendlichen
einen möglichen Arbeits- oder Praxisplatz bereitzustellen
und sie zum Erlernen unserer Berufe zu animieren.
Natürlich ist der Erhalt von Qualitätskriterien bei der
Abschluss- und Meisterprüfung und der Zugang zu den
Gewerben ein Thema, welches uns noch lange in Atem
halten wird.
Ich danke Ihnen vorab für die Unterstützung und erwarte
eine herausfordernde Zusammenarbeit aller Kräfte.
Mit kollegialem Gruß
Ihr Bundesinnungsmeister
KommR Hans Joachim Pinter (©)
Ausgabe 02 2015
–
39
Die Redaktion | Inhalt
Inhalt
39 Kunsthandwerk
Vorwort – Hans Joachim Pinter
41Die Redaktion
Ein paar persönliche Worte – Georg Lintner
54Das grosse Interview
Frau Dr. Zuna-Kratky und Heinz Lethua
56 Themenschwerpunkt Ausbildung
– die staatlicHe berufsfacHscHule für
musiKinstrumentenbau mittenwald
– Altes Handwerk – neue Herausforderungen
– Tiroler Fachberufsschule St. Nikolaus
–fit für die näcHsten 50 JaHre
42bundesinnung
– Das neue Bundesinnungsbüro der Kunsthandwerke
– Xfair – eine Leistungsschau
44 Themenschwerpunkt Ausbildung
– Neue kompetenzorientierte Berufsschullehrpläne
– Der Wert der dualen Berufsbildung
– Auslotung des kreativen Spielraums
– HtblV ferlacH Schmuck
– Die Berufsschule der gold- und silberscHmiede
– eVangeliscHes gymnasium
goldschmiedeausbildung
– forum goldscHmiede
– Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende
Berufe Buchbinder/in – Kartonagewarenerzeuger/in
– Erst Magister, dann Lehre
64Betriebsbesuche
– Interview Christian Oucherif mit Clemens Strandl
und Lehrling Rita Bruckner
– Goldschmiede Firma Feichtinger
Schmuckmanufaktur Gmbh
– sturZeis KatHarina – Gold- und Silberschmiede
–Goldschmiede norZ
68Aus den Landesinnungen
– Htl Karlstein – Uhrmacher am Puls der Zeit
– rotgoldmarkt – der Pionier der Kreativmärkte im
Nordburgenland stellt sich vor
– Uhrmacherausbildung bei Jugend am werK
–Oberösterreichische Innungsvertretung bestätigt
– Berufsschule für uHrmacHer/innen
– Htbla Hallstatt
– Berufsschule für HolZ, Klang, farbe, lacK
40
–
Ausgabe 02 2015
70Nachwort
Wie fühlt sich ein Lehrling
die redaKtion | ein paar persönliche worte
Liebe Mitglieder,
ich darf Ihnen mitteilen, dass der Bundesinnungsausschuss
in seiner konstituierenden Sitzung beschlossen hat, dass die
bundesweite Kunsthandwerkzeitung für die Jahre 2016 und
2017 gesichert ist. Die überwiegend sehr positiven Rück­
meldungen aus den jeweiligen Bundesländern haben den
Bundesinnungsausschuss veranlasst, in Ihrem Interesse dieses
erfolgreiche Medium weiterzuführen. Gleichzeitig werden wir
Sie im Herbst befragen, was Ihnen an der Zeitung gefällt und
innungsmeister, KommR Hans­Joachim Pinter, wird in seinem
wo es Verbesserungsbedarf gibt. Diese Umfrage wird dann
Vorwort den Weg für die nächsten fünf Jahre beschreiben
evaluiert und ihr Ergebnis soll direkt in die optimierung der
und die wichtigsten Ziele skizzieren.
Kunsthandwerkzeitung fließen.
Darüber hinaus steht uns seitens der Bundesinnung eine
Diese Ausgabe ist – wie angekündigt – die erste mit einem
Veränderung ins Haus. Bundesinnungsgeschäftsführer Mag.
Querschnittthema: Aus­ und Weiterbildung in den Kunst­
Dieter Jank wird von Mag. Jakob Wild die Bundesinnung der
handwerksberufen. Wir stellen Ausbildungseinrichtungen
Kunsthandwerke ab dem 01.07.2015 übernehmen und mit
– staatlich und privat – vor, die Ausbildungen in den verschie­
seinem Team betreuen. Eine Vorstellung des neuen Bundes­
densten Bereichen für insbesondere junge interessierte Leute
innungsbüros finden Sie in dieser Ausgabe. Mag. Jakob Wild
anbieten. Das Echo der Ausbilungseinrichtungen war so
wird sich in der nächsten Ausgabe von Ihnen verabschieden
gewaltig, dass wir im Redaktionsteam beschließen mussten,
und etwas wehmütig die letzten Jahre Revue passieren lassen.
auch in den nächsten zwei Ausgaben die nicht erschienenen
Vorstellungen abzudrucken.
Wenn Sie Interesse an der Unterstützung der Zeitung haben,
sei es durch Artikel, die Sie gerne schreiben würden, oder
Sie finden wieder das Große Interview, diesmal mit der Direk­
Kontakte zu Lieferanten, die unsere Zeitung mit Inseraten oder
torin des Technischen Museums Wien, Frau Dr. Zuna­Kratky,
sonstigem Sponsoring unterstützen würden, schreiben Sie mir
sowie Informatives aus den jeweiligen Landesinnungen. Des
bitte einfach an [email protected]. Ich darf
Weiteren stellen wir alle neu gewählten Vorstände der Bundes­
mich schon jetzt für die zahlreichen Rückmeldungen bei Ihnen
innung sowie der Landesinnungen nach den diesjährigen
herzlich bedanken!
Wirtschaftskammerwahlen vor. Der wiedergewählte Bundes­
Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen
Ihr Georg Lintner, der Chefredakteur (©)
neues berufsbild für
den Lehrberuf „goldund silberschmied/in
und Juwelier/in“
Mit 01.06.2015 ist nach jahrelan­
gen Verhandlungen die neue
moderne Ausbildungsordnung
für den Lehrberuf „Gold­ und
Silberschmied/in und Juwelier/in“
(BGBL. II Nr. 115/2015) erlassen
worden. Für Rückfragen steht
Ihnen Ihre Landesinnung gerne
zur Verfügung.
unser Schurli
ausgabe 02 2015
–
41
Bundesinnung
Ein engagiertes Team an Ihrer Seite
Gestatten: das neue Bundesinnungsbüro der Kunsthandwerke
Die Interessenvertretung erfüllt viele Aufgaben im Sinne
der Mitgliedsbetriebe. Dazu gehören die Vertretung deren
Anliegen gegenüber Behörden und Organisationen, sowohl
national als auch international, die Förderung der beruflichen
Aus- und Weiterbildung, Information und Beratung, die
Organisation von Veranstaltungen für Mitglieder sowie
regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit.
Ab sofort wird die Bundesinnung der Kunsthandwerke von
Geschäftsführer Mag. (FH) Dieter Jank sowie den Assistentinnen
Melanie Wieser, Claudia Rauch und Maria Enzfelder unterstützt.
Das Büro in der Wirtschaftskammer Österreich in Wien
betreut auch die Bundesinnung der Tischler und der
Holzgestaltenden Gewerbe sowie die Bundesinnung
der Kunststoffverarbeiter.
Für einen weiterhin reibungslosen Ablauf sorgt künftig
ein Team, das mit Flexibilität und Engagement punktet.
Zu den Personen:
Mag. (FH) Dieter Jank
Claudia Rauch
Geschäftsführer
Assistentin
Tel.: 05 90 900-3234,
Tel.: 05 90 900-3228
Fax: 05 90 900-291
Persönliches Fax: 05 90 900-113228
E-Mail: [email protected]
Fax: 05 90 900-291
Seit 2006 in der WKO
E-Mail: [email protected]
Ausbildung: Fachschule Maschinen­
Seit 1993 in der WKO
bau/BRP/FH Projekt­management und
Ausbildung: HAS Stadlauer Straße,
IT (berufsbegleitendes wirtschafts­
1220 Wien
wissenschaftliches Studium)
Hobbys: Lesen, Schwimmen, Radfahren, Musik, Nähen
Hobbys: Networking, Snowboarden, Mountainbiken
Melanie Wieser
Assistentin
Maria Enzfelder
Assistentin
Tel.: 05 90 900-3293
Tel.: 05 90 900-3229
Persönliches Fax: 05 90 900-113293
Persönliches Fax: 05 90 900-113229
Fax: 05 90 900-291
Fax: 05 90 900-291
E-Mail: [email protected]
E-Mail: [email protected]
Seit 2004 in der WKO
Seit 1993 in der WKO
Ausbildung: BHAK/BHAS Laa/Thaya
Ausbildung: BHAS Horn /
Hobbys: Laufen, Lesen, Snowboarden
Hobbys: Schwimmen, Besichtigung
von Burgen und Schlössern, Musik
Die Mitarbeiter des Büros der Bundesinnung haben immer
Ob Fragen oder Anregungen – das sympathische Team ist
ein offenes Ohr für die Anliegen und Wünsche der Mitglieds­
per E-Mail, Fax oder Telefon für Sie da.
betriebe. (Fotos © Bunesinnung der Kunsthandwerke)
Postadresse: Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
42
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Ausgabe 02 2015
Bundesinnung
xfair 15.–17. April 2015
Über Vermittlung von KommR Werner SCHOBER haben die
Wiener Buchbinder an der Xfair, einer Leistungsschau des
graphischen Gewerbes, teilgenommen. Diese kleine Messe,
welche am Gelände von Neu-Marx im 3. Wiener Gemeinde­
bezirk stattgefunden hat, war nach vielen Jahren wieder ein
Versuch solch einer Präsentation.
Die Begrüßung erfolgte durch Herrn Rudolf MESSER von der
Zeitschrift X-Media, der auch den Schritt zu dieser Ausstellung
wagte. Anschließend sprach Dr. Josef TAUS zum versammel­
ten Publikum, unter das sich auch Frau Regina HUHN
mischte und alles aufzeichnete.
Neben Offset- und Digitaldruckern waren auch neue Druck­
technologien sowie Bearbeitungsmaschinen für diverse
Druckwerke zu besichtigen. Für die Buchbinder stand ein
rundum freier Platz mit zwei hohen Vitrinen, in denen wir
schöne Bücher und Handeinbände zur Schau stellten, zur
Verfügung. Auf zwei Arbeitstischen stellten Herr Gert
FAULAND und ich kleine Mäppchen her, welche auf Wunsch
mit Initialprägungen versehen wurden. Lesezeichen mit
Buchbinder-Logo durften die Besucher selbst prägen.
Ein Paravent diente ebenfalls zur Schaustellung unserer
Erzeugnisse. Spezielle Produkte unserer Branchenkollegen
präsentierten wir auf zwei weiteren Tischen.
Höhepunkte erlebten wir beim Besuch der Schulabgänger der
„Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt“, viele von
ihnen werkten sehr interessiert bei unserer Handarbeit mit und
ihre Begeisterung nahm kein Ende. Herrn Direktor Prof.
Dipl.-Ing. Gustav LINNERT durften wir zwischen Vortrag und
Besprechungen kurz begrüßen. Einige Fachlehrer waren
ebenfalls anwesend.
Neben den Besuchern unserer graphischen Betriebe, die sich
an unserem Angebot wohlwollend erfreuten, kamen sehr viele
Interessenten aus Tschechien, Ungarn und Polen, die ähnlich
reagierten und gerne bereit waren, selbst zu probieren.
Unser Nachbarstand wurde vom Maschinenhersteller MüllerMartini betreut und war aufgrund der Unterschiedlichkeit der
Produkte bzw. der Hand- und Maschinenarbeit eine gute
Gegenüberstellung. Unsere Zulieferindustrie war durch ihre
Anwesenheit sehr gut vertreten.
Drucker und verwandte Berufskollegen besuchten diesen
Event ganz rege; von den einheimischen Buchbindern habe
ich nicht viele gesehen, vielleicht lag es an der Bewerbung
dieser neuen Schau, bei den Kollegen. Bei der nächsten
Messe wird es besser sein. Zu den Besuchern zählte jedenfalls
Herr Christian FLIEGER sowie unsere Berufsgruppen-Obfrau
Christine WEINER, die uns Kuchen und Kaffee kredenzte und
am Donnerstagnachmittag am Stand verweilte. Frau Paula
POSPISIL fotografierte das Geschehen, verschaffte sich so
einen Gesamteindruck und dokumentierte dieses seit
Jahren längst fällige Ereignis.
Bedanken möchte ich mich noch bei den Firmen Friedrich
Fialka, Christian Flieger, Dietmute Hofinger, Papyrus GmbH,
Buchbinderei Schogla und Wiesmeier Kartonagen GmbH für
die Ausstellungsstücke und das Sponsoring. Nach meinem
Wissensstand ist der Berufsgruppe Buchbinder im Kunsthand­
werk durch unsere Mitwirkung sicherlich kein Schaden entstan­
den, ja ich meine sogar, mit dieser kleinen „lebenden
Werkstätte“ zur Imagepflege nützlich beigetragen zu haben.
In den Händen von Frau Regina HUHN lag die Koordination,
bei der sie sich wie schon so oft bewiesen hat. Meinem Freund
Herrn Gert FAULAND danke ich für die gute Zusammenarbeit
seit mehreren Jahrzehnten und verbleibe
mit kollegialen Grüßen – Franz Holitzer
Ausgabe 02 2015
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43
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Neue kompetenzorientierte Berufsschullehrpläne
Bei den neuen Rahmenlehrplänen für Berufsschulen wird die
Kompetenzorientiertes Unterrichten legt den Fokus im Unter­
nationale Zuordnung der jeweiligen Ausbildungssysteme
richt auf Handlungsorientierung. Nicht die reine Wissens­
(Nationaler Qualifikationsrahmen, NQR) durch die Formulie­
vermittlung steht im Mittelpunkt, sondern die Entwicklung
rung relevanter Lernergebnisse in Form kompetenz- und
und das Üben von Fähigkeiten und Fertigkeiten, damit die
lernergebnisorientierter Lehrpläne und durch die Abbildung
Lernenden dieses Wissen in realen persönlichen oder
von Lernergebnissen in Bildungsstandards unterstützt.
beruflichen Herausforderungen umsetzen können.
Bezugspunkt ist die Definition von Franz E. Weinert (2001):
Dabei ist es wichtig, dass Wissen durch Interaktion mit
„Kompetenzen sind die bei Lernenden verfügbaren oder
anderen Personen angewendet wird. Kompetenzorientierter
durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten,
Unterricht richtet den Blick also verstärkt darauf, wie über den
um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen
Wissenserwerb hinaus im Unterricht eine lernbereite Haltung
motivationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten,
entwickelt wird, die die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich auf
um die Problemlösung in variablen Situationen erfolgreich
Unbekanntes einzulassen und wechselnde Anforderungen zu
und verantwortungsvoll nutzen zu können.“
meistern, stärkt. Ein wesentliches Element des kompetenzori­
entierten Unterrichtens ist auch, unterschiedliche Kompeten­
Kompetenzen sind somit mehr als reine Wissensinhalte.
zen zu fördern. Die Schülerinnen und Schüler werden vor
Die individuelle Kompetenz beinhaltet ein Netzwerk von
konkrete Lernsituationen gestellt und üben selbsttätig,
zusammenhängenden Aspekten wie Wissen, Fertigkeiten,
Lösungs- und Lernwege zu finden. Durch die Fokussierung
Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation
des Unterrichtens auf den Kompetenzerwerb werden das
unter Einbeziehung des persönlichen Agierens in einem
Können und damit automatisch die Stärken der Schülerinnen
sozialen Umfeld.
und Schüler, nicht länger die Defizite oder Schwächen, in den
Vordergrund gerückt.
Vorankündigungen & Ausstellungen
Adventverkauf 2015
Uhrmachertreffen
WANN: Freitag, 27.11.2015 von 15:00 bis 21:00 Uhr
Das 21. Uhrmachertreffen findet vom 11. bis 13. September
Samstag, 28.11.2015 von 11:00 bis 20:00 Uhr
2015 in Berndorf/NÖ statt. Die Veranstalter Gabi und Robert
WAS: Schmuckstücke aus Süßwasserperlen und Edelsteinen
Rudolf haben ein vielfältiges Programm für die Teilnehmer
WO: Birgit Grafinger
zusammengestellt. Am Freitag ist ein Besuch des Museums
An der Lan Str. 37/2. Stock, 6020 Innsbruck
für Turmuhren und Bratenwender vorgesehen. Am Abend
www.principerla.at | +43 676 632 96 09
gibt es entweder einen Theaterbesuch oder einen Besuch
Mosaik-Kreativkurs
des Pecher Museums. Am Samstag gibt es ein kulturelles
Programm (Besuch der Berndorfer Stilklassen, Besuch des
WANN: jeden MONTAG, DIENSTAG und MITTWOCH
Wahrzeichens von Berndorf, der Margaretenkirche, Besuch
WO: in der kleinen Werkstatt von Angelika Obholzer in
des Krupp Stadt Museums Berndorf, Blick hinter die Kulissen
St. Ulrich am Pillersee
des Stadttheaters Berndorf) und dann einen Themenabend
Angelika Obholzer – Gelernte Glasbläserin und Mosaizistin
(Anfertigung von Uhrenlagersteinen). Am dritten und letzten
Kreativwerkstatt PillerseeTal
Tag steht die Jubiläumswarte Guglzipf mit Mittagessen in
Mosaik & Glas | Waldweg 45
der Waldhütte Guglzipf auf dem Programm. Die näheren
6393 St. Ulrich am Pillersee
Details wollen Sie bitte auf unserer Homepage
Telefon: +43 664 545 75 00 | Telefax: +43 5354 522 59
www.kunsthandwerk-online.at nachlesen.
E-Mail: [email protected]
www.kreativwerkstatt-pillerseetal.at
44
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Ausgabe 02 2015
tHemenscHwerPunKt | ausbildung Kunsthandwerk
der wert der dualen berufsbildung
Der Nutzen der Lehrlingsausbildung für die Unternehmen
besteht darin, dass sie über sofort nach der Ausbildung
unmittelbar einsatzfähige Fachkräfte verfügen. Im Gegen­
satz zu Absolventen rein schulischer Ausbildungen verfügen
Lehrabsolventen bereits über Berufspraxis und sind ins
betriebliche Geschehen involviert.
Es ist die Verbindung von Arbeiten und Lernen, welche die
besondere pädagogische Stärke der dualen Berufsbildung
ausmacht. Unmittelbar zu wissen, wozu man das Gelernte
brauchen kann, und es auch sofort anwenden zu können, ist in
höchstem Maße förderlich für die Lernmotivation. Vor allem
aber ist die Nachhaltigkeit des Lernens dank des unmittelba­
ren Sinnzusammenhangs und der laufenden Anwendung
besonders gegeben.
Wie hoch der Wert der Lehrabsolventen für die Unternehmen
ist, erkennt man an der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit in
Österreich und den vergleichsweise hohen Einstiegsgehältern
der Lehrabsolventen. Im März 2015 lag Österreich mit 9,2 %
Jugendarbeitslosigkeit in der EU an zweiter Stelle hinter
Deutschland, der EU­Durchschnitt lag bei 23,5 %. Das erste
Einkommen nach der Ausbildung liegt bei 28 % der Lehrabsol­
venten über 2.400,– Euro, dagegen verfügen lediglich 7 % der
Absolventen einer berufsbildenden mittleren oder höheren
Schule über ein Einstiegsgehalt über 2.400,– Euro.
Trotz dieses hohen und auch international anerkannten Wertes
der dualen Berufsbildung in Österreich sinkt die Zahl der
Lehrlinge dramatisch. Gab es 2008 noch 39.145 Lehrlinge im
ersten Lehrjahr in den Ausbildungsbetrieben, waren es 2014
nur noch 29.225, also um ein Viertel weniger! Das liegt
einerseits am demografischen Rückgang der Zahl der Jugend­
lichen und andererseits am anhaltenden Trend zu immer
höherer Bildung. Allgemeinbildende und berufsbildende
höhere Schulen gewinnen an Anteil, berufsbildende mittlere
Schulen und die Lehrlingsausbildung verlieren an Anteil.
Um diese Verluste in erträglichen Grenzen zu halten, müssen
wir alles tun, um die duale Berufsbildung in der Konkurrenz
mit den höheren Schulen bestmöglich zu stärken. Die
Qualität der Ausbildung muss sichtbar gemacht werden,
Karrieremöglichkeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten
müssen dargestellt werden. Das Kunsthandwerk verfügt über
ausgezeichnete Voraussetzungen, um sich attraktiv zu
präsentieren: eine attraktive und persönlich beglückende
Arbeit, Kreativität, Qualität und Tradition.
save the date
WKÖ-Bp / Dr. Alfred Freundlinger
Wiedner Hauptstraße 63; 1045 Wien
Veranstalter:
Bundesfachverband der Buchbinder,
Kartonagewaren-, Etui- und Kassettenerzeuger
Buchbindertag
am 10. Okt. 2015
ausgabe 02 2015
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Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Auslotung des kreativen Spielraums
Ideen eine Gestalt verleihen – in der höheren Bundeslehranstalt für Kunst und Design
in den drei Ausbildungsschwerpunkten Schmuck, Graviertechnik und Kunstschmied.
Die Ausbildung vermittelt eine qualifizierte handwerkliche Ausbildung, führt nach
fünf Jahren zur Reife- und Diplomprüfung und berechtigt zum Studium.
HTBLV Ferlach Schmuck
Seit es Menschen gibt, gibt es Schmuck. Es gehört zu den
ureigensten Instinkten des Menschen, sein Äußeres wie auch
seine Umwelt zu gestalten. Der Goldschmied gibt dieser
Vorstellung Gestalt; der Prozess dieser Formgebung sollte
künstlerisch, zeitgemäß, ansprechend, neu und kompetent
sein. Alles, was man dazu an Rüstzeug braucht, wird den
jungen Leuten mitgegeben!
Wie sieht das aus? Es werden die Grundtechniken des
traditionellen Handwerks mit zeitgeistigem Know-how
verknüpft. Die Schülerinnen und Schüler erlernen die klassi­
sche Löttechnik ebenso wie den Umgang mit dem Laser.
Feilen, Sägen, Treiben und Gießen sind die Techniken, mit
denen die Entwürfe umgesetzt werden. Immer geht es darum,
mit höchster handwerklicher Präzision edle Materialien in
kleine Kunstwerke zu verwandeln. Dazu gehören auch das
Fassen von Edelsteinen und Verarbeiten von Perlen und
und Designtheorie, Entwurf, Darstellung und Komposition
anderen Raritäten. Damit die Idee des Kunden oder des
vermittelt. Dabei wird besonderer Wert auf Kreativität und
Goldschmiedes Form annehmen kann, lernen die Schüler­
mutige Denkansätze gelegt. Es werden Schmuckkünstler
innen und Schüler Darstellungstechniken mit Bleistift, Farbstift
ausgebildet, die wissen, worauf es ankommt!
und Aquarellfarben ebenso sicher anzuwenden wie den
Umgang mit Gestaltungsprogrammen wie Photoshop, Rhino
POSITIONIERUNG: Die Schülerinnen und Schüler haben
und Creative Suite. Daher sind sie auch für die Konstruktion
eine Zukunft voller offener Türen: Goldschmiede, Juweliere,
am Computer und die Produktion von Kleinserien bestens
Designer, freischaffende Künstler, selbstständige Geschäfts­
ausgebildet.
leute im Fachhandel, Kunststudenten und Projektmanager
– die Absolventinnen und Absolventen sind gesuchte
Das theoretische Hintergrundwissen wird den Schülerinnen
Fachleute, die auf ein erfolgreiches Berufsleben bestens
und Schülern in den Bereichen Technologie, Kunstgeschichte
vorbereitet sind!
Auf Augenhöhe spricht es sich leichter.
BAWAG P.S.K. Filiale 1220 Wien, Rennbahnweg 40, Tel. 05 99 05 / 605100
Mitten im Leben.
46
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Ausgabe 02 2015
www.bawagpsk.com
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Die Berufsschule der GOLD- UND SILBERSCHMIEDE
Eingebettet in die Berufsschule für Chemie, Grafik und
Schmuckstückes wird so zum Angelpunkt für die Themen der
gestaltende Berufe sind die Werkstatt, die Unterrichtsräume
Fachtheorie, Edelsteinkunde, Technologie, des Fachzeichnens
und Archive der Goldschmiede – sie sind im zweiten Stock
und natürlich der praktischen Arbeit.
über dem Haupteingang beheimatet.
Seit 2008 führen wir in Kooperation mit der Berufsschule für
Die Goldschmiedewerkstätte bietet zwölf Schülerinnen
Einzelhandel ein Goldschmiedepraktikum für Uhren- und
und Schülern Platz, hinzukommen zwei Arbeitsplätze für
Juwelen-Handelslehrlinge mit großem Erfolg durch und
Lehrer­innen und Lehrer. Von drei Seiten lichtdurchflutet,
ergänzen die Fachkompetenz des Handels mit Einblicken
öffnet sich der Blick auf den prachtvollen Innenhof.
in die Aufgaben des Goldschmiedes.
Nach der Übersiedelung aus dem Standort Sonnenuhrgasse
Für Herbst 2015 erwarten wir einen Zuwachs an Lehrlingen
wurde hier nach modernen Gesichtspunkten und hohen
und freuen uns schon auf unsere neuen Berufsschüler der
Sicherheitsstandards eine Goldschmiedewerkstätte mit zu­ge­
überbetrieblichen Maßnahme, die unsere gewerblichen
hörigen Unterrichts- und Lagerräumlichkeiten eingerichtet.
Lehrlinge verstärken werden.
Die Werkstätte:
* Alle Fotos von A. J. Römer – Entwurf von S. Paukner
Computerunterstütztes Design und Präsentationstechnik
Die räumliche Nähe zu voll ausgerüsteten Computersälen
und der gute Kontakt zu den Lehrerinnen und Lehrern der
Berufsgruppe Medienfachleute ermöglicht die professionelle
Beschäftigung mit Design und Gestaltung auf dem letzten
Stand der Technik. Da unser Theorieraum über einen eigenen
PC mit Internetzugang verfügt und heutzutage alle Schülerin­
nen und Schüler über ein webfähiges Smartphone verfügen,
lässt sich ein moderner Unterricht problemlos umsetzen.
Mit der Umsetzung der kompetenzorientierten Lehrpläne und
der Einführung von Mindeststandards in der Berufsbildung
erfüllt sich zur Zeit ein alter Wunsch der Handwerksausbildung
nach einer gesamtheitlichen und projektorientierten Unter­
richtsgestaltung. Das Entwerfen, Planen und Umsetzen eines
Ausgabe 02 2015
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Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Evangelisches Gymnasium Goldschmiedeausbildung
Seit dem Jahr 2001 werden im Werkschulheim des Evangeli­
der Ausbildung steht das Technikerprojekt, bei dem die
schen Gymnasiums angehende Goldschmiede ausgebildet.
Schülerinnen und Schüler ein eigenes, umfangreiches
Zunächst in der Argentinierstraße angesiedelt, zog man
Schmuckstück selbstständig entwerfen und anfertigen.
2007 an den neuen Schulstandort in der Erdbergstraße.
Der Neubau wurde entsprechend den Bedürfnissen der
Das Absolvieren von verpflichtenden Berufspraktika ver­
im Werkschulheim angebotenen Berufe angelegt. Neben
mittelt den Schülern einen Einblick in die Fertigungstech­
Goldschmieden werden auch Tischler und Informationstech­
niken und die wirtschaftlichen Abläufe von Betrieben. Diese
niker ausgebildet. Seit dem Abschluss der ersten Gold­
Praktika werden von den Schülern zwischen der 6. und 7.
schmiedeklasse im Jahr 2005 haben über 100 Schüler die
oder 7. und 8. Klasse im Umfang von bis zu vier Wochen
Goldschmiede-Lehrausbildung positiv absolviert.
absolviert.
Das „Werkschulheim“ ist ein Realgymnasium, das die
Schülerinnen und Schüler mit einem vermehrt technischen
Werkunterricht in der Unterstufe auf eine spätere handwerk­
liche Ausbildung vorbereitet. Die Lehrausbildung beginnt in
der Oberstufe und endet mit einer Lehrabschlussprüfung am
Beginn der 9. Klasse. Sobald diese positiv abgeschlossen
wurde, schließen die jungen Facharbeiter ihre Ausbildung
mit einer AHS-Matura am Ende der 9. Klasse ab.
Im Bereich der Goldschmiede legt man großen Wert auf
eine umfassende, praxisbezogene Ausbildung, bei der auch
die Kreativität der Auszubildenden gefördert wird. In bis zu
18 Wochenstunden pro Schuljahr werden den Schülerinnen
und Schülern praktische und theoretische Inhalte so nahege­
bracht, dass sie in allen Teilbereichen des Berufs selbst­
Der Vorteil der Ausbildung in diesem Schultyp liegt im
ständig arbeiten können. Die Kreativität der Lehrlinge wird
Erwerb einer Doppelqualifikation (Matura und Lehrabschluss)
besonders im Unterrichtsfach „Fachzeichnen“ gefördert.
sowie im Einüben von Qualifikationen wie Teamfähigkeit,
Beim Designen von individuellen Schmuckstücken wird auch
Sozialkompetenz und der Fähigkeit, Verantwortung zu
der Umgang mit modernen 3D-Programmen vermittelt.
übernehmen.
In der Werkstätte werden anfängliche Übungen nach und
DI Michael Niederle und Mag. (FH) Stefan Nikl
nach zu komplexen Arbeiten zusammengeführt. Am Ende
Fotos © Stefan Nikl
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Ausgabe 02 2015
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Forum Goldschmiede
Gegründet im Jahr 2004 befindet sich das Forum Goldschmiede
dieses konzentrierte Beschäftigen mit dem Gold- und
im 15. Wiener Gemeindebezirk in der Nähe des Westbahn­
Silberschmieden ist es möglich, in dieser Zeit Lehrabschluss­
hofs in der Goldschlagstraße 10–12. Diese goldschmiedische
prüfungsniveau zu erreichen. Des Weiteren werden Vorberei­
Ausbildungseinrichtung geht ursprünglich auf die WIFI-Werk­
tungskurse zur Meisterprüfung angeboten. In den beiden
stätte der Goldschmiede zurück; als diese im Jahr 2003
vergangenen Jahren traten 27 Kandidatinnen und Kandidaten
geschlossen wurde, trat an diese Stelle der Verein Forum
zur Meisterprüfung an.
Goldschmiede unter der Leitung von OSR Prof. Leopold
Rössler. Die Räumlichkeiten, zur Verfügung gestellt von Frank
Das Angebot erstreckt sich aber noch wesentlich weiter, vom
Thomas Moch, wurden adaptiert und in der ersten Ausbau­
Töchtertag bis hin zu Aktzeichenkursen, Einzelcoachings in
stufe wurde eine Werkstätte für 12 Personen aufgebaut.
Theorie und Praxis, Workshops zu Kernthemen aus dem
Bereich des Goldschmiedens, aber auch praxisbezogenen
Heute verfügt das Forum Goldschmiede über eine Ausbil­
Kurseinheiten zum Thema Fassen, Juwelenmontage, Silber­
dungswerkstätte mit 24 Arbeitsplätzen, eine Start-up-Werk­
schmieden oder Kettenmachen.
stätte mit 10 Plätzen und einem Shop, einen Theoriebereich
von 105 m², 9 Computerarbeitsplätze und ein Fotostudio.
Einen beachtlichen Teil der Ausbildung nimmt der Bereich
CAD/CAM ein. Mit Eva Tucek haben wir eine Fachfrau
Die Kurse, die im Forum Goldschmiede angeboten werden,
gefunden, die auf persönliche Herausforderungen eingeht
erstrecken sich von einer profunden Grundausbildung – dieser
und ein breites Wissen und Können vermitteln kann. Des
Kurs dauert zwei Jahre – bis hin zu Einzelcoachings. Kurszeiten
Weiteren unterstützen uns Robert Elmer, Gerhard Pichler,
sind Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 16:00 Uhr. Durch
Michaela Stary und Heinz Trauer, die Abteilung Fotografie
leitet Charlotte Schwarz (© alle Fotos auf dieser Seite).
Abgerundet werden diese Aktivitäten durch ein reichhaltiges
Angebot an Exkursionen. Wir besuchen Museen oder
Ausstellungen oder fahren in die Berge, um Edelsteine zu
suchen. Bei allem zum Gebote stehenden Ernst darf die
Freude an der Ausbildung nicht zu kurz kommen.
Fragen zu unserem Angebot – [email protected]
Herzlichst, Wolfgang Hufnagl und Stefan Graupe
Ausgabe 02 2015
–
49
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
HTL Karlstein – eine moderne Schule für Uhrmacher
am Puls der Zeit
„Handwerk hat goldenen Boden“ lautet ein Zitat, welches insbesondere auf
die Uhrmacherei in vielfacher Art und Weise zutrifft.
Ist einerseits der Umgang mit edlen und teuren Materialien
schon ein besonderes Merkmal des Uhrmacherhandwerks, so
sind es andererseits auch die kreativen Gestaltungsmöglich­
keiten mit einer Affinität zu Kunsthandwerk und Design,
welche dieses Berufsfeld auch für Mädchen interessant
machen – obwohl es sich bei Uhren doch um technische
Objekte handelt und die Tätigkeit des Uhrmachers über­
wiegend als Reparieren und Instandhalten bekannt ist.
Aber weit gefehlt. Viele Absolventinnen und Absolventen
der Uhrmacherausbildung in Karlstein sind weltweit tätig,
arbeiten dort oft als begehrte Fachkräfte unter der Einhaltung
höchster Sauberkeits- und Präzisionsstandards an einer
Seit über 140 Jahren gibt es die traditionelle Ausbildungs­
ausgefeilten Uhrwerkstechnik, welche zunehmend in Eigen­
stätte für Uhrmacher in Karlstein/Thaya nun schon und sie
entwicklung und individueller Gestaltung angeboten wird.
bietet, trotz oder vielleicht sogar mit dem raschen technolo­
gischen Wandel, immer wieder eine Reihe an Möglichkeiten
Seit Beginn der Wirtschaftskrise und mit steigender Währungs­
zur umfassenden Berufsausbildung auf neuestem Stand
inflation hat die manufakturell gefertigte Uhr wieder an
und zur Entwicklung grenzenloser Berufskarrieren. Die hohe
Bedeutung gewonnen und ist als wertsichere Anlageform
Qualifizierung der Absolventen spiegelt sich neben den
durchaus eine Alternative zu Edelmetall und Juwelen. Der
Erfolgen bei internationalen Wettbewerben auch im steten
weltweit wachsende Uhrenmarkt sucht, insbesondere dort,
Zulauf ausländischer Schülerinnen und Schüler und in zuneh­
wo sich Reiche tummeln und andere Urlaub machen, dringend
menden Umschulungen aus anderen Berufsfeldern wider.
Fachleute zur Herstellung, zum Verkauf und Service von
qualitativ hochwertigen Uhren. Know-how, Hightech und der
Uhrmacher – ein Beruf mit traditionell großer Wertschätzung,
einzigartige Reiz eines Technik-basierten Schmuckstücks am
an dessen Anfang die „Uhrmacherschule“ Karlstein mit ihren
Arm sind ein „goldener Boden“ für die Uhrmacherei.
im Zukunftstrend liegenden Ausbildungen steht.
(© Foto: HTL Karlstein) Weitere Infos unter www.htl-karlstein.ac.at
Uhrmacherausbildung bei Jugend am Werk
Präzision, Konzentration und Sauberkeit stehen in der Werk­
stätte der Uhrmacherinnen und Uhrmacher im Lehrbetrieb
Lorenz-Müller-Gasse von Jugend am Werk im Vordergrund.
Derzeit absolvieren hier 13 Jugendliche ihre Lehrausbildung
im Berufsfeld „Uhrmacher/in und Zeitmesstechniker/in“ am
letzten verbliebenen Ausbildungsstandort in Wien. „In
Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice Wien bieten wir
pro Jahr sechs Jugendlichen die Möglichkeit, eine hochqua­
litative Ausbildung zu erhalten, die mit der Lehrabschlussprü­
fung endet“, erklärt Leiter Markus Martincevic. „Stolz sind wir
darauf, dass die ersten beiden Ausbildungsjahrgänge eine
erfolgreiche Lehrabschlussquote von 100 Prozent aufweisen
konnten.“
50
–
Ausgabe 02 2015
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Der Ausbildungsplan berücksichtigt einerseits die traditio­
Martincevic. „Zudem freuen wir uns über Kontakte zu
nelle Kunst der Uhrmacherei wie die Herstellung, Wartung
Betrieben, die Praktikumsplätze anbieten oder alte
und Reparatur komplizierter Schlagwerke, mechanischer
ausgemusterte Uhren als Übungsobjekte vergeben.“
und elektronischer Kleinuhren, aber auch das notwendige
Fachwissen auf dem Gebiet der modernsten technologi­
Kontakt:
schen Errungenschaften der Uhrenindustrie. Außerdem wird
Jugend am Werk Berufsausbildung für Jugendliche GmbH
großer Wert auf die Fehlersuche und die fachgerechte
Lehrbetrieb Lorenz-Müller-Gasse, 1200 Wien,
Anfertigung von Ersatzteilen gelegt. „Derzeit läuft die
Lorenz-Müller-Gasse 3, Tel: 01 332 51 63
Bewerbungsfrist für das Ausbildungsjahr 2015/16 und
[email protected] / www.jaw.at
wir nehmen noch Anmeldungen entgegen“, erläutert
(© Foto: Jugend am Werk)
Berufsschule für Uhrmacher/innen –
Zeitmesstechniker/innen
In der Berufsschule für Uhrmacher/innen – Zeitmesstechniker/-
zentrum von JAW, das heißt, dass nicht jedes Jahr auf eine
innen in Wien werden die Wiener Lehrlinge im Jahresunter­
neue Ausschreibung seitens des AMS gewartet werden muss
richt beschult. Das bedeutet, dass die Lehrlinge eines
und dass die Lehrlinge nicht zugeteilt werden, sondern
Lehrjahres einmal in der Woche Berufsschulunterricht haben.
beworben und ausgesucht werden können. Das hat den
Sie erhalten neben den allgemeinbildenden Fächern auch
Vorteil, dass das Ausbildungsniveau wieder steigt. Erfreulich
noch theoretischen und praktischen Fachunterricht. Die
ist auch, dass das Interesse an der Ausbildung für diesen
Schülerinnen und Schüler werden in einem freundlichen,
hochtechnischen und innovativen Beruf wieder im Steigen ist.
hellen Klassenzimmer und einer sehr modern und technisch
Laut Information seitens JAW sind die freien Lehrplätze für das
sehr gut ausgestatteten, hellen Werkstätte von Herrn SR
kommende Lehrjahr bereits gut belegt.
Dipl. Päd. Ing. Leopold Kitzler und Herrn Harald Rinder in
den Fachgegenständen unterrichtet.
Recht herzlichen Dank an alle Beteiligten, die die Berufsschule
für Uhrmacher/innen – Zeitmesstechniker/innen unterstützen.
Nach der Schließung der ULW schien es, dass die Berufsaus­
bildung zur Uhrmacherin bzw. zum Uhrmacher in Wien keine
Mir bleibt noch das große Vergnügen, mich bei meinem
Zukunft hätte, aber dank des Engagements von AMS, Jugend
geschätzten Kollegen Herrn Ing. Leopold Kitzler für seine
am Werk und der Berufsschule konnte die Ausbildung wieder
Unterstützung und jahrelange gute Zusammenarbeit zu
auf eine zukunftsträchtige Schiene gebracht werden. Die
bedanken und ich wünsche ihm für sein Sabbatical (Freijahr)
Lehrlinge, die den Beruf Uhrmacher/in – Zeitmesstechniker/in
alles erdenklich Gute und Ihnen einen schönen Sommer.
bei Jugend am Werk erlernen, sind im sogenannten Bildungs­
Harald Rinder – (© Fotos: Berufsschule der Uhrmacher)
Ausgabe 02 2015
–
51
tHemenscHwerPunKt | ausbildung Kunsthandwerk
HtbLa HaLLstatt
ausbildungszweig streich- und
saiteninstrumentenerzeugung
Die Abteilung Streich­ und Saiteninstrumentenerzeugung
der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Hallstatt bietet
eine 4­jährige Ausbildung, die inhaltlich auf das Berufsbild
des gleichnamigen Lehrberufes abgestimmt ist. Die Ausbil­
dung ist vorwiegend handwerklich ausgerichtet, obgleich
moderne Produktionstechniken ebenfalls Berücksichtigung
finden (cNc­ und Laser­Technologie).
Die fachbezogenen unterrichtsgegenstände sind:
• Atelier und Produktion
• Technologie
• Fachzeichnen
ausbildungsschwerpunkte sind:
• Gitarrenbau – Herstellung von Konzert­ und
Steelstringgitarren
• Geigenbau – Bau von modernen und barocken
Geigen
• Reparatur – Querschnitt durch die üblichen
Einstellungs­ und Instandsetzungsarbeiten
aus der beruflichen Praxis
• Restaurierung – Systematische Behandlung von
kunstgerechten Techniken der Restaurierung an
Geigen und Gitarren
• Abschlussarbeit – Herstellung eines
Abschlussinstruments (Gesellenstück) nach
weitgehend eigener Recherche und Planung
• Zusätzliche Lehrinhalte: Grundkurs für Drechslerei,
Ausbildung an holzbearbeitenden Maschinen
(mit AUFA­Diplom)
52
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ausgabe 02 2015
Freigegenstände:
• Musikalische Grundausbildung (Harmonielehre,
Notensysteme, Musikgeschichte, Akustik,
Instrumentenkunde u. a.)
• Elektrogitarrenerzeugung
(Konstruktion, Schaltungen, Lackierung)
Die Arbeit in den Werkstätten wird von mehreren Meisterin­
nen und Meistern betreut und durch profunde theoretische
und graphische Inhalte begleitet (Konstruktionslehre,
Material­ und Werkzeugkunde, Akustik, Proportionslehre,
Planung, Stilkunde u. a.)
Mit dem Abschlusszeugnis gilt die Unternehmerprüfung
(Modul 5 der Meisterprüfung) als abgegolten.
Nach der regulären Ausbildung, die gesetzlich dem Gesel­
lenstatus gleichgestellt ist, besteht für Absolventinnen und
Absolventen die Möglichkeit, ein weiteres Meisterjahr mit
anschließender Meisterprüfung zu absolvieren.
Nähere Informationen unter www.htl-hallstatt.at
(© Foto: Nupi Jenner)
tHemenscHwerPunKt | ausbildung Kunsthandwerk
berufsschule für HoLZ, KLang, farbe, LacK
Die Berufsschule für Holz, Klang, Farbe und Lack, beheimatet
im 15. Wiener Gemeindebezirk, bietet neben Tischlerei,
Drechslerei, Holz­ und Steinbildhauerei, Malerei und Beschich­
tungstechnik sowie Lackiertechnik als einzige Berufsschule
in Österreich eine Ausbildung im Rahmen des dualen
Ausbildungssystems für Musikinstrumentenerzeugung an.
Diese umfasst folgende Lehrberufe:
klavierbau, Orgelbau, Blechblasinstrumentenerzeugung,
Holzblasinstrumentenerzeugung, Harmonikamacher,
streich- und saiteninstrumentenbau.
Die Aufgaben der Berufsschule sind es, grundlegende
theoretische Kenntnisse zu vermitteln, die Allgemeinbildung
zu erweitern und die betriebliche Ausbildung zu fördern und
zu ergänzen. Dabei ermöglicht besonders das Arbeiten in
Kleingruppen ein individuelles Betreuen der Schülerinnen
und Schüler. Entgegen dem Trend der letzten Jahre in vielen
Handwerksberufen zu geringeren Lehrlingszahlen kann im
Bereich der Musikinstrumentenerzeugung die Anzahl der
Lehrlinge als stabil bezeichnet werden.
Noch vor einigen Jahren war die Zahl der kleinsten Gruppe
unter den Musikinstrumentenerzeugern, Lehrlingen der
Streich­ und Saiteninstrumentenerzeuger, so gering, dass nicht
einmal jeden Jahrgang ein Schüler die Schule besuchte. Das
hat sich in den letzten Jahren geändert und so verstärkt seit
kurzem auch eine neue Lehrkraft, Geigenbaumeister Matthias
Bölli, das bewährte Team der Fachexperten, bestehend aus
Rudolf Plank, Klaviermachermeister, Ulrich Riediger, orgelbau­
meister, und Johann Schnaubelt, Blechblasinstrumentenerzeu­
germeister. Fachbezogene Lehrausgänge und Exkursionen,
u. a. auch ins benachbarte Ausland, ergänzen den Unterricht
in idealer Weise. Eine jährliche finanzielle Unterstützung
seitens der Bundesinnung der Kunsthandwerke trägt dazu
bei, diese Exkursionen durchführen zu können.
Weitere interessante Details: Mehr als ein Viertel der Lehrlinge
im Bereich der Musikinstrumentenerzeugung sind weiblich
und mehr als ein Viertel haben Matura!
Pro Lehrjahr wird die Schule von den Lehrlingen in einem
Lehrgang mit der Dauer von 9 Wochen besucht. Selbstver­
ständlich kann für die Schülerinnen und Schüler, so gewünscht,
ein Platz in einem nahe gelegenen Lehrlingsheim organisiert
werden.
Besuchen Sie uns auch auf unserer Homepage www.hkfl.at
(© Fotos: Berufsschule für Klang)
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ausgabe 02 2015
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53
Das grosse Interview
Frau Dr. Zuna-Kratky – Technisches museum Wien
Georg Lintner
Seit wann gibt es das Technische Museum?
Gabriele Zuna-Kratky
Seit wann gibt es die Sammlung der Musikinstrumente?
Musikinstrumente werden seit den Anfängen des Museums
gesammelt. Aufgabe des neu gegründeten Technischen
Die Grundsteinlegung wurde von Kaiser Franz Joseph am
Museums war es, das heimische Gewerbe in seiner ge­
20. Juni 1909 durchgeführt. Die Sammlung des Technischen
schichtlichen Entwicklung und dem jeweils neuesten Stand
Museums Wien basierte auf dem National-Fabriksprodukten-
der Technik darzustellen und seine weitere Entwicklung zu
Kabinett, dem Technischen Kabinett der Modellensammlung
fördern. Die große Bedeutung des Instrumentenbaus im
und anderen Beständen, welche 1842 zum Technologischen
19. Jahrhundert, im Speziellen des Klavierbaus, begründete
Kabinett vereinigt wurden. Das Museum, das Ende 1913 für die
die Aufnahme von Musikinstrumenten in die Sammlungen
Einrichtung zur Verfügung stand, wies eine überbaute Fläche
des Museums. Beginnend mit einem Schwerpunkt zum
von 9.600 m² und eine Ausstellungsfläche von 15.600 m² auf.
Wiener Hammerklavier wurden nach der Museumseröff­
Am 6. Mai 1918 öffnete das Museum noch während des
nung 1918 die anderen großen Instrumentengruppen
Ersten Weltkrieges seine Pforten.
Saiteninstrumente, Blasinstrumente, Orgeln sowie einige
selbstklingende Instrumente ergänzt. Dazu kamen schon
Welche Neuerungen gibt es im Technischen Museum,
früh mechanische und selbstspielende Instrumente und
seitdem Sie Direktorin sind?
Ende des 20. Jahrhunderts elektronische Instrumente und
Ich bin sehr stolz, dass sich die Männerdomäne Technisches
Zungeninstrumente. Unter dem Aspekt „Wege und Irrwege
Museum Wien in ein Museum gewandelt hat, welches für
im Instrumentenbau“ wurden auch immer wieder Belege
Frauen und Männer gleich interessant ist. Der Frauenanteil
für Fehlentwicklungen oder Prototypen, die dann nicht
bei den Mitarbeitern liegt derzeit bei 50 %.
weiter produziert wurden oder werden konnten, gezeigt.
Es wurden spezielle Bereiche für Kinder – wie das Mini und
Dieser Teil der Schausammlung – damals unter dem Titel
Mini Mobil – eingerichtet. Das Museum wurde zu einem
„Musiktechnik“ – wurde erstmals 1931 eröffnet.
sehr beliebten Ort der außerschulischen Weiterbildung.
Welche Exponate der Sammlung der Musikinstrumente
Welche Schwerpunkte setzt das Museum und gibt es
sind besonders hervorzuheben?
sogenannte „Highlights“?
Zu jeder Instrumentengruppe gibt es Highlights. Die
Die Ausrichtung des Museums setzt den Schwerpunkt auf
Uhlman-Blasinstrumente, der Conrad-Graf-Flügel und die
Präsensation der Gegenwartstechnik, auf Basis historischer
Reihe von Instrumenten der Klavierbaudynastie Streicher,
Wurzeln, mit einem Blick in die Zukunft. Wir möchten Innova­
die Hupfeld-Violina und der Steinway-Welte-Flügel zu den
tionen zeigen und den Besucherinnen und Besuchern den
selbstspielenden Instrumenten, kleine Handzuginstrumen­
Zugang zu dieser Materie erleichtern.
te als die ersten Vorläufer des Akkordeons und natürlich
das größte Instrument der Sammlung – die Buckow-Orgel
Sind die Besucherzahlen in den letzten Jahren gestiegen?
aus der Hofburg-Kapelle. Alle Objekte, die aus dem sehr
Wie viele Menschen besuchen jährlich das Museum?
großen Gesamtbestand für die Präsentation ausgewählt
Seit der Wiedereröffnung im Jahr 1999 hat sich die Besucher­
wurden, sind besonders attraktive und wertvolle „Schmuck­
zahl fast verdoppelt. Im Jahr 2014 besuchten rund 375.000
stücke“. 2014 konnten wir zwei E-Gitarren aus den 1930er-
Menschen unsere Ausstellungen.
Jahren erwerben. Diese zählen zu den ersten dieser Art. Die
Aluminium-Geige wurde ebenfalls im Jahr 2014 angekauft.
Wie viele Exponate beinhaltet die Sammlung von Musikinstrumenten?
Welche Sammlungen hat das Technische Museum noch?
Sie hat rund 6.500 Objekte. Die hohe Anzahl erklärt sich
Unser Museum zeigt auf rund 22.000 m² Ausstellungsfläche
durch sehr kleinteilige Bestände wie die Objekte zum
neben den Bereichen „Energie“ und „Schwerindustrie“
Klavierbau, Orgelbau und Geigenbau; es finden sich hier
auch die Abteilungen „Alltag“, „Natur & Erkenntnis“ und
auch viele Werkzeug- und Instrumentenbestandteile.
die „medien.welten“. Dem Themenbereich Verkehr sind un­
Weiters beinhaltet die Sammlung ca. 3.000 Notenrollen.
sere neuen Dauerausstellungen „Mobilität“ und „In Bewe­
Im Bereich „Musik“ sind rund 250 Instrumente ausgestellt.
gung“ gewidmet. Für unsere jüngsten Besucherinnen und
Besucher stehen zwei Kleinkinderbereiche zur Verfügung.
54
–
Ausgabe 02 2015
Das grosse Interview
Welche Kooperationen können Sie sich, Herr Letuha,
Unser Veranstaltungsmanager wird Sie gerne über die
vorstellen, die wir mit dem Technischen Museum
Möglichkeiten im TMW beraten.
durchführen könnten?
Heinz Letuha
Gibt es seitens des Museums eine Zusammenarbeit mit
Ich möchte den Kontakt zwischen Mitgliedern unserer Innung
der Wirtschaftskammer Wien?
und den Sammlungen, Musikschulen und Forschungsein­
Wir arbeiten immer wieder gerne bei unterschiedlichen
richtungen intensivieren. Das Technische Museum stellt
Projekten mit der Wirtschaftskammer Wien zusammen.
mit seiner Musikinstrumentensammlung einen wesentlichen
Wir machen jedes Jahr etliche Lehrlingsprojekte. Wenn Sie
Teil österreichischer Instrumentenbaugeschichte dar.
Schüler für einen Berufszweig interessieren möchten, könnte
Es bietet sich natürlich auch an, aktuelle Entwicklungen
dies mit einer Informationsveranstaltung von Ihnen und
sowie beinahe vergessenes Wissen und Fachausdrücke
einer Führung in unserem Haus verbunden werden.
festzuhalten. Ausstellungen sowie Workshops würden
sich hier anbieten.
Gabriele Zuna-Kratky
In welchen Bereichen könnten Sie sich eine Zusammenarbeit mit der Landesinnung Wien der Kunsthandwerke bzw.
Die „schwingenden Zungen“ wurden bereits in einer Sonder­
mit der Bundesinnung der Kunsthandwerke vorstellen?
ausstellung zu Harmonikas (2003) gezeigt. Für uns wären
In Anknüpfung an die Anfänge der Sammlung vor über 100
die neueren Instrumente sehr interessant. Unser Auftrag ist
Jahren würden wir gerne für unsere Besucher der nächsten
„Sammeln – Bewahren – Erschließen (Beforschen) – Zugäng­
100 Jahre auch das österreichische Instrumentenbauhand­
lichmachen“. Das Sammeln ist sehr kostenaufwendig
werk des beginnenden 21. Jahrhunderts mit Objekten bele­
und wir verfügen nur über ein geringes Ankaufbudget.
gen und darüber erzählen können. Deshalb würden wir uns
Deshalb freuen wir uns immer über die Unterstützung
über Gaben von „Belegexemplaren“ aktuell hergestellter
von Firmen.
Musikinstrumente aus österreichischen Werkstätten freuen.
Uns interessieren auch die zugehörigen Entstehungspro­
Georg Lintner
Es gab vor einigen Jahren die Harmonikaausstellung hier
zesse und Firmengeschichten, wir würden sie gerne hören,
sehen, lesen und dokumentieren.
im TMW. Diese war sehr erfolgreich. So etwas würden
wir gerne wiederholen. Wir haben festgestellt, dass Sie
bei den Holz- und Blechblasinstrumenten nicht viele
Objekte haben.
Heinz Letuha
Vielleicht kann dieses Interview dazu beitragen, dass öster­
reichweit Hersteller, Handels- und Reparaturfirmen Instru­
mente oder andere geeignete Exponate für Ihre Sammlung
zur Verfügung stellen.
Gabriele Zuna-Kratky
Wir hatten eine recht erfolgreiche Inseratenreihe „Bewirb
dich im Technischen Museum als Ausstellungsstück“, durch
die wir sehr viele seltene Dinge geschenkt bekamen. Wenn
wir in Ihrer Zeitung ein Inserat schalten dürfen, wäre das
eine schöne Sache.
Heinz Letuha
Ich würde gerne der Bundesinnung vorschlagen, eine der
nächsten Bundesberufsgruppensitzungen der Musikinstru­
mentenerzeuger hier im Museum abzuhalten. Die Kollegen
aus den Bundesländern sollen die Möglichkeit bekommen,
eine Führung durch das Technische Museum zu machen
und die wunderschöne Sammlung der Musikinstrumente
zu bewundern. Wird dies von Ihrer Seite aus möglich sein?
Gabriele Zuna-Kratky
Wir freuen uns immer über interessiertes Fachpublikum.
Dr. Zuna-Kratky und Heinz Letuha © Landesinnung Wien
Ausgabe 02 2015
–
55
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Die Staatliche Berufsfachschule für
Musikinstrumentenbau Mittenwald
Von der Fachschule zum Bildungszentrum
Vor vielen Jahren durfte ich selbst in der renommierten
Geigenbauschule in Mittenwald das Geigenbauerhandwerk
erlernen, das ich damals und auch heute noch als großes
Geschenk erlebe. So freute ich mich sehr, nach Mittenwald
eingeladen, die „neuen“ Räume und Umbauten der letzten
Jahre zu besichtigen, eingebettet in eine Zeit großen Treibens
im Ort und in der Schule. Einerseits liefen gerade die Vorbe­
reitungen auf den G7-Gipfel im nahe gelegenen Schloss
Elmau, andererseits tagte der Deutsche Geigenbauverband in
Mittenwald. Eine gute Gelegenheit, um Freunde, meine alten
Meister, Kolleginnen und Kollegen wieder zu treffen, Fachvor­
trägen zu folgen und eine tolle Ausstellung zu besuchen.
Was ist das Besondere an dieser Schule?
Ein kleiner Rückblick in der Geschichte:
Um den Qualitätsstandard der Mittenwalder Streichinstru­
mente dauerhaft zu sichern, wurde 1858 durch die Regierung
von Bayern unter König Maximilian II. die Geigenbauschule
Mittenwald als „Unterrichts- und Musterwerkstatt“ gegründet.
56
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Ausgabe 02 2015
Im Laufe der Zeit wurde die Schule um mehrere zusätzliche
Fachbereiche erweitert und sie bietet in der Zwischenzeit als
international renommierte Berufsfachschule für Musikinstru­
mentenbau als einzige staatliche Bildungseinrichtung in ganz
Europa mit einem umfangreichen Fächerkanon die Ausbil­
dung im Holzblasinstrumentenbau, Metallblasinstrumenten­
bau, Zupfinstrumentenbau und Geigenbau als kompakte
Vollzeitausbildung an.
In der Schule befinden sich heute zahlreiche großzügige
Lehrwerkstattbereiche, in denen für jede Schülerin und jeden
Schüler ein eigener Fensterarbeitsplatz zur Verfügung steht.
Die fachpraktischen Unterrichtsinhalte werden von hoch
qualifizierten Fachlehrkräften im Kleingruppenunterricht
vermittelt. Der praxisbegleitende Theorieunterricht findet in
Unterrichtsräumen statt, die mit moderner Medientechnik
ausgestattet sind. Für akustisch-physikalische Untersuchun­
gen an alten und neu gebauten Musikinstrumenten steht ein
mit hochsensiblen akustischen Messgeräten ausgestatteter
resonanzarmer Raum mit angegliederten Akustik-Laborräumen
zur Verfügung. Da das Musikinstrumentalspiel ein fester
Bestandteil der Ausbildung an der Berufsfachschule ist,
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz ist zeitlich
ungebunden. Detaillierte Angaben zu den Bewerbungs­
anforderungen sind u. a. auf der schulischen Webseite im
Internet zu finden.
Die Ausbildung schließt mit der Abschlussprüfung der
Berufsfachschule und zugleich mit der Gesellenprüfung der
Handwerkskammer ab. Die Absolventinnen und Absolventen
der Berufsfachschule sind als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in Musikinstrumentenbauwerkstätten tätig oder arbeiten als
Selbstständige im Instrumentenneubau, der Reparatur oder
der Restauration und können sich zum Handwerksmeister
qualifizieren.
© Berufsfachschule Mittenwald
veranstaltet die Schule außerdem regelmäßig öffentliche
Schülerkonzerte. Zeitgemäß ausgestattete Aufenthaltsbereiche
und eine umfangreiche Fachbibliothek unterstützen die
Schülerinnen und Schüler bei der Gruppenarbeit sowie beim
Selbststudium. Das weitläufige Schulareal mit seiner gepflegten
Außenanlage bietet Erholung während der Pausen.
Aufgrund ihrer limitierten Schülerzahl bietet die Schule ihren
Schülerinnen und Schülern im idyllisch gelegenen Ausbildungs­
ort Mittenwald ein sehr persönliches, nahezu familiäres
Ambiente. Neben dem regulären Unterrichtsbetrieb werden an
der Schule auch öffentliche Fachvorträge, Konzerte, Tagungen,
Fachseminare, Ausstellungen und internationale Musikin­
strumentenbauwettbewerbe veranstaltet.
Die Berufsfachschule vermittelt praktische Fertigkeiten wie
auch umfassende theoretische Kenntnisse auf den Gebieten
des modernen und historischen Musikinstrumentenbaus, der
Reparatur und Restauration. An der Schule wird ausschließ­
lich lupenreiner handwerklicher Musikinstrumentenbau auf
professionellem Niveau vermittelt. Alle Instrumente werden
von der Schülerin bzw. vom Schüler vom Rohmaterial bis zum
spielfertigen Instrument von Hand in individueller Einzelferti­
gung gebaut. Die Auszubildenden werden befähigt, auf
hohem handwerklichen Niveau zu arbeiten, und beherrschen
zum Ausbildungsende Konzeption und Neubau hochwerti­
ger Musikinstrumente der gewählten Fachrichtung, die den
hohen Ansprüchen professioneller Musikerinnen und Musiker
gerecht werden können. Die Regelausbildungsdauer zum
Holzblasinstrumentenmacher, zum Metallblasinstrumenten­
macher wie auch zum Zupfinstrumentenmacher beträgt
3 Jahre; die Ausbildung zum Geigenbauer dauert 3,5 Jahre.
Schulgeld wird nicht erhoben. Eine Aufnahme kann bei
Erfüllung der Bewerbungsanforderungen und Bestehen
der Eignungsprüfung erfolgen.
Interessenten wenden sich bitte über
folgenden Kontakt an die Schule:
Staatliche Berufsfachschule für
Musikinstrumentenbau Mittenwald
Schöttlkarstraße 17
D-82481 Mittenwald
E-Mail: [email protected]
Tel.: +49 8823 13 53.
All dies ist nur möglich, da die Träger der Bildungseinrichtung
– das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus,
Wissenschaft und Kunst, die Regierung von Oberbayern sowie
der Landkreis Garmisch-Partenkirchen – ein klares Bekenntnis
zum Erhalt dieser einzigartigen Ausbildung ablegen.
© Rupert Hofer, Dr. Frederik Habel
Weitere Informationen finden Sie auf der
Internetseite der Schule unter www.instrumentenbauschule.eu
Text: Dr. Frederik Habel, Rupert Hofer
Ausgabe 02 2015
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57
PAPYRUS
Das grosse Interview
Qualität . Produktivität . Termintreue . Flexibilität . Trendsetter
Die Buchbinderei Papyrus hat seit der Gründung
die Fokussierung auf kompromisslose Qualität nie
aus den Augen verloren. Damit diese auch weiterhin
in der gewohnten Form gehalten werden kann, hat
das Unternehmen in eine neue Buchfertigungslinie
BF530 (Anschaffung Juli 2013) und in einen Prägeautomat PE312 (Anschaffung: Jänner 2013), beides
von Kolbus, investiert. Mit diesen beiden Maschinen
wird sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die
Qualität gesteigert und nachhaltig auf einem hohen
Niveau gehalten.
Die Leistungsdaten sprechen für sich: Buchfertigungslinie BF530: Buchblockformat beschnitten (gerader
oder runder Rücken); min. 70 mm (B) x 100 mm (H) x
3 mm (Rückenstärke); max. 300 mm (B) x 375 mm (H)
x 70 mm (Rückenstärke); 70 Takte/Min. Des weiteren
kann die BF530 beigestellte Buchblocks mit Drahtspiralbindung (bis max. 25 mm Durchmesser) sowie
beigestellte asymmetrische, flexible PVC- und Halb-/
Ganzintegral-Decken verarbeiten. Der Prägeautomat
PE312 hat ein max. Prägeformat von 460 x 375 mm;
Buchdecken offenes Format: min. 170 x 100 mm,
max. 660 x 405 mm, 80 Takte/Min.
Auszeichnungen:
21.06.2006 Goldene Securitas
20.02.2008 5 x schönstes Buch Österreich
18.11.2009 Golden Pixel Award 2009
26.11.2009 Österreichisches Staatswappen
25.01.2010 Österreichisches Umweltzeichen
21.10.2010 3. Platz – Trio des Jahres 2010
07.09.2012 Chain of Custody-Zertifikat / PEFC
07.09.2012 FSC-Zertifikat
Buchfertigungslinie BF530
Buchfertigungslinie BF530
Prägeautomat PE312
Buchbinderei Papyrus GesmbH & co KG
Murbangasse 5 • 1100 Wien
Tel: +43 1 6892550 • Fax: +43/1/6892554
E-Mail: offi[email protected] • www.papyrus.co.at
58
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Ausgabe 02 2015
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Altes Handwerk – neue Herausforderungen
Das Handwerk des Buchbinders ist zwar alt, dennoch steht es auch
heute immer wieder vor neuen Herausforderungen und kann
keinesfalls als verstaubt bezeichnet werden. Mit dem verstärkten
Einsatz digitaler Produktionstechniken entwickelt sich auch die
Arbeitsweise des Buchbinders immer wieder weiter.
So wird in der Landesberufsschule 7 in Graz – mit rund 20 Buchbinder­
schülern jährlich – das traditionelle Handwerk wie Gewebeband,
der wichtigsten Buchbindereimaschinen zu vermitteln. Parallel zur
Edelpappband, Ganzlederband, Franzband und Sprungrückenbuch
theoretischen Wissensvermittlung werden den Lehrlingen – in Form
bis hin zu Schachteln, Kassetten, Schubern, Fotoalben, Passepartouts,
von Exkursionen in Betriebe – neue und unbekannte Maschinen
Reparaturen u. v. m. mit traditionellen und modernen Materialen
nähergebracht.
kompetenzorientiert unterrichtet und die Schüler können experimen­
Wesentlich in der schulischen Ausbildung ist eine Ausgewogenheit
tell und kreativ arbeiten.
zwischen Industrie- und Handbuchbinderei sowie ein breites
In der 3-jährigen Ausbildung des Buchbinders wird das Augenmerk
Verständnis alltäglicher Anforderungen in den Betrieben. Es ist auch
vermehrt auf Veränderungen im Printbereich wie etwa Digitaldruck
unsere Aufgabe, die Motivation der Lehrlinge zu steigern, um ihnen
und die damit verbundenen Herausforderungen in der Weiterverar­
eine Zukunftsperspektive durch zusätzliche Qualifikationen zu geben
beitung und einhergehenden Problemstellungen gelegt. Hier ist es
oder um Aufstiegschancen im eigenen Betrieb zu ermöglichen.
daher wichtig, sowohl technisches als auch praktisches Verständnis
Mag. Michaela Miesenböck und Mag. Gudrit Sixl (© Foto)
Tiroler Fachberufsschule St. Nikolaus
„Gute Schule kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten sich als
Repräsentant mitverantwortlich fühlen.“ Diesen Satz findet man
nicht nur auf der Homepage der Tiroler Fachberufsschule St.
Nikolaus in Innsbruck, sondern er wird dort – vor allem in Bezug
auf den Lehrberuf Buchbinder – gelebt. Der Beweis hierfür wird
regelmäßig bei nationalen und internationalen (Schweiz,
Deutschland, Österreich) Leistungswettbewerben angetreten.
Die Ergebnisse sprechen für sich, die Top-Ränge werden zu einem
Großteil von Schülern und Schülerinnen der Fachberufsschule St.
Nikolaus belegt.
Zu den Repräsentanten guter Schule gehören nebst erfolgreichen
Schülern auch engagierte Fachlehrer. Bernd Haider, Berufsschullehrer
an der Fachschule St. Nikolaus, gehört zweifellos dazu. Er begleitet
Buchbinderwissen muss aber selbst jener beherrschen, der sich
seine Schüler vom 1. bis zum 3. Berufsschuljahr – die besondere
ausschließlich mit Industriebuchbinderei beschäftigt. Dennoch sind
Herausforderung dabei ist es, alle Schüler, unabhängig von ihrem
sich sowohl Bernd Haider als auch Peter Pfötscher, Innungsmeister
Wissensstand, im selben Raum zur gleichen Zeit zu unterrichten.
der Kunsthandwerke Tirol, sicher, dass dieses Handwerk nicht
Dieser Umstand ist in der hohen Schülerzahl begründet. „Um
aussterben wird.
ehrlich zu sein, ein klein wenig leidet die Qualität des Unterrichts
Alle Schüler haben die fixe Zusage, nach Beendigung der Lehre in
schon darunter.“ Man könne sich einfach nicht mehr so intensiv mit
ihrem Lehrbetrieb weiterzuarbeiten. Ohnehin kann man nach drei
den Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers beschäfti­
Jahren Lehrzeit nicht davon sprechen, diese hohe Kunst perfekt zu
gen, wie es noch vor der Klassenzusammenlegung möglich war,
beherrschen. Aktuell arbeiten die Schüler allesamt wieder in
so Berufsschullehrer Haider. Dennoch spürt man, wie sehr der
Richtung Leistungswettbewerb. Die Gestaltung der Buchdecke und
Fachmann dafür brennt, den Schülern die Kunst des Buchbindens
deren exakte und saubere Umsetzung stellt dabei ein wesentliches
beizubringen.
Kriterium bei der Bewertung dar. Da kann es schon sein, dass ein
Einer Schülerin ist es ein besonderes Anliegen, den Beruf des
Schüler bis zu 10 Einbanddecken produzieren muss, um schlussendlich
Buchbindens bekannter werden zu lassen: „Wenn ich erzähle, dass
das perfekte Ergebnis in den Händen zu halten.
ich als Lehrling in einer Buchbinderei beschäftigt bin, schauen mich
„Lehre! Schatzkammer der beruflichen Fachberufselite!“ – In
die Leute meist nur fragend an … Kaum einer weiß, was ich da
Sachen Buchbinderei trägt die Tiroler Fachberufsschule St. Nikolaus
wirklich mache!“ Dabei ist die Buchbindertätigkeit ein seit Jahrhun­
mit Sicherheit bei, der Wirtschaft fachlich topausgebildete Fachkräfte
derten ausgeführtes Handwerk. Seit der Industrialisierung wurde
zu überlassen.
das Buchbinden zwar allmählich von Maschinen übernommen, das
© Foto und Text: Elisabeth Raich – www.tfbs-stnikolaus.tsn.at
Ausgabe 02 2015
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59
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Fit für die nächsten 50 Jahre
Das Centro del bel libro feierte Ende Mai 2015 sein 50-jähriges Bestehen.
Die ganze Buchbinderszene aus dem deutschsprachigen Raum und die Spitzenverbände
der grafischen Branche gaben sich die Ehre, dem Jubilar für die nächsten 50 Jahre
alles Gute zu wünschen.
Rund 100 Buchbinderinnen und Buchbinder aus Deutsch­
land, Österreich und der Schweiz feierten in Ascona den 50.
Geburtstag des Centro del bel libro. Der Generalversamm­
lung, dem Festakt und der Preisverleihung der Stiftung zur
Förderung des Bucheinbandes (SFB) am Samstag ging am
Freitagabend eine Fachtagung voraus. Mit Bernhard Sanders
aus Österreich und Veronika Schäpers aus Deutschland
referierten zwei internationale Fachkräfte über die Vision
und Zukunft des schönen Buches.
Viele Gäste an der Generalversammlung
An der Generalversammlung im Teatro del Gatto in Ascona
konnte der Präsident des Centro del bel libro den Direktor
Viscom, Thomas Gsponer, den für die grafische Branche
zuständigen Gewerkschaftssekretär von Syndicom, HansPeter Graf, die Präsidentin der Stiftung zur Förderung des
Bucheinbandes SFP, Franziska Koller, mehrere Ehrenmitglieder
und viele Mitglieder des Vereins Centro del bel libro sowie
Gäste aus dem In- und Ausland begrüßen. Der geschäftliche
Teil ging rasch über die Bühne. Unter großem Applaus hielt
die Fachbereichsleiterin Suzanne Schmollgruber einen
Rück- und Ausblick.
Festakt mit einem Buchdomino
Auf das Mittagessen folgten der Festakt, die Preisverteilung
SFB sowie die Vernissage zur Fotoausstellung in der Casa
Serodine in Ascona. In seiner Festansprache erinnerte Dieter
Kläy an die Vergangenheit und die Herausforderungen des
Centro del bel libro. Als führende nationale und internationa­
le Weiterbildungsinstitution ist das Centro del bel libro ganz
dem Leitspruche der fünften Internationalen Konferenz über
Erwachsenenbildung der UNESCO in Hamburg verpflichtet:
„Erwachsenenbildung ist mehr als ein Recht; sie ist ein
Schlüssel zum 21. Jahrhundert.“ Die grafische Branche hat
sich im Verlaufe der letzten 50 Jahre grundlegend gewandelt.
Die Anzahl der Buchbindereien ist kleiner geworden. Vieles
wird heute günstiger im Ausland gemacht. Doch die Schweiz
und Ascona bleiben auch in den nächsten Jahren das
Zentrum der Wissensvermittlung.
Die Grüße und Glückwünsche der Gemeinde Ascona
überbrachte die Vorsteherin des kommunalen Kulturdeparte­
ments und Gemeinderätin Michela Ris. Im Anschluss wurde
60
–
Ausgabe 02 2015
der von Hans Rohrer aufgrund einer Idee von Hans Burkhardt
produzierte Kurzfilm „Buchdomino“ gezeigt. Die kreative
und professionelle Filmeinlage fand gute Aufnahme und
wurde mit tosendem Applaus aus dem Publikum bedacht.
Da sich das Centro del bel libro in Zukunft noch enger mit
Organisationen ähnlich gelagerter Interessen koordinieren
muss, wurde auch die Preisverleihung der Stiftung zur
Förderung des Bucheinbandes ins Jubiläumsprogramm des
Centros eingebaut. Eine Aufgabe der Stiftung unter dem
Präsidium von Franziska Koller ist es, jährlich einen Wettbe­
werb für Auszubildende im Buchbinderhandwerk auszu­
schreiben. Das erfolgt gemeinsam mit Deutschland und
Österreich. Nachdem in früheren Jahren jedes Land seine
eigenen Wettbewerbe durchführte, wurde im Jahre 2000
dieser Wettbewerb erstmals für den gesamten deutschspra­
chigen Raum von der Schweiz ausgeschrieben. Im Jahre 2001
wurde der Wettbewerb von den Kollegen in Deutschland
durchgeführt und im Jahre 2002 von den Berufskollegen in
Österreich. Seither findet dieser Wettbewerb abwechslungs­
weise nach diesem Modus statt. Die Jury setzt sich aus je
einem Vertreter aus den genannten Ländern zusammen.
Hans-Dieter Jung für Deutschland, Bernhard Sanders für
Österreich und Simon Kauer aus der Schweiz. Der alle drei
Jahre verliehene Verdienstpreis ging diesmal an Jürg Keller
und René Freiburghaus, die sich im Rahmen ihres langjähri­
gen Engagements rund um die Buchbinderei beide große
Verdienste erworben haben.
Nach dem offiziellen Festakt und der Preisverleihung konnte
die Festgemeinde in der Schule an der Via Collegio die
Arbeiten des Jugendleistungswettbewerbes bestaunen. Die
Jubiläumsfeierlichkeiten endeten mit der Vernissage der
Fotoausstellung über 50 Jahre Centro del bel libro in der
Casa Serodine. Edwin Heim erinnerte die Besucher der
Ausstellung in zahlreichen Anekdoten an gemeinsam
Erlebtes.
Das ganze Jubiläum stand unter der Leitung des ehemaligen
Präsidenten des cbl und heutigen Stiftungsrates Rolf Greter,
der zusammen mit einem breit abgestützten Komitee die
erfolgreich verlaufenen Feierlichkeiten konzipiert und
organisiert hat.
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Die Preisträgerinnen und Preisträger
Kategorie A
sehr gut – 59 Punkte
Ilias Morscher
BB Schlatter AG, CH
1
Kurzer historischer Abriss
Die Geschichte des Centro del bel libro begann im
Sommer 1965 in der Passagio San Pietro mit der Eröffnung
der Legatoria artistica durch Josef Stemmle. Der Zürcher
Buchbindereiunternehmer verwirklichte seine Idee, einer
breiten Öffentlichkeit das Buch näher zu bringen. Die
Kombination aus Buchbinderei, Papierschöpferei, Galerie
und Schule war weltweit einzigartig. 1978 musste sich
Stemmle vom Centro del bel libro trennen. Der „Verein der
Buchbindereien der Schweiz VBS“ sprang ein und betrieb
die Fachschule als Instrument der beruflichen Weiterbildung
auf hohem Niveau weiter. Der Trägerverein Centro del bel
libro Ascona ist aus der Taufe gehoben worden. 1984
übernahm Edwin Heim, einer der ersten Schüler am Centro,
den Fachbereich Bucheinband und Gestaltung. Bereits
1982 wurde ein eigener Fachbereich Buch- und Papierrestau­
rierung gegründet, der bis Ende 2013 unter der eigenständi­
gen Führung verschiedener Spezialisten eigene Kurse anbot.
Seit 1. Mai 2010 führt die hoch qualifizierte und international
gut vernetzte Handbuchbinderin Suzanne Schmollgruber
den Fachbereich Bucheinband und Gestaltung. In den
vergangenen Jahren hat sich das Kursangebot schrittweise
neuen Realitäten angepasst. Interessierte Buchliebhaber
sind im Centro ebenso willkommen wie Schulklassen mit
ihren Lehrkräften, die sich einen Zugang zum Papier und zum
Buch verschaffen wollen. Im Zentrum steht aber immer noch
die qualifizierte Weiterbildung der Buchbinderinnen und
Buchbinder mit entsprechender Fachausbildung.
Das cbl heute
sehr gut – 59.5 Punkte
Stefanie Kamphaus
Ruhruniversität Bochum, D
sehr gut – 61.17 Punkte
Laura Leis
Raggldruck, Innsbruck, A
Kategorie B
sehr gut – 67 Punkte
Samantha Misurati
BB Freiburghaus AG, Basel, CH
sehr gut – 67 Punkte
Nicola Hoffmann
BB Karen Begemann GmbH, Hamburg, D
hervorragend – 67.83 Punke
Lilian Samland
Uni- und Landesbibliothek Düsseldorf, D
hervorragend – 67.83 Punke
Frieda Härtel
Unibuchbinderei Kiel, D
3
2
Das Centro del bel libro Ascona bietet Handbuchbindern,
Grafikern, Restauratoren und Interessenten mit entsprechen­
den Qualifikationen ein anspruchsvolles Forum kreativer
Auseinandersetzung in technischer wie in gestalterischer
Hinsicht. Die Kursteilnehmer können sich nach internationalen
Methoden und Techniken weiterqualifizieren, ihre Fähigkeiten
und Kenntnisse vertiefen, sich überprüfen und anregen, sich
mit anderen austauschen und Wege gehen, die ihnen im
Alltag meist versagt bleiben – in kreativer Praxis und
Selbstreflexion, fern von Berufsalltag, fern von Routine,
Zeit- und Leistungsdruck. www.cbl-ascona.ch
Kategorie C
hervorragend – 65.83 Punkte
Patricia Costa
Reliure des Planches, Montreux, CH
Die SFP-Preisträgerinnen
und -Preisträger 2015
Die Jury unter der Leitung von Bernhard Sanders, Innsbruck
(A), und Hans Dieter Jung, Köln (B), sowie Simon Krauer aus
Bern jurierte total 76 eingesandte Arbeiten in drei Kategorien.
In der Kategorie A für das 1. Lehrjahr wurden 19, in der
Kategorie B für das 2. Lehrjahr 41 Bücher und in der Kategorie
C für das 3. und 4. Lehrjahr 16 Bücher eingesandt. Jeder
Juror bewertet die Arbeiten nach folgenden Kriterien mit
1 bis maximal 5 Punkten: Vorrichten, Vorsatz, Heftung;
Beschnitt; Schnittverzierung; Kapital; Buchblockbearbeitung
und Form; Scharnierfunktion; Deckel, Kanten; Materialbe­
arbeitung; Titel, Dekor, Gestaltung sowie den Gesamtein­
druck. Maximal konnten 75 Punkte erreicht werden.
Ausgabe 02 2015
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61
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe
Buchbinder/in – Kartonagewarenerzeuger/in
Auch heuer ist es uns wieder gelungen, eine Maßnahme
des AMS in den normalen Schulbetrieb unserer Schule zu
integrieren. Dabei versuchen wir, die alten Traditionen im
Buchbinderhandwerk beizubehalten und gleichzeitig auf
Neuerungen einzugehen.
Da unser Junglehrer Bernhard Mayer und unsere Junglehrerin
Veronika Jesch sehr motiviert sind, bringen sie gemeinsam mit
den Schülerinnen und Schülern neue Ideen in den Unterricht
ein und setzen diese Ideen auch gekonnt um.
Momentan werden an unserer Schule hauptsächlich Lehrlinge
aus dem 2. Lehrjahr unterrichtet. Mit vereinten Kräften
versuchen beide Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler
für ihren Lehrberuf zu begeistern und ihnen die Liebe zum
Nächstes Jahr wagen sich die Schülerinnen und Schüler an
Handwerk zu vermitteln.
etwas heiklere Materialien heran. Laut Lehrplan werden sie
sich auch mit verschiedensten Verzierungstechniken beschäfti­
Gearbeitet wird dabei im Unterricht hauptsächlich mit Leinen,
gen. Dies fördert die Motivation, etwas ganz Besonderes und
Leder und selbstgemachtem, kunstvollem Marmorier- und
Einmaliges erzeugen zu dürfen.
Kleisterpapier.
(Fotos: Berufsschule für Grafik) Veronika Jesch
BIWI-Präsentation Buchbinder
Von 24. bis 26. März 2015 fand die Branchenpräsentation
des BIWI in den Räumen der Berufsschule Wien, Hüttel­
dorferstraße, statt.
Die Schülerinnen und Schüler waren mit Unterstützung
von Veronika Jesch, Bernhard Mayer und Gerhard Herberger
mit einer lebenden Werkstätte vertreten. Für ihre Hilfe
wurde ihnen seitens der Innung mit Material und Werk­
zeug gedankt.
Fotos: Bernhard Mayer, Christine Weiner
62
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Ausgabe 02 2015
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Erst Magister, dann Lehre
Immer mehr Akademiker und Maturanten
machen eine Lehre: ein Beispiel, warum
„Gstudierte“ lieber in einer Werkstatt stehen.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Lehre
wird seit Jahren als Ausbildungsmodell auch für jene
interessanter, die zunächst eine weiterführende Schule oder
sogar eine universitäre Ausbildung abgeschlossen haben.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Teils mangelt es an
ausreichender Berufsorientierung für Jugendliche – deshalb
etabliert die WKO Steiermark auch ab Herbst das neue
„Talent Center“. Andererseits fehlt in der schulischen und
weiterführenden Ausbildung nach wie vor häufig die Praxis,
das „tägliche Handwerk“ – und das wird dann im Lehrberuf
nachgelernt.
So war es etwa auch bei Gudrit Sixl aus Haselsdorfberg
der eigenen Schlossereiwerkstatt und rundet das Angebot
(Bezirk Graz-Umgebung, Nähe Tobelbad). Sie studierte
der sowohl handwerklich als auch wissenschaftlich hervorra­
Kunstgeschichte und hat schon während der Ausbildung
gend aufgestellten Buchbinderei perfekt ab. Heute sind
damit begonnen, Weiterbildungen im Bereich der Restaurie­
sie Hauptrestaurator für das Zisterzienserstift in Rein und
rung zu machen. „Nach Abschluss meines Studiums habe
international höchst erfolgreich. „Wir kriegen beispielsweise
ich dann bei der Buchbinderei Alois Gutmann in Fernitz die
immer wieder Aufträge vom König von Marokko“, erzählt
Buchbinderlehre begonnen. Nur mit dem Studium allein
Frau Sixl, auch kürzlich arbeiteten sie an einem Projekt für
kann man das nicht. Mir hat einfach das Handwerkszeug
ihn. Moskau, Singapur, Tokio und Bundespräsident Heinz
gefehlt“, erzählt Sixl. Mittlerweile führt sie ihr eigenes
Fischer zählen ebenfalls zu den Auftraggebern. All diese
Unternehmen und beschäftigt vier Angestellte. Einer davon
Kunden seien wegen ihres guten Rufes nach Haselsdorfberg
ist ihr Ehemann, Wolfgang Sixl-Fuchs. Der gelernte Maschi­
gekommen. „Wir besetzen hier sozusagen eine Nische in der
nenschlosser hat nach dem Werkmeister auch die Abend-
Nische der Buchbinderei“, sagt Wolfgang, dem ebenso wie
HTL absolviert und Umweltsystemwissenschaften studiert.
seiner Frau das Buch an sich am Herzen liegt. „Da handelt
Nach einigen Jahren in der Umwelttechnik wollte er sich
es sich teils um jahrhundertealte Stücke, die schon sehr viel
beruflich verändern – und begann bei seiner eigenen
gesehen haben. Und wir sind ein Teil dieses Buches und
Ehefrau eine Lehre. „Ich glaube, ich bin der erste Mann,
seiner Geschichte – das macht uns stolz“, sagt Gudrit.
der sich ganz offiziell zum Lehrling seiner Frau hat machen
lassen“, witzelt Sixl-Fuchs. 2012 hat er die Lehrabschlussprü­
Foto (© Foto Fischer): Gudrit Sixl und Wolfgang Sixl-Fuchs
fung gemacht, und heute ist er aus dem Betrieb nicht mehr
sind Akademiker – und haben sich nach ihrem Studium
wegzudenken.
letztlich doch für einen handwerklichen Beruf entschieden.
Der Erfolg gibt ihnen recht.
Der König von Marokko ist Stammkunde
in Haselsdorfberg, GU
Denn die Kombination aus Buchbinder- und Schlosserausbil­
dung bietet dem Kunden ein Komplettprogramm. „Wir
Kontaktdaten:
Landesinnung Kunsthandwerke
haben uns auf die Restaurierung von alten Dokumenten,
Körblergasse 111–113, 8010 Graz
Büchern, teilweise auch Stichen spezialisiert. Häufig ist es
Tel. 0316/601 486, Fax: 0316/601 401
da auch so, dass etwa an den Einbänden Metallstücke zu
Homepage: http://wko.at/stmk/kunsthandwerke
reparieren sind“, erklärt Ehemann Wolfgang. Das passiert in
E-Mail: [email protected]
Ausgabe 02 2015
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63
Themenschwerpunkt | Betriebsbesuche
Interview Christian Oucherif
mit Clemens Strandl und Lehrling Rita Bruckner
Clemens Strandl – neuer Vertreter
der oberösterreichischen Buchbinder
betreuung, Angebotslegung etc. Da ich aber auch „zu
Mit Clemens Strandl und ihm zur Seite Thomas Zimmermann
Die größte Aufgabe bestand darin, meine Arbeitskraft in
tritt nun eine jüngere Generation aus der Berufsgruppe der
der Werkstätte zu ersetzen, was mir Gott sei Dank durch
Buchbinder in Erscheinung. Clemens Strandl betreibt bereits in
einen damals neu aufgenommenen Lehrling gelang.
Papas Zeiten“ immer wieder in diese Prozesse mit einge­
bunden wurde, gab es keine nennenswerten Probleme.
der 3. Generation die 1935 von seinem Großvater gegründete
Buchbinderei in der Wiener Straße. Clemens Strandl entstammt
C.O.: In vielen kleinen Firmen gibt es das Problem der
einer echten Buchbinderfamilie, in der derzeit 4 Meistertitel
Betriebsnachfolge, bei euch arbeitet sogar deine Schwes-
beheimatet sind. Sein Vater Franz Strandl war viele Jahre als
ter im Betrieb mit und unterrichtet an der Berufsschule.
Innungsmeister in der eigenen Buchbinderinnung tätig und
Was haben deine Eltern, dein Vater anders gemacht?
hat das Engagement und die Einsatzbereitschaft für die
Vielleicht liegt es daran, dass wir vor meiner Übernahme
Buchbinderkollegen an seinen Sohn vererbt.
bereits viele Jahre gemeinsam als Familie (Mama, Papa,
Schwester und ich) zusammengearbeitet haben und somit
C.O.: Clemens, du hast vor 5 Jahren im Alter von 27
die Nachfolge ohne Probleme gesichert war.
Jahren die Buchbinderei deines Vaters übernommen,
wie sind diese ersten Jahre für dich gewesen?
C.O.: Du bildest auch immer Lehrlinge aus. Was reizt dich
Die hauptsächliche Änderung bestand darin, dass zu meiner
daran, dein Wissen weiterzugeben, ist es schwierig, einen
ganztägigen Arbeit in der Werkstätte auch die Tätigkeiten
geeigneten Lehrling zu finden?
im Büro dazukamen: Schriftverkehr, Telefonate, Kunden­
Da es für meine Berufszwecke, meines Wissens nach, keinen
geeigneten, ausgebildeten Buchbinder gibt, ist es notwendig,
Lehrlinge selbst auszubilden. Nach langer Suche und vielen
Fehlschlägen habe ich Gott sei Dank wieder einen geeigneten
Lehrling gefunden, der heuer die Lehrabschlussprüfung macht.
Im September beginnt dann wieder bereits ein neuer.
C.O.: Rita, du bist jetzt im 3. Lehrjahr, im Vorjahr wurde
dein Beitrag beim internationalen Jugendleistungswettbewerb ausgezeichnet. Wie bist du zu deinem „Beruf“
gekommen, bist du mit deiner Entscheidung zufrieden?
Ich wollte einen handwerklichen Beruf erlernen. Da ich eher
klein bin, schloss ich die üblichen Handwerksberufe aus und
kam auf die Idee, Buchbinderin zu werden. Beim AMS wurde
mir gesagt, dass bei der Buchbinderei Strandl in Linz ein
Lehrling gesucht wurde, wo ich mich bewarb und auch aufge­
nommen wurde. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Berufswahl.
V. l. n. r.: LIM Christian Oucherif, Rita Bruckner, Clemens Strandl
64
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Ausgabe 02 2015
Themenschwerpunkt | Betriebsbesuche
Ausbildungsbetriebe vor den Vorhang
Goldschmiede Firma Feichtinger Schmuckmanufaktur Gmbh
Unter diesem Motto haben wir begonnen, Lehrbetriebe
und Juweliere in der Steiermark weist auf die umfangreiche
vorzustellen. Dieses Mal besuchten Georg Wiesauer und
Ausbildung der Lehrlinge in diesem Ausbildungs-Muster­
ich die Firma Feichtinger Schmuckmanufaktur Gmbh in
betrieb hin. Hier werden alle handwerklichen Grundfertigkei­
der Josefigasse in Graz.
ten der Goldschmiede sowie auch moderne Arbeitstechniken
wie Guss, Laser, Galvanik usw. in jeweils eigenen Abteilungen
Gegründet 1979 als Handelsbetrieb wurde dieser in den
unterrichtet. Ein eigener Lehrlingsausbildner kümmert sich
folgenden Jahren laufend um Filialen erweitert bzw. die Firma
um die Auszubildenden, um ihnen ein über das Berufsbild
Waiglein übernommen. Daraus ergab sich 1983 die Notwendig­
des Goldschmiedes hinausgehendes Fachwissen für die
keit, auch eine eigene Goldschmiedewerkstätte zu eröffnen,
weitere Berufslaufbahn mitzugeben. Die Ausbildung zum
um den Kunden auch ein Reparaturservice und die Anferti­
Goldschmiedegesellen ist schwierig, insbesondere da
gung von eigenen Schmuckkreationen anbieten zu können.
einerseits mit hochwertigen Materialien gearbeitet wird,
andererseits in den ersten Lehrmonaten auch nahezu nur
So ist die Firma mittlerweile über 30 Jahre alt und mit derzeit
(unproduktive) Arbeiten durchgeführt werden können, die
über vierzig Beschäftigten in der Goldschmiedewerkstatt zu
das Erlernen der Grundtechniken wie Feilen oder Sägen
einem der größten Schmuckerzeugungs- und Schmuckrepa­
ermöglichen. In der weiteren Ausbildung ist fortlaufend
raturbetrieben in Österreich geworden. Um den Fachkräf­
meisterlicher Beistand gefragt, um die notwendigen
tenachwuchs ist man hier stets sehr bemüht und so werden
Arbeitstechniken zu erlernen.
immer wieder Lehrlinge ausgebildet. Aktuell sind drei
Lehrlinge beschäftigt, im September werden zwei weitere
neu aufgenommen. In einem dreitägigen Auswahlverfahren
dürfen sich die jungen, interessierten Nachwuchshand­
werker unter der Leitung von Dietmar Weymann verschie­
denen Arbeitsanforderungen stellen. So soll zum Beispiel
eine Schmuckidee einfach skizziert und danach daraus ein
Werkstück gefertigt werden. Auch an einem Messingstab
sollen kreative Ideen herausgearbeitet und in freier Gestal­
Es ist wunderschön zu sehen, mit welcher Freude die jungen
tung ein Muster eingefeilt werden. All dies, um die Grund­
Menschen an diesen Beruf herangeführt werden und mit welcher
fertigkeiten und Fähigkeiten sowie das Talent zu erkennen
Begeisterung sie die umfassende Ausbildung mitmachen.
und Ausdauer und Arbeitshaltung zu prüfen.
Georg Wiesauer als Verantwortlicher und Prüfungsvorsitzender
für die Lehrabschlussprüfungen der Gold-, Silberschmiede
Text und Fotos: © Rupert Hofer
Vorne v. l. n. r.: Martin Puregger, Nina Gether,
Paul Krondorfer, LIM Rupert Hofer
Hinten v. l. n. r.: Dietmar Weymann, LIM Stv. Georg Wiesauer
Ausgabe 02 2015
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65
Themenschwerpunkt | Betriebsbesuche
STURZEIS Katharina – Gold- und Silberschmiede
Besuch des Wiener Landesinnungsmeisters Wolfgang
Neben den klassischen Produkten eines Juweliers und
Hufnagl und des Landesinnungsgeschäftsführers Mag.
Silberschmiedes bietet Halder eben in dieser 120-jährigen
Georg Lintner bei Juwelier Halder
Tradition auch seine Spezialitäten in Jagd- und Trachten­
schmuck sowohl in klassischer als auch moderner Verar­
Der Juwelier und Silberschmied Halder wurde bereits 1895
beitungsweise an.
am Michaelerplatz gegründet, und in diesem Jahr feiert
das Traditionsunternehmen seinen 120. Geburtstag.
1989 wurde das Unternehmen von Katharina Sturzeis
übernommen und trat damit in eine neue Zeit der Verar­
beitung und des Designs ein. Mittlerweile arbeitet sich mit
Tochter Huberta die nächste Generation in die Handwerkstra­
dition des Familienunternehmens ein. Anlässlich des
120-jährigen Jubiläums wurde von Halder ein eigenes
Parfum, natürlich mit der traditionellen „Haldersau“,
kreiert. Die „Haldersau“ wurde anlässlich der Internationalen
Jagdausstellung 1910 in Wien vorgestellt. Seither ist sie
das heimliche Markenzeichen des Unternehmens.
Wir wünschen Katharina Sturzeis und ihrer Tochter alles Gute
zum Jubiläum und erwarten schon sehr gespannt die neuen
Kreationen des Hauses Halder.
Goldschmiede Norz
Wenn es um Tirols Topausbildungsbetriebe geht, ist man bei
Goldschmiede Norz in der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße
an der richtigen Adresse. Der Betrieb bildet seit Jahrzenten
Lehrlinge auf höchstem Niveau aus, und das nicht ganz
uneigennützig. In erster Linie, verrät uns Firmenchef Christoph
Norz, möchte er gut ausgebildete Mitarbeiter. Da liegt es
doch auf der Hand, die Leute selbst auszubilden, so Norz.
Ein bis zwei Lehrlinge werden über das ganze Jahr hinweg
beschäftigt. Das stellt für die Ausbilder eine große Heraus­
forderung dar, denn das Handwerk des Gold- und Silber­
schmieds unterliegt keiner Massenproduktion. Ein Lehrling
benötigt in den ersten zwei Lehrjahren höchste Aufmerksam­
gen Marcel, der aktuelle Lehrling im ersten Lehrjahr. Marcel
keit, jeder Schritt unterliegt genauen Anweisungen. Deshalb
berichtet uns, dass sich im ersten Schuljahr 10 Lehrlinge in
entscheidet sich die Firmenleitung auch gerne für Bewerber
der Klasse eingefunden haben. „Davon haben 8 einen
und Bewerberinnen, welche bereits kunsthandwerkliche
Lehrplatz und 4 davon kommen aus Tirol.“ Das spricht
Erfahrungen und ein gewisses Alter vorweisen können.
absolut für Tirol, schmunzelt Innungsmeister Peter Pfötscher.
Dass gute Ausbildungsplätze absolute Mangelware sind,
Christoph Norz lobt seinen Lehrling und spricht von Engage­
erfahren wir beim Betriebsbesuch der Firma Norz höchstper­
ment und Begeisterung für die Sache. „Solche Lehrlinge
sönlich. Eine junge Dame möchte ihre Bewerbung als
bilden wir gerne aus!“, meint er.
Gold- und Silberschmiedin hinterlegen. Da sich derzeit ein
Lehrling in Ausbildung befindet, muss das Mädchen jedoch
Bild und Text: Elisabeth Raich, WK Tirol
unverrichteter Dinge gehen. „Das kommt in der Woche ein-
Goldschmiede Norz, Maria-Theresien-Straße 8, 6020 Innsbruck
bis zweimal vor …“, erzählt uns Herr Norz. Glück hatte hinge­
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Ausgabe 02 2015
www.norz.eu.com
Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Ausgabe 02 2015
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67
Landesinnung burgenLand
rotgoldmarkt – der Pionier der Kreativmärkte
im nordburgenland stellt sich vor
Es war das Wochenende des 21. und 22. September 2013,
als der rotgoldmarkt in der cselley Mühle oslip erstmals
seine Türen öffnete und ein Wunsch der fünf Veranstalter in
Erfüllung ging: Künstlern, Kreativen, Designern und Hand­
werkern eine Präsentationsplattform zu geben. Am 25. und
26. April 2015 fand dieser besondere Markt nun bereits zum
dritten Mal statt und zog einmal mehr alle Liebhaber von
Kunsthandwerk, Design und Kulinarik in die cselley Mühle
oslip. Aber was macht ihn eigentlich so außergewöhnlich?
Diese Vielfalt und Abwechslung ist den Veranstaltern Simon
und Verena Roth vom Rothwerk Eisenstadt, Ruth Gold vom
Modelabel ruthgold sowie Petra Geiger­Kletzl, Martina
Hajdusich und Nora Demattio von BLATTWERK2013 und
ART HoUSE PRoJEcT wichtig. Das zentrale Anliegen der
Veranstalter ist es, „die Kunst und Kultur in den Vordergrund
zu stellen und unter die Leute zu bringen“.
Am Eingang steht ein mit Blumen geschmückter Begrüßungs­
tisch, deren Duft sich mit dem der Schokobrownies am Tablett
vermischt und die Eintretenden unweigerlich anzieht. Folder
mit Informationen zu den Ausstellern sowie dem Markt liegen
für die Hereinströmenden bereit.
Dieses Mal darf man sich an kreativem Schaffen auf drei
Ebenen erfreuen und eintauchen in ein buntes Universum
schöpferischer Köpfe und deren Kreationen. Mehr als 40
Ausstellerinnen und Aussteller präsentieren hochwertig
gearbeitete Einzelstücke aus den Bereichen Mode und
Design, Kunsthandwerk aus Keramik, Papier und Büchern,
feinen Metallen, Insekten und Wolle, Kosmetik, Kulinarik
sowie Kunst am Körper.
Das Rahmenprogramm ist ebenso liebevoll und vielseitig
gestaltet wie das künstlerische Angebot. Von Modenschau
und Livemusik über Abenteuerspielplatz für Kinder bis hin zum
Flötenbauen ist für Besucher jeden Alters etwas dabei. Auf
dem Markt werden Geschichten lebendig und Bücher zum
Transportmittel, besonders wenn Schriftsteller Thomas
Sailer auf der Bühne Platz nimmt und aus seinem Buch
„Die Aktivistin“ liest.
K
E M IN ER
R
Die Luft brodelt vor übergehender Energie, als um 18 Uhr des
ersten Tages der Laufsteg zum letzten Mal gekehrt wird und
mit den ersten Klängen von „Hang&more“ der Startschuss zur
Modeschu fällt. Sieben Labels präsentieren ihre ausgefallenen
Designs und schließen unter tosendem Applaus mit dem
Laufsteg voller minimalistisch gekleideter Models, deren
Körper die Tattoo­Kunstwerke des Teams von Rothwerk zieren.
Am Nachmittag des zweiten Tages schallen die Klänge und
Gesänge des Duos „Maria und Josef“ durch den Markt, die
schließlich mit dem Feuer und der Wärme des Lagerfeuers
in die Luft getragen werden und in der Dunkelheit langsam
verklingen.
Eintritt frei, Bühne frei ...
Nächster Markt: Frühjahr (April) 2016
Text: Nora Demattio – [email protected]
www.facebook.com/rotgoldmarkt
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68
–
ausgabe 02 2015
Landesinnung Oberösterreich
Oberösterreichische Innungsvertretung bestätigt
In ihrer konstituierenden Sitzung am 17. März 2015 bestellten
die Mitglieder des oberösterreichischen Innungsausschusses
den Innungsvorstand der letzten Periode auch für die
kommenden 5 Jahre.
Christian Oucherif, Goldschmiedemeister aus Linz, wurde in
seiner Funktion als Innungsmeister ebenso wie seine beiden
Stellvertreter, Kunsthandwerkerin Heidi Rohrmoser aus
Kremsmünster und Harmonikaerzeuger Karl Schwarz aus
Molln, bestätigt. Diese sind auch Vorsitzende in den
jeweiligen Berufsgruppenausschüssen. Den Vorsitz der
Buchbinder wird künftig Clemens Strandl aus Linz über­
nehmen (siehe Bericht Seite 64).
Die Erfahrung bewährter Funktionäre trifft im neuen, von 17
auf 12 Vertreter leider stark minimierten Ausschuss auf neue
Mitgliedervertreter, die wieder eine ganz andere Sicht der
Dinge in die Innungsarbeit einbringen können und werden.
In der für Juni geplanten Strategieklausur werden die
Weichen für die kommenden 5 Jahre gestellt. Gute
Foto der Berufsgruppensprecher (© Bundesinnung)
Aktionen, wie z. B. das Projekt „Werbetafel“ oder die
Angebote im Rahmen der „Kunsthandwerksakademie“,
werden aber bestimmt beibehalten.
C
M
Y
CM
MY
CY
CMY
K
Ausgabe 02 2015
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69
Nachwort Themenschwerpunkt | Ausbildung Kunsthandwerk
Wie fühlt sich ein Lehrling?
Wie fühlt sich eine Ausbildnerin bzw. ein Ausbildner?
Warum hat sich ein junger Mensch
entschieden eine Lehre anzutreten?
Folgende Antworten gaben mir Lehrlinge auf diese Frage:
der Ausbildnerbetrieb war in der Nähe; die Ausbildner sind
Freunde der Eltern; keine Lust mehr auf Schule; endlich
Praxis statt Theorie; Interesse am Beruf.
Eine Lehrstelle kann der ideale Ausgangspunkt für eine gute
Entwicklung sein. Zuschauen zu können und mitwirken zu
können, wenn Produkte entstehen, erleben viele junge
Arbeitskräfte als sehr befriedigend. Das frisch erlernte
Wissen kann umgehend angewendet werden. Vor allem
kommt es auf den Platz an, den ein junger Mensch in dieser
Herstellungskette einnimmt. Wer bereit ist sich auf die
Umgebung einzustellen und die angebotenen Möglichkeiten
nutzt, kann diesen Platz ausbauen und ein wichtiges Glied in
dieser Herstellungskette werden.
Wir Ausbildner, Eltern und Lehrer können unseren Lehrlingen
dabei helfen, ihren Platz zu finden, indem wir dieses Betäti­
gungsfeld sichtbar machen. Klare Aufgaben und die Übertra­
gung von Verantwortung helfen den Auszubildenden, mit
ihrer Umgebung in Kontakt zu treten, und nehmen den
altersbedingt mitunter unsicheren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern die Schwellenangst.
Viele junge Menschen sind bereit, im Wirtschaftsgefüge
mitzuwirken, auch wenn das auf den ersten Blick nicht
erkennbar ist. Jugendliche blühen auf, wenn man sich mit
ihnen beschäftigt und sie nach ihrer Meinung und ihrer
Befindlichkeit fragt. Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die
ihr Wissen mit Spaß und Freude vermitteln, sind positive
Vorbilder. Ihnen hört man gerne zu. Freudlose Menschen
hingegen sind negative Vorbilder und pädagogisch wertlos.
Sie können junge Menschen nur mit Angstmacherei, Druck
und Drohungen vor sich hertreiben. Ein guter Unterrichtsoder Führungsstil hingegen wird von Schülern und Mitarbei­
tern als solcher wahrgenommen und unbewusst als Vorlage
verwendet.
Junge Menschen brauchen viel Unterstützung, damit sie sich
trauen, außerhalb der gewohnten Umgebung Möglichkeiten
zu nutzen oder angebotene Hilfestellung anzunehmen. Ein
Angebot einmal auszusprechen ist nicht genug. Man
versteht es kaum, aber der junge Mensch hat vielfach zu
wenig Selbstvertrauen.
Gelegentlich gelobt zu werden ist hier zu wenig.
Als ich mit meiner Lehre fertig war, hat meine Mutter auf
mich eingeredet, ich solle ins Ausland gehen und Erfahrun­
gen sammeln. Meine studierenden Freunde gingen dann
auch alle, im Rahmen des Erasmusprogramms, für ein Jahr
ins Ausland, erweiterten ihren Horizont und erlernten
obendrein eine Sprache. Und meine Mutter sagte nur:
„Geh ins Ausland!“ Sie hatte recht, aber der Weg war nicht
sichtbar und es brauchte viele Jahre, bis ich mich auf den
ungemachten Weg machte.
Und so geht es auch anderen. Es ist kaum zu glauben, aber
nur wenige österreichische Preisträger der vergangenen 10
Jahre hatten ihren wertvollen Kursgutschein in der Höhe
von CHF 200,– bis CHF 300,– vom Centro del bel libro
ascona auch eingelöst. Es waren jene Lehrlinge, deren
Lehrer, Meister oder Chefs den Weg sichtbar gemacht
hatten. Dazu gehört: das Kursprogramm durchgehen und
den entsprechenden Kurs fixieren; die Kosten auflisten und
eventuell mitfinanzieren; den Kurs anmelden; das Unterstüt­
zungsgesuch der Stiftung Centro del bel libro ausdrucken
und gemeinsam ausfüllen; die Reiseroute gemeinsam
anschauen, besprechen und ausdrucken; die Unterkunft
buchen und dann noch den letzten „Schupfer“ geben.
Das klingt kindisch, besonders weil die Auszubildenden sich
sonst so erwachsen geben, aber wenn’s um die Überschrei­
tung des Horizontes geht, wird die Unsicherheit spürbar,
auch wenn sie uns nicht gezeigt wird. Denkt man daran,
dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor 1 bis 3
Jahren 14 oder 15 Jahre alt waren, so kann man für diese
kindliche Haltung wieder ein wenig Verständnis aufbringen.
Vergessen wir also nicht, wie lange wir schon im Geschäft
sind und wie viele Ängste und Hürden wir nehmen mussten
und genommen haben, um einigermaßen angstfrei durchs
Leben zu gehen.
Mit den Lehrlingen ist es ein wenig wie mit den eigenen
Kindern: Wir erhalten oft zeitversetzt oder auf Umwegen
unseren Dank und manchmal auch gar keinen, doch unser
Tun ist sinnvoller mit ihnen.
Bernhard Sanders
selbstständiger Buchbindermeister;
Bundeslehrlingsbeauftragter
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Ausgabe 02 2015

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