Spieleabhängigkeit von Kindern und Jugendlichen.

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Spieleabhängigkeit von Kindern und Jugendlichen.
Hauptseminar Didaktik der Informatik
Spieleabhängigkeit von Kindern und Jugendlichen
Claudia Konopka
Technische Universität München
[email protected]
5. Juli 2010
Abstract: Mit der Entwicklung des Computers sind nicht nur neue
Möglichkeiten des Arbeitens entstanden, sondern auch neue Möglichkeiten der Unterhaltung. Diese Arbeit befasst sich mit Computer-,
Konsolen- und Onlinespielen und mit deren Nutzung auch der Gefahren
und Auswirkungen einer Spieleabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen.
1 Einleitung
Sie kommen fast überall vor. Fast jeder kennt sie und hat sie schon einmal ausprobiert:
Die Rede ist von Videospielen. Ob am PC, mit der Nintendo Wii Spielkonsole, der
Handheld-Konsole Nintendo DS für unterwegs oder mit dem Handy (vgl. [Hi/o. J.] S.1).
In jeder Alltagssituation hat man Zugang zu ihnen und es scheint fast so, als ob sie ein
fester Bestandteil unseres Lebens sind.
Computerspiele sind bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt und eine willkommene
Beschäftigung. Doch was passiert, wenn das Spielen überhand nimmt und außer Kontrolle gerät? Mit Skepsis beobachten besorgte Eltern das Spielverhalten von ihren Kindern und machen sich Gedanken über die Suchtgefährdung bei Computerspielen. (vgl.
[Hi/o. J.] S.1) Im Folgenden soll nun grundlegend geklärt werden, was Sucht bedeutet
und wie diese entsteht. In Kapitel drei wird betrachtet warum und wie Kinder und Ju-
1
gendliche Computer- Konsolen- und Onlinespiele nutzen um anschließend in Kapitel
vier auf auffälliges Spielverhalten einzugehen. Abschließend behandelt diese Arbeit die
Auswirkungen von Spieleabhängigkeit und wie Eltern durch Erziehung ihre Kinder davor schützen können.
2 Begriffsklärung
Das Wort Sucht stammt von dem alt-/mittelhochdeutschen Wort „siech“, welches mit
krank, bzw. Seuche (vgl. [Kl98] S. 327), übersetzt wird und bezeichnet eine Krankheit
bzw. ein auffälliges Verhalten, wie zum Beispiel Eifersucht. In der Psychiatrie ist sie daher grundsätzlich eine Verhaltensweise, die pathologisch, also krankhaft, ist. Jedoch wird
„Sucht“ seit 1968 nicht in diesem Kontext benutzt und wurde durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch den Begriff „Abhängigkeit“ ersetzt.
Die Spielsucht wird hierbei als eine Abhängigkeit bezeichnet, die nichtstoffgebunden ist.
In der Gesellschaft breitet sie sich unspektakulär und schleichend aus. Dadurch birgt sie
ein gravierendes Zerstörungspotential in sich, welches allgemein süchtigem Verhalten
zugeschrieben wird. In dem WHO-Klassifikationssystem ICD-10 wird Spielsucht eingeordnet unter dem Schlüssel F63 als „abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“. (vgl. [MLD95] S. 283, 288)
ICD, von englisch International Classification of Deseases, ist eine Diagnoseklassifikation von psychiatrischen Krankheiten, die durch einen Diagnoseschlüssel mit einem
Glossar verbunden sind (vgl. [Fa95] S. 17).
Angeblich beeinflussen psychische und sozialen Bedingungen des Spielenden eine Abhängigkeitsentwicklung (vgl. [Bu/o. J.] S. 1).
Hilpert ([Hi/o. J.] S. 7 - 8) erwähnt in seinem Bericht, dass Spieleabhängigkeit meist mit
Onlinespielen zusammenhängt. Der Grund ist, dass im Gegensatz zu normalen
Computerspielen, wenn man sie einmal durchgespielt hat die Lust verliert, es bei Onlinespielen kein Zeit- oder Inhaltslimit gibt. Bei diesen Spielen sorgen reale Mit- oder Gegenspieler für immer wieder neue Geschehnisse, die nicht selbst beeinflusst werden
können. Da man hier in eine Scheinrealität mit sozialen Kontakten abtaucht entsteht die
Abhängigkeit durch einen „fortschreitenden Verlust von Handlungsfähigkeit“ ([Hi/o. J.],
S. 8). Die Spielenden empfinden das Spielen als stimmungsverbessernd und stressreduzierend. Sie versuchen mit einem exzessiven Verhalten Gefühle in Verbindung mit
Ängsten, Frustration und Unsicherheit effektiv zu beherrschen oder zu verdrängen (vgl.
[Bu/o. J.] S. 1). Dies kann zu sozialen und existenzbedrohenden Konsequenzen im
realen Leben führen.
2
3 Nutzung von Computer-, Konsolen- und Onlinespielen
Wie bereits erwähnt können Computerspiele heutzutage zu fast jederzeit und an fast jedem beliebigen Ort gespielt werden. Sie sind bei Kindern und Jugendlichen eine beliebte
Freizeitbeschäftigung.
Schon alleine aus dem Grund, dass sie Langeweile vertreiben. Eine Aufgabe nach der
anderen will gelöst werden und sorgt dafür, dass sich der Spielende dem Bann des Spieles nicht entziehen kann.
Computer-, Konsolen- und Onlinespiele gibt es für jeden Geschmack in unterschiedlichen Variationen. Ob Strategie-, Denk- oder Sportspiel – sie verlangen verschiedenste
Fähigkeiten der Spielenden ab: „manuelle Geschicklichkeit, Reaktionsschnelligkeit, taktisches Geschick, räumliche Orientierungsfähigkeit, Ressourcenmanagement und
Planungsgeschick“ ([Hi/o. J.] S. 4). Man kann seine eigenen Fähigkeiten testen und seine Grenzen erfahren, sich im Wettbewerb mit Anderen messen und bei einem Sieg über
den Gegenspieler triumphieren oder lernen eine Niederlage zu überwinden (vgl. [Hi/o.
J.] S. 2 – 5). Die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ erwähnt zudem
noch, dass viel Zeit z.B. mit Gesellschafts- und Jump'n Run Spielen, sogenannte „kleine
Browserspiele“, verbracht wird. Diese Onlinespiele sind im Internet leicht zugänglich
und aus dem Grund so reizvoll, weil die Spielenden immer wieder versuchen den
Highscore, also die Höchstpunktezahl, zu knacken (vgl. [Bu/o. J.] S. 2).
Zudem profitiert die Computerspieleindustrie auch von der Beliebtheit verschiedener
Filme, Serien und Figuren (vgl. [Hi/o. J.] S. 4). So kann man zum Beispiel seine Lieblingssendung „die Simpsons“ nicht nur im Fernsehen anschauen, sondern auch beispielsweise in die Rolle des Familienvaters „Homer“ schlüpfen und spielerisch die SimpsonsWelt unsicher machen.
Dann gibt es auch noch die Spiele, die in der virtuellen Welt Wünsche und Träume wahr
machen. Zum Beispiel, wenn man sich schon immer einen kleinen Hund gewünscht hat,
aber die Eltern keinen eigenen erlauben. Dann schafft man sich eben einen „Nintendogs“
an und kann wenigstens so tun, als hätte man einen lebendigen. Auf der Webseite
„YAHOO! Spiele“ wird dieser wie folgt beworben: „Bei Nintendogs steckt quasi ein
echter, quietschlebendiger Welpe in deinem Nintendo DS. Kümmere dich um deinen
Hund indem du ihn fütterst, ihn pflegst, mit ihm Gassi gehst, und ausgiebig mit ihm
spielst. […] Streichele deinen Welpen mit dem Stylus [(ein Stift zum Bedienen des
Nintendo DS)], wirf ihm einen Ball zu oder kitzel seinen Bauch. Über das Mikrofon des
Nintendo DS kannst du sogar mit deinem Hund sprechen und ihm durch Sprachbefehle
Kunstücke[sic] beibringen“ [Ya10].
Computerspiele werden auch dazu verwendet um mit Freunden, Gleichaltrigen oder
-gesinnten das Spiel gemeinsam zu erleben und soziale Kontakte zu pflegen. Eine Form
davon stellen z.B. LAN-Parties dar, bei denen sich eine Gruppe von Spielenden zu einer
gegebenen Zeit an einem vereinbarten Ort treffen, um gemeinsam Computer zu spielen
3
(vgl. [Hi/o. J.] S. 4). Als Teil einer Mannschaft will der Spielende einen wichtigen Beitrag zum Spielgeschehen leisten und ist nicht selten mit dem Spiel und anderen Mitspielern emotional verbunden (vgl. [Bu/o. J.] S. 2).
Ein anderer Punkt ist Bequemlichkeit. Computerspiele beanspruchen die Motorik nur
sehr einseitig (vgl. [Hi/o. J.] S. 4) und sind auch aus diesem Grund eine willkommene
Beschäftigung für die sogenannten „couch potatos“. Das sind Stubenhocker, die am
liebsten zu Hause sitzen und sich nicht gerne körperlich betätigen.
Kinder und Jugendliche suchen in Computer-, Konsolen- und Onlinespielen auch oft
eine Bestätigung ihrer selbst. Wenn sie ein neues Spiel erwerben sind sie zu Beginn
meist frustriert, weil sie es noch nicht vollkommen beherrschen. Entweder wird das
Spiel dann beendet oder der Kampfgeist des Spielenden geweckt. Zweiteres sorgt dafür,
dass das Kind oder der Jugendliche noch mehr motiviert ist im Spiel zu siegen und im
Erfolg eine Bestätigung seiner Fähigkeiten und somit seiner selbst zu erlangen (vgl.
[Hi/o. J.] S. 5). Eine wahre Verführung ist dabei das Spiel „World of Warcraft“, welches
mit einem Belohnungssystem arbeitet. Dieses Spiel ist ein Massively Multiplayer Online
Role-Playing Game (MMORPG), in dem eine Masse von realen Spielenden jeder eine
eigene Rolle verkörpert. Die Rolle kann dann mit gesammelten Punkten selbst gestaltet
und mit neuen Fähigkeiten und Werkzeugen, bzw. Waffen, aufgewertet werden. Die bereits vorher erwähnten Level- und Punkteschwellen, die von den Spielenden erreicht
werden wollen, sorgen hierbei für zusätzliche Attraktivität des Spieles (vgl. [Bu/o. J.] S.
2).
3.1 Kinder als Nutzer
Heutzutage kommen Kinder schon zeitig mit Computern in Berührung. Sei es im Kleinkinder- und Vorschulkinderalter der „Lerncomputer“, bei dem man in verschiedenen
Spielen die richtigen Tasten drücken muss, kleine Aufgaben lösen kann und der zusätzlich noch schöne Musik macht oder sei es der PC im Hause der Familie.
Laut der KIM-Studie 2008 besitzen 88 Prozent aller Haushalte mit 6- bis 13-jährigen
Kindern mindestens einen Computer oder ein portables Notebook. Davon können ein
Viertel der Kinder ihr eigenes Gerät zum Spielen und Lernen nutzen. 78 Prozent der
Kinder, die Erfahrung im Umgang mit Computern haben, benutzen diesen fast jeden Tag
und es sind am Häufigsten Jungen.
Wie Abbildung 1 zeigt wird der Computer von Kindern am Meisten zum Spielen benutzt. Dabei spielen 62 Prozent der Kinder alleine und 50 Prozent gemeinsam mit Anderen mindestens einmal pro Woche am Computer. Deutlich ist die häufigere Spielnutzung
bei Jungen zu erkennen.
„Insgesamt spielen 70 Prozent aller Kinder zumindest selten (Mädchen: 65 %, Jungen:
4
75 %). 13 Prozent jeden/fast jeden Tag, 43 Prozent ein- bis mehrmals pro Woche, 14
Prozent seltener und 30 Prozent nie“ ([Me09b] S. 28).
Abb. 1
Kinder und Computer – Tätigkeiten 2008
Die Nutzung von transportablen Handheld-Konsolen kann in der Größenordnung mit
dem Spielen am Computer verglichen werden. Insgesamt spielen neun Prozent aller Kinder fast jeden Tag, 28 Prozent ein- oder mehrmals pro Woche und 22 Prozent selten
Spiele auf einer festen Konsole, die am Fernseher angeschlossen ist. 40 Prozent aller
Kinder spielen sogar nie mit der Spielkonsole.
Neben der Spielhäufigkeit muss vor allem die tägliche Nutzungsdauer betrachtet werden.
So schätzen insgesamt 23 Prozent aller Kinder die Dauer der Nutzung auf bis zu 30
Minuten, 42 Prozent zwischen 30 Minuten und einer Stunde und 21 Prozent auf mehr als
eine Stunde am Tag.
Zu den intensiv Spielenden zählen im Alter von sechs bis sieben Jahren acht Prozent und
im Alter von acht bis neun Jahre 13 Prozent der Kinder. Sie spielen also mehr als eine
Stunde pro Tag. Dies steigt mit zunehmendem Alter an. Im Alter von 12 bis 13 Jahren
spielen schon 26 Prozent der Kinder intensiv Bei den 10- bis 11-Jährigen sind bereits
Abb. 1: ([Me09b], S. 27)
5
schon 21 Prozent und bei den 12- bis 13-Jährigen 36 Prozent intensiv Spielende.
Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest, der die KIM-Studie 2008 durchführte, fand heraus dass Mädchen gerne Strategie- und Gesellschaftsspiele, sowie Funund Lernspiele spielen. Jungen hingegen bevorzugen Actionspiele, sowie Adventureund Sportspiele (vgl. [Me09b] S. 25 – 31).
3.2 Jugendliche als Nutzer
Wie in der KIM-Studie 2008 schon deutlich wurde nimmt die Spielnutzung und
-häufigkeit mit steigendem Alter zu. Wenn Kinder in 88 Prozent der Haushalte einen Zugang zu einem Computer haben sind es bei den 12- bis 19-Jährigen schon volle 100 Prozent. Dazu steht in 98 Prozent der Haushalte, in denen Jugendliche leben, Internet zur
Verfügung.
Während es bei den Kindern noch ein Viertel war, welches ein eigenes Gerät besitzt, haben bei den Jugendlichen drei Viertel einen eignen Computer oder Laptop. Zudem hat
mehr als jeder Zweite einen Internetzugang vom Zimmer aus (vgl. [Me09a] S. 31), was
sicherlich auch mit der zunehmenden Verbreitung des Wireless LAN zusammenhängt.
Dabei entfällt bei 14 Prozent der Jugendlichen die Onlinenutzung auf Spiele. Auch hier
kann man wieder einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen erkennen. Die weiblichen Jugendlichen verwenden nur jede zwölfte Minute im Internet auf Spiele. Bei den
männlichen Altersgenossen ist es bereits schon jede vierte Minute (vgl. [Me09a] S. 33).
Laut JIM 2009 spielen 45 Prozent der Jugendlichen mindestens mehrmals pro Woche alleine oder zusammen mit anderen Computer-, Konsolen- oder Onlinespiele. Das alleinige oder gemeinsame Spielen ist dabei in der Häufigkeit fast gleich. Sogar 19 Prozent aller Jugendlichen spielen nie.
Wie die Abbildung 2 zeigt sind vor allem Onlinespiele, die gemeinsam gespielt werden,
sehr beliebt. So spielen 48 Prozent aller Jugendlichen Onlinespiele mit anderen. Der Anteil der alleine online Spielenden singt auf 39 Prozent. Offline spielen dann mehrmals
pro Woche und häufiger nur noch 14 Prozent gemeinsam. Auffällig ist hier, wie bei den
Kindern, dass der Anteil der Jungen, bzw. jungen Männer, deutlich höher ist als der Anteil der Mädchen, bzw. jungen Frauen (vgl. [Me09a] S. 39 - 40).
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Abb. 2
Spielen (Computer/Internet/Konsole)
Nicht zu vernachlässigen ist auch hier die durchschnittliche Dauer, die für Spielen aufgewendet wird. Von Montag bis Freitag spielen Jugendliche schätzungsweise 79 Minuten
Computer-, Konsolen- oder Onlinespiele. Jungen spielen dabei mit 98 Minuten „fast eine
dreiviertel Stunde länger“ ([Me09a] S. 41) als Mädchen, die durchschnittlich 53 Minuten
für Spielen aufwenden. Im Detail spielen 12- bis 13-Jährige 69 Minuten, 14- bis 15Jährige 86 Minuten und 16- bis 17-Jährige 80 Minuten. Die Heranwachsenden im Alter
von 18 bis 19 Jahre verwenden 83 Minuten ihrer Zeit unter der Woche mit Spielen.
Auffallend ist dabei, dass „Jugendliche mit geringerer formaler Bildung“ ([Me09a] S.
41) mit 112 Minuten Spiele deutlich intensiver nutzen. Die Differenz zwischen Realschülern mit 82 Minuten und Gymnasiasten mit 63 Minuten ist mit 19 Minuten knapp
eine halbe Stunde pro Woche. Im Durchschnitt wird am Wochenende 16 Minuten länger
als unter der Woche gespielt. Deutlich verbringen auch hier wieder die Jungen mit 22
Minuten mehr Zeit mit Spielen als die Mädchen mit 5 Minuten. Auch die Jugendlichen
mit geringerer Schulbildung und die 18- bis 19-Jährigen spielen am Wochenende kaum
mehr als unter der Woche.
Zu den beliebtesten Spielearten der Jungen und jungen Männer zählen, ähnlich wie bei
den Kindern, Actionspiele und Sportspiele, wie Fußball oder Autorennen. Im Jugendalter
Abb. 2: ([Me09b], S. 40)
7
sind zusätzlich noch Shooterspiele, wie zum Beispiel „Counter Strike“, sehr beliebt.
Mädchen und junge Frauen hingegen mögen vor allem Geschicklichkeits- und Strategiespiele. Das typische Jugendalter mit dem vermehrten Interesse an Popstars und Boygroups spiegelt sich vor allem bei der Ausübung von Karaokespielen, wie z.B.
„Singstar“ wider. Wie die Basisstudie JIM 2009 zeigt, interessieren sich weibliche Jugendliche auch zunehmend für Sportspiele mit der Wii-Konsole (vgl. [Me09a] S. 41 –
42).
4 Auffälliges Spielverhalten
Wie Hilpert ([Hi/o. J.] S. 2) bereits erwähnt bieten Computerspiele den Kindern und Jugendlichen manuelle und kognitive Lernmöglichkeiten, sowie vielfältige und spannende
Erlebnisse. Jedoch wird es gefährlich, wenn sie ihre Aufgaben und Pflichten vernachlässigen und völlig in den Bann des Spielens gezogen werden und sich von einem Spiel
nicht mehr lösen können.
Ein neues Spiel kann einen Spielenden zwölf bis zwanzig Stunden oder mehr fesseln
(vgl. [Hi/o. J.] S. 6). Kritisch wird es nur, wenn dies regelmäßig geschieht und „sich das
Kind [oder der Jugendliche] immer mehr zurückzieht“ und „nicht mehr seinen realen
Hobbys nachgeht“ [On10]. Weitere Warnzeichen sind „wenn immer weniger Freunde
auftauchen oder die Mahlzeiten nicht mehr mit der Familie, sondern vor dem PC eingenommen werden“. Die Kinder und Jugendliche sind „bei realen Aktivitäten lustlos“
[On10] und vernachlässigen ihren Körper, indem sie sich selten waschen (vgl. [Sc/o. J.]
S. 7). Weiterhin kann auf eine Spieleabhängigkeit hindeuten, wenn sie aggressiv, depressiv oder apathisch reagieren und dies vor allem auftritt, wenn nicht gespielt werden kann
(vgl. [Bu/o. J.] S. 5). Brenzlig wird es dann, „wenn sich Übermüdung und schulisches
Nachlassen zeigt“ oder schlimmstenfalls die „Schule geschwänzt wird“ und Kinder
„nicht mehr mit ihren Eltern sprechen“ [On10], weil sie denken, dass diese sie eh nicht
verstehen.
4.1 Spieleabhängigkeit im Kindesalter
Als zeitlich auffälliges Spielverhalten definieren Rehbein, Kleimann und Mößle bei
Drei- bis Fünftklässlern mit einer Computerspielzeit von mehr als drei Stunden an einem
Schultag (vgl. [RKM09] S. 33). Laut ihrer Studie haben Kinder, die bei der Erhebung in
der fünften Klasse ein problematisches Spielverhalten aufwiesen bereits in der dritten
Klasse durchschnittlich schlechtere Noten in Mathematik, Deutsch und Sachkunde gehabt, als die Kinder mit einem unauffälligem Spielverhalten. In der vierten Klasse ver-
8
größerte sich dieser Unterschied und verfestigte sich in der fünften. Am Ende der fünften
Klasse gingen die, auf Spiele bezogen, auffälligeren Kinder weniger gern zur Schule.
Diese Kinder erleben häufiger Gewalt im Elternhaus und deren Eltern sind deutlich
häufiger geschieden. Auch fühlten sie sich in der dritten Klasse im Durchschnitt
schlechter in ihre Klasse integriert (vgl. [RKM09] S. 34 – 35). Laut dem Projektbüro
„SCHAU HIN! Was Deine Kinder machen.“ ist die Gefahr abhängig zu werden umso
größer je geringer das Selbstwertgefühl von Kindern ist. „Kinder, die sich oft unwichtig
und unverstanden fühlen und nur schwer Freundschaften mit andern[sic] Kindern
schließen können, sind besonders anfällig, ihre Ängste und Frustgefühle in
Fantasiewelten elektronischer Spiele zu verdrängen“ (vgl. [Sc/o. J.] S. 4).
Spieleabhängige Kinder haben „einen schnellen und ungenauen Arbeitsstil und eine
mangelnde Voraussicht eigener Handlungskonsequenzen“ ([RKM09] S. 36). Sie „orientieren sich vor allem an sofort verfügbaren positiven Konsequenzen eigener Handlungen
und richten diese kaum an zukünftigen Zielen aus“ ([RKM09] S. 36). Ein auffälliges
Spielverhalten zeigt sich vor allem bei Kindern mit Hyperaktivität. Ihr Anteil liegt bei 47
Prozent im Vergleich zu hyperaktiv Auffälligen bei den nichtabhängigen Computerspielern mit 12 Prozent. Abschließend ist noch zu erwähnen, dass Kinder mit auffälligem
Spielverhalten eher dazu neigen Computerspiele bei Misserfolgen im Leben zu nutzen
(vgl. [RKM09] S. 36 – 37).
4.2 Spieleabhängigkeit im Jugendalter
Laut Rehbein, Kleimann und Mößle ist ein Jugendlicher ein exzessiv Spielender, wenn
er täglich mehr als viereinhalb Stunden mit Spielen verbringt (vgl. [RKM09] S. 19). Wie
bei den Kindern weisen sie schlechtere schulische Leistungen auf. Vor allem in den
Fächern Geschichte, Deutsch und Sport, jedoch nicht in Mathematik. Laut der Studie haben spieleabhängige Jungen geschwänzt und sind, mit mehr als fünf geschwänzten Tagen pro Halbjahr, häufiger Mehrfachschulschwänzer (vgl. [RKM09] S. 23). Zudem haben sie eine kontinuierlich verringerte Schlafzeit. Computerspieleabhängige Jugendliche
führen keinerlei regelmäßige und organisierte Freizeitaktivitäten aus und haben häufiger
Suizidgedanken. Wie bei den Kindern flüchten Jugendliche in eine virtuelle und belohnende Welt, anstatt sich mit ihren Alltagsproblemen auseinander zu setzen und konstruktiv Konflikte zu lösen (vgl. [RKM09] S. 25, 28). Zudem sind sie oft Opfer von Elterngewalt in der Kindheit (vgl. [RKM09] S. 28). Jugendliche und Erwachsene mit wenig Erfolg im sozialen Zusammenleben und Beruf gelten als besonders gefährdet. Zudem leiden viele abhängige Spielende an psychischen Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, die
Ursache oder Folge von Spieleabhängigkeit sind (vgl. [Bu/o. J.] S. 1).
9
5 Auswirkungen der Spieleabhängigkeit
Mit der Definition von Spielabhängigkeit in Kapitel zwei folgen nun die Kennzeichen
dieser Abhängigkeitserkrankung. Ein Merkmal davon ist, dass der abhängige Spielende,
trotz Einsicht der eigenen Abhängigkeit, sein Spielverhalten nicht ändern kann, oder
will, und negative Konsequenzen in Bezug auf seine realen Verpflichtungen in Kauf
nimmt, um weiter Spielen zu können. Weiterhin erfolgt ein Kontrollverlust, sodass der
Spielende die Häufigkeit und Dauer des Spielens nur noch stark eingeschränkt begrenzen kann. Des Weiteren engt der Abhängige seinen Handlungsspielraum ein und richtet
seinen Alltag fast ausschließlich auf das Spielen aus. Weitere Abhängigkeitsmerkmale
sind Toleranzentwicklung gegenüber der Abhängigkeit und Entzugserscheinungen, wie
z.B. Nervosität oder Aggressivität, wenn nicht gespielt werden kann (vgl. [RKM09] S.
13 - 14).
Daraus ergibt sich ein hoher Leidensdruck in Bezug auf gesundheits‐, leistungsbezogene
und soziale Folgen der Abhängigkeit (vgl. [RKM09] S. 42). In Extremfällen gefährden
Spieleabhängige ihre soziale Existenz dadurch, dass sie ihr Spielverhalten nicht mehr
kontrollieren können. Sie ziehen sich von ihrer Familie zurück, gehen nicht mehr in die
Schule oder zur Arbeit und geben Freunde auf (vgl. [Bu/o. J.], S. 1).
Leider ist das Störungsbild der Spieleabhängigkeit nach wie vor nicht klinisch anerkannt
und somit im Gesundheitssystem keine Behandlung der Abhängigen vorgesehen (vgl.
[RKM09] S. 41). Es sollte jedoch Hilfe in Form von einer Beratung in Anspruch genommen werden, wenn „immer mehr häusliche und außerhäusliche Kontakte und Pflichten
vernachlässigt werden“ ([Bu/o. J.] S. 1).
6 Computerspiele und Erziehung - Verhinderung von Spieleabhängigkeit
Nun stellt sich abschließend noch die Frage, wie Eltern eine Spielabhängigkeit ihrer Kinder verhindern können.
Eltern sollten ihren Kindern in ihrer Mediennutzung ein gutes Vorbild sein. Dazu ist es
wichtig, dass sie ihren Kindern Grenzen der Nutzung aufzeigen, ihnen aber auch Freiräume für selbstständige Entscheidungen einräumen. Deshalb sollten über die Zeit und
Dauer der Spielnutzung, sowie Inhalte der Spiele klare Regeln vereinbart und auch auf
deren Einhaltung geachtet werden. Eltern müssen entscheiden, ob ihr Kind bereits in einem gewissen Alter ist und die nötige Reife besitzt, um ein eigenes Gerät benutzen zu
dürfen. Nicht zu vernachlässigen ist, dass ein eigener Computer im eigenen Zimmer zu
unkontrollierter Nutzung verführen kann.
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Zunächst sollten Eltern den Einstieg ihrer Kinder in die Computernutzung begleiten und
zeitliche Orientierungen angeben, die für das Alter des Kindes angemessen sind (vgl.
[Bu/o. J.] S. 4). Zudem ist es wichtig, dass die Eltern sorgfältig Spiele auswählen, die
vor allem für die Altersgruppe des Kindes freigegeben wurden. Laut der
„Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ sollten Kinder bis acht Jahre nicht
mehr als eine halbe Stunde pro Tag Computer spielen. Diese Zeit kann später
schrittweise verlängert werden. (vgl. [Bu07] S. 4, 13 - 14). Kinder und Jugendliche
lernen leichter Computerspiele sinnvoll zu nutzen, wenn die zeitlichen Grenzen vorher
gemeinsam mit den Eltern vereinbart werden. Auf keinen Fall sollte das Spiel von den
Eltern an einer beliebigen Stelle im Spielverlauf unterbrochen werden, da bestimmte
Fortschritte im Spiel verloren gehen können. Besser ist es dem Kind selbst die
Verantwortung zu übertragen an einer sinnvollen Stelle das Spiel zu beenden, um die
Spielzeitbegrenzung nicht mit negativen Erfahrungen zu belasten (vgl. [Bu/o. J.] S. 5).
Die Spielzeitüberschreitung kann dann mit Verkürzung der Spielzeit oder Verzicht an
anderen Spieltagen kompensiert werden (vgl. [Bu07] S. 15). Bei Jugendlichen und
älteren Kindern ist es von Vorteil ein Wochenbudget für Spielzeiten zu vereinbaren, da
sie an einzelnen Wochentagen unterschiedliche Verpflichtungen in Schule und Freizeit
wahrnehmen und auch ihr Spielverhalten zeitlich an die Spieldynamik des Spieles
anpassen können.
Wichtig ist vor allem, dass sich Eltern mit den Computerspielen ihrer Kinder auseinander setzen und versuchen nachvollziehen, warum sie für ihr Kind so faszinierend und bedeutsam sind (vgl. [Bu/o. J.] S. 5). Dabei kann z.B. helfen das Spiel einmal mitzuspielen
(vgl. [Kl/o. J.] S. 3). So können in Bezug auf die Spielzeitbegrenzung Probleme und
Streit leichter vermieden werden (vgl. [Bu/o. J.] S. 5). Eltern sollten jedoch niemals
Computerspiele als Mittel zur Belohnung oder Bestrafung einsetzen, um mit dem Computer oder der Konsole einen hohen Stellenwert im Alltag der Kinder zu vermeiden (vgl.
[Kl/o. J.] S. 3). Weiterhin sollten Eltern darauf achten, dass ausreichend andere Freizeitaktivitäten, die musische und kreative Fähigkeiten fördern, wahrgenommen werden.
Das Kind sollte sich öfters an der frischen Luft bewegen und gemeinsam mit Gleichaltrigen oder der Familie spielen (vgl. [Bu/o. J.] S. 5) – allerdings zur Abwechslung einmal
keine Computerspiele.
7 Schluss
Zweifelsohne sollte Spieleabhängigkeit nicht vernachlässigt oder verharmlost werden.
Wie in der Arbeit beschrieben ist sie eine Form von Abhängigkeit, die mit Abhängigkeitsmerkmalen und einer Persönlichkeitsveränderung einhergeht.
Computer- Konsolen- und Onlinespiele sind in erster Linie eine andere Form von Freizeitaktivität und dienen auch zur geistigen und kreativen Entwicklung des Kindes, bzw.
des Jugendlichen. Weiterhin regen sie die Phantasie an und Ermöglichen das Erlernen
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von Sozialverhalten. Nachdem die alltäglichen Aufgaben und Pflichten erledigt wurden
kann der Spielende sich entspannen und in eine virtuelle Traumwelt abtauchen. Wichtig
dabei ist nur, wie bei jedem anderem Hobby, dass sich das Kind oder der Jugendliche
nicht darin verliert und sein Leben auf das Spielen ausrichtet. Hier sind die Eltern gefragt. Als Elternteil ist es die Aufgabe das Kind zu Disziplin erziehen und ein gesundes
Bewusstsein zu fördern. Dazu gehören Aufklärung über die Mediennutzung, sowie klare
und verbindliche Regeln. Jedoch auch Interesse und Verständnis für die Aktivitäten des
Kindes. Sicherlich ist es auch falsch zu sensibel und zu streng bei dem Thema
Computerspiele zu sein und es zu verteufeln. Man kann noch von keiner Abhängigkeit
sprechen, wenn der Spielende sich mehrere Wochen oder Monate intensiv mit einem
Spiel befasst. Wichtiger ist es auf die beschriebenen Anzeichen, wie Reduzierung der sozialen Kontakte und anderen Freizeitaktivitäten, zu achten und im Zweifel ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Gefährdeten zu suchen. Gemeinsam kann man dann Lösungen finden um eine drohende Spieleabhängigkeit zu vermeiden.
In Zukunft wird es noch oft Diskussionen mit allen Vor- und Nachteilen um dieses Thema geben. Doch eines sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden: Mit der Erziehung ihrer Kinder haben es Eltern in der eigenen Hand, wie sich ihre Kinder entwickeln
und welche Richtung sie einschlagen werden.
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