Qualität als Statussymbol
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Qualität als Statussymbol
Mittwoch, 16. Januar 2008 HF2 MEDIEN Dubiose Geschäfte Qualität als Statussymbol Zeitungsmacher müssen Inhalte finden, mit denen sie sich gegen die bunte Nachrichtenwelt im Netz behaupten „Zeitenwechsel“ heißt eine neue Serie zur Zukunft des Journalismus, über Trends in der Presse und im Internet. Zusammen mit dem Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik bereitet sueddeutsche.de in den nächsten Wochen acht Interviews mit Experten auf, darunter mit John Lloyd, Herausgeber der Financial Times und Direktor des Reuters Institute for the Study of Journalism an der Oxford University. Die Autoren Leif Kramp und Stephan Weichert sind Mitarbeiter des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Tom Wolfe, amerikanischer Journalist und Mitbegründer des literarisch gefärbten „New Journalism“, dachte der Zeit schon immer weit voraus. Mitte der Sechziger führte er in seinem ersten Buch, einer Reportagesammlung, den Begriff „Totem Newspaper“ ein, den „Schutzgeist Zeitung“. Diese Zeitungen, so Wolfe, würden nicht zum Lesen gekauft, sondern den meisten „Lesern“ gehe es bloß darum, Papierzeitungen rein physisch zu besitzen, um ihrem eigenwilligen Lebensstil Ausdruck zu verleihen – so wie es sich einst mit den Omaha-Indianern verhielt, die Büffelzungen bei sich trugen. Das Qualitätsblatt als Statussymbol – ist das die Perspektive? Sicher scheint derzeit nur, dass bekannte Titel wie The New York Times, Washington Post, The Guardian, Le Monde oder Süddeutsche Zeitung nicht einfach verschwinden wer- Damals, als man noch mit Herzenslust Qualitätsjournalismus betreiben konnte, war auch Redakteur Lou Grant (Edward Asner) in seinem Element. In der populären amerikanischen TV-Serie Lou Grant aus den siebziger Jahren hat er es mit einer zickigen Verlegerin zu tun, aber es gelingt ihm, die Los Angeles Tribune zu einer der erfolgreichsten Zeitungen der Stadt zu machen. Heute, in Zeiten von Einsparungen, Internet und Private Equity, ist so etwas schwieriger. „In den USA werden Zeitungen kaputtgespart“ den. Aber der Markt der Zeitungen ist in Bewegung. Darauf deuten die jüngsten Übernahmen von Presseverlagen hin, die ungebrochene Karriere des Internet, die steigenden Preise des Rohstoffs Papier und die kaum berechenbaren Nutzungstrends künftiger Generationen. 2007 verlor die nordamerikanische Zeitungsindustrie nicht nur 26 Prozent ihres Aktienwerts, insgesamt elf Milliarden Dollar, auch die Auflage schrumpfte in den vergangenen 15 Jahren um rund 14 Prozent – das sind mehr als acht Millionen Exemplare täglich. Auch wenn immer noch 120 Millionen Amerikaner Zeitung lesen, ist diese Abwärtsspirale kaum zu stoppen. Philip Meyer, Journalismusprofessor an der University of North Carolina, rechnet damit, dass die letzte Papierzeitung spätestens 2040 von der Druckwalze läuft. Das Gros derjenigen Jugendlichen, die Googles Suchalgorithmen blind vertrauen, in Social Networks „gruscheln“ und sich täglich die Probleme von der Seele bloggen, stellt sich die Frage erst gar nicht, ob sie noch Gedrucktes lesen sollen. Auch David Talbot, Gründer des Online-Magazins salon.com, glaubt, dass die Zeit drängt: „Schon jetzt beobachten wir in den USA massive Entlassungswellen, Zeitungen werden kaputtgespart.“ Die Einzigen, die nach Talbots Einschätzung überleben, werden diejenigen sein, „die weiterhin in ihr redaktionelles Produkt investieren und den Übergang in die digitale Ära meistern“. Schon heute nutzt die Hälfte der Westeuropäer und Amerikaner das Internet als Hauptinformationsquelle – und manchmal dabei die Artikel, die auch in der Zeitung erscheinen. In manchen Ländern liegt der Online-Anteil bei bis zu 80 Prozent. Der Qualitätsjournalismus der alteingesessenen Zeitungsdynastien muss sich im Netz aber erst durchsetzen. Allmählich merken die Verlage, welche publizistischen Riesen sich hinter Labels wie Wikipedia, YouTube und Facebook verbergen. Im Internet können sie, anders als im Printgewerbe, keine Vertriebspreise durchsetzen, sondern sie bieten Informa- Kinderschutz 2.0 MySpace will junge Mitglieder vor sexuellen Belästigungen bewahren MySpace, die größte Online-Kontaktplattform der USA, will minderjährige Mitglieder besser vor sexuellen Übergriffen schützen. Die Internetfirma wird dabei von den Generalstaatsanwälten fast aller amerikanischen Bundesstaaten unterstützt. Als erste Maßnahme will MySpace, das zu Rupert Murdochs NewsCorp-Konzern gehört, die Profile unter 18-jähriger Nutzer als „privat“ markieren und so automatisch für die Kontaktaufnahme durch Fremde sperren. Eine „Task Force“ soll neue Software zur Altersprüfung entwickeln, die Kindern unter 14 Jahren den Zugang wirksam blockiert. Für Eltern will MySpace ein E-Mail-Register einrichten, mit dem diese sogenannte Web-2.0-Seiten für ihre Kinder sperren können. Nach etlichen Belästigungsfällen ist MySpace bereits dazu übergegangen, Bilder und Videos zu überprüfen. Profile registrierter Sexualstraftäter wurden gelöscht. Bei der Bekanntgabe der Pläne in New York wurden andere Web-2.0-Firmen dazu aufgerufen, dem Beispiel zu folgen. flex Schöneberger moderiert Barbara Schöneberger wird nach SZInformationen in diesem Jahr den Deutschen Filmpreis moderieren. Die Auszeichnungen werden Ende April in Berlin vergeben. 2007 präsentierte Michael Bully Herbig die Zeremonie. An diesem Freitag startet Schönebeger, 33, mit Hubertus Meyer-Burckhardt auch die Moderation der NDR Talk Show. SZ Verantwortlich: Christopher Keil Foto: Cinetext tionen kostenlos an. Selbst die New York Times und das Wall Street Journal haben ihre frühere Pay-Strategie aufgegeben. Sie setzen jetzt auf maximale Reichweite, für die Werbekunden in Zukunft immer mehr Geld bezahlen sollen. Ein Modell, das den kostenintensiven Qualitätsjournalismus im Netz dauerhaft rentabel macht, wird noch gesucht. Das „Newspaper Endgame“, wie die Unternehmensberatung A.T. Kearney den Verdrängungskampf auf dem Pressemarkt genannt hat, wird sich zuspitzen, keine Frage. Gegenwärtig zermartern sich Zeitungsleute vor allem über zwei Probleme die Hirne: Kann die Presse nach jahrelangen teuren Investitionen in technische Infrastruktur und Redaktion genügend Gewinne erwirtschaften? Wie lässt sich der Qualitätsjournalismus angesichts eines ausfasernden Online-Angebots aus Blogs, Podcasts und IP-TV sinnvoll schützen? Dass das goldene Pressezeitalter vorbei sein könnte, zeigt die getrübte Stimmung unter Zeitungspionieren wie John Carroll, dem ehemaligen Chefredakteur der Los Angeles Times. Er gab im April 2006 in einer Rede vor der American Society of Newspapers Editors zu bedenken, dass nicht nur die US-Blätter schrumpften, sondern auch das Ego ihrer Macher. Es stimme ihn nachdenklich, dass sich Journalisten immer mehr den Zeitungsaktionären verpflichtet fühlten statt ihren Lesern. Tatsächlich setzt die Ökonomisierung der Branche dem Wirken von Edelfedern und Investigativreporten zu enge Grenzen. Auch könnte die leidenschaftliche Bloggerszene irgendwann die Medien-Agenda setzen. Geschah früher gerade soviel, wie in die Zeitung des nächsten Tages passte, wie Karl Valentin spöttelte, so hat das In- ternet das Deutungsmonopol der Presse gesprengt: Zeigten sich Blattmacherqualitäten früher am Gespür für Aufmacher und an treffsicheren Kommentaren, geht es heute um eine 24-stündige Dauerpräsenz der Redaktionsbataillonen im Umgang mit Text, Bild und Ton. Das hat zuweilen manische Züge. Entscheidend ist für Bill Kovach, den ehemaligen Leiter des Washingtoner Büros der New York Times und Autor des Branchen-Bestsellers The Elements of Journalism, dass bei aller Vorliebe der Verleger für die Netzaktivitäten der Journalismus in seinen Grundfesten nicht erschüttert werden darf. Kovach hat deshalb das Committee of Concerned Jour- Das Internet sprengte das Deutungsmonopol der Presse nalists gegründet, ein von der Knight Foundation und der Journalism School der Universität von Missiouri finanziertes Netzwerk aus Reportern, Verlegern, Redakteuren und Akademikern. Das Hauptanliegen ist, den Qualitätsjournalismus am Leben zu erhalten: „Die Konzentration in den Besitzerstrukturen ist eines der Hauptprobleme im Mediengeschäft“, findet Kovach – schließlich bedeute Medienkonzentration immer auch Konzentration von Macht. Laut einer Umfrage glaubt die Mehrheit der amerikanischen Medienschaffenden, dass sich die wirtschaftlichen Zwänge langfristig negativ auf ihren Redaktionsalltag auswirkten. Das wachsende Engagement von Finanzinvestoren und Private-Equity-Firmen alarmiert Journalisten und Verleger, aber auch Intellektuelle wie den Philosophen Jürgen Haber- Süddeutsche Zeitung Nr. 13 / Seite 15 mas, der für die Rettung des seriösen Zeitungswesens gesellschaftliche Alimentierungen nach Art des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorschlägt. Andere wiederum vertrauen auf das Prinzip Selbstverantwortung: Paul Steiger, einst Chefredakteur des Wall Street Journal, hat vergangene Woche die Leitung eines unabhängigen Redaktionsbüros mit dem Namen Pro Publica übernommen. Das gemeinnützige Projekt wird von der Sandler Stiftung und einigen anderen Spendern mit zehn Millionen Dollar jährlich gefördert; es reiht sich damit ein in die Tradition der tatkräftigen Förderung journalistischer Prinzipien, die von Organisationen wie dem Center for Investigative Reporting bereits seit 30 Jahren hochgehalten wird. Diese beschränken sich nicht auf Studien oder Pressemitteilungen, sondern arbeiten selbst journalistisch. Ein 24-köpfiges Team aus Topreportern und investigativen Rechercheuren werde, so Steiger, in den kommenden Wochen von Manhattan aus damit beginnen, „für Print- und Online-Medien, wahrscheinlich auch für den Rundfunk zu produzieren“. Noch lebt die klassische Tageszeitung als journalistische Qualitätsinstanz. Doch wird sie in 20 Jahren vielleicht wirklich so etwas wie das Totem Newspaper à la Tom Wolfe sein? Die Zeitungen suchen nach angemessenen Inhalten, mit denen sie sich gegen den Express-Journalismus im Netz und im Fernsehen behaupten. Und alle lauern auf das nächste große Ding im Netz, mit dem sich Geld verdienen lässt. LEIF KRAMP STEPHAN WEICHERT @ Informationen und die Interviews in den nächsten Wochen unter www.sueddeutsche.de/zeitenwechsel Ein spannender Film über Kreditverkäufe und ihre Folgen „Das Menschliche zählt gar nicht mehr“, sagt Michael Beck resigniert. Gerade hat er seine Immobilie, ein aufwendig hergerichtetes Hotel in Mecklenburg, per Zwangsversteigerung beim Amtsgericht verloren. Er steht jetzt vor dem Nichts und ist verzweifelt: „Die Nerven liegen blank“, meint er und geht zusammen mit seinem Anwalt weg. Beck ist einer von mehreren Betroffenen, die in der ARD-Dokumentation Und plötzlich ist das Haus weg zu Wort kommen. Es geht um ein brisantes Thema: dubiose Kreditverkäufe an Finanzinvestoren und eine Gesetzeslücke mit verheerender Wirkung. Banken und Sparkassen sind in den vergangenen Jahren verstärkt dazu übergegangen, sich von Kreditengagements zu trennen und diese an Finanzinvestoren zu verkaufen – weit unter dem nominalen Wert der Kredite. Dabei geht es in erster Linie um faule Kredite, also um solche, bei denen die Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr zahlen oder auf andere Weise in Schwierigkeiten geraten sind. Der Vorteil: Die Banken erhalten schnell Geld und sind die Probleme los. In den vergangenen zwei bis drei Jahren haben so Kredite in Höhe von mehreren Milliarden Euro den Besitzer gewechselt. Besonders aktiv ist dabei die Finanzfirma Lone Star. Die Bankinstitute schnüren dabei meist Pakete von vielen hundert Krediten, die dann weitergereicht werden. Damit diese attraktiver sind, werden auch normale Verbindlichkeiten „beigemischt“, wie es heißt. Auf diese Weise ge- raten auch normale Kunden, die nicht in Zahlungsverzug sind, in die Hände der Finanzinvestoren. Diese versuchen nun, wie die Dokumentation darstellt, die Kredite unter fadenscheinigen Gründen zu kündigen und die Immobilien, die als Sicherheit dienen, zu verwerten. Die Kunden sind weitgehend machtlos. Der Film von Christian Jentzsch ist gut recherchiert, bietet viele interessante Hintergründe und kommt ohne Polemik aus. Dabei sind die Einzelfälle durchaus schockierend. Eine Kundin der Stadtsparkasse Wedel etwa hat eine Wohnung für ihre Mutter gekauft, wurde arbeitslos und traf mit dem Institut eine Sondervereinbarung zur Tilgung. Ihr Kredit wurde verkauft, der neue Eigentümer drängte auf eine Veräußerung der Wohnung. Die Mutter beging aus Verzweiflung Selbstmord, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Dokumentation stellt das komplizierte Thema sachlich dar. Die Betroffenen, aber auch Politiker und Anwälte oder ein Vertreter von Lone Star, kommen ausführlich zu Wort. Genau beleuchtet wird die Rolle der Sparkassen. Durchaus neu ist, dass sogar ein Vertreter des Sparkassenverbandes DSGV das Vorgehen der eigenen Institute kritisiert. Inzwischen gibt es eine Gesetzesinitiative gegen unlautere Praktiken von Kreditkäufern. Eigentlich hätte dieser Film einen früheren Sendetermin verdient. CASPAR BUSSE Und plötzlich ist das Haus weg, ARD, 23.30 Uhr. Mädchen im Grünen Festgehalten: Christian Petzolds „Gespenster“ auf Arte Manche Filme sind Erlebnisse. Gespenster, herausragender cineastischer Film von Christian Petzold (Yella) aus dem Jahr 2005, hält den Zuschauer von den ersten Augenblicken an fest und zieht ihn ins Wahrnehmen hinein. Ins gebannte Wahrnehmen einer kulturell verdichteten und doch alltäglichen Wirklichkeit: Ein Mädchen steht schauend in einem grünen Park. Nina (Julia Hummer) hat ein weich unbestimmtes Gesicht, eine leicht verschobene Körperhaltung und eine der orangeleuchtenden Jacken von der Stadtreinigung an. Schöne, exakte, Filmgeschichte in Erinnerung rufende Bilder, Hartz IV Deutschland. Nina macht im Berliner Tiergarten den Rasen sauber und beobachtet dabei, wie ein anderes Mädchen (Sabine Timoteo) Ärger mit zwei Typen bekommt. Eine nächste Szene zeigt eine Autofahrt durch Berlin, im Wagen ein französisches Paar im Dialog, der Mann schaltet – darüber spielt Bachs Arie „Bäche von gesalzenen Zähren“. Gespenster ist ein Film, der sich kaum über die Story zusammenfassen lässt. In den Worten des Regisseurs : „Dieses ’Ineiner-Blase-Leben’, der Versuch, Kontakt mit etwas zu bekommen, was man Leben nennt, darum geht es in dem Film.“ Er ist auch ein Dokument präziser filmischer Gestaltung. Über die Arbeit mit seinem Kameramann Hans Fromm berichtete Petzold: „Für Gespenster habe ich mit Hans die Schauplätze schon vor anderthalb Jahren fotografiert. Wir haben Spaziergänge gemacht und uns überlegt, wie man die Orte filmen kann.“ Vom Set aus sei er dann jeden dritten Tag in den Schneideraum gegangen, um den Darstellern seine Eindrücke vom Schnitt zu berichten. Um dadurch mit ihnen „wirklich filmisch zu erzählen“ und nicht zu psychologisieren. Zur Identifikation laden die so entstandenen Figuren wenig ein. Sie ermöglichen etwas viel Besseres. Der Kritiker Georg Seeßlen beschrieb das so: „Ein Mensch ist immer ein anderer. Einer, von dem ich dies oder jenes wahrnehmen oder wissen kann, den ich deswegen noch lange nicht verstanden oder erklärt haben kann. Ein anderer Mensch ist etwas, was ich weder haben noch sein kann. Und so filmt Petzold seine Menschen. Nicht als ’Ich’ und nicht als ’Sie’, sondern als ’Du’.“ EVA MARZ Gespenster, Arte, 22.45 Uhr. Leben in der Blase: Toni (Sabine Timoteo, li.), Nina (Julia Hummer). Foto: Arte Knoten im CDU-Netzwerk Entlassen oder versetzen Start des Ruzicka-Prozesses: Es geht auch um eine Werbeagentur, die Wahlkämpfe betreut hat Wie Sloweniens Regierung Journalisten unter Druck setzt Den Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden, in dem es seit diesem Dienstag um fragwürdige Praktiken in der Werbebranche geht, will Ralf Tippelt nach eigenen Worten „unaufgeregt“ verfolgen. Tippelt leitet die Agentur Wunschkind, für die das Verfahren ein böses Ende nehmen könnte, auch wenn dieser Name in den Justizakten nirgendwo auftaucht. Bis vor zwei Monaten hieß die Werbefirma nämlich noch Zoffel Steiger Gruppe, und davor Zoffel Hoff Partner (ZHP). Und die ZHP wiederum kommt an vielen Stellen der 164 Seiten dicken Anklageschrift vor. Auch wird gegen den ehemaligen Agenturchef und Mitinhaber Reinhard Zoffel wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt. Zoffel soll daran mitgewirkt haben, dass der einstige Medienmanager Aleksander Ruzicka mit Kompagnons beim Werbekonzern Aegis Media mehr als 50 Millionen Euro veruntreuen konnte. Ruzicka und ein weiterer ehemaliger Geschäftsführer von Aegis Media sitzen nun bei der sechsten Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden auf der Anklagebank. Sie sollen beim Handel mit Fernsehspots über ein Netzwerk von Tarnfirmen kräftig in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben. Ruzicka bestreitet das. Er war bis zu seiner Verhaftung im Oktober 2006 eine zentrale Figur im Geschäft mit Spots und Anzeigen, und Aegis Media zählt zu den führenden Unternehmen in dieser Branche. In Deutschland vermittelt der Konzern für mehr als drei Milliarden Euro im Jahr Werbeaufträge aus Industrie und Wirtschaft an die Presse und das Fernsehen. Der Prozessauftakt war we- nig spektakulär. Staatsanwalt Wolf Jördens verlas die Anklageschrift, in der 83 Fälle von Untreue aufgelistet sind. Die Vorwürfe sind seit langem bekannt. Die weiteren 16 Verhandlungstage, die bis Ende März angesetzt sind, könnten aber spannend werden. Sichtbar geworden ist schließlich auch ein politisches Netzwerk, das zur ZHP führt. Von den laut Staatsanwaltschaft durch Ruzicka und Kompagnons bei Aegis Media beiseite geschafften mehr als 50 Millionen Euro sollen 9,1 Millionen Euro durch die Kassen der ZHP geflossen sein, über fingierte Geschäfte in den Jahren 2002 bis 2006. Zoffel entgegnet, man habe keine krummen Geschäfte gemacht. Die ZHP war der CDU eng verbunden, nicht nur wegen Zoffels Partner Volker Hoff, Ein Blick nach oben: Aleksander Ruzicka im Gerichtssaal. Foto: dpa langjähriger CDU-Landtagsabgeordneter in Hessen und dort inzwischen Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei von Regierungschef Roland Koch. In einer Biographie über Koch wird die ZHP als „Knoten des CDU-Netzwerkes“ beschrieben. Die Agentur rühmte sich, der CDU und der konservativen Österreichischen Volkspartei bei der „Konzeptionierung von mehreren hundert Wahlkämpfen“ geholfen zu haben. Hoff war bei der ZHP nach eigenen Angaben unter anderem für die „Betreuung von politischen Kunden“ zuständig, Zoffel agierte früher als Landesgeschäftsführer der CDU in Hessen. Doch der Knoten im CDU-Netzwerk ist inzwischen geplatzt. Hoffs Aufstieg im März 2006 zum Minister war mit dem Ausstieg aus der ZHP verbunden, an seine Stelle rückte Wolfgang Steiger, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter. Aus der ZHP wurde die Zoffel Steiger Gruppe, und vor zwei Monaten schließlich die Agentur Wunschkind mit Geschäftsführer Tippelt. Zoffel verabschiedete sich wegen der Finanzaffäre und machte, so Tippelt, den Weg frei für einen Neuanfang – allerdings ohne den Kunden CDU. Tippelt räumt ein, Wunschkind habe derzeit „keinen Auftrag von der CDU“, auch nicht im hessischen Landtagswahlkampf. Die Union macht offenbar einen Bogen um die Agentur. Ärger droht Wunschkind noch von Aegis Media. Der Werbekonzern prüft Schadensersatzansprüche gegen das Nachfolgeunternehmen der ZHP. Einen Briefwechsel gibt es bereits, wie Tippelt bestätigt. KLAUS OTT Eigentlich leben die Slowenen in einer Demokratie. Die Verfassung des EU-Mitgliedslandes garantiert die Meinungsfreiheit und die Bürgerrechte. Der kleine Staat zwischen Alpen und Adria, der seit zwei Wochen den EU-Vorsitz führt, wird als Musterschüler Osteuropas gelobt. Doch der Schein trügt. „Es ist etwas faul im Staate Slowenien“, sagt der Journalist Blaz Zgaga. Die Pressefreiheit stehe auf dem Spiel. Seit die Mitte-Rechts-Regierung von Premier Janez Jansa (Spitzname „slowenischer Putin“) vor vier Jahren mit dem Anspruch angetreten ist, das Land unter konservativen Vorzeichen zu erneuern, steigt der Druck auf die Medien. „Regierungskritische Artikel werden nicht mehr veröffentlicht oder von leitenden Redaktoren ohne Erlaubnis der Autoren verändert. Investigativer Journalismus ist nicht mehr möglich“, so Zgaga von der Zeitung Vecer („Abend“). Der 34-Jährige gilt als einer der bestinformierten Journalisten Sloweniens. Er hat in der Vergangenheit über mehrere Geheimdienstaffären und Skandale berichtet, die Regierungschef Jansa in Verruf brachten. Vor den Wahlen im Herbst 2004 soll Jansa als Oppositionsführer in Absprache mit dem kroatischen Regierungschef Ivo Sanader Grenzzwischenfälle in der Bucht von Piran inszeniert haben. Danach konnte sich Jansa als Patriot aufspielen, der für die Interessen seines Volkes kämpfe. Die Gespräche der beiden Politiker hatte der slowenische Auslandsgeheimdienst abgehört. Darüber dürfen Zgaga und seine Kollegen aber nicht mehr berichten. Kaum an die Macht gekommen, habe Jansa eine informelle und einflussreiche Entscheidungs- pyramide in den Medienhäusern aufgebaut, sagt Zgaga. In der amtlichen Nachrichtenagentur STA wurde im vergangenen Frühling beispielsweise die Pressesprecherin Jansas als neue Direktorin eingesetzt, die für eine regierungsfreundliche Berichterstattung sorgt. Aus Protest gegen die Zensur haben mehrere Journalisten die Agentur verlassen. Noch dramatischer wendete sich das Blatt bei der Tageszeitung Delo („Arbeit“). Wichtigster Aktionär der Zeitung ist die Brauerei Lasko, die dank guter Verbindungen zu Jansa auch die Staatsanteile der größten slowenischen Handelskette kaufen konnte. Als Gegenleistung habe die Brauerei der Regierung die Kontrolle der Zeitung überlassen, lautet der Vorwurf. In den vergangenen Monaten wurden Dutzende regierungskritische Delo-Journalisten entlassen oder versetzt. Gleichzeitig stornierten staatlich kontrollierte Firmen ihre Anzeigen. Mehrere Zeitungen verloren an Auflage und kämpfen jetzt ums Überleben. Im Herbst unterzeichneten 571 Journalisten eine Petition gegen die Einschränkung der Medienfreiheit. Jansa sprach höhnisch von einer „Kampagne linker Kreise“. Inzwischen bestätigt selbst Jansas langjährige Vertraute Andrijana Starina Kosem die Eingriffe der Regierung. Die frühere Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium wurde Vorsitzende des Aufsichtsrates bei Delo und sollte die Zeitung kontrollieren. Kaum im Amt überwarf sie sich mit dem Regierungschef, deckte die Einflussversuche Jansas in einem öffentlichen Brief auf. Nun darf Delo vorsichtig die Regierung kritisieren. ENVER ROBELLI