Amalfi - The Westin Grand Frankfurt
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Amalfi - The Westin Grand Frankfurt
Ö s t e r r e i ch € 10 , 3 0 · S ch w e i z s f r 18 , 9 0 H e ft 5 M a i 2 016 D e u t s ch l a n d € 9 , 9 5 Italiens Küste für Romantiker: Amalfi Nerano, Positano, Praiano, Vietri: Traumziele mit Meerblick, göttlicher Pasta und fangfrischem Fisch Alle Hotels & Restaurants getestet und bewertet LUXUS-GRILLS Die neuen Boliden RHEINHESSEN Das deutsche Weinwunder 20 HOTELS FÜR 100 € Tipps von Hamburg bis München EXTRA: Praktischer Info-Guide zum Herausnehmen! Mit allen Adressen für Ihre Reise Knackfrisch! Jetzt schmeckt er am besten: Rhabarber ÜBERRASCHUNGSMENÜ HERR SAKAMOTO Klar, man kann im Frankfurter „Sushimoto“ à la carte essen. Wir raten aber dringend, in diesem erstklassigen japanischen Restaurant die Menüfolge dem Chef zu überlassen. Er belohnt das Vertrauen mit ungeahnten Köstlichkeiten TEXT: CHRISTOPH WIRTZ, FOTOS: MARKUS BASSLER Seit 1988 steht Mitsunori Sakamoto, stets mit Krawatte unter der weißen Jacke, am Tresen seines Restaurants „Sushimoto“ in Frankfurt am Main 38 D ER F EINSCHMECKER 5/2016 UND DAS GLÜCK K leines Gedankenspiel: Ein Samstagabend beim Lieblingsitaliener, bekannt und berühmt für seine cucina casalinga, seine unverfälschte italianità, seinen Produktpurismus. Paolo zückt erwartungsvoll den Notizblock und nimmt den Gästewunsch entgegen: Pizza Avocado mit extra Scharf, ordentlich Knoblauch und Gouda. Und natürlich, vertrautes Augenzwinkern, das BalsamicoFläschchen zum Nachwürzen … Mitsunori Sakamoto ist kein Italiener. Er ist Japaner. In Japan kennt man das Sprichwort „Der Kunde ist König“ nicht. Dort lautet das geflügelte Wort: „Der Kunde ist Gott.“ Einen König kann man vom Thron stoßen und auf die Guillotine zerren, Gott dagegen ist unantastbar. Also reicht Sakamoto-san auf Wunsch absurde Mengen Extra-Wasabi über seinen Sushi-Tresen, lässt Assistenten stoisch California Maki rollen und verfolgt ausdruckslos, wie seine luftig-zarten, perfekt temperierten, punktgenau gereiften Reiskunstwerke in schwarzen Sojasaucentümpeln zerfallen, um anschließend mit enormen Bergen süß-scharfem Ingwer verschlungen zu werden. Gott irrt schließlich nie. Es ist nicht lange her, gerade mal knapp 30 Jahre, da lag dem durchschnittlichen Deutschen der Verzehr rohen Fisches etwa so nah wie das Verlangen nach geschmortem Meerschweinchen, schien die Vorstellung rotierender Sushi-Laufbänder in deutschen Bahnhofshallen so absurd wie die Idee einer ostdeutschen Pfarrerstochter im Bundeskanzleramt. Den Unterschied zwischen unagi Seit dem ersten Tag pilgern Exil-Japaner für ein Abendessen im „Sushimoto“ quer durch die Republik an den Main – etwa für gyoza, hauchdünne, knusprige Teigtaschen mit pikanter Füllung 40 D ER F EINSCHMECKER 5/2016 und anago konnten damals bestenfalls einige besonders polyglotte Bewohner der Tokioter Exklave Düsseldorf benennen, der Rest der Republik hielt Sushi für eine Wintersportart. Als Mitsunori Sakamoto im Jahr 1988 sein Restaurant in der Passage des Frankfurter „Arabella“-Hotels eröffnete, pilgerten vom ersten Tag an ExilJapaner quer durch die Republik, einzig und allein für ein Abendessen im „Sushimoto“. Und vielleicht einen Haarschnitt beim japanischen Friseur. Das Besondere: Bis heute unterbrechen nicht wenige japanische Geschäftsleute und Touristengruppen ihre Europareisen regelmäßig für ein Abendessen am Main. Will man verstehen, warum, hilft ein Zauberwort: „Omakase!“ Ein einziges Wort dient als Schlüssel zu einer verborgenen Welt – eine viersilbige Beschwörungsformel als Bannfluch gegen all die liebevoll gepflegten kulinarischen Vorlieben und Abneigungen, all die irrationalen Überempfindlichkeiten und unreflektierten Leidenschaften, die den oberflächlichen Esser vom wahren Feinschmecker unterscheiden. „Omakase“ bedeutet: „Ich überlasse es Ihnen!“ So geht das Abenteuer seinen Gang: Reservieren Sie einen der zehn Plätze am Sushi-Counter, erscheinen Sie pünktlich, bestellen Sie ein japanisches Bier, Asahi oder Kirin, oder einen guten Sake, das passt besser zum Folgenden als Weißwein mit seiner Säure, seiner Süße. Nehmen Sie die Speisenkarte entgegen, legen Sie sie ungeöffnet vor sich, und suchen Sie Blickkontakt zu Meister Sakamoto. Der steht in seiner weißen Kochjacke, darunter Hemd und Krawatte, in gebeugter Haltung hoch konzentriert hinter dem Tresen und zerlegt irgendetwas mit chirurgischer Präzision. Haben Sie seine Aufmerksamkeit erlangt, lächeln Sie und sprechen mit leichter Verbeugung das Zauberwort: „Omakase!“ Er wird Sie für den Bruchteil einer Hundertstelsekunde prüfend betrachten, knapp nicken und dann bestätigen: „Omakase? Hai!“ Vermutlich gefolgt von der Frage: „Bisschen Vorspeise? Bisschen Sushi?“ Nun nicken wiederum Sie. Lehnen Sie sich zurück – ab sofort läuft die Sache. Zunächst kommt vielleicht ein kleines Schälchen mit zwei Scheibchen vom Rochenflügel – süßlich, tiefgründig, die knorpeligen Gräten knusprig zart vom stundenlangen Schmoren in Reiswein. Es folgt ein Tatar von der Holzmakrele mit Miso, einem Rochenflügel? Holzmakrele? Seeigel-Zungen? Meister Mitsunori Sakamoto erklärt geduldig die Bestandteile und Feinheiten seiner Gerichte. In einer Schale hat er feinste Sashimi angerichtet Was Herr Sakamoto im Laufe des Abends serviert, ist das Ergebnis lebenslanger Erfahrung, großer Leidenschaft und höchster Präzision – Vergleichbares gibt es in ganz Europa nur an sehr wenigen Orten Hauch Ingwer und Frühlingslauch, ein leuchtendes Blatt JapanBasilikum: frisch und klar wie ein Bergquell im Frühling! Sodann Dorade samt ihrer Milch auf Seetang mit Sake und einer zartscharfen Würzsauce aus Zitrussaft, Daikonrettich und Chili; hauchzarte gyoza-Teigtaschen, auf einer Seite knusprig karamellisiert und gefüllt mit nichts als feinsten Spitzkohlfäden und geröstetem Fett vom japanischen Wagyu-Rind; dann Sashimi – Seeigelzungen, Abalone, Seeteufelleber, Samtmuscheln; eine Scheibe - ryori, - der Küche der Kyoter gratinierte Aubergine aus der shojin Tempelmönche; ika natto, erdig-nussige fermentierte Sojabohnen, mit schneeweißen Tintenfischstreifchen, die Herr Sakamoto mit seinen unbezahlbaren, unterarmlangen Messern so präzise enthäutet und ritzt, dass sie im Mund zergehen wie Butterkaramell. Sollte der Meister an dieser Stelle kurz von seiner Arbeit aufschauen und fragen: „Sake?“, sagen Sie bloß nicht Nein! Er wird einen Eiskühler aufstellen, irgendeine geheimnisvoll beschriftete Flasche aus einem Zedernholzkästchen hervorzaubern oder aus Seidenpapier wickeln und mit Ihnen anstoßen. Dann öffnet er den Reistopf … Ursprünglich war Sushi nicht viel mehr als ein schlichter Imbiss, mehr die Resteverwertung für Reis, in dem Fisch fermentiert worden war, als eine Delikatesse. Nirgendwo zeigt sich jedoch so schön wie bei Sushi, wohin jahrhundertelanges Streben nach Verfeinerung und Perfektion auch bei einfachsten Produkten führen kann. Was Mitsunori Sakamoto im Verlauf eines Abends auf das kleine Holzbrett vor seinen Gast legt, Stück für Stück nacheinander, durchstrukturiert wie eine Sinfonie, ist das Ergebnis lebenslanger Erfahrung, großer Leidenschaft und höchster Präzision. Es beginnt mit einem Paukenschlag: o-toro, fetter Bauchlappen vom Thunfisch, seidig, glänzend, von buttriger Zartheit und tiefem, mineralischem Aroma. Es folgen knackige hirame (Flunder), sanft-rauchiger hamachi (Gelbschwanzmakrele), süßlich-würzig gegrillter unagi (Aal), nussiger ikura (Lachsrogen), Seetangröllchen mit gehacktem Thunfisch und fermentiertem Rettich … Zarte Miniaturen aus handwarmem Reis mit kühlem Fisch von makelloser Frische, gewürzt mit jeweils der exakt richtigen Dosis Wasabi und allenfalls einem Tropfen Sojasauce. Vergleichbares gibt es in ganz Europa nur an sehr wenigen Orten. Am Ende sitzt man ermattet und erleuchtet am Tresen, leicht betrunken und unendlich zufrieden, nimmt noch einen Schluck vom grünen Tee, eine letzte Gabel von der köstlichen Kaki mit Brandy – ein kleines kubistisches Kunstwerk auf einem schlichten Keramiktellerchen. Dann bestellt man zögernd die Rechnung … „Omakase“ gilt in Japan nicht grundlos als ähnlich risikoreiches Vergnügen wie der Genuss des toxischen Kugelfischs. „Wo Annehmlichkeiten sind, da herrscht auch Schmerz“, lautet die zugehörige Wahrheit. Doch keine Sorge: Sakamoto-san ist großzügig zu denen, die ihm vertrauen. Mehr als durch Geld belohnen Sie r ihn ohnehin durch Offenheit und Wertschätzung. Adressen, Karten und Bewertungen zum Herausnehmen auf Seite 50 5/2016 D ER F EINSCHMECKER 41