Zum Magazin - Mercedes-Benz

Transcrição

Zum Magazin - Mercedes-Benz
o r i g i n a l i t ä t Inspirierende Frauen
verraten, was sie beflügelt
t i e f g a n g Eine Meeresbiologin
im Einsatz für
die Unterwasserwelt
She’s Mercedes
1 • 2 016
Z u k u n f t s v i s i o n So verändern Fußball
spielende Mädchen
Kenias Gesellschaft
g
n
i
z
Ama ace
gr
Powerfrau Grace Capristo: wie sich die Sängerin neu erfand
mercedes.me/she
4
erin b enzakein
20
fe derica siena
Die 36-Jährige Blumenfarmerin und fünf
weitere Frauen geben Antwor t
auf die Frage: Was inspirier t Sie? Und
wie kommen Sie zur Ruhe?
Abgetaucht: Die italienische
Meeresbiologin schützt die Unter wasserwelt der Malediven und die
unbeschreibliche Schönheit der Rif fs.
12
Liebe Leserin,
grace capristo
unterschiedlichen Lebenswegen, Zielen und Träumen.
Neues Album, neuer Look und
endlich ganz bei sich.
Ein Tag in London mit dem
ehemaligen Girl-Group-Star
Ob Forscherin mit Gespür für Mensch und Maschine, Popstar auf
dem Weg zu neuem Ruhm oder Künstlerin mit einem
Faible für Streetstyle, eines verbindet sie alle: Sie folgen ihren
Interessen, ihren Vorlieben und Stärken. Das macht
sie einzigartig, erfolgreich und zu motivierenden Vorbildern.
Auf diese Weise gestalten sie Zukunft und
verkörpern aufs Beste eine Idee: She’s Mercedes!
foto Cover Christian Borth fotos inhaltsverzeichnis Anne Ackermann, Joachim Baldauf, Christian Borth, Daimler AG, Hadley Hudson, Erik a Schultz
diese Ausgabe von She’s Mercedes erzählt von Frauen mit sehr
24
44
b eaut y st ar
rachel muthoga
Schön schlau: Die neue E-Klasse
von Mercedes-Benz denkt
mit, sorgt vor und besticht mit
sinnlicher Ausstrahlung.
Unabhängig durch Spor t: Die Anwältin
verhilf t mit dem Laureus-Projekt
„Moving the Goalposts“ Mädchen aus
Kenia zu neuen Perspektiven.
38
b eatrix ost
Malerin, Schrif tstellerin, Stil-Ikone:
Die Grande Dame der
New Yorker Kunstszene verrät, was
ihr im Leben wichtig ist.
32
vera schmidt
Im Inter view: die Designerin über
Mobilitätskonzepte von übermorgen
more
Standards
10 A c c e s s o i r e s
Unter f reiem Himmel
36 Lifestyle - Konfigurator
Mehr ich wagen
4 2 E s s a y Rasender Stillst and
43 Impressum
50 Women behind Mercedes
Daniela Snyder s
Bestens vernetzt
www
Noch mehr Fotos, Videos und B
­ eiträge
finden Sie unter mercedes.me/she,
die Icons im Magazin weisen daraufhin. Ganz
neu ist die She’s Mercedes Lounge: eine
exklusive Community für engagier te Frauen.
Sie sind interessier t, teil eines starken und
ver trauensvollen Netwerks zu werden?
Dann registrieren Sie sich unter
lounge.mercedes.me/she
unique
was
inspiriert
sie?
sabine engelhardt
Innovationsforscherin
Zusammen mit Parfümeuren entwickelt die 49-Jährige für die Daimler AG Duftkonzepte für Mercedes-Fahrzeuge.
Parallel analysiert sie gesellschaftliche Trends. Ihr neuestes Projekt: Kultur und Auto aus weiblicher Sicht
„Als ich noch in Berlin zu Hause war, musste ich mich bloß aufs Rad setzen, um die verrücktesten Dinge zu sehen.
Heute habe ich andere Inspirationsquellen: Sie entstehen in der Spannung zwischen dem Landleben auf der Zollernalb
und dem Arbeitsleben im Daimler Forschungszentrum. Manchmal gibt es sehr enge Verbindungen zwischen
beiden Bereichen. Ich kann sie nicht gut trennen und will es auch nicht. Das klingt zwar anstrengend – aber ich
bin halt einfach kein entspannter Typ. Wenn es bei mir so etwas wie einen Yoga-Moment gibt, dann beim morgendlichen
Wandern mit meinen Ponys. Die Gedanken wandern mit, Worte tauchen auf. Worte sind für mich sehr wichtig:
Abends stricke ich oft auf dem Sofa, nebenher läuft ein Hörspiel, oder wir sehen uns einen Film im Heimkino an,
immer O-Ton. Da bleibe ich bei einzelnen Sätzen hängen. In meinem Kopf lösen sie Bilder und Stimmungen aus.
Ich sammle diese Worte, notiere sie: Mit der Zeit werden sie zur Inspiration. Und irgendwann ist da dann eine Idee.“
4
Foto Nada Lot termann & Vanessa Fuentes Haare & Make-up Sar ah R abel
und wie
kommen sie
zur ruhe?
Die richtige Idee im richtigen
Moment – darauf hof fen
alle. Aber woher nehmen? Wir
haben sechs inspirierende
Frauen gefrag t. Hier sprechen
sie über kreative Höhenflüge
und verraten, wie sie anschlie ßend wieder runterkommen.
interviews Marija Latkovic
5
unique
Anna frebel
Astrophysikerin
Mit Mitte zwanzig entdeckte sie den ältesten bekannten Stern im Universum. Nach Stationen in Canberra und Austin
arbeitet die 36 -Jährige als Professorin am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT).
„Schon als Kind habe ich abends immer in den Himmel geschaut und mich gefragt, was uns die Sterne
über das Universum erzählen. Damals in Göttingen mochte ich Orion. Heute fasziniert mich vor allem der
Nachthimmel über Chile: pechschwarz und vollkommen klar. Wenn ich dort arbeite und mein Teleskop
während langer Belichtungszeiten alleine lassen kann, gehe ich oft ins Freie. Wenn ich dann die Milchstraße
sehe, fühle ich mich klein und gleichzeitig mit dem Universum verbunden. Mein irdisches Gegengewicht
dazu ist mein Sohn. Er ist eineinhalb. Als alleinerziehende Mutter habe ich nur kurze oder gar keine
Ruhephasen. Aber wenn wir Verstecken spielen oder ich ihm vorlese, holt mich das auf die Erde zurück.“
erin benzakein
Blumenfarmerin
6
Foto martin Adolfsson
„Für mich gibt es nichts Schöneres als den Wechsel der Jahreszeiten – eine Aufforderung, im Hier und Jetzt zu leben
und das zu schätzen, was ich gerade habe. Im Sommer, wenn zum Beispiel die Wicken blühen, dekoriere ich deshalb das
ganze Haus damit und schicke Sträuße an alle meine Freunde. Die Natur ist für mich nicht nur Inspiration, sondern
auch meine persönliche Kraftquelle. Nach großen Veranstaltungen versuche ich, raus in die Wälder zu fahren oder ans
Meer, wenigstens für ein paar Stunden. Ansonsten tue ich mich mit Me-Time schwer. Das einzige, was ich mir regel­-­
mäßig gönne, sind Akupunktur-Sitzungen. Das ist nicht nur gut fürs Immunsystem, sondern hilft auch, Stress abzubauen,
und stärkt die Ausdauer. Davon braucht man bei der Arbeit auf den Blumenfeldern nämlich eine ganze Menge.“
Foto erik a Schultz
In Gedenken an ihre Urgroßmutter steckte die heute 36 -Jährige einst ein paar Blumenzwiebeln in die Erde. Inzwischen züchtet
sie bei Seattle über 260 Sorten – nachhaltig. Die Spezialität ihres Blumenstudios „Floret Flowers“ sind Hochzeitssträuße.
77
unique
Luise vindahl
Ernährungstherapeutin und Food-Bloggerin
Zusammen mit ihrem Mann David Frankiel betreibt die 31-Jährige in Stockholm
einen der beliebtesten Foodblogs weltweit: „Green Kitchen Stories“ stellt vegetarische
Rezepte für die ganze Familie vor, die inzwischen auch als Bücher erhältlich sind.
„Frische Produkte, Kochbücher, Restaurants – damit beschäftige ich mich gern
ausgiebig. Am meisten lerne ich beim Thema Essen aber von meinen Kindern. Elsa ist
sechs Jahre alt und Isac fast zwei. Vor allem meine Tochter stellt viele Fragen.
Dadurch ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, dass jeder die Chance bekommt,
sich vollwertig zu ernähren. Darum entwickle ich keine Rezepte für
Gesundheitsfanatiker, sondern für normale Menschen. Nebenbei veranstalte ich Workshops. Beides zusammen fordert mich manchmal ganz schön, ich bin sowieso eher
stressanfällig. Zum Ausgleich treibe ich Sport und gehe zum Yoga. Außerdem
nehme ich abends mit den Kindern ein entspannendes Magnesiumbad. Und vor dem
­Einschlafen übe ich noch Tiefenatmung, um die innere Anspannung zu lösen.“
www
Atsuko kudo
Modedesignerin
Ideenquellen
Beyoncé, Lady Gaga und Madonna sind nur einige
der prominentesten Kundinnen, die die LatexCouture -Kreationen aus London tragen. Eines der
außergewöhnlichsten Projekte von Kudo: ein
Mercedes-Benz SL, den sie für die Modekampagne
der Stuttgarter Automarke in Latex hüllte.
88 8
olga Scheps
Klassische Pianistin
Foto noori
Im Alter von vier Jahren entdeckte die gebürtige Russin ihre Liebe zum Klavier. Inzwischen wird sie als Shootingstar gefeiert.
Die 30 -Jährige, die in der Vergangenheit mit Dirigenten wie Lorin Maazel arbeitete, gilt als virtuose Chopin-Interpretin.
FotoS carol Sachs, Ida Borg
„Frauen in meinen Kleidern zu sehen, ist für
mich unglaublich. Wenn der Schnitt stimmt,
funktioniert Latex wie Shapewear – er bringt
die Figur perfekt zur Geltung und verleiht vielen
Frauen eine Extra-Portion Selbstbewusstsein.
Dass ich durch meine Arbeit dazu beitrage,
empfinde ich als großes Glück. Der Weg dorthin
ist aber lang. Jeder Entwurf wird individuell von
Hand gefertigt, was viel Zeit kostet. Ich bin froh,
wenn ich genug Schlaf bekomme. Weil ich bei
der Arbeit von Farben und Formen umgeben bin,
ist mein Schlafzimmer in Weiß gehalten. Und
ich schwöre auf Lavendel, allerdings nur den
echten – das beste Mittel, um mit einem klaren
Kopf aufzu­wachen. Es sei denn, ich habe vor
dem Ein­schlafen zu lange über dem Smartphone
gesessen. Das sollte ich wirklich sein lassen.“
Ob Bücher, Begegnungen oder Musik –
in der Serie „5 Levels of Inspiration“
erzählen kreative Frauen, was sie
anregt und auf gute Gedanken bringt.
mbmag.me/kreativnetzwerk
„Natürlich inspiriert mich vor allem die Musik, sie begleitet mich ja schon mein ganzes Leben. Am Klavier kann ich
meine Gefühle ausdrücken, die Gedanken ordnen – und ich fühle mich frei, wie überhaupt in meinem Beruf. Ich entscheide
selbst, was ich spiele und wie ich die Musik interpretiere. Die Möglichkeit, mich in eine Richtung zu entwickeln,
die ich mir selbst ausgesucht habe, und die Chance, mich dabei als Künstlerin und Frau zu verwirklichen – das gibt mir
extrem viel. Klar, diese ­Freiheit hat ihren Preis: Das halbe Jahr bin ich unterwegs, zu Hause in Köln muss ich dann
viel üben und neue Stücke vorbereiten. Wenn ich einmal nicht am Klavier sitze, gibt es für mich nichts Entspannenderes
als zu kochen. Von meinen Reisen bringe ich mir oft Gewürze und Rezepte mit. Aber viele der Gerichte, die ich
koche, sind auch russisch inspiriert, so wie ich sie aus meiner Familie kenne.“
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Beautiful
unter freiem
himmel
m u s t e r g ü lt i g a u s g e s tat t e t
Die richtigen Accessoires machen aus jedem Sommerpicknick ein Open-AirEvent. Auf der gestreiften Tweedmill-Decke mit ledernen Trag­r iemen
und wasserfester Rückseite findet der Inhalt des Picknick-Etuis von R.Horns
bequem Platz: Besteck, Servietten, Ahornholz-Brettchen und Korkenzieher. Der Rest lässt sich mühelos in der Frottee-Strandtasche „Giacomo“
von Missoni Home verstauen. Decke über amara.com,
Lederetui über shop.neuegalerie.org, Tasche über
thecushionshop.com
Wenn die Tage länger und die
Nächte wärmer werden, zieht
es jede und jeden hinaus. Mit
dem SLC hat Mercedes - Benz
das passende Auto parat. Was
man als Open -Air- Fan sonst
noch braucht? Eine Auswahl
B l au es W u nd e r
Die „UV Protective Liquid
Foundation“ von Shiseido
schenkt der Haut an heißen
Tagen ein makelloses Finish. Die
wasserfeste Formel mit LSF 30
bietet auch im Cabrio Schutz
vor schädlicher UV-Strahlung.
offen für Neues
KunstGriff
Tischtennis­schläger
werden von Talenten
Lynnie Zulu (l.)
oder Malika Favre
in Handarbeit
gestaltet und von
„The Art of Ping Pong“
online für karitative
Zwecke versteigert.
S t e r n s t u nd e n
Die Atacamawüste zählt zu
den trockensten Orten der
Welt. In einigen Regionen der
südamerikanischen Wüste
hat es jahrzehntelang nicht
geregnet. Durch die Trockenheit hat man freie Sicht
auf den Sternenhimmel. Den
wohl schönsten Platz,
um ihn nachts zu bestaunen,
bietet das Hotel „Tierra
Atacama“, das im chilenischen
Teil der Wüste liegt.
tierr ahotels.com
theartofpingpong.co.uk
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SHISEI D O . c o m
FotoS Amar a , Daimler AG, Intertopics, R. Horns Wien, Missoni Home, Laif, Patch Dol an/Retouching by Deadposh, Your Photo Today
Für einen Ausflug in die Berge oder ans Wasser ist der SLC
der perfekte Begleiter: sportlich, anpassungsfähig und technisch optimal ausgerüstet. Der Kofferraum des Roadsters
bietet mit 335 Litern Gepäckraumvolumen ausreichend Platz.
Bei schlechten Sichtverhältnissen verschafft das optionale
LED Intelligent Light System schnell wieder Durchblick.
Und egal, was das Wetter bringt: Auf das Gefühl, mit freiem
Kopf zu fahren, muss man nicht verzichten. Dafür sorgt
das gläserne Panorama-Variodach mit Magic Sky Control,
das sich auf Knopfdruck hell oder dunkel stellen lässt –
ein Feature, das der SLC vom Vorgänger SLK übernommen
hat. Diesen löst er pünktlich zum 20. Geburtstag ab. Am
bewährten Fahrspaß ändern die technischen und optischen
Neuerungen sowie der neue Name natürlich nichts.
k u lt u r - t r i p
Reisen formt nicht nur
den Charakter. Als
Inspiration für das
Sommerkleid aus der
aktuellen Gucci-Kollektion diente die
„Carte de Tendre“, die
die Schriftstellerin
Madeleine de Scudéry
im 17. Jahrhundert in
ihrem Roman „Clélie“
entwarf. G u c c i . c o m
gute schwingungen
Die schönste Art, sich
verschaukeln zu lassen: Das
Hängesofa „Swing“ von
Paola Lenti ist aus robuster
Esche gearbeitet und
eignet sich besonders gut
für den Einsatz im Freien.
paol alenti.it
ü b e r flieg e r
Bei Ancient Greek Sandals
trifft modernes Design auf
traditionelle Handwerkskunst.
Gefertigt werden die Sandalen
von kleinen Betrieben in
Griechenland. Den Top -Seller
„Ikaria“ mit ausgefallenem
Flügeldesign gibt es in 17 Farben
von Schwarz bis Mohnrot.
ancient- greek- sandals.com
11
inn ovat i v e
S u c c e ssf u l
blendende
aussichten
Geld, Er folg und Fans waren keine Entschädigung für ihren Wunsch nach Selbstbestimmung.
Also leg te Sängerin Grace Capristo ihr altes Image ab, um die sein zu können,
die sie ist – mit Er folg, wie eine Tour durch London im CL A Shooting Brake zeig t.
TE X T J e n n y H o c h
F OTO S C h r i s t i a n B o r t h
Angekommen
Der Regent’s Park zählt zu den
Lieblingsorten von Grace
Capristo, die sich in London
ihrer Musikproduktion widmet.
12
13
S u c c e ssf u l
inn ovat i v e
überraschend
anders
Wer Star-Allüren
erwartet, wird
beim Gespräch auf
der Rückbank des
CLA Shooting Brake
eines Besseren belehrt:
Grace Capristo ist
aufgeschlossen und
unkompliziert.
ganz neue Seiten
Eigentlich gibt sie das Steuer nicht mehr aus der Hand. Für die Fahrt im CLA Shooting Brake durch ihr London
macht Capristo eine Ausnahme. Vom Stadtteil Marylebone (o.), geht es nach Primrose Hill, wo Capristo
gern bei „Fitzroy’s“ Blumen kauft (u. l.). In Hampstead schwärmt sie für die Kunst in der „Zebra One Gallery“ (u. r.).
D
er erste Eindruck überrascht –
das klassisch-elegante Outfit,
die dunkelbraunen Haare.
Aber dann fällt einem ein,
was man im Vorfeld erfahren hat: Sie hat einen Neustart hingelegt.
Die Zeit der Glitzerkleider und der blonden
Mähne ist vorbei. Selbst ihren Vornamen
hat sie gewechselt. Sie heißt jetzt nicht mehr
Mandy wie früher, als sie mit der Girlgroup
„Monrose“ erfolgreich war, sondern Grace.
Ihr zweiter Vorname, den sie in Erinnerung
an ihre Großmutter Graziella trägt. Die Veränderung, die sie durchgemacht hat, ist nicht
nur äußerlich. „Ich war“, sagt Grace Capristo,
„darauf getrimmt, Everybody’s Darling zu
sein. Inzwischen weiß ich, wie wichtig die
innere Zufriedenheit ist. Deshalb lebe ich
jetzt bewusster und versuche jeden Tag, die
beste Version meiner selbst zu sein.“
Am alten Ziel ändert der Neustart nichts:
Grace Capristo möchte mit ihrer Musik
berühren und international überzeugen.
Das Talent, es bis ganz nach oben zu schaffen, hat sie. Die Stimme dafür sowieso. Das
spürt man, als sie an diesem Morgen in
den Londoner Westpoint Studios ihren Ende
März veröffentlichten Hit „One Woman Army“
anstimmt – dort, wo schon Madonna und
Adele ihre Musik produzierten. „One Woman
Army“ erzählt die Geschichte einer selbstbewussten jungen Frau. Die steht jetzt in High
Heels am Mikrofon: „Es mag sich vielleicht
komisch anhören, aber ich singe besser in
hohen Schuhen. Da habe ich sofort ein
besseres Körpergefühl.“
Vom Land in die Millionenstadt
Wer Grace Capristo zum ersten Mal begegnet,
könnte sie für ein Sternchen halten. Alles an
ihr ist perfekt, die Frisur, der Teint, ihre Art,
sich zu bewegen. Als es vom Tonstudio ganz
im Osten der Stadt in Richtung City gehen
soll, nimmt sie auf der Lederrückbank des
CLA Shooting Brake Platz und klopft fröhlich auf den Platz neben sich: „Einsteigen,
bitte!“ Die Sängerin ist unkompliziert und
nahbar. Nach der Arbeit im Studio will sie in
den Regent’s Park – eine grüne Oase in der
Nähe des Kensington-Palastes. „Ich genieße
ausgiebige Spaziergänge mit meinem Hund.
Da kann ich mich am besten sortieren.“
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Grace Capristo ist 26 Jahre alt. Nach
normalen Maßstäben also ziemlich jung.
Aber was heißt schon „normal“? Ihr Leben
gleicht einer Abfolge von Superlativen:
Mit nur elf gewinnt sie im Fernsehen einen
Kinder-Gesangswettbewerb. Fünf Jahre später
bewirbt ihr Gesanglehrer sie bei der Talentshow „Popstars – neue Engel braucht das
Land“ und sie wird im Finale in die Band
„Monrose“ gewählt.
Eben war sie noch ein Teenager aus der
hessischen Provinz, der in seinem Kinderzimmer Whitney-Houston-Stücke übte, nun führt
sie ein Promi-Dasein. Sie fliegt von Auftritt zu
Auftritt, Paparazzi verfolgen sie auf Schritt
und Tritt, ein Männermagazin kürt sie zu
einer der „Sexiest Women in the World“. „Es
ging alles unglaublich schnell“, sagt ­Grace
Capristo, während sie es sich im Fond des
violett-metallic-farbenen Shooting Brake bequem macht. Die Idee, einen der City-Highways zu nehmen, um schneller durchzukommen, erweist sich als Reinfall. Wie so oft in
London herrscht an diesem Vormittag Verkehrschaos. Selbst hier stauen sich die Autos
am späten Vormittag.
S u c c e ssf u l
Die Sängerin bleibt die Ruhe selbst: „Ich liebe Autofahren, das hat mich schon immer
entspannt.“ Den Stau nutzt Grace Capristo,
um von ihrer Vision zu erzählen: „Mein neues
Album spiegelt mein Ich wider. Meine Songs
sind persönlicher als je zuvor. Für mich war
vor allem wichtig, Entscheidungen selbst zu
treffen.“ Der Weg dorthin, gibt sie zu, sei nicht
immer einfach gewesen. Nach der Auflösung
von „Monrose“ gönnt sie sich keine Pause, sondern geht mit Peter Maffay auf Tour und veröffentlicht 2012 als Solokünstlerin ihr Debütalbum „Grace“. Es schnellt auf Platz acht der
deutschen Charts, doch glücklich macht sie
das nicht. „Ich fühlte mich leer“, erinnert sie
sich. „Kein Wunder, ich hatte kein Leben mehr
jenseits der Bühne.“ Um wieder zu sich selbst
zu finden, verordnet sie sich eine Auszeit.
Keine Termine. Keine roten Teppiche. Sie liest
viel, widmet sich Familie und Freunden.
Schließlich trifft sie eine Entscheidung.
„Ich buchte ein Ticket nach Los Angeles, im
Gepäck nichts als eine Idee.“ Sie trifft Musikproduzenten, nimmt an Songwriting Sessions
teil und stellt sich zum ersten Mal als Grace
vor. „Ich fühlte mich wie damals, als mich noch
niemand kannte. Das hat mir gefallen.“ Mit
der Zeit reifte ihre Vorstellung, welche Musik
„ich mag große
sp or tli c h e a u to s .
wahrscheinlich
weil ich selbst so
klein bin.“
sie machen wollte. Und, dass sie Songs für ein
internationales Publikum produzieren möchte.
Was Grace Capristo in dieser Zeit auch lernt:
die kleinen Dinge des Lebens genießen, etwa
eine Portion handgemachter Cannelloni. Die
Besten mache ihr Vater. „Kein Wunder, er ist
Italiener. Leider erwarte ich, dass es überall
so schmeckt wie zu Hause“, seufzt sie. Die
Küche der „Villa Bianca“ kommt zumindest
nah dran. Nach dem Spaziergang durch den
Park steuern wir das hübsche Restaurant
zum Lunch an. Es liegt im eleganten Hampstead, wo Grace gerne mal einen Nachmittag
mit Freunden verbringt. Kalorien zählen ist
hier verboten, nach dem Essen gönnt sich die
Sängerin ein Tiramisu. Dann geht es eine
Tür weiter in die „Zebra One Gallery“, die un-
inn ovat i v e
ter anderem Arbeiten des Graffiti-Künstlers
Banksy verkauft. Kunst interessiert Grace
Capristo sehr. Mit ihrer Mutter besucht sie
gerne auch mal eine Ausstellung – wenn es
die Zeit zulässt. „Ich sage immer, meine Eltern waren lieb-streng, wir haben ein sehr enges Verhältnis.“ Wenn sie selbst eines Tages
Kinder habe, wolle sie es genauso machen.
„Aber wenn es um soziale Medien geht, möchte
ich sie langsam heranführen.“ Ein überraschender Satz für jemanden, der bei Facebook
über eine Million Fans, auf Instagram über
600.000 Abonnenten und bei Twitter mehr
als 100.000 Follower hat. „Für mich sind das
wichtige Plattformen, auf denen ich meine
Message transportieren kann. Trotzdem darf
man sich nicht über Like-Zahlen definieren.“
Neues Selbstbewusstsein
Im CLA geht es weiter durch Hampstead –
dieses pittoreske Bilderbuch-London mit seinen kleinen Straßen, in denen die bunten
Fassaden verwinkelter alter Townhouses hell
in der Nachmittagssonne leuchten. Grace
Capristo fühlt sich sichtlich wohl: „Ich mag
große sportliche Autos, wahrscheinlich,
weil ich selbst so klein bin. Ich fühle mich
darin sicher.“ Was ihr am CLA noch gefällt:
R oya l e s V e r g n ü g e n
Der CLA Shooting Brake steuert am
Buckingham Palace vorbei – dem
Wohnsitz der Königin von England.
16
Gutes Gefühl
In der Vergangenheit verpassten
Fremde ihr ein Image. Jetzt
bestimmt Grace Capristo – hier
in den Londoner Westpoint
Studios – selbst, auch musikalisch.
i ninnonvoavtai tv iev e
S u c c e ssf u l
nach der auf lösung der band
fühlte sie sich le er.
heute geht g rac e c apr i sto
wieder unbe schwer t
durchs leb en
St yling Cl audia Hofmann Haare Muamer a Pulic Make-up K arin Darnell Illustr ation Julia Pelzer
Blickfang
Die Sängerin im Fond
des „Northern Lights
Violet Metallic“-farbenen
Shooting Brake
viel Stauraum für Gepäck und die elegante Innenausstattung. Während sie die bewundert,
verrät die Sängerin, dass sie eine familiäre
Beziehung zu Mercedes hat. „Meine Mutter
feiert in wenigen Jahren ihr 40. Dienstjubiläum bei Daimler. Sie arbeitet dort praktisch
ihr gesamtes Leben. Außerdem fuhr sie
früher eine A-Klasse, während mein Vater
seinen SLK liebte.“
Seit sie 2013 nach Los Angeles zog, sieht
Grace Capristo ihre Familie seltener. Ihren
Produzenten PJ Bianco, der für Pop-Größen
wie den Hip-Hopper Sean Paul arbeitet und
früher auch für die Jonas Brothers, bittet sie,
alles zu löschen, was er für sie vorbereitet hat:
„Ich musste meinen eigenen Groove finden.“
Er fragt sie aus: Was hörst du privat? Was
ist dein Lieblingssong? Plötzlich hat Grace
Capristo die Frage im Ohr, die Freundinnen
ihr so oft gestellt haben: Warum darf die
Welt dich nicht so kennenlernen, wie wir
dich kennen? „Da wurde mir klar, dass meine
neuen Songs davon handeln müssen, was
mich beschäftigt.“ Das ist ihr gelungen. „One
Woman Army“ vereint tanzbare Beats mit einer starken Botschaft. „Don’t take my kindness
for weakness, I’m here to handle my business“,
singt sie darin. „Verwechsle meine Freundlichkeit nicht mit Schwäche, ich bin hier um
meinen Job zu erledigen.“ Kaum zu glauben,
dass diese Zeilen von jemandem stammen, der
lange zu schüchtern war, seinen Zuhörern
beim Singen in die Augen zu sehen.
Bevor Grace Capristo sich verabschiedet,
stoppen wir vor ihrem Lieblings-Blumenladen
„Fitzroy’s“ in Primrose Hill, wo sie lilafarbene
Anemonen mitnimmt. „Ich liebe Blumen, sie
machen ein Zuhause lebendig. Und sie passen
gut zu meiner Einrichtung, die in Naturtönen
gehalten ist.“ Apropos Häuser: „Wäre ich nicht
Sängerin geworden, dann Architektin oder Interior Designerin. Das ist meine zweite große
Leidenschaft.“ Sie habe sogar das Haus mitentworfen, das sie für ihre Familie gebaut hat.
Überhaupt, so der Eindruck, ist sie auf dem
besten Weg, die zu werden, die sie sein möchte:
eine Frau, die die Zügel in den Händen hält.
Jenny Hoch war im Tonstudio versucht,
selbst ins Mikrofon zu singen, verwarf den Gedanken aber. Zu ­Hause
in Berlin kriegt sie nicht mal
„Happy Birthday“ fehlerfrei hin.
19
Auf neuen wegen
London Calling! Im Video verrät Grace
Capristo ihre Lieblingsecken in der
britischen Hauptstadt und spricht
ausführlich über ihren Image -Wandel.
mbmag.me/grace
in Balance
in Balance
„ich zeige die
schönheit der
unterwasserwelt,
erkläre aber
auch die zerbrechlichkeit dieses
systems.“
N
tief bewegt
Seit z wanzig Jahren verbindet das Soneva Fushi Resor t auf vorbildliche
Weise Luxus und Ökologie. Für die Meeresbiologin
Federica Siena ist die Malediveninsel damit der ideale Or t,
um Reisende wie Einheimische für ihre Mission zu gewinnen:
der nachhaltige Schutz der einzigar tigen Vielfalt der Korallen,
Fische und Rif fs im Indischen Ozean.
T E X T Stephanie Pieper
20
F o t o s T i m We n d r i c h
eulich in Italien ist es ihr wieder passiert. Und auch
noch auf einer Hochzeit. Weil ihre Schuhe drückten
rannte sie während der Zeremonie aus der Kirche,
draußen zog sie die Pumps einfach aus. Später hat
sie sie unter dem Restauranttisch vergessen. „Schuhe
sind mein Alptraum“, gesteht Federica Siena und gräbt ihre nackten
Füße tief in den weißen Sand der Malediveninsel. „Ich besitze genau
drei Paar, laufe aber elf Monate des Jahres barfuß.“
„No shoes, no news“ lautet eine wichtige Regel des Luxus-Resorts
Soneva Fushi, in dem die 32-jährige Italienerin seit vier Jahren als
Meeresbiologin arbeitet. Wenn die Gäste mit dem Wasserflugzeug vor
Kunfunadhoo, der größten Insel des Baa-Atolls, landen, nimmt ihnen
ein Butler zuallererst die Schuhe ab. Erst am Ende der Ferien gibt er
sie zurück. Eine kleine Geste, die zeigt, wofür das Eco-Resort steht:
Robinson-Luxus und Entschleunigung. Vor zwanzig Jahren haben der
Oxford-Absolvent Sonu Shivdasani und seine Frau, das schwedische
Ex-Model Eva Malmström, dieses Paradies eröffnet. Damals waren
nachhaltiger Tourismus in Verbindung mit Yoga und organischem
Essen bestenfalls ein exotischer Spleen. Heute ist Soneva Fushi viel
kopiertes Vorbild für intelligenten Luxus weltweit.
Wer hier arbeitet, gehört zu den Besten seines Fachs und lebt
seine Leidenschaft. Vom japanischen Koch bis zum Waste to Wealth
Manager, der sich um das Recycling von Styropor mit der gleichen
Sorgfalt kümmert wie um den inseleigenen Gemüsegarten. „Wir alle
lieben, was wir tun. Wir lieben unseren Planeten und wollen ihn
schützen“, sagt Federica Siena und schüttelt ihre dunkelblonden Locken. „Sorry, meine Haare trocknen hier nie“, sagt sie lachend. Das ist
ihr egal, ebenso wie der Abdruck ihrer Taucherbrille in ihrem Gesicht.
Für Eitelkeit bleibt wenig Raum. Sienas Motiv, den größten Teil
des Jahres auf der Insel zu verbringen, ist ohnehin ein völlig anderes. Jeden zweiten Satz beginnt sie mit „Meine Lieblingskoralle“,
„Mein Lieblingsfisch“ oder „Hören Sie den, das ist mein Lieblingsvogel …“ Manchmal muss die Biologin selbst lächeln, wenn ihr
wieder so ein Lieblings-Satz rausrutscht. Doch je länger man ihren
Tiefgang
Tag für Tag begleitet
Federica Siena Gäste bei
Tauchgängen rund um
Kunfunadhoo, wie die Insel
ursprünglich heißt.
Vorträgen über das geheime ­L eben der Korallen oder die Welt der
Haie folgt, desto mehr spürt man, wie ernst es ihr damit ist. „Meine
Aufgabe hier besteht vor allem darin, die Gäste bei ihren Tauchgängen zu begleiten. Ich erkläre ihnen das Riff, mache sie auf die
Schönheiten der Unterwasserwelt aufmerksam, erläutere ihnen aber
auch die Zerbrechlichkeit dieses Ökosystems.“ Und weil man beim
Tauchen kaum kommunizieren kann, hat sie sich aufs Schnorcheln
spezialisiert. Mit kleinen Gruppen von sechs, sieben Personen fährt
Siena täglich mit dem Boot zu einem der umliegenden Tauchspots
wie Hanifaru, dem Manta-Point, oder geht direkt vor der Tauchschule
ins Wasser und schwimmt zum Hausriff. Immer wieder taucht sie
auf den Grund und deutet auf einen Fisch oder eine Koralle. Anschließend erklärt sie über Wasser die Besonderheiten von Fauna
und Flora oder gibt Verhaltensregeln. Die Wissenschaftlerin, die
in Mailand und Dresden Landschaftsbau studiert und später einen
21
in Balance
N at u r ta l e n t
400 Angestellte
und 100 Gäste leben
auf Soneva Fushi.
„Wir sind hier wie
­e ine große ­Familie“ ,
sagt Federica Siena.
Wörter sustainable, local, organic, wellness, learning, inspiring, fun
und experiences. „Das ist unsere Philosophie und der Ausgangspunkt
vieler Projekte – von der Wasseraufbereitungsanlage, die Meerwasser
in Trinkwasser verwandelt, bis zum Schwimmkurs für die Kinder
der Nachbarinsel“, so Federica Siena. „Die wenigsten Einheimischen
können schwimmen. Wenn man möchte, dass sie die Natur bewahren,
müssen sie sie kennen.“ 44 Kinder haben sich vergangenes Jahr für
den Kurs angemeldet. 17 Mütter sind dazugekommen. Einige von ihnen
geben jetzt selbst Schwimmkurse. Es sind solch kleine Erfolge, die die
Italienerin mit Stolz erfüllen. Modellversuche, die Soneva Fushi auf
anderen Inseln weiterführt oder die Nachahmer in anderen Resorts
finden und so den Eco-Spirit quer über die Malediven tragen.
Regelmäßig veranstaltet die Forscherin auch Öko-Camps für die
Kinder der Hauptstadt Malé. Siena sieht die Einheimischen genauso
als Verbündete im Schutz der Umwelt wie die Touristen. „Viele Touristen haben noch nie gehört, dass Korallen Kolonien von Tieren sind. Sie
denken, es handele sich um Pflanzen, schlimmstenfalls um Steine.“
Manchmal gleiche es einer Offenbarung, wenn sie erkennen, wie Korallen mit ihren Tentakeln Plankton fressen, um Raum und Nahrung
kämpfen und sich vermehren. In den ersten Monaten auf Kunfunadhoo
hat Siena keinen einzigen Fisch gesehen. „Die Vielfalt und die Farbenpracht der Korallen hat mich für alles andere blind gemacht. Ohne
Korallen gäbe es die Malediven nicht. Sie sind die Basis, die Wellenbrecher, der Sand, der Lebensraum für Millionen Fische.“ Sagt’s, taucht
ab und legt ganz nebenbei ein Stück abgebrochene Koralle in eine
kleine Vertiefung am Meeresgrund. Wieder aufgetaucht erklärt sie:
„Hier ist sie vor der Strömung geschützt und kann weiterwachsen.“
Gäste nach dem Tauchgang um eine Spende zu bitten oder in laufende Projekte zu involvieren, gehört für Federica Siena ebenso zum Alltag wie der Austausch mit anderen Biologen des Atolls. „Wir schreiben
einander, wenn wir besondere Beobachtungen machen – wie plötzliches
Korallensterben oder Schwankungen in der Fischpopulation.“ Zweimal
im Jahr führt sie eine Art Check-up durch und dokumentiert, wie sich
das Riff rund um die Insel verändert. Bisher existiert allerdings keine
Behörde, die die Daten sammelt. Das möchte Siena ändern. Eines der
Projekte auf ihrer To-do-Liste besteht darin, Kontakt zu verschiedenen
Universitäten aufzunehmen, um die Daten langfristig bündeln und auswerten zu können. In ihrem Kopf existiert allerdings noch eine ganz
andere Liste: alle Länder, die sie bereisen möchte. Ende letzten Jahres
war es beinahe soweit. In den Ferien ist sie mit dem Auto quer durch
Südafrika gefahren. Die Weite, die unglaubliche Schönheit der Zebras,
die Eleganz der Giraffen. Es gab so viel, dass sie noch nicht kannte. Zum
ersten Mal dachte die Biologin ernsthaft darüber nach, Soneva Fushi zu
verlassen. „Aber als ich zurückkam, war Manta-Saison. Mantarochen
sind meine absoluten Lieblingstiere.“ Da wusste Federica Siena, dass sie
hier noch lange nicht fertig ist.
Stephanie Pieper ging es genau umgekehrt wie Federica
Siena: Sie hat beim Tauchen vor lauter Fischen die
Korallen nie bemerkt. Dank der Meeresbiologin sieht sie
die Unterwasserwelt heute mit ganz neuen Augen.
IN s e l g l ü c k
Federica Siena vor ihrer
zweiten Heimat Soneva Fushi.
Ein Fahrrad ist das einzige
Gefährt auf der Insel (u. l.). Wie
Korallen verfügen auch
Schildkröten über eine gute
Tarnung (Mitte). Traumhaft: der
Blick von der Crusoe Suite (u. r.)
Ze ro waste Lifest yle
Lauren Singer, Umweltaktivistin und
Start- Up - Gründerin aus New York, zeigt
in dem Clip „One Minute – One Opinion“
wie ein Leben ohne Müll möglich ist.
mbmag.me/lauren_singer
„ohne korallen
gäbe es die
malediven nicht.
sie sind die ba sis
der wellenbrecher,
der lebensraum
für millionen fische.“
Foto Mark Luscombe-Why te (1) Illustration Julia Pelzer
Master in „Meeresbiologie in entwickelter Umwelt“ absolviert hat,
diskutiert mit internationalen Forschern genauso eloquent über die
Korallenbleiche wie sie Kindern erklärt, warum man Meeresschildkröten nicht verfolgen sollte: „Sie haben Angst, genau wie wir, und
können sogar einen Herzschlag erleiden.“
Ihre Leidenschaft fürs Tauchen entdeckte sie mit 18. „Meine Eltern
besitzen ein Ferienhaus in Süditalien. Ich habe meine halbe Kindheit
im Wasser verbracht. Aber ich werde nie den Moment vergessen, als
ich zum ersten Mal Ozeanschnecken sah. Kleine Wesen nur, aber ich
hatte das Gefühl, eine völlig neue Welt zu entdecken. Mehr noch, ich
war richtig wütend, dass man mir dieses Wunder 18 Jahre lang vorenthalten hatte.“ Seitdem ist das Meer für die Italienerin die Lösung
aller Probleme. „Wenn ich zu viel denke, gehe ich tauchen.“
Zurück an Land nutzt sie die unter Wasser wiedergewonnene
Klarheit für eine Reihe von Projekten. Seit 2008 veranstaltet Soneva
regelmäßig das Slow-Life-Symposium, die wohl einzige Barfuß-Konferenz der Welt: Drei Tage lang diskutieren Unternehmer, Vordenker
und Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Disziplinen über
neue Wege zu Nachhaltigkeit und intelligentem Luxus. Der Name
Slow Life setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der
in Balance
23
beautiful
F O T O S Joachim Baldauf
schön
schlau
Eyeliner „Stylo Yeux Waterproof,
Marine“ , Mascara „Le Volume,
Noir“ , beides Chanel; dunkelblauer
Outdoor-Blazer Isabel Vollrath
T E X T Marija Latkovic
Was Frauen und Autos
gemeinsam haben?
Kein Wit z: im Fall der neuen
E- Klasse eine Menge.
Die Business - Limousine von
Mercedes - Benz ist elegant,
intelligent und der Konkurrenz
in Sachen sicheres
Fahren meilenweit voraus.
Foundation „Les Beiges,
All-in-one Healthy Glow Fluid
Nr. 21“ Chanel; silberfarbene
Nylon-Bomberjacke ACNE
Studios (über matchesfashion.
com), vergoldeter TropfenOhrring Atelier Swarovski
by Fredrikson Stallard
24
ausstrahlung
Augen auf im Straßenverkehr – das sagt sich so leicht, hilft bei unklarer Sicht oder in der Dunkelheit aber nur bedingt weiter. Für mehr
Durchblick sorgen die Multibeam LED -Scheinwerfer der E- Klasse. Jeder Scheinwerfer verfügt über 84 Hochleistungs- LEDs, die elektronisch
einzeln gesteuert werden. Hundertmal pro Sekunde berechnen Steuergeräte das ideale Lichtbild. So wird die Fahrbahn optimal
ausgeleuchtet. Ausgestattet mit dem Adaptiven Fernlicht Assistent Plus kann das Fernlicht auch bei Gegenverkehr eingeschaltet bleiben,
ohne entgegen­kommende Fahrer zu blenden – toller Effekt. Schließlich will man nicht nur sehen, sondern auch gesehen werden.
25
beautiful
beautiful
kontrollblick
Alles da, wo es sein sollte? Remote Park-Pilot kennt die Antwort. Nie wieder durch
die Autotür zwängen, weil man zu dicht am Nebenmann steht – über die dazugehörige
App kann man die E-Klasse im geeigneten Moment bequem via Smartphone ein- und
ausparken. Und das sogar ohne im Wagen zu sitzen – ein Platz in Sichtweite genügt.
Dank Near Field Communication dient das Mobiltelefon zugleich als Fahrzeugschlüssel. Das Prinzip funktioniert auch umgekehrt: Mithilfe von Apple Carplay und
Android Auto holt man sich das Handy aufs Wagendisplay. Per Sprachsteuerung
lassen sich so ausgewählte Apps wie Kontakte, Telefonie oder Messaging bedienen.
Eyeliner „Effet faux
cils crème, Sea Black“
Yves Saint Laurent,
Lippenstift „Rouge Coco
Shine, Shipshape“ ,
Nagellack „Le Vernis ,
Expression“ , beides
Chanel; weiße Leinenbluse
Nobi Talai, Plisseerock
in Goldmetallic A.L.C.
(über matchesfashion.com),
Messingarmreif und
Silberring in U-Form,
beides Ina Beissner,
Ear-Cuff aus
Gold Saskia Diez
präzisionsarbeit
Wer den Lippen trotz Bodenwellen und Schlaglöchern Kontur verleihen kann, ist entweder Chirurgin oder mit
Air Body Control unterwegs. Über den Dynamic Select Schalter lässt sich die Luftfederung in vier Stufen
einstellen. Zusätzlich passt sich die Dämpfung jedes einzelnen Rades der Fahrsituation und dem Straßenzustand
an. Sollte also statt sportlicher Dynamik entspannter Komfort gewünscht sein, genügt ein Knopfdruck.
26
Lidschatten „5 Couleurs, Jardin“
Dior, Nagellack „Le Vernis,
Accessoire“ Chanel; ­d unkelblauer
Anzug aus Wolle und Viskose
Haltbar, weißes Baumwoll-Shirt
H&M, Ringe aus Roségold Margova,
Smartphone Samsung Galaxy S6
27
beautiful
beautiful
extra-halt
Viel hilft viel. Nirgendwo gilt das mehr als beim Thema Sicherheit: In Gefahrensituationen kann
man jede Hilfe brauchen. Ob ein Crash von der Seite droht, ein Ausweichmanöver
erforderlich ist, weil Fußgänger ­ü berraschend die Fahrbahn kreuzen, eine Notbremsung vor einem
plötzlich auftauchenden Stauende unumgänglich ist, ob man wegen Müdigkeit oder Seitenwind
Gefahr läuft, aus der Spur zu kommen – die neue E-Klasse besitzt mit Intelligent Drive
innovative Sicherheits- und Assistenzsysteme, die den Fahrer jetzt noch stärker entlasten
und die Insassen sowie andere Verkehrsteilnehmer noch besser schützen können.
www
D i g i ta l N at i v e
Noch mehr Details und
Innovationen der neuen
E- Klasse unter
mbmag.me/E-KLASSE
Nagellack „Le Vernis, Lotus“
Chanel; dunkelgrünes Wollkleid
Louise Friedländer, palla­d inierter
Ring mit Kristall­e insatz Atelier
Swarovski by Fredrikson Stallard,
Schuhe stylist’s own
28
29
fingerspitzengefühl
beautiful
beautiful
Ein Hoch auf den virtuellen Kopiloten ! Mit Drive Pilot geht Mercedes-Benz den nächsten Schritt auf dem Weg zum autonomen
Fahren: Bei sich stauendem Verkehr muss man nicht einmal bremsen oder Gas geben – der Abstands-Pilot Distronic
hält die Distanz zu vorausfahrenden Fahrzeugen automatisch. Und noch mehr: Das Assistenzsystem folgt ihnen in der Spur und
unterstützt die Fahrerin beim Lenken. Geht es auf Autobahnen bei Stop -and-go nach weniger als 30 Sekunden weiter, fährt der Wagen
automatisch an. Im richtigen Moment die Spur wechseln – kein Problem dank des Aktiven Spurwechsel-Assistenten.
Jede Menge künstliche Intelligenz steckt auch in den Touch Control Buttons im Lenkrad, die auf Wischbewegungen reagieren. Ein Wipe
und man wählt sich bequem durchs Infotainment-Programm. Nie wieder umständlich am Sendersuchlauf rumfummeln, hach …
Glanzpflege „Finishing
Serum“ Iles Formula,
Highlighter „Ambient
Strobe Lighting ­P owder,
Incandescent“ Hourglass; Netzpullover aus
Schurwolle und Viskose
Tim Labenda, Halsreif
aus Silber Georg Jensen
Styling
Claudia Hofmann
c/o Uschi Rabe
Haare & Make-up
Alexander Hofmann
c/o Uschi Rabe
Model Michaela
Koncianova c/o Elite
Retouching Piquee
schwungkraft
Nagellack „Le Vernis,
Sunrise Trip“ Chanel;
palladinierter Ring
mit Kristalleinsatz
Atelier Swarovski by
Fredrikson Stallard
30
Bewegung ist immer gut. Erst recht, wenn man einem Zusammenprall ausweichen möchte. Bloß wie,
wenn man im Auto sitzt? Die Antwort darauf heißt Pre -Safe Impuls Seite: Erkennt das System einen drohenden
Seitencrash, bläst sich in Sekundenbruchteilen eine Luftkammer in der Seitenwange der Vordersitze auf.
Der Impuls bewegt den Fahrer oder Beifahrer zur Mitte hin – der Abstand zur Tür wird so vergrößert. Kommt
es dann zum Crash, reduziert sich das Verletzungsrisiko. Schlauer Move!
31
inn ovat i v e
blick in die
zukunft
Wie bringt man Fahrzeugen bei, Emotionen
zu vermitteln? Wie dazu, eine digitale Seele
zu entwickeln? Oder gar Witze zu erzählen?
Für Vera Schmidt sind das keine skurrilen
Szenarien aus der Zukunft – sie arbeitet
bereits an den Antworten.
IN t e r v i e w A n j a R ü t z e l
F OTO S N a d a L o t t e r m a n n & V a n e s s a F u e n t e s
E
rfinderin? Designerin? Zukunftsforscherin? Mit einem
Begriff Beruf und Rolle von Vera Schmidt zu beschreiben,
ist nicht ganz leicht. Als Leiterin der Abteilung Advanced
Digital Graphic Design leitet sie bei Mercedes-Benz
einen wichtigen Knotenpunkt in der Entwicklung
innovativer Mobilitätskonzepte: Hier docken die Experten aus dem Software- und Hardware-Engineering an, die Interior- und Exteriordesigner
und die Spezialisten dafür, wie Mensch und Maschine in der Zukunft
miteinander interagieren werden. Nach ihrem Designstudium kam sie
2008 zu Mercedes-Benz und zog 2011 ins Silicon Valley, um das ­Digital
Design Department aufzubauen. Seit vergangenem Sommer ist sie
zurück in Sindelfingen, „um den kalifornischen Geist der Inspiration
zurück ins Mutterschiff zu tragen“.
Outfit Bl a zer: Filippa K, Hose: 0039 Italy, Top:COS
Frau Schmidt, Sie arbeiten jeden Tag an Ideen, wie wir in Zukunft
Autofahren werden. Auf welche Innovation freuen Sie sich besonders?
Aufs autonome Fahren! Auf Fahrzeuge also, die selbstständig ihren
Weg finden und mir so während der Fahrt einen neuen, mobilen Raum
schenken, den ich nutzen kann, wie ich will. Sei es, um mit digitalen
Innovationen zu spielen oder um einfach nur zu schlafen. Als ich noch
ein Kind war, sind wir als Familie sehr viel im Auto gereist. Meine
Mutter stammt aus der Ukraine, dorthin waren wir immer zweieinhalb
Tage unterwegs. Es war eine ganz einfache Art des Reisens, ohne Radio
und Klimaanlage. Für mich war das ein Abenteuer, aber für meine Eltern muss das unglaublich anstrengend gewesen sein. Die Vorstellung,
mich abends in Sindelfingen ins Auto zu setzen und einfach einschlafen zu können – und am Morgen aufzuwachen und in Paris zu sein, ist
ein Traum! Das Auto parkt, und ich spaziere ausgeruht los in die Stadt.
32
Übermorgen unterwegs
Wie werden virtuelle Welten die
Mobilität der Zukunft prägen?
Wissenschaftler und Designer geben
im Video „Going Virtual“ Auskunft:
mbmag.me/future _talk
33
inn ovat i v e
Das klingt sehr futuristisch.
Im ersten Moment vielleicht. Dabei ist diese Realität gar nicht so weit
entfernt. Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich so schnell,
dass sie unsere Lebensqualität immer rasanter verändern.
Erinnern Sie sich nur, wie wir vor zehn Jahren noch gereist sind –
und wie wahnsinnig weit weg uns das heute vorkommt. Früher habe
ich mir für längere Fahrten das Auto meiner Eltern geborgt, hatte
kein Handy, kein Navi. Was habe ich also gemacht? Ich habe vorher
mit einem Autoatlas auswendig gelernt, an welcher Kreuzung ich wie
abbiegen muss. Für junge Menschen klingt das heute völlig bizarr.
„der mercedes der zukunft kann
zur freundin werden . er macht un s
vorschläge, unterstützt uns und
nimmt uns unangenehme dinge ab.“
Sie sind Leiterin des Bereichs Advanced Digital Graphic Design
und entwickeln neue Interaktionskonzepte für künftige Serienfahrzeuge. Welche Fragen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Unsere Leitfragen lauten: Wie entwickelt sich das Auto in der Zukunft?
Wie werden Mensch und Maschine miteinander interagieren?
Dabei reicht es nicht, einfach nur gute Ideen zu haben. Eine Idee existiert erst dann, wenn wir sie als Designer auch erlebbar machen.
Darum bauen wir Forschungsfahrzeuge und Showcars. Nur so kommt
eine Idee aus den Köpfen auf die Straße.
oft liegt der Reiz einfach in der Kombination von Bewegung,
vorbeiziehender Landschaft, Motorengeräuschen und vielleicht noch
passender Musik. Muss ich dabei unbedingt meine Hände am Lenkrad haben? Ich denke nicht.
Vergangenes Jahr wurde das spektakuläre Showcar F 015
vorgestellt – ein autonom fahrendes Auto, das für seine Passagiere
zu einer digitalen Allzweck-Lounge wird. Wie groß sind die
Vorbehalte gegenüber selbstfahrenden Autos noch?
Wenn ich mit Leuten ganz theoretisch über autonome Autos rede,
höre ich oft: „Ich weiß nicht, ob ich das wirklich will: Die Hände vom
Lenkrad nehmen und das Auto einfach machen lassen?“ Witziger­
weise sind es meistens Männer, die das sagen. Anscheinend haben sie
tatsächlich Angst, ein wenig von ihrer Hoheit und Herrschaft über die
Maschine abzugeben. Oder sie fürchten, dass ihnen der Spaß am Fahren selbst genommen wird. Sicher gibt es Strecken, die man gerne und
genussvoll fährt, die Straße spürt, die Kurvenführung genießt. Aber
Auf solchen Ausnahmerouten ist man nur selten unterwegs. Häufig
ist Autofahren nicht sonderlich inspirierend.
Ja genau, etwa 80 Prozent unserer Fahrten sind Alltagswege, die längst
zur Routine gewordenen Wege zwischen dem Zuhause und dem Office.
Was verändert ein Auto wie der F 015 daran?
Auch, wenn es ein bisschen pathetisch klingt: Der Zukunfts-Mercedes
kann zur Freundin werden. Etwa indem uns das Auto Vorschläge
macht, uns unterstützt und uns unangenehme Dinge abnimmt, die
34
St yling Nor a Erdle Haare & Make-up Sar ah R abel Outfit Hose, Mantel: 0039 Italy, Pullover: COS foto daimler (1) illustr ation julia pelzer
w i ss e n s­s p e i c h e r
Vera Schmidt in der
Stuttgarter Stadtbibliothek
uns stressen – wie etwa das nervige Stop-and-go im Berufsverkehr.
Über die digitale Rundum-Membran im Innern des Autos bekomme ich
Informationen in Echtzeit, die für mich interessant sind, während ich
durch die Stadt fahre. Zum Beispiel: Wo sind meine Freunde, wo ist meine ­Familie? Weil ich nicht nur ein einziges, statisches Display vor mir
habe, sondern eine 360°-Rundumsicht, kann ich mir diese Information
auch im Raum verortet anzeigen lassen: Deine beste Freundin sitzt
gerade im Café XY, und das liegt in dieser Richtung. Fährt man durch
eine noch fremde Stadt, kann man sich Sehenswürdigkeiten oder empfehlenswerte Restaurants anzeigen lassen – und das Auto hat bereits
gecheckt, wo es noch einen freien Tisch gibt. Ich erlebe die Stadt um
mich herum anders, kann spontaner planen, schneller reagieren, mehr
improvisieren. Das entspricht unserem modernen Lebensstil sehr gut.
Schon heute haben Autos mitunter menschliche Züge: Sie sind oft
eine Projektionsfläche, die die Persönlichkeit ihrer Fahrerinnen und
Fahrer nach außen abstrahlt.
Stimmt. An der Art, wie Menschen ein Fahrzeug lenken, lässt sich
viel ablesen: Sind sie gerade müde, gelangweilt, schlecht gelaunt oder
hektisch? Mit unserem Auto kommunizieren wir Emotionen, auch
wenn wir das gar nicht möchten. Wenn wir in der Zukunft autonom
fahren, ist das allerdings eine mathematisch berechnete, per se emotionslose Fahrt. Dann wird sich die Frage stellen: Wie kann ich mich
auch im Verkehr als Mensch ausdrücken? Im F 015 kann man dem
Fahrzeug etwa einen Charakter zuweisen, der den Fahrstil beeinflusst
– die Art, wie es beschleunigt oder die Kurven nimmt. Ich kann sagen,
fahre wie ein Rennfahrer. Oder ganz entspannt, je nach Laune.
Woher weiß das Auto, was mich interessiert?
Das Besondere ist: Die Maschine kann lernen, das Fahrzeug wird
zum Partner. Es lernt seinen Passagier immer besser kennen, reagiert
auf ihn, lernt Verhaltensmuster. Diese Individualisierung wird in der
Zukunft sehr wichtig werden. Wir sprechen darum auch von einer digitalen Seele des Autos: Es erkennt mich und weiß, dass ich da bin, wenn
ich über die Displays mit ihm spreche. Wenn wir den Menschen neue
Ideen und Technologien vorstellen wollen, müssen wir die so einfach
und intuitiv wie möglich machen, damit sie Vertrauen fassen können.
Was fangen wir eigentlich mit der gewonnenen Zeit an, wenn wir
unser Auto nicht mehr selbst steuern? Müssen wir dann noch mehr
arbeiten?
Es wäre schade, wenn unsere Ideen nur dafür genutzt würden, noch
effizienter zu werden. Im Gegenteil: Uns ist der Spaßfaktor ganz
wichtig. Idealerweise nützen wir den neuen Raum und die geschenkte
Zeit für Dinge, die uns entspannen, die den Stress mildern, statt die
Schlagzahl noch weiter zu erhöhen. Es wird garantiert ganz neue
Ideen geben, was man in dieser Zeit machen kann, Ideen – an die wir
heute noch gar nicht denken.
Reagieren Frauen anders als Männer auf dieses Auto der Zukunft?
Es gibt noch keine Studie dazu. Doch ich glaube, dass es gerade
bei den Innovationen im digitalen Bereich keine Unterschiede mehr
zwischen Mann und Frau gibt. Wir designen auch genderneutral,
also nicht speziell auf Männer oder Frauen zugeschnitten. Die von
der Gesellschaft konstruierten Geschlechterklischees – das kraftvollsportliche Männerauto, das niedlich-praktische Frauenauto – werden
in der Zukunft keine Bedeutung mehr haben.
expertentipp
Vera Schmidt
vor einem Display
des Forschungs­
fahrzeugs F 015
Also gibt es bald ein Auto für alle?
Die Unterschiede werden eher zwischen den Generationen verlaufen.
Sehr junge Menschen, die mit den technischen Möglichkeiten unserer
Zeit aufwachsen, sind quasi von Natur aus technikaffin. Neulich hatten wir eine Gruppe von Kindern im F 015, die ganz selbstverständlich
von allein auf die Touchscreens getippt haben. Die Älteren lernen dann
von den Jüngeren, wie es geht.
Haben Sie spezielle Strategien, um Frauen zu begeistern?
Ich denke, dass Frauen auf Anhieb mehr mit autonomem Fahren
anfangen können als Männer. Meiner Erfahrung nach denken Frauen
häufig eher pragmatisch und freuen sich über alles, das ihnen Stress
abnimmt. Vielleicht werden Frauen auch eher von so­zialen Details und
Features angesprochen, etwa, wenn das Fahrzeug mit Humor und Witz
auf seine Fahrerin reagiert.
Autos können in Zukunft also Witze machen?
Durchaus, wenn man es ihnen vorher beibringt. Das Auto wird leichter
als Partner angenommen, wenn es eine eigene Persönlichkeit, ein
Stückchen Seele entwickeln kann. Natürlich ist die immer von Menschen
programmiert – auch wenn wir dazu neigen, das zu vergessen, und
Maschinen gern vermenschlichen.
Anja Rützel erlebte spektakuläre Beziehungsstreitigkeiten, weil sie als Beifahrerin kein großes Talent zum
Karten­l esen hatte. Dank Navi ist das längst Vergangenheit – sie freut sich trotzdem darauf, dass ihr Auto
seinen Weg bald ganz alleine finden wird.
35
unique
mehr ich
wagen
M
Der Mensch ist, was er isst. Und was er
liest. Und was er hör t. Lauter gute Gründe,
sich seinen Lebensstil mit dem Lifest yle Konfigurator von Mercedes - Benz genauer
an­z u­s ehen. Dabei lernt man nicht nur viel
über sich selbst, sondern er fähr t auch,
welches Auto zum persönlichen Glück fehlt.
I l l u s t r at i o n e n Maren Esdar
Illustr ation Julia Pelzer (1)
T E X T Su sanne Kaloff
36
an braucht drei Dinge, um elegant durchs
Leben zu kommen. Erstens: Courage.
Zweitens: ein Mantra. Und drittens: einen
fahrbaren Untersatz. Letzterer besteht bei mir
aus einem hellblauen Fahrrad, dessen Bremsen
gefährlich marode sind, sowie aus einem beinahe zwanzig Jahre alten
Kleinwagen, den mir mein Ex-Mann schenkte – was man mir ein wenig
und dem Wagen massiv ansieht. Neulich regnete es rein, seitdem habe
ich einen Schimmelschaden. Davon abgesehen, bin ich vermutlich die
einzige Frau in ganz Deutschland, die noch einen Kassettenrekorder im
Auto hat. Damit höre ich stets indische Mantren. Mein neuestes Mantra
aber lautet: „Das Beste oder nichts.“ Der Spruch ist nicht von mir, sondern
von Mercedes-Benz. Ich habe ihn entdeckt, als ich den Lifestyle-Kon­
figurator ausprobiert habe (lifestyleconfigurator.mercedes-benz.com).
Er soll einem zur Seite stehen bei der schweren Entscheidung, welcher
Fahrzeugtyp zu einem passt und von welchem man eher die Finger lassen sollte. Ich wünschte, es gäbe so einen Konfigurator auch für andere
Lebensbereiche, dann wüsste ich vielleicht allmählich, um welchen
Männertyp ich besser einen Bogen mache.
Aber zurück zum Auto. Der Konfigurator funktioniert wie eine
Bildergalerie, durch die man sich klickt. Am Ende bekommt man die
Fahrzeugmodelle angezeigt, die am besten zur eigenen Persönlichkeit
passen. Kaum bin ich auf der Homepage, werde ich an die Hand genommen: „Lassen Sie uns an Ihrem Lebensstil teilhaben.“ Okay, mit
welchem Themenbereich starten? Musik, Literaturgeschmack, Mobilität, Reiseziele, Architektur? Ich wähle Musik und darf eine Stilrichtung
aussuchen, Mehrfachnennungen sind möglich. Kurz überlege ich, ob
ich Country wählen soll, weil ich Johnny Cash liebe. Dass Country in
derselben Rubrik wie Volksmusik steht, hält mich aber davon ab. Was,
wenn man mir ein total unpassendes Auto empfiehlt, weil der Konfigurator annimmt, ich stünde auf Florian Silbereisen? Dann lieber Pop und
Alternative. Daraufhin werde ich unterbrochen von der Aufforderung
„Fahrzeugtyp wählen“ und „Budget festlegen“. Huch: Coupés, Roadster
Cabrio, SUV … So viele Modelle überfordern mich, also entscheide ich
mich für „Alle“ und lege 40.000 Euro fest. Nicht dass ich die unterm
Kopfkissen liegen hätte, aber Träumen ist ja kostenlos.
Es folgen Fragen zum Architekturgeschmack. Barock, moderne
Architektur, Bauhaus oder Fachwerk? Um nicht doch in die
Volksmusiksparte abzurutschen, meide ich Fachwerk
und klicke selbstverständlich Bauhaus und moderne Architektur an. Meine Literaturvorlieben sind
als nächstes dran. Ich wähle Belletristik und lasse
Lifestyle-Magazine unter den Tisch fallen, auch
wenn das ein wenig geschummelt ist. Aber bei den
Psychotests in Frauenzeitschriften funktoniert das ja
auch immer: Spätestens nach der zweiten Frage weiß man,
was man ankreuzen muss, um am Ende als coole Socke dazustehen.
Wäre das hier nicht endlich der Moment, damit aufzuhören, eine andere
sein zu wollen als die, die man ist? Schließlich lautet der Grundgedanke
des Konfigurators: Wer ehrlich antwortet, bekommt vielleicht nicht das
Auto vorgeschlagen, das am besten zu seinem Selbstbild passt, aber
der konfigurator
hat einige fragen auf
dem techni schen
herzen – so i st da s eben,
wenn man jemanden
kennenlernen möchte
dafür den Wagen, der seinen Lebensumständen entspricht. Ich gehe
einen Schritt zurück und klicke doch noch die Lifestyle-Magazine an.
Ob es einen Unterschied macht? Keine Ahnung. Also weiter.
Bei den Lieblingsstädten kommt für mich nur eine Nennung infrage: New York City! Man braucht kein Psychologiestudium, um zu ahnen,
dass der Big Apple mehr Freiheit und Abenteuer verspricht als ein
Kombi mit viel Stauraum. Da ich kein Kleinkind habe und keine Familie
herumkutschieren muss, entspricht diese Auswahl der Wahrheit. Mein
Reiseverhalten. Och, Wellness-Reise klingt doch super und Strandurlaub auch. Reiseziele folgen, und dann will der Konfigurator noch
wissen, auf welche Uhren ich stehe. Auf gar keine, ich gucke immer
nur auf mein Handy. Bei der Sportfrage gibt es zwar Golf, Fußball und
Motorsport, aber ich vermisse Yoga, weswegen ich mich auch hier für
keine Nennung entscheide. Pizza, Pasta oder lieber asiatisch? Welches
Haustier? Ihr Einrichtungsstil? Der Konfigurator hat einige Fragen auf
dem technischen Herzen, aber so ist das nun mal, wenn man jemanden
wirklich kennenlernen möchte, nicht wahr? Je weiter ich klicke, desto
mehr begreife ich, dass man hier vor allem einem Menschen näherkommt: sich selbst.
Nach wenigen Minuten und Klicks ist es soweit: „Eines dieser Fahrzeuge könnte Ihr Wunschfahrzeug sein!“ Gegen das C-Klasse Coupé
(ob es an den Lifestyle-Magazinen lag?) hätte ich nichts einzuwenden.
Plötzlich erscheint ein Button: „Fahrzeug konfigurieren und mitnehmen.“
Mitnehmen, habe ich das richtig verstanden? Ach, vielleicht brauche ich
doch noch ein viertes Ding, um rasant, schick und sicher durchs Leben
zu kommen: genau 35.581 Euro.
Susanne Kaloff fährt selbst bei Wind und Wetter mit dem Rad
durch ihre Heimatstadt Hamburg – was auch an ihrem
wenig luxuriösen, aber stets treuen Kleinwagen liegt. Seit
sie den Lifestyle-Konfigurator ausprobiert hat, spielt sie
mit dem Gedanken, auf ein C-Klasse Coupé zu sparen statt
auf die Rockstud Heels von Valentino.
37
Ausnahmeerscheinung
Schwarz-Weiß-Denken mag
Beatrix Ost nicht. Es sei denn, es
kommt so kunstvoll daher wie
dieser Kimono, den sie vor 15 ­Jahren
an der Chinesischen Mauer erstand.
c r e at i v e
„kunst und ich
sind untrennbar“
Malerin, Schrif tstellerin, Designerin, Stil - Ikone: Mit 76 Jahren zählt Beatrix Ost
zu New Yorks vielseitigsten und spannendsten Persönlichkeiten. Wie sie es so weit gebracht
hat, verraten ein Besuch in ihrem Zuhause und ihre persönlichen Lebensregeln.
TE X T M a n u e l a I m r e
F O T O S Hadley Hud son
Ausge zeichne te Idee
Den Wohnzimmerteppich entwarf Ost. Als Vorlage diente
eine Seite aus ihrem Notizbuch.
B
eatrix Ost schnippt ein paar Krümel vom Glastisch, steht
auf und greift zum Besen. „Die Reste einer kleinen Party
gestern Abend“, schmunzelt sie, während Staub auf eine
Kehrschaufel wandert. Dann zupft sie ihre violetten Overknee-Stiefel zurecht, glättet den eng anliegenden Lederrock und drapiert ihre schlanke Silhouette auf dem gelben Ledersofa:
„Sorry, mein Herz, wo waren wir stehen geblieben? Bei meiner Kunst?“
Mit beinahe entschuldigendem Unterton deutet die 76-Jährige auf
Werke, die ringsum stehen, hängen und liegen: „Schau dich ruhig um.“
Die lichtdurchflutete Wohnung an der Upper West Side, in der die
Künstlerin mit ihrem Ehemann, dem Unternehmer Ludwig Kuttner,
lebt, ist eine Mischung aus Galerie und Kirche. Eine hohe Empore und
dunkle Holzbalken geben dem Raum fast sakrale Tiefe. Trotzdem ist das
Ost-Reich gemütlich und einladend. Ihre großen Gemälde schmücken
die Wände. Das Fensterbrett wird von einer Büstenserie aus Wachs
bevölkert, dazwischen Skulpturen, Schmuck, Teppiche und selbst entworfene Möbel. „Kunst und ich sind untrennbar“, erklärt Ost. „Sie zieht
sich durch alles, was ich tue.“ Gerade hat die Frau, deren Arbeiten in
Galerien und Museen ausgestellt werden, einen Interview-Band, den
zweiten Roman über ihre Familie und ein Friedensprojekt mit Künstlern aus Laos in der Mache. Zwischendurch steht sie für Interior- und
Mode­shootings vor der Kamera und genießt den Status einer Stil-Ikone.
1
g e fü hlt e G es c hi c h t e
„Schmuck muss kein Vermögen kosten. Der emotionale Wert
zählt. An einem meiner Finger steckt immer ein Ring von Theodor
Fahrner, der Anfang des 20. Jahrhunderts wunderschöne Steine
eingefasst hat. Sein Stil erinnert mich an meine Großmutter.“
39
2
l e b e n s­
künstlerin
Auf dem ­G emälde
„Vorführung“ (im
Hintergrund) hat
Ost ihre Überzeugung ­festgehalten,
dass das Leben
manchmal einem
Zirkus gleicht.
5
c r e at i v e
4
n at u rS c h ö nhe it
3
Ro m a nfi g u r
„Kreative machen viel Aufhebens
um Inspiration. Dabei findet man
sie überall, wenn man offen ist.
Die beiden Bücher über meine
Familie habe ich in Kaffeehäusern
in Venedig geschrieben. Alles
um mich herum ist Inspiration.“
„Bei Kosmetik achte ich auf den
Inhalt, Cremes kaufe ich in der
Apotheke. Abends wasche ich
mein Gesicht mit ­K amillen­w asser.
Als Energie - Kick lege ich
Gurkenscheiben auf. Da bin
ich Nachkriegskind geblieben.“
ko n t r as t pro g r a mm
„Wer so blass ist wie ich, sollte Mut zur Farbe beweisen.
Deshalb färbe ich meine Haare seit gut zehn Jahren
blau. Auf die Idee brachten mich Punks, die ich an einer
Straßenecke sitzen sah. Sie verrieten mir auch gleich,
wo man in New York die beste Farbe bekommt: bei ‚Manic
Panic‘ am St. Mark’s Place im East Village.“
s ozia le a d e r
„Man ist nie zu alt, um etwas Neues
zu lernen. Als ich mich 2014 bei Instagram anmeldete (instagram.com/
beatrixost), hatte ich keine Ahnung
davon. Heute komme ich auf 25.000
Follower und kann kaum glauben, wie
sehr mich Social Media begeistert.“
„Manchmal bin ich mir selbst ein bisschen zu viel“, sinniert Ost, deren
Ideenreichtum ihr die harte Kindheit nach dem Krieg erleichterte. 1940
in Stuttgart geboren, wuchs sie als jüngstes von drei Geschwistern in
München auf. Der Vater war studierter Landwirt und Großgrundbesitzer, die Mutter ermutigte die Kinder zu Eigenständigkeit und Genügsamkeit. „Viel gab es damals nicht“, erinnert sich Ost, „aber irgendwie
ging es immer weiter.“ Diese Erfahrung hat sie geprägt. Als vor ein
paar Jahren ihr Wochenendhaus im idyllischen Örtchen Hudson, zwei
Stunden außerhalb von New York, mit Kunst, alten Fotos, Briefen und
Familienschmuck niederbrannte, war sie traurig, aber nicht am Boden
zerstört: „Das sind bloß Gegenstände. Sie loszulassen, war im Rückblick
sogar eine Erleichterung.“
Wichtiger als die Vergangenheit ist Beatrix Ost das Hier und Jetzt.
Ihre Ehe, die drei Söhne und neun Enkel bilden die Basis ihres Schaffens. 1975 zog das Paar mit den Kindern aus purer Abenteuerlust nach
New York. „Die Stadt war bankrott und am Tiefpunkt. Es war hart, aber
aufregend“, erinnert sich Ost mit einem Funkeln in den hellblauen
Augen, wenn sie von der damals rohen Kunstszene erzählt. „Außerdem
wollte ich immer eine City-Lady sein.“ Heute verbringen sie und ihr
Mann die Hälfte der Zeit im gemeinsamen Landhaus in Virginia, „ein
wunderbar wildes Paradies“. Doch Kunst, Bücher und Design haben
auch dort die Oberhand – natürlich.
Genau wie Kunst sind Stil und Eleganz fester Bestandteil von Osts
Welt. Für ihren Look wird sie auf Blogs und in Magazinen gefeiert.
Doch es gehe ihr weniger um Aufmerksamkeit – „auch wenn die zugegebenermaßen schön ist“ – als um den Spaß an schönen Stoffen,
Hüten und Schuhen: „Nicht mal vor der Leinwand bin ich schlampig
angezogen. Und ich trage immer Lippenstift.“ Auch heute. Dunkles
Bordeauxrot schimmert auf ihren Lippen, eine ihrer Lieblingsfarben.
Beatrix Ost weiß, was ihr steht und worin sie sich wohl fühlt. Letzteres
B ILDNI S
einer Dame
Der Künstler
John Owen, mit
dem Ost befreundet
ist, verewigte
sie auf einem
Majorelle-Stuhl.
40
Wa hlme t h o d e
„Bei wichtigen Entscheidungen
sollte man tief in sich gehen.
Andere machen Pro - und
Kontra- Listen, ich vertraue
meinem Pendel. So fanden wir
unser Haus in Virginia. Über
einer Karte der Ostküste
stoppte das Pendel genau dort,
wo wir heute leben.“
Illustration Julia Pelzer
ist ihr wichtig, deshalb auch ihr Motto „In your body is a good place
to be – Dein Körper ist gut so, wie er ist“. Der Satz ist nicht nur in die
schwarz-weißen Kacheln über ihrer New Yorker Badewanne eingelassen, sie fügt ihn auch jeder E-Mail an. Die positive Einstellung sei ihr
Erfolgsrezept: „Selbst in Schlechtem findet sich oft ein guter Ansatz.“
Wie 2014, als zum zweiten Mal Hautkrebs bei ihr diagnostiziert
wurde. Nach der OP klaffte auf ihrer Stirn eine große Wunde. „Lass dir
was einfallen, sonst verklage ich dich“, empfing Beatrix Ost den Chirurgen. „Ein Witz“, erklärt sie lachend. Noch heute amüsiert sie sich
über den schockierten Gesichtsausdruck des Arztes. Seither zieht sich
eine gezackte Narbe über ihre Stirn. Statt den Blitz zu verbergen, ließ
Ost ihn blassblau tätowieren. Der Makel wurde zu ihrem ganz eigenen Schönheitssymbol, das Stärke und Einzigartigkeit ausstrahlt. Ost
klatscht in die Hände: „Und ich liebe es.“
Manuela Imre fühlte sich im antiken Aufzug des „Hotel des
Artistes“ in längst vergangene Zeiten zurückversetzt. Ein Liftboy brachte das scheppernde Gefährt in Bewegung, die ­R eise
in den neunten Stock dauerte fast länger, als der Fußweg über
die T
­ reppe. Ost beruhigte sie: „Zum Glück bleibt er selten
stecken. Und wenn doch, dann ist man zumindest nicht allein.“
6
die kunst des
großen auftritts
beherrscht sie
perfekt: stil
und eleganz sind
fester bestandteil
von osts welt
E i n e S - K l a ss e f ü r s i c h
Vor dem „Hotel des Artistes“ ,
das 1917 für New Yorker
Kreative erbaut wurde und in
dem die Künstlerin lebt.
41
i m pr e ssu m
isnu c
Bc
a el s
a snfcue l
H e r au s g e b e r
zu sein, ohne darüber den Partner, den Chef, die Freunde, die WorkLife-Balance und sich selbst zu vergessen. Einer Forsa-Studie aus dem
vergangenen Jahr zufolge geben denn auch 67 Prozent der befragten
Mütter an, Eile, Hetze und Zeitdruck gehörten für sie zum Alltag.
Warum es nicht nur Müttern, sondern jeder und jedem so schwer
fällt, Geduld aufzubringen, ist leicht zu beantworten: weil wir freie
Lebewesen sind, Menschen, die es gewohnt sind, dem Leben das
Tempo vorzugeben. Wir haben längst
vergessen, dass es vor nicht einmal einer Generation verrückt gewesen wäre,
jemandem, der 500 Kilometer entfernt
lebt, ein Foto zu zeigen. Heute schicken
wir eine E-Mail oder skypen. Das
banale Vorhaben, die richtigen Schuhe
zu finden, war früher damit verbunden,
einen Tag lang zehn verschiedene Läden abzuklappern. Heute bestellt man
sich das perfekte Paar online in der
Mittagspause. Daran kann man sich so
schnell gewöhnen, dass man erwartet,
es müsse immer und überall funktionieren. Tut es aber nicht. Deswegen hilft es nur bedingt, sich mit all den Zeitmanagement-Methoden
vertraut zu machen, die suggerieren, man könnte alles in den Griff
bekommen, wenn man nur vernünftig plant und strukturiert.
Robert Musil schrieb 21 Jahre an seinem Roman „Der Mann ohne
Eigenschaften“, ohne ihn je zu vollenden. Karl Ove Knausgård brauchte
für seinen sechsbändigen Romanzyklus „Min Kamp 1-6“ gerade mal
drei Jahre. Lerntheoretiker sagen, dass man etwa 10.000 Stunden üben
muss, um etwas wirklich gut zu können. Wer öfter im Auto unterwegs ist,
macht die Erfahrung, dass ein Stau sich nicht auflöst, wenn man fluchend
aufs Lenkrad trommelt. Und Eltern wissen, dass sie sich auf das Tempo
ihrer Kinder einstellen müssen, sie haben gar keine andere Wahl.
Die Beispiele beweisen: Jeder ist in der Lage, angemessen mit seiner Zeit umzugehen. „Dieses Bild vom Menschen als Opfer des von ihm
geschaffenen Tempos geht davon aus, dass wir nicht anders können“,
schreibt der Autor Wolf Lotter. „Die Frage ist aber eine andere: Wo ist
Geschwindigkeit gut, wo schadet sie? Es geht um das richtige Maß –
und das ist keine moralische Frage.“ Gutes Zeitmanagement bestünde
darin, das eigene Tempo zu finden und zwar immer wieder neu.
Beim Autofahren fällt uns das ja auch ganz leicht: In scharfen
Kurven, bei steilen Anstiegen oder Sturmböen schalten wir automatisch einen Gang runter, dafür geben wir auf freier Strecke ordentlich
Gas. Hat man an einem schönen Sommernachmittag nichts Wichtigeres
zu tun, hält man an und holt die Picknickdecke heraus. Bewegt sich
der Stau keinen Zentimeter weiter, sucht man sich einen Radiosender, der richtig rockt, und schaut aus dem Fenster. Gut möglich, dass
draußen gerade ein Glühwürmchen vorbeifliegt. Und man müsste
noch nicht einmal Ausschau danach halten.
Daimler AG · Mercedesstraße 137 · D-70327 Stuttgart
P o s ta n s c h r i f t
Daimler AG · HPC 0946 · D-70546 Stuttgart
V e r a n t w o r t l i c h f ü r d e n H e r au s g e b e r
Ulrich Löchner, Dr. Denise Heinermann-Bieler
P u b l i c ati o n s M a n ag e r
Christian Hirtz
das problem ist
nicht das
tempo un ser e s
leben s, sondern
unser umgang
mit der
geschwindigkeit
rasender stillstand
Je schneller, desto besser – an diese Formel haben wir uns gewöhnt. Doch das Leben
folg t eigenen Geset zmäßigkeiten. Und die halten sich weder an Beschleunigungs - Propheten
noch an Entschleunigungs - Gurus. Höchste Zeit, dass wir die Uhr nach uns selbst stellen.
I l l u St r a ti o n C l a u d i a K l e i n
D
ie amerikanische Schriftstellerin Anna Quindlen hat
einmal einen rührenden Text geschrieben, darin geht
es im Grunde nicht um viel. Sie steht mit ihrem Sohn
am Fenster, ein paar Glühwürmchen tauchen auf,
das Kind ist verzaubert. Darauf erzählt Quindlen von
ihrer eigenen Kindheit, vom Klingeln des Eiswagens und endlosen
Sommertagen. Und plötzlich geht es um alles, um den Wert kleiner
Momente und um die Angst, das wirklich Wichtige zu verpassen, weil
das Leben so irre schnell vorbeirauscht. Es ist ein Stoßseufzer, den
man gut mit­seufzen kann. Man kennt diese Angst aus dem eigenen
Leben, das viel zu oft einem Ultramarathon ähnelt. Irgendetwas ist
immer: die Präsentation, der Elternabend, die Party. Wie gerne würde man einmal kurz anhalten und durchatmen können. Bis einem
einfällt, dass man es wahrscheinlich keine halbe Stunde aushalten
würde, am Fenster zu stehen und auf Glühwürmchen zu warten.
Der moderne Mensch hält sein eigenes Tempo nicht aus, weder den
erschöpfenden Wahnsinns-Speed des Alltags noch die Vollbremsung,
die er sich als Gegenmittel verschreibt. Weil wir uns so sehr daran
gewöhnt haben, effektiv zu sein, muss sogar das Entschleunigen möglichst schnell gehen. Gelassenheit soll sich nach einem Power-YogaWorkshop einstellen und innere Ruhe nach einem freien Wochenende.
Das Problem ist gar nicht so sehr das Tempo unseres Lebens, denn so
wie „langsam“ nicht per se gut ist, ist „schnell“ nicht per se schlecht.
Das Problem ist unser Umgang mit der Geschwindigkeit.
Bei Stress vertrauen wir selten darauf, dass es sich schon wieder
legen wird. Stattdessen machen wir daraus ein Krankheitssymptom
unserer digitalisierten Welt. Lässt etwas dann zur Abwechslung mal
auf sich warten – ein Rückruf, der nächste Auftrag, die Inspiration –
zweifeln wir, ob es jemals kommen wird. Dabei brauchen die wirklich
wichtigen Dinge oft Zeit, und Zeit hat nur, wer sie sich nimmt. Doch
die To-do-Liste wird schließlich nicht von alleine kürzer, vor allem
in jener Phase, die der Soziologe Hans Bertram als „Rushhour des
Lebens“ bezeichnet. Gerade in den Jahren zwischen 30 und 40 soll man
im Beruf den entscheidenden Schritt nach oben machen. Im Privatleben muss die Frage nach der Familienplanung geklärt werden.
Hat man dann Kinder, steht man vor der Aufgabe, eine gute Mutter
42
Illustration Julia Pelzer
T E X T Okka Rohd
Ko n z e pti o n u n d R e da kti o n
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Chefredaktion Philip Reichardt ( V.i.S.d.P.),
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Managing Editor & CvD Tobias Nebl
Textchefin Marija Latkovic
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Bildredaktion Nina Banneyer, Birgit Biechele
Schlussredaktion Edda Benedikt
Schlussgrafik Stephanie Karraß
Redaktionelle Mitarbeit Jenny Buchholz,
Jenny Hoch, Manuela Imre, Susanne Kaloff,
Kirsten Milhahn, Stephanie Pieper,
Okka Rohd, Anja Rützel
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bestem Wissen, aber ohne Gewähr.
Dieses Druckerzeugnis ist auf FSC®-zertifiziertem Papier gedruckt
Okka Rohd neigt zu Ungeduld. Wenn ihr das Leben mal
wieder zu schnell wird, zieht sie sich in ihre Küche zurück
und backt. Oder sie schreibt auf ihrem Blog, das passen­
derweise „Slomo“ heißt (okkarohd.blogspot.de).
43
successful
successful
ein neues
gesicht
für kenia
Seit Generationen werden Frauen in dem ostafrikanischen Land wie Menschen
z weiter Klasse behandelt. Das Laureus - Projekt „Moving the Goalposts“
will das ändern. Doch Geschäftsführerin Rachel Muthoga reicht es nicht, aus
benachteiligten Mädchen von heute selbstbewusste Frauen von morgen zu
machen. Auch in den Köpfen des anderen Geschlechts soll sich etwas bewegen.
S e lt e n e r A n b l i c k
Rachel Muthoga schaut ungern zurück –
wäre ja auch hinderlich bei ihrem
Vorhaben, kenianischen Mädchen eine
bessere Zukunft zu schenken.
T E X T Kirsten Milhahn
F O T O S Anne Ackermann
45
successful
successful
Mit Köpfchen
und können
Vor dem Fußballtraining
spielt sich die 17-jährige
Salaama unter einem
Mangobaum am Rande
des Spielfelds warm.
schicke kleider trägt
rachel muthoga noch immer.
ihre hi gh h eel s h at die
anwält in f ür f rau enr echte
für „moving the
goalposts“ abgeleg t
einer der ärmsten Gegenden des Landes Mädchen zu selbstbewussten
Frauen aufzubauen: Frauen, die für ihre freie Meinung einstehen, die
später mal Verantwortung übernehmen und vielleicht in Führungsriegen aufsteigen. Fußball ist dafür das Mittel zum Zweck.
Was für eine absurde Idee! Freunde und Familie hätten 2013 den
Kopf geschüttelt, erzählt Muthoga. Sie, die ihren Universitätsabschluss
in Nairobi und Washington, D.C., mit Bravour absolvierte, vergeude im
Hinterland mit Mädchenfußball ihr Leben und ihre Karriere. „Sie konn­
ten nicht verstehen, dass ich meinen gut bezahlten Job als Anwältin
für Frauenrechte in Nairobi an den Nagel hänge. Aber für mich war
das Projekt in Kilifi Traumjob und Befreiung zugleich.“ In der Haupt­
stadt habe sie den ganzen Tag in schicken Kleidern und High Heels im
Büro gesessen, sich mit Behörden gestritten, auf Konferenzen referiert,
in teuren Hotels übernachtet – weit weg vom eigentlichen Problem.
„Ich musste das Thema ‚Frauenrechte in Kenia‘ an der Quelle anpacken.
Also habe ich meine Koffer gepackt und bin in die Provinz gezogen.“
Für ihr Engagement bei „Moving the Goalposts“ wurde Rachel
Muthoga im vergangenen Jahr von „Business Daily“ – einer der größten
Zeitungen des Landes – aus fast 400 Kandidatinnen zu Kenias „Top 40
Under 40 Women“ gekürt. Der Preis geht an Frauen, die Herausragen­
des für die Gesellschaft leisten. So ungewöhnlich wie Muthoga ist auch
das Projekt, das sie verantwortet. Um den Gedanken hinter „Moving the
Goalposts“, was auf Deutsch so viel heißt wie „Die Spielregeln ändern“,
zu verstehen, müsse man tiefer in die Traditionen und Widersprüche der
Region eindringen, erklärt Muthoga. Während in vielen afrikanischen
Großstädten wie Nairobi eine neue Mittelschicht von gut ausgebildeten,
jungen Leuten mit lukrativen Jobs wächst, bleiben die ländlichen Regionen auf der Strecke, vor allem an der Küste. Viele Menschen hier sind
so arm, dass sie weder Geld noch Besitz haben.
„Ich kenne keinen Distrikt in ganz Kenia, in dem die Gegensätze
zwischen Arm und Reich größer sind als in Kilifi“, sagt Rachel Muthoga.
„Es ist buchstäblich nur die Küstenstraße, die millionenschwere Villen­
grundstücke ausländischer Investoren und Luxushotels für Touristen
von den Lehmhütten-Vierteln trennt.“ Entlang der Küstenstraße schlep­
pen Frauen und Mädchen bis zu 50 Kilogramm schwere Feuerholzbündel
nach Hause. Ihr Platz ist im Heim und am Herd. Sie bekommen Kinder
D
ie Äquatorsonne brennt an diesem Nachmittag auf das
staubige Fußballfeld. Etwa hundert Mädchen und jun­
ge Frauen sitzen im Schatten knorriger Mangobäume
am Spielfeldrand. Stimmen und Gelächter hallen über
den Platz, auf dem sich die ersten Spielerinnen für
ein Freundschaftsmatch zwischen zwei Mädchenmannschaften warm
kicken. Manche tragen Turnhosen, die meisten spielen in Röcken, eini­
ge sogar mit Kopftuch und langer Kanga – dem traditionellen afrikani­
schen Tuchgewand, das sie um die schmalen Hüften geschlungen haben.
Bequem ist das nicht, doch mehr lassen Tradition und Rollenverständnis
hier in Kenias Küstenregion nicht zu. Etwas abseits am Spielfeldrand
hocken ein paar Jungen, die den Mädchen zuschauen und zwischen­
durch immer wieder lautstark das Spiel kommentieren.
Inmitten der Menge steht eine Frau in weißem Poloshirt und
schwarzer Hose. Sie trägt auffällig große Ohrringe und Make-up. Eine
Sonnenbrille steckt im kurz geschnittenen Haar. Mit verschränkten Ar­
men beobachtet sie die Spielerinnen auf dem Feld beim Aufwärmen. Hin
und wieder huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Dann gibt sie einigen
der jungen Frauen bei den Mangobäumen ein Handzeichen. Los geht’s.
Rachel Muthoga leitet seit fast drei Jahren das Sportprojekt
„Moving the Goalposts“ in Kilifi und Kwale an der Küste Kenias. Von
der Hauptstadt Nairobi zog die 35-Jährige in die Küstenprovinz, um in
46
Siegesl auf
Auf sandigem Untergrund
trainieren die Mädchen unter
erschwerten Bedingungen (l.).
Aber mit Erfolg: Das beweisen
die nationalen Pokale in
Rachel Muthogas Büro (u.).
47
successful
successful
es geht nicht nur ums
kicken. die mädchen lernen,
in der öf fentlichk eit zu
spr echen und sich selbst
zu organisieren
„Moving the Goalposts“ ist eines von über 150 Projekten, die die Laureus
Sport for Good Foundation in 35 Ländern unterstützt. Seit der Stiftungsgründung
im Jahr 2000 fördert Mercedes- Benz die Ziele und Werte dieses weltweit
gemeinnützigen Programms: mit sozialen Sportprojekten das Leben von
benachteiligten oder kranken Kindern und Jugendlichen zu verbessern.
Laureus wurde zu einem grundlegenden Bestandteil der gesellschaftlichen
Verantwortung von Mercedes- Benz. l a u r e u s . d e
Illustration Julia Pelzer
offen für den wandel
Irene Mambo (ganz o.) leitet das
Büro von „Moving the Goalposts“
in Kilifi. Das Programm will
Mädchen mehr Selbstbewusstsein
ver­l eihen, vor allem jenen, die im
Armenviertel der Stadt leben (o.). Bei
einem Vortrag (r.) lernen sie zum
Beispiel, wie man sich fair durchsetzt.
48
und kümmern sich um den Ehemann. „Bei öffentlichen Versammlungen
sitzen die Frauen auf dem Boden, ihre Männer nehmen auf Stühlen
Platz“, erklärt Muthoga. Rechte hätten die Frauen kaum, Bildung erhiel­
ten die wenigsten. In Söhne würden Familien investieren, die Töchter
aber gingen oft leer aus. Tatsächlich werden viele als Teenager ver­
heiratet und bekommen mit 15 oder 16 Jahren ihr erstes Kind.
„Moving the Goalposts“ rüttelt an diesen scheinbar unumstöß­
lichen Grundfesten. „Mädchen sollen lernen, dass sie in ihrem von
Männern dominierten Alltag gleiche Rechte und Chancen haben“,
beschreibt Muthoga das Ziel. Und wie bringt man das den Männern
bei? „Indem man in ihre Welt einbricht. Am besten dort, wo es sie im
Innersten trifft.“ In Kenia heißt das: beim Fußball. Kenianer lieben
englische Vereine wie Manchester United oder Arsenal London. Auch
Bayern München steht hoch im Kurs. „Mädchenfußball war das Letzte,
was sich die Leute in Kilifi vorstellen konnten“, erinnert sich Rachel
Muthoga. „In den Dörfern haben sie sich erst aufgeregt, dann über uns
geredet und schließlich mitgemacht. Mit Hand- oder Volleyball wären
wir gescheitert. Durch Fußball haben wir die Welt der Männer aufge­
mischt.“ Das Spiel sei eine Metapher für das Patriarchale dieser Gesell­
schaft, der Bolzplatz für seine Bastion. „Vor einigen Jahren traute sich
keine Frau freiwillig in ein Dorfstadion. Heute kicken sie dort.“
Mehr als 5.000 Mädchen in Hunderten Teams spielen inzwischen
aktiv Fußball in der Region um Kilifi und Kwale. Finanziert wird das
Projekt auch von der „Laureus“-Foundation, die in weltweit 35 Ländern
Kinder- und Jugendliche durch Sport fördert. Doch „Moving the Goal­
posts“ geht es nicht nur ums Kicken. In Trainings- und Bildungspro­
grammen lernen die Mädchen, sich selbst zu organisieren. Aus ehema­
ligen Spielerinnen sind inzwischen Coaches geworden, die die Jüngeren
unterrichten. Auch das Programm vor jedem Match dient nicht bloß dem
Warmmachen. In kleinen Gruppen organisieren die Trainerinnen Ge­
meinschaftsspiele mit ernsthaftem Hintergrund. So sollen die Mädchen
auf spielerische Weise lernen, was ihnen sonst niemand beibringt: etwa
was mit ihrem Körper passiert, wenn sie erwachsen werden; wie man
sich vor einer Schwangerschaft schützt; aber auch was es bedeutet, sich
in ein Team einzugliedern oder in der Öffentlichkeit zu sprechen.
„Wir haben Frauen im Projekt, die früher kein Wort vor anderen
rausgebracht haben. Heute leiten sie ganze Teams“, berichtet Rachel
Muthoga. Eine dieser Frauen ist Purity Kiponda. Von „Moving the
Goalposts“ erfuhr sie durch Schulfreundinnen. „Eigentlich wollte ich nur
Fußball spielen“, sagt die 22-Jährige. „Ich hätte nicht gedacht, dass mich
das mal so weit bringt.“ Seit sechs Jahren spielt sie aktiv, studiert in­
zwischen Kunsterziehung an der Universität von Kilifi und unterrichtet
als Ausbilderin nebenbei die Jüngsten im Projekt.
Anders, aber gut
Nach dem Training der Staff-Mannschaft schlüpft
eine Angestellte in ihre Sandalen (ganz o.). Unterstützt
wird das Team in Kilifi von Kevin Anyango, der bei
„Laureus“ die Vergabe von Fördergeldern überwacht.
Bei einem Freundschaftsspiel überzeugt er sich
vom Erfolg des Projekts (o. Mitte). Dort, wo heute das
Hauptquartier steht, wurde früher Sisal angebaut.
Auf die Frage, was die Jungs in Kilifi davon hielten, dass sie sich den
Fußballplatz nun mit Mädchen teilen und ob junge Männer in diesem
Teil Kenias ihre Frauen irgendwann als Partnerinnen auf Augenhöhe
akzeptieren, antwortet Rachel Muthoga: „Ob in Röcken oder Turnhosen – sie spielen. Das allein grenzt schon an ein Wunder.“ Dann
deutet sie auf die Mädchengruppen im Schatten der alten Mangobäume,
von denen nun auch die letzten mit ihrem Aufwärmprogramm für
das Freundschaftsspiel beginnen. Die Jungs vom Spielfeldrand haben
sich darunter gemischt: Einige Mädchen haben ihre jüngeren Brüder
mitgebracht. Während die Trainerinnen Aufstellung nehmen lassen,
macht sich im hinteren Teil des Platzes gerade ein Männerteam warm.
Rachel Muthoga lacht: „Ist doch ein guter Anfang, finden Sie nicht?“
Kirsten Milhahn konnte Rachel Muthogas Entscheidung
für Kilifi als Befreiungsschritt gut nachvollziehen. Erst vor
Kurzem hat sie selbst ihre Stelle als Redakteurin in einem
Hamburger Verlagshaus gekündigt, um von Kenia aus
als freie Korrespondentin für deutsche Medien zu arbeiten.
49
unique
Lässig Bleiben
Wenn Daniela Snyders
genug Sponsoren findet,
nimmt sie wieder an
einer Wüstenrallye teil.
Bis dahin muss der Helm
der 37-Jährigen warten.
Women Behind Mercedes
daniela
snyders
A
utos faszinieren mich, seit ich denken kann. Meine Kindheit
habe ich praktisch zwischen Reifenstapeln und Hebebühnen
in der Werkstatt meines Onkels verbracht. Mein Vater arbeitete
ebenfalls in der Automobilbranche. Selbst etwas mit Autos zu machen,
war mein Traum und mein Job bei Daimler so gesehen doppeltes Glück.
Vor vier Jahren schrieb der Konzern intern die Teilnahme an
der „Aïcha des Gazelles“ aus, der bekanntesten Frauen-Rallye der Welt.
Fast 200 Kolleginnen aus dem Unternehmen haben sich damals beworben. Am Ende durften nur vier nach Marokko. Eine davon war ich.
Zur Vorbereitung auf die 2.500 Kilometer, die man in neun Tagen
zurücklegt, habe ich mich unter anderem mit einem Mentaltrainer getroffen. Er hat mir Atemübungen und Akupressurpunkte gezeigt, die
beim Wachbleiben helfen und die Konzentration unterstützen. Während der Rallye muss man ja morgens um vier aufstehen und ist den
ganzen Tag unterwegs. Die „Aïcha des Gazelles“ ist nämlich keine
Speed-, sondern eine Orientierungs-Rallye: Das Team, das am Ende
die wenigsten Kilometer auf dem Tacho hat, gewinnt. Dabei darf man
aber weder GPS noch Fernglas oder sonstige moderne Hilfsmittel
nutzen. Erlaubt ist nur eine sechzig Jahre alte, schwarz-weiße Landkarte, die man von den Organisatoren bekommt, außerdem Lineal,
Bleistift und Kompass. Morgens wurde uns beim Briefing die Strecke beschrieben und der erste Navigationspunkt genannt, den wir ansteuern
mussten, dann ging es los. Gleich am ersten Tag hatten meine Navigatorin und ich Pech. Wir waren mit einem Mercedes „Vito“ in der CrossoverKategorie unterwegs, bekamen aber versehentlich die Daten für die Allrounder genannt. Diese Strecke führte über ­schroffe Felsen. Dafür war
unser Wagen nicht gemacht; wir verpassten wichtige Checkpoints. In
der Gesamtwertung reichte es am Ende nur für den ­f ünften Platz. Aber
das war meiner Navigatorin und mir gar nicht mehr so wichtig. Was viel
mehr zählte, war der Zusammenhalt unter den Teams. Einmal fuhren
wir durch eine dieser typischen Mondlandschaften, plötzlich tauchte vor
uns ein Team mit Panne auf. Als wir anhielten, um zu helfen, stellte sich
raus, dass sie ein Loch im Differenzial hatten und nicht weiter konnten.
Ein Bekannter, der oft in Marokko unterwegs ist, hatte mir vor der Rallye
geraten, im Wagen ein Stück Seife mitzunehmen. Wenn man Späne abschabt und sie mit ein wenig Wasser mischt, entsteht ein klebrige Masse,
die provisorisch jedes Loch am Auto stopft. Ich hatte seinen Rat befolgt.
So kamen die Französinnen bis zum nächsten Checkpoint.
Ohne Improvisationstalent ist man bei dieser Rallye aufgeschmissen.
Man braucht gute Nerven. Und Abenteuerlust. Ich würde jederzeit
wieder bei der „Aïcha“ mitfahren. Am liebsten in einem Geländewagen
von Mercedes, mit dem ich auch hohe Dünen fahren kann. Wenn man
einmal bei so einer Rallye dabei war, lässt einen das nicht mehr los. Die
Wüste brennt sich in dein Herz.
50
text marija l atkovic Foto Nada Lot termann & Vanessa Fuentes
Über 40.000 Frauen arbeiten für die
Daimler AG. Wir fragen, was sie
jenseits der Arbeit beweg t. Diesmal
Daniela Snyders, Business Develop ment smar t, die bei einer Rallye
ihr Her z an die Wüste verloren hat.
Sheʼs successful.
Sheʼs unique.
Sheʼs Mercedes.
Hat Sie diese Ausgabe von She’s Mercedes neugierig gemacht auf mehr?
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eine Plattform zum Austausch bietet! Scannen Sie den QR-Code mit Ihrem
Smartphone und registrieren Sie sich in der She’s Mercedes Lounge.
Die neue E-Klasse.
Masterpiece of Intelligence.
MB_AZ_215x280_E-Klasse_Shes_Mercedes_DE_RZ.indd 1
26.02.16 13:09

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