verfahren und Regulationsmedizin

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verfahren und Regulationsmedizin
H 7775
Ärztezeitschrift für
Naturheilverfahren
und Regulationsmedizin
Schwerpunktthemen dieses Heftes:
■ Platina: Das Mittel des kalten, glänzenden Narzissmus
■ Pflanzliche Nahrungsmittel für Patienten mit Arthrose
■ Synopsis – neue Wege in der orthopädischen
Schmerz- und Entstörungsbehandlung
ZAEN
Zentralverband
Zentralverband der
der Ärzte
Ärzte für
für NaturheilNaturheilverfahren
verfahren und
und Regulationsmedizin
Regulationsmedizin
10
Oktober 2006
47. Jahrgang
ISSN 1614-8339
This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica.
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Vizevorsitzender
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Regulationsmedizin
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Moderne Naturheilverfahren
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Klassische Naturheilverfahren
Dr. med. M. Adler, Siegen-Geisweid
Homöopathie
Dr. med. M. Hadulla, Heidelberg
Akupunktur
Dr. med. N. Missel, Adelmannsfelden
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Elektroakupunktur nach Voll
Dr. med. R. Kraßnigg, Neunkirchen-Seelscheid
Elektroneuraldiagnostik/-therapie nach Croon
Dr. med. R. H. Croon, Bad Homburg
Homöopathie
Dr. med. O. Richter, Butzbach
Homotoxikologie und antihomotoxische Therapie
Dr. med. F.-A. Graf von Ingelheim, Geisenheim
HOT und UVB
Dr. med. J. Beck, Sinsheim
Kurzpsychotherapie
Dr. med. Dipl. oec. troph. D.P. Loebel, Bad Krozingen
Neuraltherapie nach Huneke
Dr. med. H. Huneke, Düsseldorf
Ozontherapie
Dr. med. H. Dorstewitz, Kirchseeon
Physiotherapie
Dr. med. R. Stange, Berlin
Phytotherapie
Prof. Dr. H. Schilcher, München
Regulationsthermographie
Prof. Dr. med. R. Berz, Bellamont
Sauerstofftherapie
Dr. med. L. Fodor, Berlin
TCM
Frau Dr. med. W. Maric-Oehler, Bad Homburg
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EDITORIAL
Dr. med. Antonius Pollmann
Präsident des ZAEN
Unter Wert
Das Bewusstsein für den Wert der
medizinischen Leistung und der ärztlichen
Fortbildung muss wieder wachsen. Geldverdienen darf in einer Gesellschaft wie der
unsrigen auch für Ärzte nicht unethisch sein.
Unsittlich ist, wenn mit wertvoller Arbeit
erhebliche Werte „umgesetzt“ werden, von
denen der Leistungserbringer wenig Verdienst erhält, aber andere wertabschöpfend
profitieren.
Die Blindheit für den Wert der ärztlichen
Leistung wird verständlich, wenn man sieht,
wie der Wert der eigenen Leistung behandelt
wird. Der wird einfach vorgegeben. Dabei
wird eine Leistung, die für das dargebotene
Entgelt nicht zu erbringen ist, keinesfalls
offiziell abgelehnt, sondern es wird dann bei
allen Leistungen gekürzt und in einem
Gesamtkonzept aus Punktwert und Budget
alles undurchsichtig verrechnet. Sogar die
seltene selbstständige Rechnungsstellung
des Arztes ist nur in Abhängigkeit von der
GOÄ möglich, die einem stetigen Kaufkraftverfall ausgesetzt ist.
Die Missachtung des Wertes der eigenen
Leistung wird auch auf andere Tätigkeitsfelder übertragen, wie z. B. auf die ärztliche
Fort- und Weiterbildung. Selbst bei günstigen Kursgebühren klagen die Ärzte über die
Kosten für die Fortbildung. Dabei lassen sie
außer Acht, dass sie für ihren beruflichen
Erfolg investieren, dass sie mit dem erworbenen Wissen ihre Einnahmen steigern und
ihren Arbeitsplatz sichern. Sie realisieren
nicht immer, dass Wissen eben doch Geld
wert ist.
Sicherlich verstellen Einladungen zu
kostenlosen, firmengesponserten Fortbildungen den Blick. Bei einigen dieser Veranstaltungen sollte man allerdings hinterfragen, wie viel sie für die eigene Praxis
nützen, ob sich der Aufwand lohnt oder ob
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die anschließende Einladung zum Essen eher
als Trostpreis für die vertane Freizeit zu
werten ist. Für den Referenten jedenfalls ist
die Tätigkeit im firmenfinanzierten Kontext
lukrativ.
Dagegen können die Fachgesellschaften,
wenn der finanzielle Support von der
Industrie fehlt, ihre Referenten zumeist nur
spärlich honorieren. Der Referent wird
vielleicht nicht einmal für die entgangenen
Praxiseinnahmen entschädigt, geschweige
denn für die Preisgabe des Wissens angemessen honoriert. In der Wirtschaft hat
Wissen einen Wert, es wird zur Gewinnsteigerung eingesetzt, anerkannt und bezahlt.
In der Medizin dagegen erwartet man
kollegiale Information als selbstverständlich
umsonst und bemerkt nicht, wie man den
Wert des Wissens missachtet.
Umso mehr müssen wir den Referenten,
die mit Engagement und Altruismus dennoch
Vorträge und Kurse halten, höchst dankbar
sein. Auf Dauer sollten wir aber nicht
dulden, dass Kollegen in der ärztlichen Fortbildung für Gotteslohn arbeiten, schließlich
profitieren die Kursteilnehmer vom dargebotenen Wissen. Als Fachverband wünschen
wir uns ein neues Bewusstsein für den Wert
der ärztlichen Leistung, damit wir die
Wissensvermittlung unserer Referenten
angemessen und im Einverständnis mit den
Teilnehmern honorieren können.
Die Honorierung einer Leistung ist nicht
nur als ein Entgelt für Arbeit zu sehen, sie
drückt auch Wertschätzung gegenüber der
Person aus, die diese Leistung erbringt. Auch
wenn wir mit unseren finanziellen Möglichkeiten dem noch nicht gerecht werden
können, möchten wir betonen, dass wir
unsere Referenten sehr wertschätzen !
Dr. Antonius Pollmann
Inhalt
636
Praxis
Kürbis – mehr als nur Gemüse
Aktuelle Metaanalyse zeigt: Gingko-Extrakt
beeinflusst die Blutgerinnung nicht 634
In unserer Serie
Kräuter und Gemüse im Ayurveda geht
es diesmal um den
Kürbis, der mehr ist,
als nur ein leckeres
Gemüse, oder eine
Vorgartenverzierung
im Herbst. Welche
Bedeutung der Kürbis im Ayurveda hat
und wie er therapeutisch zum Einsatz
gebracht
werden
kann, das und mehr erfahren Sie in dem Beitrag von
Frau Dr. C. Dandekar auf Seite 636.
NEUE SERIE – AYURVEDA
Christel Dandekar:
Heilkräuter und -gemüse: Teil 4 – Der Kürbis 636
Originalarbeiten
M. M. Hadulla, T. A. Pfeil: Platina: Das Mittel des
kalten, glänzenden Narzissmus 639
J. Bielenberg: Pflanzliche
Nahrungsergänzungsmittel für Patienten mit
Arthrose 649
639
Platin – ein homöopathischer
Wirkstoff
Wenn man Platin hört,
denkt man vermutlich
eher an Autokatalysatoren und teure Armbanduhren als an Arzneimittel. Doch das
stimmt nur zum Teil.
Platin findet sowohl in
der Onkologie, z. B.
Cisplatin, als auch in der
Homöopathie seine Anwendung. In der Arbeit
auf Seite 639 erläutern
Dr. M. Hadulla und T. A.
Pfeil Wesen und Essenz
dieses bemerkenswerten homöopathischen Wirkstoffes: Plantina.
Diskussions-Forum
K. Kermani: Synopsis – neue Wege in der
orthopädischen Schmerz- und
Entstörungsbehandlung 655
Beilagenhinweis
Diese Ausgabe enthält eine Sonderpublikation, unterstützt von der
Repha GmbH.
Wir bitten unsere Leser um Beachtung.
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Inhalt
Aus dem ZAEN
649
Akupressur und Schröpfen sind therapeutische
Methoden 663
Mit Hagebutten gegen Arthrose
Auf der Suche nach neuen Therapieansätzen zur
Linderung degenerativer Prozesse der Arthrose sind
Wissenschaftler jetzt wieder einmal fündig geworden.
In einer Gemeinschaftsstudie dreier Forschungseinrichtungen in Dänemark konnte ein Galaktolipid als
aktiver Bestandteil in Hagebuttenextrakt identifiziert
werden. Dieser hemmt in niedrigen Konzentrationen
die Zellmigration im Verlauf von Entzündungsprozessen, lindert Schmerzen und erhöht die Bewegungsfähigkeit bei Patienten mit Arthrose. In
Grundlagenstudien
wurden eine Hemmung der Lipidoxidation sowie eine
Leukozyteneinwanderung in das Entzündungsgeschehen nachgewiesen.
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die zur
Zeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse
zum Hagebuttenpulver.
DÄGFA – Termine, Kurse, Kongresse 664
EAV – Termine, Kurse, Kongresse 665
IGNH – Termine, Kurse, Kongresse 666
Ernährungstherapie
Tagesplan für Untergewichtige 668
KLEINANZEIGEN
IMPRESSUM
667
675
655
Naturheilverfahren sinnvoll
verbinden
Der ZAEN vertritt die Methoden der Naturheilverfahren und die Verfahren seiner angeschlossenen Gesellschaften. In der Ärztezeitschrift
für Naturheilverfahren stellt er darüber hinaus neue Verfahren vor bzw.
Anschauungen und Meinungen zur Diskussion.
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Therapieresistente Beschwerden werden oft nicht
ernst genommen oder als psychosomatische Befindlichkeitsstörungen abgetan. Im Zweifelsfall wird gerne
auf entsprechende Analgetika zurückgegriffen. Die
entgleisten, körpereigenen Regulationsmechanismen
erhalten somit selten eine Chance sich zu erholen. In
dem Diskussionsbeitrag von Dr. Kermani wird ein Weg
vorgestellt, Erkenntnisse aus klassischen Behandlungsverfahren effektiv zu verbinden. Die als Synopsis
bezeichnete Methode vereint Erkenntnisse der
Neuraltherapie, insbesondere in Bezug auf Störherde,
der Akupunktur, im Hinblick auf die Geographie der
Meridiane sowie der manuellen Medizin, aus osteopathischer Sicht und ergänzt sie mit neuen Erkenntnissen über Entstörungsmöglichkeiten der Lichttherapie.
Praxis
Gingko-Extrakt beeinflusst die Blutgerinnung nicht
Aktuelle Metaanalyse kommt zu eindeutigem Ergebnis
ie Befürchtung, Ginkgo-bilobaExtrakte könnten sich bei Operationen ungünstig auswirken, indem
sie die Blutgerinnung senken und
damit die Blutungsneigung von Patienten erhöhen, ist in den letzten
Jahren wiederholt diskutiert worden.
Wissenschaftliche Beweise gab es
dazu allerdings nicht. Kürzlich sind
deshalb Wissenschaftler der Universität Exeter (UK) gezielt der Frage
nachgegangen. Ihre Metaanalyse hat
ein eindeutiges Ergebnis erbracht.
Die von Dr. JELENA SAVOVIC geleitete Arbeitsgruppe, zu der auch
Prof. Dr. EDZARD ERNST, ein als kritisch bekannter Experte alternativer
Heilverfahren gehörte, hatte zunächst
D
die gesamte wissenschaftliche Literatur nach Arbeiten zu diesem Thema
durchgesehen. Dabei fanden die Wissenschaftler acht klinische Studien,
die allesamt randomisiert und doppelblind durchgeführt wurden und
sich mit Auswirkungen eines GinkgoExtrakts auf die Gerinnungswerte der
Probanden beschäftigten. Ginkgo
wurde in diesen Studien entweder im
Vergleich zu Placebo oder zu einem
üblichen Blutgerinnungshemmer –
wie sie zur Infarktprophylaxe verordnet werden – geprüft. Insgesamt
konnten so Daten von 169 Patienten
mit Demenz, peripheren Durchblutungsstörungen, Raynaud-Syndrom
oder einem organischen Hirnsyndrom,
sowie von 82 gesunden Probanden
ausgewertet werden. Als Vergleichsmedikation dienten die Blut verdünnenden Substanzen Acetylsalicylsäure und Warfarin. Sämtliche Daten
der Studien wurden von zwei voneinander unabhängigen Untersuchern
geprüft und nach evidenzbasierten
Kriterien (EBM) ausgewertet (Evid.
Based. Integrative Med. 2005; 2 [3]:
167-176).
Das Ergebnis:
Blutungszwischenfälle durch die
Ginkgo-Behandlung wurden nicht
beobachtet.
Die geprüften Ginkgo-Extrakte führten nicht zu signifikanten Veränderungen der Gerinnungswerte der Probanden.
Die klinischen Effekte der Antikoagulanzien wurden durch die GinkgoExtrakte nicht ungünstig beeinflusst.
Wichtige Feststellungen angesichts der Tatsache, dass in Deutschland etwa 500.000 Menschen mit
Antikoagulanzien behandelt werden.
Sogar während der Therapie mit dem
stark Blut verdünnenden Warfarin,
meinten die britischen Forscher dazu,
sei eine zusätzliche Therapie mit
Ginkgo-Extrakten nicht kontraindiziert. Zumal diese Patienten wegen
der bekannt engen therapeutischen
Breite von Warfarin sowieso engmaschig überwacht werden müssen.
KFN
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Hypo-A
Ayurveda
Heilkräuter & -gemüse
Teil IV: Der Kürbis – Cucurbita
or zwölftausend Jahren wurde
der Flaschenkürbis bereits in
Peru angebaut.
Nach gängiger Lehrmeinung ist
der Kürbis erst nach der Eroberung
Südamerikas durch die Spanier nach
Europa gekommen.
Dem widerspricht aber, dass bereits WALAFRIED STRABO in seinem
Hortulus den Flaschenkürbis, der ja
auch zu der Vielzahl der Kürbisarten
gehört, genau beschreibt. Die „ KürbisStrophe“ gehört sogar zu den literarisch schönsten im Hortulus.
Ein römischer Kochbuchautor,
MARCUS GAVIUS APICIUS, der zur Zeit
des AUGUSTUS und TIBERIUS lebte,
beschreibt ein Flaschenkürbisrezept.
Die Kürbispflanze ist ein Bodenkriecher, bis zu 10 m lang, und auch
V
die Früchte müssen wegen ihrer
Schwere am Boden liegen. Der Kürbis
gehört zu den größten Gartenpflanzen.
Inhaltsstoffe:
Sehr viel Wasser, Eiweiß, Zucker,
Fette, die Vitamine A, B, C, B6,
Vitamin E, Enzyme und zahlreiche
Spurenelemente wie Kalium, Magnesium, Phosphor, Zink, viel Eisen und
Selen. Außerdem ist er sehr reich an
Betacarotin, Phenolen und Ballaststoffen.
In den Kürbissamen finden sich
bis zu 40 % Öl, Säuren, Harz, Eiweiß,
Lezithin, Rohzucker, Phytosterin,
Emulsin u. v. a. m.
Die Eiweißmenge in den Kürbissamen entspricht der Menge des
Fleischeiweißes.
Im Kürbissamen ist außerdem eine
Alkaloidsubstanz, die als ungefährliches Wurmmittel benutzt wird. Bei
der Einnahme von 200 bis 400 g
Kürbissamen, die man fein zermahlt
und mit Preiselbeeren oder Honig
vermengt, werden alle Würmer gelähmt, so dass sie bei Zugabe von
Rhizinusöl aus dem Darm ausgetrieben werden. Diese Kur kann man
beliebig oft wiederholen.
Früher wurde das Fruchtfleisch zu
Brei zerstoßen und als Wundsalbe
gegen brennende Füße und entzündete
Geschwüre gebraucht.
Als Blutreinigungsmittel gilt ein
Salat aus Kürbisfleisch. Auch bei
Augenentzündungen wurde Kürbisfleisch aufgelegt.
HILDEGARD VON BINGEN empfiehlt
„Kürbisfleisch als Speise für die
Kranken als auch für die Gesunden“.
Da das Kürbisfleisch auch leicht
diuretisch wirkt, kann man mit Kürbis
eine Entwässerungs- und Schlankheitskur durchführen: 3 bis 4 Pfund
Kürbis werden mit wenig Wasser zu
einem Brei gekocht, den man, des
besseren Geschmacks wegen, mit
Milch vermengen kann und den Tag
hindurch isst. Nicht öfter als einen Tag
pro Woche!
Kürbisfleisch hat im Winter etwa
70 kal in 100 g, im Sommer dagegen
nur etwa 27 kal. Es eignet sich im
Sommer also als Reduktionskost.
Kürbisfleisch gilt als entgiftend
und Haut straffend (bei Orangenhaut).
Die Inhaltsstoffe stärken das Immunsystem und schützen vor den gefährlichen UV-Strahlen, gleich gut wie ein
Lichtschutzfaktor 10.
Kürbiskompott ist hilfreich bei
Schwangerschaftserbrechen.
Kürbiskerne kräftigen die Blasenmuskulatur und harmonisieren das
Zusammenspiel von Blase und
Schließmuskel.
Außerdem gibt man Kürbiskernsamen im Frühstadium der gutartigen
Prostatahypertrophie. Der Mechanismus dieser Heilindikation ist noch
nicht völlig geklärt: Man nimmt an,
dass die Phytosterine das Wachstum
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Dreluso
Ayurveda
der Prostata verlangsamen, während
gleichzeitig die Austreibemuskulatur
der Blase gekräftigt wird. Kürbiskerne
gelten als Leben verlängernd und
sollen gegen die Krankheiten des
Alters helfen. Auch bei Nierenentzündungen ist Kürbisfleisch eine
hilfreiche Zusatzkost.
Das Wichtigste im Kürbisfleisch
sind wieder die in jedem gelben oder
roten Gemüse vorhandenen Carotinoide, die zu den hochwirksamen
Antioxidanzien zählen und damit eine
Waffe gegen den Krebs stellen.
Nur l00 g Kürbis oder Karotten
oder Süßkartoffen geben einen hochwirksamen Schutz gegen Krebs, vor
allem Krebs der Lungen, Ösophagus,
Prostata, Magen, Kehlkopf und Blase.
Hauptsächlich Raucher profitieren
von den Carotinoiden, selbst wenn der
Krebs schon ausgebrochen ist.
Die Carotinoide des Kürbis enthalten das Lutein und das Zeaxanthin.
Diese beiden Carotinoide wirken
besonders gegen den grauen Star und
gegen die Makuladegeneration.
Im Kürbissamen stecken noch viel
mehr Heilmittel.
Da ist zum einen ein sehr hoher
Gehalt an Eisen, mehr als im Kürbisfleisch, große Mengen an Selen und
reichlich Vitamin E.
Zuletzt seien noch die Cucurbitacine, eine Sterinart, erwähnt. Sie blo-
ckieren die Zellteilung im Stadium der
Metaphase, so dass sie evtl. als Krebstherapeutikum eingesetzt werden
können.
In der Küche: Aus den Kürbiskernsamen wird das hochwertige
Kürbiskernöl hergestellt. Es eignet
sich besonders zur Bereitung von
Bohnengerichten. Ansonsten gibt es
eine Vielzahl von Kürbisgerichten, die
hier leider fast nicht bekannt sind.
Das Kürbisfleisch ist vom Geschmack her eher fade; deswegen gibt
schon STRABO an, den Kürbis mit
Kräutern wie Thymian, Raute, Minze,
Liebstöckel, Sellerie, Muskatblüte
oder Kardamon zu verfeinern.
Rezept:
Kürbis in wenig Wasser weich
kochen. Fodni machen aus Bockshornkleesamen und Pflanzenöl, Kürbis dazu geben. Abschmecken mit
Zucker, Zitrone und Salz. Dann je eine
halbe Tasse Mohn, geschälte und
gehackte Mandeln, geraspelte Kokosnuss und Sesamsamen anrösten und
über den Kürbis geben. Dazu gibt es
Reis.
Gut schmeckt ein Eintopf aus
Kürbisfleisch, Zwiebeln, schwarzen
Bohnen und Schweinefleisch mit
Kokosnuss.
Geröstete Kürbiskerne sind eine
knackige Zwischenmahlzeit.
Ayurveda:
Kürbisfleisch gilt als kühlend,
verringert Vata- und Pitta-Eigenschaften und ganz leicht auch KaphaEigenschaften.
Besonders bei zu viel Pitta-Eigenschaften wirkt Kürbisfleisch kühlend.
Im Winter sollte man Kürbis mit
wärmenden Gewürzen wie Knoblauch, Ingwer, Senfsamen zubereiten.
Kürbiskerne: Sie sind leichter
verdaulich als Nüsse. Sie helfen Vata
auszugleichen und wirken auf Pitta
und Kapha neutral.
Die Kerne sind sehr reich an Zink
und Eisen und enthalten sehr viel
Ballaststoffe. Ayurveda setzt sie gegen
Verstopfung ein.
Auch die Ayurvedamedizin weiß,
dass man mit Kürbiskernen Würmer
austreiben kann. Für Ayurveda sind
aber auch Candidainfektionen des
Darms als Parasiten, ähnlich den
Würmern, zu betrachten. Deswegen
werden die Kürbiskerne auch gegen
den Pilzbefall des Darmes eingesetzt.
Dr. med. Christel Dandekar
Halbinselstraße 43
88142 Wasserburg
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Originalarbeiten
Platina: Das Mittel des kalten,
glänzenden Narzissmus
Zwischen glänzender Faszination –
Distanz und exzentrischer Selbstbezogenheit – Hochmut
Summary
Zusammenfassung
Michael M. Hadulla, Timo A. Pfeil
Es ist psychologisch evident, dass ein gesundes Selbstbild ein wichtiger Faktor in
der Beziehung zu anderen Menschen ist. Indem wir uns selbst mit allen unseren
Eigenheiten annehmen und lieben können, gelingt es uns im Gegenzug besser,
den anderen und seine Liebe anzunehmen. Diese gesunde Seite der Selbstbezogenheit kann jedoch Gefahr laufen zu entarten und dann gibt es aufgrund
des großen „Ich“ keinen Platz mehr für das kleine „Du“. Das homöopathische
Medikament Platina steht für diese negative Selbstliebe und Selbstbezogenheit
und kann als Similium verabreicht zur Brücke werden vom kalten Egoismus und
Hochmut wieder zurück zum gesunden Selbstbild und zur Bescheidenheit. Platina
wird im Folgenden anhand von drei Kasuistiken und originalen Prüfungssymptomen aus Hahnemanns Reiner Arzneimittellehre vorgestellt. Des Weiteren
wird am Ende der Arbeit auf die Forderung Hahnemanns bezüglich der
Gestaltung der Materia Medica eingegangen.
Schlüsselwörter: Selbstbild, Selbstbezogenheit, Egoismus, Helena, Homöopathie, Platina, Narzissmus, Materia Medica
From the psychological view it is evident that a healthy self-perception is a main
factor in the relationship towards others. When we are able to accept us with all
our negative aspects included we can in the countermove understand and take
the love from the other more deeply. The healthy side of this self-perception runs
the risk to degenerate and then there is no more place left for the small “you”
because of the big “I”. The homoeopathic remedy Platina stands for this negative
self-love and can give us a Similium act as a bridge which guides the patient back
to a healthy self-perception and towards modesty. In the following Platina will
introduce with three cases and with original proving symptoms out of
Hahnemann’s Reine Arzneimittellehre. At the end of this paper we’ll take a look at
the demand from Hahnemann in regard of the composition of the Materia Medica.
Resumen
Key words: Self-perception, egoism, Helena, homoeopathy, Platina, narcissism,
Materia Medica
Desde el punto de vista psicológico es evidente que una imagen sana de sí
mismo es un factor importante en las relaciones con otras personas. Si sabemos
aceptarnos y querernos con todas nuestras cualidades, a cambio podremos
aceptar mejor y también su amor. No obstante, este lado sano del individualismo
corre el riesgo de degenerarse, de tal modo que, a causa de un gran “Yo”, no
quedará más espacio para el pequeño “tú”. El medicamento homeopático Platina
responde frente a este amor propio negativo e individualismo y, administrado
como similium, puede actuar de puente para volver del frío egoísmo y la soberbia
a una imagen sana de sí mismo y a la humildad. A continuación se presenta la
Platina de mano de casuísticas y síntomas de prueba originales de la
farmacología de Hahnemann Reinen. Además, al final del trabajo se abordará la
petición de Hanemann referente a la estructura de la Materia Médica.
Palabras Claves: imagen de sí mismo, individualismo, egoísmo, helena,
homeopatía, Platina, narcismo, Materia Médica
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Einleitung
Das geozentrische Weltbild – also,
die Vorstellung das Universum drehe
sich um die Erde – findet seinen
Ursprung in der Antike und wurde von
vielen Lehrinstanzen bis ins 16. Jahrhundert heftig verteidigt. Es war der
Astronom NIKOLAUS KOPERNIKUS, der
mit seiner Schrift „De Revolutionibus
Orbium Coelestium“ aus dem Jahre
1543 die Wende ab vom geozentrischen Weltbild hin zum heliozentrischen Weltbild besiegelte. Für SIGMUND FREUD war dies neben der
darwinschen Erkenntnis, der Mensch
stamme vom Tierreich ab, eine weitere Kränkung, die die Menschheit
von der Wissenschaft erfahren und
verkraften musste. Die Menschen
nahmen durch KOPERNIKUS schmerzlich Abschied von ihrem selbstverliebten Weltbild und der Vorstellung,
alles drehe sich nur um sie. Nebenbei
sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass
es FREUD bekanntermaßen bei diesen
beiden Kränkungen nicht gut sein
ließ, ja er kränkte die aus dem Zentrum gestoßenen, mit dem niedrigen
Tierreich verwandten Menschen um
ein Weiteres, indem er postulierte,
dass das eigene „Ich“ gar nicht Herr
im eigenen Haus sei. Damit war wohl
dem Spruch SALOMONIS „Hochmut
kommt vor dem Fall“ in ausreichendem Maße Genüge getan!
Mit diesem kurzen Ausflug in die
Wissenschaftsgeschichte soll gezeigt
werden, dass es dem Menschen wohl
eigen sein muss, ja es wird in ihm
wohl tief verwurzelt sein, sich selbst,
Originalarbeiten
sei es als Rasse, Nation, Gruppe oder
Individuum in den Mittelpunkt, also
in das Zentrum des Geschehens zu
stellen. Doch auch dieser seelische
Aspekt der menschlichen Psyche besitzt ein Kontinuum, das von gesund
bis krank, von hilfreich bis hemmend,
von kompensiert bis dekompensiert
reichen kann. Eine gesunde Portion
Selbstliebe kann uns weiterbringen,
kann uns stärken und den Treibstoff
für unsere persönliche Verwirklichung
darstellen. Der eigene Erfolg kann
dabei auf der einen Seite glänzen und
nach außen hin imponieren, er kann
aber auch blenden und einen für die
Sorgen und Belange anderer Menschen blind machen. Genau davor
warnt uns der Aphorismus aus der
Feder des Theologen HELMUT GOLLWITZER: „Egoistisches Leben erntet,
was es vermeiden will: Einsamkeit
und Leere“. Vor dieser „Kulisse“
beginnen wir unsere homöopathischen
Ausführungen, die bei dem einst
missachteten und für wertlos befundenen Metall Platin beginnen und
uns bis hin zu den Anteilen von
Selbstliebe und Selbstsucht in der
menschlichen Seele führen werden.
Historisches zu Platin
Platin wurde im Jahr 1735 durch
einen französischen Seemann an der
Küste des pazifischen Ozeans in Kolumbien entdeckt. Die Namensgebung
stammt von der spanischen Bezeichnung „Platina“, zu deutsch = kleines
Silberkörnchen, was auch bedeutet,
dass es ein Metall darstellt, das weniger wert ist als Silber. Das neue
Metall wurde zunächst beschrieben
als platina del Pinto = kleines Silber
aus dem Fluss Pinto. Die heutige
Bezeichnung Platinum metallicum
wurde dann durch den englischen
Chemiker DAVY eingeführt, um die
weibliche Bezeichnung Platina den
anderen zur gleichen Zeit entdeckten
Metallen Barium und Molybdenum
anzugleichen.
Gleich nach seiner Entdeckung
fand es den Weg nach Spanien und
dort wurde es billiger als Silber
verkauft. Sehr bald lernten spanische
Juweliere und Goldschmiede, wie
man mit diesem Metall Gold vermischen und strecken kann, um
Schmuckkäufer zu betrügen. Daraufhin erließ der spanische König ein
Dekret, das dieses so genannte nutzlose Metall aus Spanien völlig verbannen sollte. Wenige Jahre später
jedoch entdeckten die Russen (1824),
dass man mit Platin einen besonders
hochwertigen Stahl herstellen konnte.
Auch in der Folgezeit erkannte man
zunehmend, dass es ein außerordentlich wertvolles Metall darstellte. Heutzutage ist es, bedingt
durch seine vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und sein seltenes Vorkommen, bekanntermaßen weit teurer
als Gold. In diesem Sinne wurde
Platin zuerst in seinem Wert verkannt,
um anschließend über die Maßen
geschätzt zu werden.
Platin ist das schwerste Mitglied
der Gruppe 10 des periodischen
Systems und es bildet mit Osmium
und Iridium die Gruppe der sog.
schweren Platina, während Palladium,
Ruthenium und Rhodium die sog.
leichten Platina darstellen.
In der Natur kommt es gebunden
mit Arsen in dem Mineral Sperrylit
und mit Sulfur als Mineral Cooperit
vor. Reine Platin-Nuggets finden sich
in den Flüssen des Urals/Russland
sowie in Kanada, Südafrika, Peru und
wie gesagt, in Kolumbien.
Um etwa eine Unze Platin zu
produzieren, braucht man annähernd
acht Tonnen rohes Ausgangsmaterial.
Aufgrund der hohen Nachfrage und
des geringen Vorkommens hat Platin
in den letzten Jahren extrem hohe
Preise erzielt (11).
Unser verehrter Lehrer WILLIBALD
GAWLIK (4) konnte in den 90er Jahren
noch Folgendes schreiben: „Über
physiologische Wirkungen ist wenig
bekannt. In der konventionellen
Medizin wurde Platin nie verwendet.
Es gilt als ungiftig und als unwirksam.“
Das gilt heute nicht mehr, da
Platin-Verbindungen in der TumorBehandlung Verwendung finden, insbesondere als Carboplatin und Cisplatin. Diese beiden Verbindungen
werden in der klinischen Behandlung
von Krebs im Kopf- und Nackenbereich, bei bestimmten Lymphomen,
sowie testikulären (= Hoden) und
ovarialen (= Eierstock) Tumoren
angewandt. Dabei ist Cisplatin hochgradig nephrotoxisch und verursacht
ausgeprägte Nausea (= Übelkeit) und
Erbrechen. Carboplatin hat hingegen
weniger Nebenwirkungen, ist dafür
aber ausgesprochen myelotoxisch (=
Knochenmark schädigend).
„Tinnitus and hearing loss in the
high frequency range may occur, as
may peripheral neuropathies, hyperuricaemia and anaphylactic reactions.
It has revolutionised the treatment of
solid tumors of the testes and ovary.
Carboplatin is a derivative of cisplatin. It causes less nephrotoxicity,
neurotoxicity and ototoxicity, and less
severe nausea and vomiting than
cisplatin, but is more myelotoxic.“ (2)
1. Kasuistik
Banker mit Hochmut –
Eheschwierigkeiten
Es handelt sich hierbei um einen
älterern, angesehenen Bankier, der
sich allerdings nicht persönlich vorstellt und eigentlich gar nicht mein
Patient ist. Über seine Ehefrau – eine
hoch begabte Ärztin und Homöopathin – erfahren wir über den Mann
Folgendes:
Anmerkung: In unseren Supervisionskursen weisen wir immer darauf hin, dass
zu einer vernünftigen homöopathischen
Anamnese der direkte Kontakt und auch
möglichst die körperliche Untersuchung
unumgänglich sind. Aber ich erinnere
mich an den alten französischen Homöopathen GALLAVARDIN, der seine schweren
Alkoholiker, die ja gar nicht den direkten
Weg zu ihm fanden, über die jeweiligen
Ehefrauen behandelt hat. Demnach gestatte auch ich mir mit der o. g. Krankengeschichte eine Ausnahme.
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Mucos
Originalarbeiten
Seine Ehefrau berichtet mir im
Spontanbericht: Ihr Mann, ein erfolgreicher Banker, sei unglaublich
eigensinnig und hochmütig. So ziemlich alles wisse er besser ... überall sei
er krittelig. Dabei habe sie ihm ihr
ganzes Vermögen und ihr gesamtes
Erspartes – sie wollte sich damit
später ein kleines Häuschen kaufen –
im guten Glauben übertragen und er
habe damals in der Baisse am neuen
Markt Ende 2000 alles verloren. (Sie
hat ihm all ihr Geld anvertraut und er
hat als Bankier alles verloren!)
Im positiven Bereich berichtet sie,
ihr Mann sei hochintelligent, immer
sehr gepflegt, ausgesprochen elegant
gekleidet, er sei ein ausgesuchter
Ästhet und schaffe es immer, die
Leute für sich einzunehmen.
Selbst als er ohne größere Rücksprache mit seinem Vorstand einen
„Picasso“ für den Bankbereich gekauft habe, gab es zunächst großen
Ärger, dann aber gratulierten ihm alle
zu seinem ausgesuchten Geschmack
und seinem ästhetischen Empfinden,
besonders in den höheren Banketagen.
Als ein kleines interessantes Detail
führt seine Frau noch den Umstand
an: „Er trägt einen Platinring (!), und
es sei ihr schon wiederholt aufgefallen, dass ihr Ehemann hin und
wieder von Homosexuellen angesprochen werde, er sei einfach schön
und groß gewachsen und – wie gesagt
– immer ausgesucht gekleidet.“
Repertorisation nach Synthesis
Therapie und Verlauf
In dieser Situation, wo sie eigentlich schon ihren Auszug aus der
gemeinsamen Wohnung geplant hatte
(„Ich begann auf meinen Mann eine
Allergie zu entwickeln“), verordnete
ich dem Ehemann Platin in einer
D200 (Staufen) mit einer gelegentlichen Erhaltungstherapie von Platin
LM VI (Staufen).
Unter dieser Medikation zeigten
sich die positiven Seiten des Ehemanns, er war deutlich weniger hochmütig, kritisch und auch insgesamt
viel umgänglicher.
Parallel hierzu erfolgte die homöopathische Therapie der Ehefrau mit
den jeweils passenden konstitutionellen Mitteln, so dass sie von ihrer
antidepressiven Dauertherapie (Aponal) und ihrer ständigen Antibiose
befreit werden konnte.
2. Kasuistik
Junger Homosexueller mit
Pollinose (= Heuschnupfen)
Abb. 1: Helena kokettiert in lasziver
Weise mit Eros. Abdruck einer
Tonform von der Wangenklappe
eines Helmes um 420 v. Chr.
Privatbesitz.
sen- und Mundbereich, mit ständigem
Jucken und Brennen. Darüber hinaus
ist noch Folgendes zu erfahren: ständiger, trockener Reizhusten besonders
nachts und in den Morgenstunden.
Zur Vorstellung gelangt ein junger
Mann, der mit seinem Freund in einer
homosexuellen Beziehung in Mannheim zusammenlebt, in unsere homöopathische Supervisionsgruppe.
Der Patient hat sich hierzu bereit
erklärt und genießt es sichtlich, in der
Gruppe unserer Ärzte seine Symptome eloquent, gestenreich und weitschweifig darzulegen. Das Gesagte
unterstreicht er – wie schon gesagt –
mit einer lebhaften Mimik und Gestik.
Er ist ausgesprochen elegant und
ausgesucht gekleidet, ihn umgibt
jedoch auch eine gewisse gekünstelte,
ja fast hochmütige Aura.
Im Spontanbericht berichtet er:
seit seiner Internatszeit ständige
Allergien, besonders im Augen-, Na-
Gemüt: streitsüchtig
u. a. Plat. (2)
Gemüt: eigensinnig,
dickköpfig
u. a. Plat. (1)
Gemüt: geistige Anstrengung
Abneigung gegen
u. a. Plat. (1)
Gemüt: streitsüchtig
u. a. Plat (2)
Gemüt: tadelsüchtig,
krittelig
u. a. Plat. (2)
Gemüt: Homosexualität u. a. Plat. (3)
Gemüt: hochmütig
arrogant
u. a. Plat. (4)
Augen, Schmerz
u. a. Plat. (2)
Augen, Schmerz,
brennend
u. a. Plat. (1)
Therapie und Verlauf
Es erfolgte die einmalige Gabe
von Platina D200 (Staufen), mit der
Erhaltungstherapie Platina LM VI
(Staufen) 2x5 Glb. pro Woche. Bis
heute ist der Patient beschwerdefrei.
Anmerkung: In der o. g. Supervisionsgruppe ist bei der Anamnese
etwas Eigenartiges passiert. Die weiblichen Teilnehmerinnen fanden in der
Mehrzahl den oben genannten Patienten gepflegt, gebildet und irgendwie angenehm. Die männlichen Teilnehmer hingegen empfanden den
Patienten eher als überzogen, hochmütig und irgendwie „affig.“ Ein
Wahrnehmungsphänomen, das bei
gegengeschlechtlichem Kontakt zu
Homosexuellen häufig zu beobachten
ist.
Platin in der Weltliteratur
In diesem Zusammenhang ist es
nicht unerheblich, die klassische große Platina-Persönlichkeit in der
Weltliteratur zu erwähnen, nämlich
Homers Helena (5).
Helena ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Nach der bekanntesten Version entstammt Helena
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Pascoe
Originalarbeiten
Abb. 2: Diane Krüger als Helena in
Wolfgang Petersens Film „Troja“
(2004).
einer Verbindung von Zeus mit Leda.
Von außerordentlicher Schönheit,
wird sie von dem mykenischen
Prinzen Menelaos geheiratet. Als der
trojanische Königssohn Paris sie nach
Troja entführt – mit dem geraubten
Gold des Menelaos –, ziehen die
griechischen Fürsten mit ihren Heeren
gegen Troja, das sie nach 10 Jahren
fürchterlichen Krieges einnehmen.
Helena selbst, die Verursacherin all
dessen, überlebt als eine der ganz
wenigen die Einnahme der Stadt“.
Die Wiener Schriftstellerin und
bekannte Altphilologin INGE MERKEL
(8) charakterisiert Helena wie folgt:
„Eine Hündin ist sie, Sohn“, sagte
Penelope rau, „strohdumm und dazu
eine Hündin. Sie tut, wonach´s ihr
gerade gelüstet und denkt sich nichts
dabei! Wenn unsereine sich so aufführte, sie würde gesteinigt werden,
und mit Recht. Vor Helena aber
schlecken sie den Boden und dünken
sich noch selig dabei.
Wie die Männer blass wurden,
wenn sie sie ansah. Weißt du, was die
Dirne sagte? Ihr Hurenblick macht das
und dass sie dabei nicht im geringsten
geil ist!“ Da ging mir ein Licht auf.
Ich wusste, was sie meinte. Diese
makellose, durch keine Leidenschaft
getrübte Schönheit des Äußeren, des
Ganges, der Gebärde und dazu den
Blick; ,hündisch‘ hatte sie selbst
gesagt. Schamlos. Natürlich kannte
ich solche Blicke, die Frauen manchmal Männern zuwarfen. Das machte
sie lebendig, feuerte sie an, und ich
wusste auch, dass es dann in irgendeinem Bett oder im Stroh endete. Es
war dann aber nicht nur der Blick
allein. Der ganze Körper ging mit und
lockte und bot sich an. Und oft auch
die Worte oder die Stimme, mit der sie
gesagt wurden. Längst wusste ich,
was dieses Spiel bedeutete, das
unsereiner versagt war wegen Sitte,
Erziehung und Herkunft. Wir übten es
sogar zum Spaß untereinander. Aber
keiner von uns gelang es. Es wurde
höchstens eine Farce, eine lächerliche
Grimasse daraus. Es fehlte uns ja das
Gefühl im Fleisch, in den Nerven, das
man haben muss, um zu einem solchen Blick zu kommen. Aber Helena
fehlte es auch. Mehr noch als einer
von uns. Und doch hatte sie den Blick.
Irgendeinmal muss es ihr einer gesagt
haben, und sie muss begriffen haben,
dass Männer wahnsinnig wurden
ihretwegen, und weil sie gutmütig
war, gab sie nach. Sicher hat sie dem
Paris auch nur nachgegeben. Und
dann dem Deiphobos. Und dir! – Ja,
dir, Odysseus!“
In der Ilias – neben der Odyssee
das große, große, große Epos von
HOMER – bezeichnet sich Helena
selbst abwertend als „ Hündin“.
Als sie Priamos, dem alten König
von Troja – und Vater von Paris –, von
den Mauern Trojas herab auf Agamemnon und das herannahende
griechische Heer deutet (in der
Entfernung kleiner), sagt sie:
„Schwager nannt’ ich ihn auch, ich
Hündin! War er es wirklich!“. Wobei
hündisch in der altgriechischen Übersetzung auch schamlos heißt.
Helena beschreibt nun dem König
Priamos nacheinander – von den
hohen Mauern der Stadt herab ganz
typisch für Platin – die wichtigsten
griechischen Helden wie folgt:
– Agamemnon: „ein trefflicher
König und kampfesgewaltiger
Streiter“ (≈ Lycopodium).
– Odysseus: „listenreich ... wohl in
mancherlei Ränken erprobt und
von klugem Verstande (≈ Sulphur).
– Aias: „... der Held, der gewaltige
Hort der Achaier“ (≈ Stramonium).
– Achilleus: „... vorzüglichster der
Achaier, Hort der Achaier ...
Kämpfer der Griechen ... dem Ares
gleich ... edel, schnell zu Fuß.“ (≈
Natrium muriaticum)
– Menelaos: „... Bruder des Agamemnon, ... blond ... kriegerisch ...
berühmt (≈ Staphysagria). (5)
Anmerkung: Die Schreibweise stellt sich
ganz bewusst in die alte Tradition auch
von S. HAHNEMANN. Eben weil sie
wussten, dass Calcarea carbonica nicht
Calcium carbonicum ist, sondern etwas
weibliches beinhaltetet und Staphysagria
aus dem Altgriechischen kommt und daher
mit „y“ zu schreiben ist. Ebenso natürlich
Sulphur mit „ph“, weil es auch die alten
Abb. 3: Überraschenderweise hat
auch schon die Parfumindustrie die
egoistischen Züge in Platina erkannt.
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
644
Originalarbeiten
Griechen mit „ph“ geschrieben haben, und
das eben ist, was die Materie (Sulphur
crudum) mit dem Geistig-Göttlichen
(Sulphur theion) verbindet. Hierzu findet
der geneigte Leser mehr in unserem Bd.
1–3 (7).
Soviel zur Teichoskopie, zur
„Mauerschau“: Hoch oben auf den
Zinnen von Troja steht Helena, die
dem König Priamos in der Ferne,
unten, die „kleinen“ griechischen
Helden zeigt.
In der Übersetzung in die Sprache
unserer homöopathischen Materia
Medica klingt das wie folgt:
– Die Dinge erscheinen kleiner als
sie sind.
– Vertraute Dinge wirken fremd, sie
denkt, dass sich alles verändert
hat.
– Gefühl der Vereinsamung, sie ist
allein auf der Welt, ihrer Familie
ist sie fremd geworden.
Repertorisation nach Synthesis
Schamlos
Sexuelles Verlangen,
heftiges
Selbstüberhebung
Undankbar
Unbarmherzig
Gefühllos
Eitelkeit
Hochmütig
u. a.: Plat. (1)
u. a.: Plat. (3)
u. a.: Plat. (3)
u. a.: Plat. (3)
u. a.: Plat. (1)
u. a.: Plat. (1)
u. a.: Plat. (1)
u. a.: Plat. (4)
Vielleicht erinnert sich der eine
oder andere Leser an die neue TrojaVerfilmung mit dem Hauptdarsteller
BRAD PITT als jugendlich-schöner,
bellizistischer, aber auch ritterlicher
und tief empfindsamer, gekränkter
Achilles (= Nat. m.).
ORLANDO BLOOM als verführerisch
schöner Paris und ERIC BANA als
treuer, ehrlicher Anwalt seines Vaterlandes, seines Glaubens und seiner
Familie – patria, familia, deo – Hektor
(= Calc. c.). Die schöne dt. Schau-
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Quiris
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
645
spielerin DIANE KRÜGER Helena, der
edle Schauspieler PETER O TOOLE –
Lawrence von Arabien – spielt überragend den alten, weisen König Priamos: zeitlos gut! Die Hauptdarstellerin der oben genannten Verfilmung
verkörpert jedoch nur ansatzweise die
von Homer dargestellte Helena. Sie ist
viel zu lieb, mitfühlend, sympathisch,
eher ein richtiger Pulsatilla-Typ. Die
wirkliche Helena – so wie sie von
Homer und auch Ovid beschrieben
wurde – ist eine wirkliche Femme
fatale, nämlich „hoffärtig, stolz, unteilnehmend, kalt und zerstreut“: eben
eine Platina, wie sie im Buche steht.
Hollywood hätte auch deshalb, unter
anderem, dringend die Unterstützung
von uns Homöopathen benötigt.
Bei unserem Altmeister SAMUEL
HAHNEMANN finden wir zu Platina
unter dem schönen Prüfsymptom 39
das Folgende wörtlich:
„Unteilnehmend, kalt, zerstreut, in
Originalarbeiten
Abb. 4: Platina in seiner zentralen Idee: In der Ambivalenz zwischen glänzender Faszination und exzentrischer
Selbstbezogenheit. Mit dem Wesen und der Essenz: Geht keine Verbindung ein. In der kompensierten (+) und
dekompensierten (-) Form und z. T. in ihren gegenseitigen Entsprechungen (© Hadulla/Richter).
Gesellschaft von Freunden, im Freien,
... ihre Gedanken waren stets abwesend, ohne dass sie wusste, wo sie
seyen.“
Resümee
Was könnten nun die Gemeinsamkeiten der oben genannten Krankengeschichten sein?
In der ersten Krankengeschichte –
es dürfte sich wohl um den jüngsten
Platina-Patienten in der Weltliteratur
handeln – haben wir einen Jungen in
der ersten Gymnasiumklasse (früher
Sextaner), sehr arrogant und überheblich, so etwa wie der Draco
Malfoy, der Widersacher von Harry
Potter (J. K. ROWLING), bei doch eher
durchschnittlichen bis mäßigen Leistungen und einem ausgeprägten Gefühl der imaginierten Größe.
Auch in der zweiten Krankengeschichte, bei dem jungen homosexuellen Mann aus Mannheim,
zeigen sich – umgeben von einem
gewissen Nimbus und Getue des
Außergewöhnlichen – auch nur mehr
höchstgewöhnliche Auffassungen im
Denken, in Meinungen und insbesondere im Leistungsbereich.
Auch der beschriebene Bänker,
oder feiner formuliert Bankier – in all
seiner Ausgesuchtheit und kulturellen
Extravaganz – schaffte es, das gesamte ersparte und hart erarbeitete
Vermögen seiner Frau (Ärztin) am
neuen Markt völlig zu verspekulieren.
Der Altmeister GILBERT CHARETTE
(1) fasst in gekonnter Form die
Leitsymptome von Platina wie folgt
zusammen:
1. Anmaßender, stolzer, hochmütiger
Charakter.
2. Die körperlichen Symptome
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wechseln mit den Gemütssymptomen ab; die einen treten
auf, wenn die anderen verschwinden.
Nymphomanie, schlimmer durch
Bettruhe.
Außerordentliche Empfindlichkeit
der Genitalorgane, deren Berührung nicht ertragen werden kann;
das führt bis zum Spasmus während einer gynäkologischen Untersuchung und bis zur Ohnmacht
während des Koitus.
Krampfhafte Zustände: eine Art
tetanischer Versteifung mit Kälteschauern, abwechseln mit Atemnot.
Empfindlichkeit der Ovarien,
brennende Schmerzen.
Kälte- und Taubheitsgefühl an
umschriebenen Stellen.
Gefühl von innerem Zittern
(Gelsemium, Argentum nitricum).
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Originalarbeiten
Hierzu möge sich der Leser in das
Abbildungsschema (Abb. 4) von Platin vertiefen.
Es zeigt Platina in seinen negativen – dekompensierten (-) und positiven – kompensierten (+) Ausprägungen, in der Ambivalenz zwischen glänzender Faszination und
exzentrischer Selbstbezogenheit und
seinen gegenseitigen Entsprechungen.
Ganz im Zentrum von Platina steht
der Hochmut in der allerhöchsten
Wertigkeit.
Unter dem Eindruck der extrem
schönen Abbildung 4 (Platina! Sic!)
mögen wir den Leser zu den nachfolgenden Assoziationsketten einladen:
Unsere Platin-Katalysatoren in
den Autos – denken wir nur hier
daran, was der so genannte grobe
trägere Bruder Plumbum (also Blei) in
der toxischen Belastung über Jahrzehnte hinweg bewirkt hat. Was also
nun Platin toxikologisch bewirkt,
werden wir erst genauer in der
Zukunft erfahren.
Die Platinfarben der Nobelkarossen – edlen PKW in ihrem silberweißen Glanz der exquisiten und
ausgesuchten teuren Ausstattung, die
vielen arroganten, beziehungsunfähigen Singles, die kalte narzisstische
Hypersexualität, all das könnten
schon die toxikologischen Auswirkungen von Platin sein, beispielsweise
Pars pro toto (= eins für alle).
Die Sängerin und Schauspielerin
MADONNA, die sich wie ihre nymphomanische Vorgängerin LESBIA alias
CLODIA vor 2000 Jahren im alten Rom
junge Männer von der Straße holt, um
dadurch ihre alternde Schönheit zu
verjüngen. Mit BRITNEY SPEARS provozierte sie die Weltöffentlichkeit mit
einem perfekt medial inszenierten
Zungenkuss. An ihrer nymphomanischen Vorgängerin LESBIA alias
CLODIA aus dem alten Rom sind viele
Männer gescheitert, unter anderem
auch der berühmte Dichter CATULL
(vgl. 10: The Venus Throw).
Diese Platinassoziationskette gilt
nicht für Frauen, sondern – und das ist
unser Eindruck als homöopathisch
tätige Ärzte – mehr und mehr auch für
Männer, jedoch in der für Männer so
typisch völlig anderen Ausprägung:
Ehrgeiz, Geld und Macht. So zeigt in
gewisser Weise das ungute Triumvirat
ZWICKEL, ESSER und ACKERMANN in
der Transformation und Zerschlagung
einer wohl funktionierenden, völlig
intakten Firma (Mannesmann) und
ihrem Ausverkauf an Vodafone und
den damit verbundenen apokalyptischen Bereicherungen deutlich dunkle-dekompensierte Platinzüge.
Es war der Zürcher Bankier HANS
BÄR, der in seiner Biographie die Gier
der Chefs in den ganz superioren
Etagen so treffend und mutig als
„Anstiftung zum Klassenkampf von
oben“ bezeichnet hat.
Das Bild von JOSEF ACKERMANN
(Chef der Deutschen Bank), wie er
umgeben von einer Schar smarter,
ausgewählter Topanwälte den Gerichtssaal mit einem Victory-Zeichen
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Meckel
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
647
betrat, ging um die Welt: reines
Platina!
Anmerkung: Auch hier wieder eine
Beziehung zum alten Rom. Diesmal sind
es nicht unsere LESBIA alias CLODIA und
der altrömische Liebes-Dichter CATULL,
sondern das Männer-Triumvirat CÄSAR,
POMPEIUS und CRASSUS. Auch hier ging es
um Ehrgeiz, viel Geld und Macht.
Eine weitere Assoziationskette zu
Platina führt uns in das Gebiet der
Infertilität.
Überraschenderweise
steigt die Anzahl der Paare, die
ungewollt kinderlos bleiben, signifikant an. Im Gegensatz zu früher, wo
man, um bildlich zu sprechen, den
Eindruck hatte, dass eine Schwangerschaft entstand, wenn man sich nur
tief genug in die Augen schaute.
Soldaten im Zweiten Weltkrieg zeugten während des kurzen Heimaturlaubes Kinder, die ihre Väter z. T.
nicht mehr kennen lernen konnten, da
sie leider im Kampfe gefallen, im
Kriege geblieben sind. Hingegen finden wir dann heute Situationen, in
denen die Paare ein so genanntes
Kinderwunschzentrum und eine Kinderwunschsprechstunde nach der anderen aufsuchen. So kennen wir eine
Vielzahl von Patienten in unseren
Praxen, die z. T. groteske Verrenkungen und Bemühungen auf sich nehmen, um zu ihrem Wunschkind zu
kommen.
Vielleicht ist das auch – neben der
hohen Dioxin- und Furanbelastung
sowie den Weichmachern (endokrin
aktive Chemikalien = endocrine dis-
Originalarbeiten
rupting chemicals, EDC) – Ausdruck
dieser toxischen Platina-Belastung.
Uns Homöopathen überrascht das
nicht, finden wir doch unter der
Rubrik „ Sterilität“ Platina zweiwertig
vertreten.
Wir wollen am Ende unserer
Arbeit aber noch einen anderen Blick
auf unsere Platina-Patienten werfen,
der doch in erheblichem Maße von der
gängigen (Lehr)-Meinung abweicht.
Zuvor jedoch ein kurzer Gedanke
über unsere Arzneimittellehren. Der
große Schatz an homöopathischen
Heilmitteln wird in unserer Materia
Medica gesammelt und beschrieben.
Nicht mit dem Repertorium, sondern
mit dieser Sammlung aller „Krankheits-Elemente und Symptome“
(HAHNEMANN) einer Arznei soll im
letzten Arbeitsschritt des Homöopathen das Similium bestimmt
werden. HAHNEMANN setzt im Organon-§ 144 die Maßstäbe für den Inhalt
unserer Arzneimittellehren:
„Von einer solchen Arzneimittellehre sey alles Vermuthete, bloß Behauptete, oder gar Erdichtete gänzlich
ausgeschlossen; es sey alles reine
Sprache der sorgfältig und redlich
befragten Natur.“
HAHNEMANN selbst verwirklicht
diesen selbst auferlegten Anspruch in
seinen zwei großen Werken der
Reinen Arzneimittellehre sowie in der
Symptomensammlung der Chronischen Krankheiten, in denen er nur
vom Prüfer berichtete Symptome
wörtlich (= reine Sprache) aufgenommen hat. Unter diesem Gesichtspunkt sollten heutige, moderne Werke
der Materia Medica auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. In
diesem Sinne und um unsere nachfolgenden Erläuterungen auf feste
Füße zu stellen, zitieren wir an dieser
Stelle vorab vier originale PlatinaPrüfungssymptome aus HAHNEMANNS
Chronischen Krankheiten:
2. Sie meint ganz verlassen zu seyn
und allein in der Welt zu stehen.
11. Grosse Gemüths-Unruhe, dass sie
nirgends zu bleiben weiss, bei
Trübsinnigkeit, die ihr auch das Erfreulichste verleidet; sie glaubt, sie
passe nicht in die Welt, ist des Lebens
überdrüssig, hat aber vor dem nahe
geglaubten Tode grossen Abscheu.
15. Uneins mit der ganzen Welt, ist ihr
alles zu enge, bei Weinerlichkeit.
42. Es ist ihr, als gehöre sie gar nicht
in ihre Familie; es kommt ihr, nach
kurzer Abwesenheit, Alles ganz
anders vor.
Diese Symptome machen deutlich,
dass wir Unrecht an unseren PlatinaPatienten täten, sie überwiegend als
kühl denkende, rücksichtslose Egomanen zu charakterisieren. Kommt
doch hier sehr klar zum Ausdruck,
dass sich diese Menschen in unserer
Welt gar nicht aufgehoben und geborgen fühlen – ja, sogar in ihrer
eigenen Familie fühlen sie sich fehl
am Platz.
Doch im Grunde leiden PlatinaPatienten nicht an der Welt an sich,
sondern an sich selbst, an ihrer eigenen Bindungs- und Liebesunfähigkeit.
Bei allem Glanz, Stolz und Besonderen, was diesen Menschen an ihrem
Wesen anzuhaften scheint, ist die Luft
dort oben in ihrem selbst erbauten
Elfenbeinturm ganz schön dünn und
arm an zwischenmenschlicher Wärme. Gerade diese Menschen, deren
Ich-Erhaltung schon fast einer IchZementierung gleich kommt, leiden
an den Gefühlen der Einsamkeit und
des Alleingelassenseins (Gemüt-Gefühl verlassen zu sein u. a. Plat. 2).
Wenn Beziehung bei Platina gelebt
wird, dann überwiegend auf der
sexuellen Ebene, auf der der Akt
jedoch zu etwas Mechanischem,
Leistungsorientierten und Sterilen
verkommt. Platina-Patienten können
nur schwer ihr Ich aufgeben und sich
fallen lassen.
Mithilfe dieses psychodynamischen Modells kann es dem Homöopathen gelingen, den oft schwierigen
Platina-Patienten anzunehmen, zu
(er)-tragen und zu heilen.
2.
FTE info Nr. 36, Feb. 2003, S. 32, http:/
europa.eu.int/ comm/ research/ newscentre/ de/ med/ 03-02-med02. html.
3. GALLAVARDIN, J.-P.: Psyche und Homöopathie. Barthel & Barthel Verlag, Berg am
Starnberger See, 1986.
4. GAWLIK, W.: Arzneimittelbild und Persönlichkeitsportrait. Konstitutionsmittel in der
Homöopathie, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1990.
5. HADULLA, M., J. WACHSMUTH: Homöopathische Archetypen bei Homer. Karl F.
Haug Verlag, Heidelberg 1996.
6. HADULLA, M. M., O. RICHTER, N. FATTAHI:
101 Krankengeschichten aus der Praxis für
die Praxis. Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft mbH, Uelzen 2006.
7. HADULLA, M. M., O. RICHTER: Die homöopathischen Arzneien. Wesen und Essenz.
Bd. I–III. Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft, Uelzen 1999.
8. MERKEL, I.: Eine ganz gewöhnliche Ehe.
Odysseus und Penelope. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 1989
9. MRUSEK, K.: Schweizer Steilpässe.
In Frankfurter Allgemeine Zeitung,
14.05.2005.
10. SAYLOR, S.: The Venus Throw. A mystery of
ancient Rome. London 1995.
11. VERMEULEN, F.: Prisma. The Arcana of
Materia Medica. Illuminated Haarlem, The
Netherlands, 2002.
Dr. med. Michael M. Hadulla
Facharzt für Kinderheilkunde, Psychotherapie,
Homöopathie
Heiliggeiststraße 9
69117 Heidelberg
Literatur
1.
CHARETTE, G.: Homöopathische Arzneimittellehre für die Praxis. Hippokrates
Verlag, Stuttgart, 1958.
T. A. Pfeil
Marktstraße 6
74193 Schwaigern
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Originalarbeiten
Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel
für Patienten mit Arthrose
Schmerzreduktion und Entzündungshemmung
durch ein Galaktolipid aus der Hagebutte
Summary
Zusammenfassung
Jens Bielenberg
Hagebuttenextrakt bzw. die entsprechenden Nahrungsergänzungsmittel
erweitern das Arsenal von Therapiestrategien zur Behandlung der
Arthritis um eine interessante nutritive Komponente. In Grundlagenstudien wurde eine Hemmung der Lipid-Oxidation sowie der Leukozyteneinwanderung in das Entzündungsgeschehen nachgewiesen.
Hagebuttenextrakt konnte den Serumspiegel des C-reaktiven Proteins
deutlich senken. Die Symptome der Patienten, wie Schmerzen und
Morgensteifigkeit, erfuhren bei einer guten Verträglichkeit eine signifikante Besserung. Der Schmerzmittelverbrauch konnte deutlich reduziert
werden.
Schlüsselwörter: Arthrose, Hagebutte, Leukozyten, Chemotaxis, Creaktives-Protein, Galaktolipide
Rose hip extract and the equivalent dietary supplement add an interesting
component to the available arsenal of therapeutic approaches for
treatment of arthritis. Basic scientific studies determined inhibition of both
lipid oxidation and immigration of leucocytes into the inflammatory
process. Rose hip extract was able to lower the serum level of C-reactive
protein significantly. Patient symptoms such as pain and morning stiffness
were significantly alleviated and the agent was tolerated well. Use of
analgesics was reduced considerably.
Resumen
Key words: arthrosis, rose hip, leucocytes, chemotaxis, C-reactive
protein, galactolipids
El extracto de escaramujo o los complementos alimenticios correspondientes aumentan el arsenal de estrategias terapéuticas para el
tratamiento de la artritis aportando un componente nutritivo interesante.
En estudios de base se demostró una inhibición de la oxidación lipídica
así como de la migración de leucocitos en la inflamación. El extracto de
escaramujo pudo reducir notablemente el nivel de suero de la proteína C
reactiva. Los síntomas de los pacientes, tales como dolores o rigidez por
la mañana, experimentaron una mejora significativa presentando una
buena tolerancia. El consumo de analgésicos se pudo reducir
notablemente.
Palabras Claves: artrosis, escaramujo, leucocitos, quimiotaxis, proteína
c reactiva, galactolípidos
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Bei der Suche nach neuen Therapieansätzen zur Linderung degenerativer Prozesse der Arthrose ist das
Arsenal von Pflanzenstoffen durch
einen Wirkstoff aus Hagebuttenextrakt erweitert worden. Nach seiner
Isolierung aus dem standardisierten
Pulver mithilfe eines komplizierten
Fraktionierungsverfahren konnte die
Substanz isoliert und chemisch definiert werden. Es handelt sich um ein
Galaktolipid (GOPO®, s. Abb. 2), ein
Molekül, das aus einem Zuckeranteil
und Fettsäuren zusammengesetzt ist.
In einer Gemeinschaftsstudie dreier
Forschungseinrichtungen in Dänemark konnte das Galaktolipid als
aktiver Bestandteil identifiziert werden. Das Galaktolipid hemmt in
niedrigen Konzentrationen die Zellmigration im Verlauf von Entzündungsprozessen, lindert Schmerzen und
erhöht die Bewegungsfähigkeit bei Patienten mit Arthrose. Eine Ernährungstherapie mit Hagebuttenpulver kann
ferner den Konsum von Schmerzmitteln
reduzieren. In Grundlagenstudien wurde
eine Hemmung der Lipidoxidation
sowie eine Leukozyteneinwanderung in
das Entzündungsgeschehen nachgewiesen. Der folgende Artikel gibt einen
Überblick über das zurzeit vorliegende
wissenschaftliche Erkenntnismaterial
zum Hagebuttenpulver bzw. Nahrungsergänzungsmittel mit dieser Zubereitung.
20 Millionen Amerikaner und
6 Millionen EU-Bürger leiden an
einer Osteoarthritis bzw. einer Arthrose. Prognosen sprechen von einer
Verdoppelung dieser Zahlen in der
Originalarbeiten
nächsten Dekade. Zur Linderung der
schmerzhaften Beschwerden werden
vor allem nichtsteroidale Antirheumatika angewendet, deren Nutzen
begrenzt ist und deren fehlende Sicherheit Gegenstand zahlreicher Meldungen der internationalen medizinischen Literatur war (Vioxx®). In
einer vor kurzem durchgeführten
fünfarmigen Studie mit 1583 Probanden des National Institute of
Health (GB) wurde auch der Nutzen
von den oralen Chondroprotektiva
D-Glucosaminhydrochlorid
und
Chondroitinsulfat infrage gestellt (1).
Diätetische Maßnahmen gehören genau wie physikalische Therapien zum
Behandlungskonzept bei Beschwerden des Bewegungsapparates. Der
Zusammenhang zwischen entzündlichen Prozessen – speziell bei Erkrankungen der Gelenke – und der
Ernährung ist seit langem bekannt. In
der Ernährungstherapie genutzt werden z. B. die Effekte der Omega-3Fettsäuren auf die Prostaglandin- und
Leukotrienbildung sowie die antioxidativen Effekte von Vitamin C, E
und Selen. Klinische Studien haben
neuerdings gezeigt, dass durch das
nach den bisherigen Erkenntnissen gut
verträgliche standardisierte Pulver aus
dem Samen und der Schale der
Früchte der Hagebutte, eines Subtyps
von Rosa canina, bestimmte Funktionen der Leukozyten, die bei der
Arthrose zu Entzündungen und Gewebeschädigungen führen können,
gehemmt werden. Ferner weisen die
Studien darauf hin, dass das Pulver
schützend auf Zellmembranen wirkt
und damit auf den Aufbau und den
Zerfall des Knorpelgewebes wirkt.
Zur Botanik
Rosa canina L. (Syn Rosa carmata,
R. caucasica, R. frondosa, R. glauca,
R. lutetiana, R. taurica), die Gemeine
Heckenrose, Fam. Rosacea, ist ein
1 bis 5 m hoher Strauch mit bogig
überhängenden Zweigen, der an Waldrändern, Hecken und Steinhaufen in
Europa, Nordafrika, Klein-, Nord- und
Westasien
sowie
Nordamerika
verwildert vorkommt. Der rote Anteil
der Hagebutten ist der fleischig
gewordene Fruchtboden. Schneidet
man die Hagebutte auf, so findet man
darin die Kerne, Semen cynosbati, die
als Haustee mit mild diuretischem
Effekt Anwendung finden.
Zur Geschichte
Die lateinische Bezeichnung für
Rosa canina ist eine Übersetzung des
griechischen kynosbatos, das vom
griechischen kyon, kynos (Hund) und
batos (Dornstrauch) abgeleitet wird
und bei PLINIUS einen Sammelbegriff
für verschiedene Wildrosen darstellte.
Die Bezeichnung Hundsrose basiert
auf dem Glauben der Griechen, die
Wurzel sei wirksam gegen den Biss
eines tollwütigen Hundes. In der
Volksmedizin findet Hagebuttentee
Anwendung gegen Grippe und Erkältungskrankheiten, unter anderem
aufgrund des hohen Gehaltes an Vitamin C. Nachdem sich die Linderung
von Gelenkschmerzen durch den Genuss von Hagebuttentee und Hagebuttenmarmelade mehr und mehr als
Hausmittel etablieren konnte, entschied sich in den 80er Jahren der
Bauer ERIK HANSEN von der dänischen Insel Langeland, die Hagebutte
zu einem Pulver zu verarbeiten und zu
vertreiben. Schließlich fand auch die
Wissenschaft Interesse an dem Hagebuttenpulver. Der Mediziner KAI
WINTHER aus Kopenhagen und ARSALAN KARAZMI, Professor für Mikrobiologie, führten zunächst einige Invitro-Studien durch. Die Erfolge ermutigten zu zusätzlichen In-vivoStudien. Weitere Untersuchungen am
Dänischen Institut für Landwirtschaft
durch LARS CHRISTENSEN identifizierten das bei der Arthrose aktive
Prinzip.
Traditionelle Anwendung:
In Nord- und Mitteleuropa steht
die Anwendung von Hagebutte gegen
Erkältungserkrankungen im Vordergrund. In der Türkei wird Rosa canina
L traditionell als Magentee aufgrund
seiner gastroprotektiven Eigenschaften angewendet. Eine Untersuchung
am Institut für Pharmakognosie der
Universität Ankara, Türkei, ergab,
dass die frischen Früchte von Rosa
canina einen statistisch signifikanten
gastroprotektiven Effekt haben, der
stärker als der der Referenzsubstanz
Misoprostol war (2).
DIOSCURIDES empfahl die getrockneten Früchte bei Darmkatarrh. BOCK
beschrieb die stopfenden Eigenschaften, MATTHIOLUS verwendete die Bee-
Abb. 1: Hagebutte.
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Abb. 2: Chemische Formel des Galaktolipids.
ren gegen Ruhr, die Kerne gegen
Steinleiden (3). Im Mittelalter wurde
die Hagebutte in der traditionellen
europäischen Medizin zum Ausschwemmen angewendet.
Anwendung im
Lebensmittelbereich:
Hagebutten werden frisch, getrocknet oder als Lebensmittelzubereitung in Form von Suppen, Likören,
Gelee oder Marmelade verzehrt oder
als Früchtetee angeboten. Bekannt ist
der hohe Gehalt an Vitamin C. Die
Hagebutte liefert darüber hinaus aber
auch Ballaststoffe, ein breites Spektrum an Vitaminen und Spurenelementen sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie z. B. Lycopin.
Inhaltsstoffe und Wirkungsweise:
Klinische Studien haben gezeigt,
dass standardisiertes Hagebuttenpulver die Symptome der Arthrose
deutlich reduzieren kann. Die Patienten berichten von einer Linderung der
Schmerzen und einer Zunahme der
Beweglichkeit der Gelenke. Schmerzmittel können durch die Ernährungstherapie eingespart werden. Die
aktiven Inhaltsstoffe der Hagebutte
sind hitzelabil und dürfen nicht über
40 °C erhitzt werden, so dass die
Zubereitung durch ein schonendes
Verfahren hergestellt werden muss. In
Hagebuttentee oder -marmelade ist
die ernährungsphysiologisch wichtige, aber hitzelabile Komponente
häufig nur in geringen Mengen
Abb. 3: Entzündungsprozess mit Chemotaxis.
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truw
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Galaktolipid
Placebo
Schaubild Norwegische Studie.
enthalten. Die Haupteffekte der
Hagebutte sind:
• Hemmung der Chemotaxis von
Leukozyten
• Senkung der Menge an C-reaktivem Protein
• Antioxidative Wirkung
Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) wie polymorphkernige Leukozyten sind an Entzündungen beteiligt,
indem sie in dem von der Arthrose
betroffenen Gelenk Gewebsschäden
und Schmerzen auslösen. Sie schädigen das Gelenk, indem sie abbauende Enzyme sowie toxische freie
Radikale freisetzen. Die Leukozyten
werden ins Entzündungsgebiet gelockt (Chemotaxis) und zeigen eine
amöboide Beweglichkeit, die es ihnen
ermöglicht, durch Zellwände hindurchzutreten und ins Bindegewebe
zu wandern, wo sie Gewebetrümmer,
Fremdmaterial sowie Krankheitserreger phagozytieren. Bei Aktivierung setzen sie Leukotriene und
reaktive Sauerstoffspezies frei, die am
Entzündungsgeschehen beteiligt und
Target etablierter Antiphlogistika sind.
Hagebuttenpulver bremst die Anlockung, so dass weniger Leukozyten in
das geschädigte Gelenk einwandern
und der Entzündungsprozess unter-
brochen wird. Zusätzlich wirkt
Hagebuttenpulver antioxidativ und
neutralisiert die reaktiven Sauerstoffspezies, die Knorpel abbauend
wirken. Im Laboratoire de Pharmacologie et Pharmacie in Lille, Frankreich, konnte ein Forscherteam belegen, dass die antioxidativen Effekte
von Rosa canina nicht nur auf
Ascorbinsäure zurückzuführen sind,
sondern ebenfalls auf die in der
Pflanze vorkommenden Phenole, wie
Proanthocyanidine und Flavonoide
(4).
Die positiven ernährungsphysiologischen Effekte bei Arthrose werden
jedoch einem anderen Inhaltsstoff
zugeschrieben. In einer Gemeinschaftsstudie dreier Forschungseinrichtungen in Dänemark – des dänischen Instituts für Landwirtschaft,
des Kopenhagener Universitätskrankenhauses und des Institutes für
Pharmazie – konnte mit einem
Galaktolipid, der aktive Inhaltsstoff
identifiziert und mittels eines komplizierten Fraktionierungsverfahrens
isoliert werden. Das Galaktolipid
wurde in Verbindung mit dem speziellen Herstellungsverfahren patentiert. Es konnte in vitro nachgewiesen
werden, dass dieses Galaktolipid die
Migration polymorphkerniger Leuko-
zyten hemmt (13) und in vivo die
Serumkonzentrationen an C-reaktivem Protein senkt (5). In einer klinischen Studie sank der CRP-Wert
bereits nach 10 Tagen um durchschnittlich 39 % (6).
CRP: Das C-reaktive Protein ist
ein sehr empfindlicher Laborwert für
krankhafte Veränderungen, besonders
für Entzündungen, speziell bei bakteriellen und viralen Infektionen sowie bei rheumatisch und immunologisch bedingten Entzündungen.
CRP ist bei folgenden Erkrankungen
deutlich erhöht: bei allen akuten
Arthritiden, Löfgren-Syndrom, infektreaktiven Arthritiden, M. Reiter,
rheumatischem Fieber, juveniler chronischer Arthrits, M. Bechterew und
Psoriasisarthritis.
In der Rheumatologie ermöglicht
das C-reaktive Protein zum einen eine
Unterscheidung zwischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und
nicht entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, andererseits ist es ein
wichtiger Laborwert für die Verlaufskontrolle von Erkrankungen und die
Therapiekontrolle.
Ein italienisches Forscherteam
untersuchte verschiedene Galaktolipide (Monogalaktosyldiacylglycerol,
Digalaktosyldiacylglycerol und Sulphoquinovosyldiacylglycerol) auf ihre
in vivo entzündungshemmenden Eigenschaften und fanden bei Crotonölinduziertem Ohrödem der Maus
dosisabhängig eine stärker entzündungshemmende Eigenschaft als die
Vergleichssubstanz Bethametason.
Beim Carragenin-induzierten Pfotenödem der Maus zeigte Monogalaktosyldiacylglycerol sogar eine stärker
entzündungshemmende Wirkung als
Indomethacin bei erheblich geringerer
Toxizität (12).
Die Wirksamkeit des Galaktolipids beruht nicht auf einer Blockade
des Cyclooxygenase-Weges im Arachidonsäurestoffwechsel wie durch
andere nichtsteroidale Antiphlogistika. Die Thrombozytenaggregation
wird durch hohe Dosen nicht beeinflusst. WINTHER konnte in einer
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Untersuchung eine Interaktion zwischen Hagebutten und Warfarin hinsichtlich Effekten auf die Blutkoagulation und die Plättchenaggregation ausschließen (7).
Wirksamkeitsnachweis
CHRUBASIK und Mitarbeiter sichteten in einer Datenbankrecherche die
Weltliteratur zu Rosa canina zurück
bis 1985. Insgesamt wurden 88 Zitate
geprüft und 4 randomisierte kontrollierte Studien (WARHOLM et al.,
2003; REIN et al., 2004 a und b;
KHARAZMI, 2004) identifiziert sowie
2 Untergruppenanalysen (REIN et al.,
2004; WINTHER und KHARAZMI, 2004)
analysiert. Alle Studien wurden mit
einem Pulver aus den Samen und der
Schale der Früchte eines Subtypes von
Rosa canina L bei Patienten mit
Osteoarthritis durchgeführt. Die zwei
großen Studien waren von hoher
Qualität. Verbesserung der Gelenkschmerzen nach 3 bis 4 Monaten
Ernährungstherapie mit 5 g Pulver
war in beiden Studien signifikant
gegen Placebo (n=112, p<0,01;
n=100, p<0,05). Die Aktivitäten des
täglichen Lebens fielen den Probanden leichter, die Begleitmedikation
konnte deutlich reduziert werden (8).
Die Studien
REIN und Mitarbeiter vom Institute
for Clinical Research, Kolding, Dänemark untersuchten 112 Probanden mit
Osteoarthritis in einer doppelblinden,
placebokontrollierten Crossover-Studie nach Gabe von 5 g Hagebuttenextrakt über 3 Monate. Eingang in die
Studienbewertung fanden Veränderungen der Gelenkschmerzen und
Steifigkeit nach jeder Behandlungsperiode, aber auch allgemeines Wohlbefinden inklusive Stimmung, Schlafqualität und Energie und Antrieb. Die
Verumgruppe zeigte dabei gegenüber
Placebo hinsichtlich Gelenkschmerzen (p<0,0078) und Steifigkeit
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(<0,0025) eine deutliche Besserung.
Ähnlich deutlich war das Ergebnis bei
dem allgemeinen Wohlbefinden (9).
WARHOLM und Mitarbeiter untersuchten ein standardisiertes Hagebuttenpulver der Samen und Schalen der
Früchte von Rosa canina auf die
Verbesserung der Beweglichkeit von
Hüft- und Kniegelenken, der Aktivitäten des täglichen Lebens, der
Lebensqualität und Schmerzen bei
Osteoarthritis-Patienten. Die Studienmethodik war randomisiert, doppelblind und placebo-kontrolliert. Die
Hälfte der 100 Probanden erhielt
zweimal täglich 0,5 g des standardisierten Hagebuttenpulvers über 4
Monate. Ergebnis war, dass sich die
Beweglichkeit des Hüftgelenks
deutlich verbesserte gegen Placebo
(p=0,033). Auch der Schmerz nahm
deutlich in der Verum-Gruppe ab
(p=0,0035). In der gesamten Studienpopulation berichteten letztendlich
64,4 % über eine Reduzierung der
Originalarbeiten
Schmerzen während der Einnahme
des Pulvers (10). Auffallend war der
laut Probandenberichten überraschend
weit über die Studiendauer hinaus
anhaltende
Langzeiteffekt
von
Hagebutte (Carry-over-Effekt).
Ziel einer Untersuchung am Department für Biochemie am Kopenhagener County Hospital in Gentofte
war es festzustellen, ob der Extrakt
nicht nur zu einer Schmerzreduzierung führt, sondern auch den
Schmerzmittelverbrauch bei Patienten
mit Osteoarthitis senken kann. 94
Patienten wurden hierzu doppelblind,
placebo-kontrolliert und randomisiert
untersucht. Bereits nach 3 Wochen
kam es zu einer signifikanten Abnahme (p<0,014) des WOMACSchmerzes (WOMAC = Western Ontario and McMaster UniversitySchmerzfragebogen). Die Begleitmedikation nahm während der Anwendung von Hagebuttenextrakt
deutlich ab (p<0,027) (11).
In einer Subgruppenanalyse gelang es, den Beweis zu erbringen, dass
nicht nur der erhöhte Entzündungsparameter CRP durch das Hagebuttenpulver gesenkt wird, sondern
auch LDL-Cholesterin.
Literatur
1.
CLEGG, D. et al.: Glucosamine, chondroitinsulfate, and the two in combination for
painful knee osteoarthritis. N Engl. J. Med.
354 (2006) 795–808.
GURBUZ, I., O. USTUN, E. YESILADA, E.
SEZIK, O. KUTSAL: Anti-ulcerogenic activity of some plants used as folk remedy in
Turkey. Ethnopharmacol. 88 (1) (2003)
93–97.
3. BENEDUM, J., D. LOEW, H. SCHILCHER:
Arzneipflanzen in der traditionellen Medizin. Kooperation Phytotherapie 3. Auflage 2000.
4. DAELS-RAKOTOARISON, D. A. et al.: Effects
of Rosa canina fruit extract on neutrophil
respiratory burst. Phytother Res 16 (2)
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5. WINTHER, K., E. REIN, A. KHARAZMI: The
anti-inflammatory properties of rose-hip.
Inflammopharmacology 7 (1999) 63–68.
6. KHARAZMI, A., K. WINTHER: Rose-hip inhibits chemotaxis and chemilumenescence of
human periphal blood neutrophils in vitro
and reduces certain inflammatory parameters in vivo. Inflammopharmacology 7
(1999) 377–386.
7. WINTHER, K.: Rose-Hip in the form of
Hyben Vital has no impact on coagulation,
platelet function and fibrinolysis. In:
Proceedings of the Third International
Exhibition and Conference on Nutraceuticals and Food for Vitality. Geneve,
May 2000 Switzerland.
8. CHRUBASIK, C., R. K. DUKE, S. CHRUBASIK:
The Evidance of clinical Efficacy of Rose
Hip and Seed: A Systematic review.
Phytother. Res. 20 (2006) 1–3.
9. REIN, E., A. KHARAZMI, K. WINTHER: A
herbal remedy, Hyben Vital (stand. powder
of a subspecies of Rosa canina fruits),
reduces pain and improves general wellbeing in patients with osteoarthitis – a
double-blind, placebo-controlled, randomised trial. Phytomedicine 11 (2004)
383–391.
10. WARHOLM, O., S. SKAAR, E. HEDMAN: The
Effects of a Standardized Herbal Remedy
made from a subtype of Rosa canina in
patients with Osteoarthritis: A doubleblind, randomised, placebo-controlled clinical trial. Current Theapeutic research 64
(1) (2003) 21–31.
2.
11. WINTHER, K., K. APEL, G. THAMSBORG: A
powder made from seedsand shells of a
rose-hip subspecies (Rosa canina) reduces
symptoms of knee and hip osteoarthritis: a
randomised, double blind, placebo-controlled clinical trial. Scand J Rheumatol 34
(2005) 1–7.
12. BRUNO, A., C. ROSSI, G. MARCOLONGO, A.
DI LENA, A. VENZO, C. P. BERREI, D.
CORDA: Selective in vivo anti-inflammatory action of the galactolipid monogalactosyldiacylglycerol. Eur. J. Pharmacol
524 (1-3) (2005) 159–168.
13. LARSEN, E., A. KHARAZMI, L. P. CHRISTENSEN, S. B. CHRISTENSEN: An antiinflammatory Glaktolipid from rose hip (Rosa
canina) that inhibits chemotaxis of human
peripheral blood neutrophils in vitro. J Nat
Prod 66 (7) (2003) 994–995.
J. Bielenberg
Raphael-Apotheke
Bahnhofstraße 53
25364 Westerhorn
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654
Diskussions-Forum
Synopsis – neue Wege in der
orthopädischen Schmerz- und
Entstörungsbehandlung
A) Einleitung
Therapieresistenten Beschwerden
mangelt es oft an einer medizinisch
begründbaren Ursache. Sie werden oft
nicht ernst genommen oder psychosomatisch begründet. Hilflosigkeit
oder schmerztherapeutische Behandlungskonzepte leiten einen unbefristeten Analgetikakonsum ein. Die
entgleisten, körpereigenen Regulationsmechanismen der immer größer
werdenden Zahl leidender Individuen
erhalten selten eine Chance sich zu
erholen. Genauso wenig das in der
Folge ebenfalls entgleiste Gesundheitssystem.
Im Folgenden wird ein Weg gezeigt, Erkenntnisse aus klassischen
Behandlungsverfahren effektiv zu
verbinden. Die als Synopsis bezeichnete Methode vereint Erkenntnisse der
Neuraltherapie, insbesondere in Bezug auf Störherde, der Akupunktur, im
Hinblick auf die Geographie der Meridiane sowie der manuellen Medizin,
aus osteopathischer Sicht, und ergänzt
sie mit neuen Erkenntnissen über
Entstörungsmöglichkeiten der Lichttherapie.
– Die Leserinnen bitte ich, den Verzicht auf das zusätzliche „-in“ bei
Therapeut und Patient zu verzeihen.
B) Methode
Dr. Khalil Kermani
Hagenerstraße 25
D-57234 Wilmsdorf
E-Mail: [email protected]
www.dr-kermani.de
An dieser Stelle wird die Vorgehensweise primär aus einem osteopathischen Untersuchungs- und Behandlungsansatz dargestellt. Analog
kann auch in anderen Verfahren vorgegangen werden, wenn auf eine
üblicherweise wirkungsvolle Behandlung keine ausreichende Besserung
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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oder eine ungewöhnliche Befundverschlechterung eintritt.
1. Irritationszone
Bei der manuellen Untersuchung
wird sowohl in der Chirotherapie,
Osteopathie, Neuraltherapie, aber
auch der Akupunktur der Körper nach
der üblichen Anamnese, Inspektion
und klinischen Untersuchung auf Irritationszonen untersucht.
Dabei zeigen sich auch Zusammenhänge mit unphysiologischen Belastungen, ungünstigen Haltungsmustern, organischen Verletzungs- oder
Krankheitsfolgen, degenerativen, entzündlichen oder auch neoplastischen
Prozessen, die jetzt nicht thematisiert
werden.
Eine Irritationszone (IZ) zeichnet
sich aus durch Druckschmerz und
Verspannung sowie Verquellung und
ggf. schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit. Sie entspricht oft auch
einem Akupunkturpunkt und lässt sich
im Normalfall manuell, mit Akupunktur, Neuraltherapie (NT) und
manchmal auch mit Laser behandeln.
2. Manueller Untersuchungsund Behandlungsansatz
Die angewandte Behandlung erfolgt gemäß den Prinzipien der OrthoBionomy. Diese präsentiert eine eigene Behandlungsphilosophie, die hier
nicht weiter beschrieben wird. Sie
wurde vom Osteopathen Dr. A. L.
PAULS in den 70er Jahren aus den
Techniken von Dr. L. JONES entwickelt und von Dr. K. WEBER und
Frau M. WIESE aus Rottenburg in
Diskussions-Forum
ihrem Lehrbuch im Sonntag Verlag
anschaulich beschrieben.
Die Methode ermöglicht eine
Kommunikation mit dem Körper des
Patienten. Sie kommt dessen aktuellem Bedürfnis, nämlich in der Verspannung eine gewisse Stabilität zu
erhalten, entgegen und löst diese
dadurch sanft auf. Wenn sich ein
Verspannungsmuster trotzdem nicht
auflöst, schnell rezidiviert oder die
sanfte Auflösung zu einer ungewöhnlichen Schmerzverstärkung führt,
besteht der Verdacht auf übergeordnete Blockaden oder Störquellen
außerhalb der Bewegungsapparates.
Diese sind zu unterscheiden in typische Störfelder (SF) im Sinne der
klassischen NT oder unspezifische
Störquellen oder Therapiehindernisse.
Normalerweise finden sich für jede
therapieresistente Verspannung eine
oder mehrere zutreffende SF, nach
deren Entstörung eine spontane vollständige oder zumindest die übliche
Behandlung ermöglichende Relaxation eintritt. Verspannte Fascienzüge,
viscerale oder kraniale Irritationen
sowie eine Blockade des Lymphflusses können ebenfalls eine mechanische Behinderung bedingen, die
osteopathisch oder über die Reflexzonen neuraltherapeutisch zugänglich
ist. Die häufigsten SF liegen jedoch an
der Körperoberfläche, zum Beispiel in
Narben, und sind höchstwahrscheinlich elektromagnetischer Natur. Sind
alle SF beseitigt, zeigt sich entweder
sofort oder im Verlauf der Behandlung
Abbildung 1
eine zügige und oft vollständige
Befundverbesserung. Eine vorübergehende, leichte Befundverschlechterung, Müdigkeit oder emotionale
Reaktionen können die Entspannung
und Neuorganisation begleiten. Eine
deutlichere Verschlimmerung oder
eine nur kurze Verbesserung sind ein
Hinweis auf ein übersehenes SF im
Körper oder massive außerkörperliche
Belastungen.
2.1 Anamnese
Hinweise auf SF können sich ergeben
aus Fragen nach Schmerzentstehung,
-dauer, und -charakter, vorausgegangenen Ereignissen, Schmerzvarianten
wie Anlauf-, Belastungs- oder Ruheschmerz, Schmerz beeinflussenden
Modalitäten wie Stress oder Wetterwechsel, Nachtschlaf oder Arbeit,
vegetativen Befindensstörungen, wie
Schlafstörungen, Schwindel, Leistungsschwäche, Antriebsmangel, Verlust an Lebensfreude, sonstigen Erkrankungen, Belastungen, Gewohnheiten und Ausgleichsfaktoren wie
sportliche Betätigung, Einstellung
zum eigenen Körper, zur Gesundheitspflege und Stellung im Leben, früheren und aktuellen Behandlungen
und deren Effekt.
Die Beobachtung des Patienten währenddessen ergibt Hinweise auf die
Konstitution, die psychische und soziale Situation.
2.2 Untersuchung
Der übliche orthopädisch-neurologische Untersuchungsgang wird nicht
näher dargestellt. Auch bezüglich der
Therapie und der Zusammenhänge
von typischen Haltungsmustern, wie
zum Beispiel die sternosymphyseale
Fehlhaltung nach BRUGGER mit typischen Irritationszonen, wird auf das
o. g. Lehrbuch und entsprechende
Ausbildungskurse verwiesen.
An dieser Stelle werden lediglich
1. einige osteopathische Zusammenhangsketten beschrieben, deren
Relaxationswiderstand Hinweise
auf Vorliegen einer übergeordneten Störquelle geben kann
2. Zusammenhänge dargestellt mit
dem System der Akupunktur, der
Neuraltherapie und des Lymphsystems und
3. die Möglichkeiten und Zusammenhänge der Störfeldbehandlung
beschrieben.
2.3 Häufige Verspannungsketten,
deren Auflösungsstarre Hinweise
auf Störherde sind:
1. Blockade BWK 12 mit Verspannung des Quadratus lumborum
und ISG-Blockade in Ileum-posterior-Stellung, meist mit Sacrumposterior-, manchmal mit Hüftbeugekontraktur durch Iliopsoasverspannung, Kniegelenkirritation
mit Femurvorschub über die Tibia,
Irritation des Tibiofibular-, Tibiotalar- und Cuneiforme-MetatarsaleI-Gelenkes.
2. Symphysenirritation mit Verspannung der Adduktoren, einschließlich druckschmerzhaftem Pes anserinus und Kniegelenkirritation.
3. diffuse cervikodorsale Verspannungen und Blockaden mit Verspannung der Schulterblattmuskeln, insbesondere des Levator
scapulae und Infraspinatus und der
an Epikondylus ulnaris und radialis ansetzenden Muskeln.
Die orientierende Untersuchung kann
sehr zügig durch sanftes Abtasten der
typischen IZ geschehen. Die aktiven
IZ können in jeweils ca. 20 Sekunden
durch Annäherung in die freie Richtung im Sinne der Ortho-Bionomy
aufgelöst werden.
3. Zusammenhänge mit dem
System der Akupunktur,
Neuraltherapie und Chirotherapie
a) Akupunktur: Die genannten und
ähnliche weitere Irritationspunkte
können in die Akupunkturbehandlung
oder NT einbezogen werden. Oft führt
dies auch zu einer Lösung der assoziierten Gelenkblockade oder Muskelverspannung und damit der Beschwer-
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Diskussions-Forum
den. Die direkte Nadelung oder NT
verhindert jedoch mögliche Erkenntnisse über übergeordnete Blockaden
und SF. Bei der manuellen Entspannung von Akupunkturpunkten durch
die Relaxation der angrenzenden
Gelenke oder Muskeln können nicht
nur Einstiche gespart werden. Aus der
Entspannungsfähigkeit des Punktes
ergeben sich auch wichtige Hinweise
zur Differenzialdiagnostik von örtlichen und übergeordneten Störungen.
Nach abgeschlossener Störfeldbehandlung verquollen und druckschmerzhaft bleibende Akupunkturpunkte ergeben im Zusammenhang
ein Bild des organisch oder konstitutionell zu Grunde liegenden Störungsmusters. Dieses kann nun
1. symptomatisch durch Nadelung
oder
2. im Zusammenhang mit der traditionellen, chinesischen Konstitutionsdiagnostik gewertet und daraufhin behandelt oder
3. beobachtet und der Selbstheilung
im körperkonformen Zeitrahmen
überlassen sowie
4. bei Therapieresistenz einer weiterführenden Diagnostik zugeführt
werden.
5. Eine bewährte Vorgehensweise ist
auch die Nadelung aller gefundenen IZ im Anschluss an die manuelle Relaxation und Entstörungsbehandlung. Dabei kann der
Patient mit Lagerungskissen oder
Softbällen im Sinne der freien
Bewegungsrichtung gelagert werden. Das heißt, ein Ileum posterior
wird in Bauchlage z. B. durch
Unterschieben eines Kissens unter
den betroffenen Beckenkamm entlastet und Irritationen an der
oberen und mittleren BWS durch
Anheben der gegenseitigen Schulter.
b) Neuraltherapie: Die Berücksichtigung der, aus der Osteopathie bekannten, Irritationszonen und Triggerpunkte bereichert grundsätzlich auch
jede neuraltherapeutische Behandlung. Die Berücksichtigung von Narben oder sonstigen potenziellen Stör-
zonen gehört ohnehin zur klassischen
Vorgehensweise. Die Kombination
mit der kinesiologischen Testung
ergibt:
1. Aufschlüsse über die zu behandelnden Störzonen,
2. durch die Möglichkeit ein Rezidiv
des SF festzustellen, Hinweise auf
übersehene Störquellen,
3. eine Reduktion von Einstichen
und damit der Patientenbelastung,
insbesondere unter Berücksichtigung der neu vorzustellenden
lichttherapeutischen Entstörungsmöglichkeiten.
Die NT bleibt indiziert zur nebenwirkungsarmen Schmerz- und Entspannungstherapie bei tiefer liegenden
Irritationen, z. B. im Bereich von
Nerven- oder Zahnwurzeln, bei verbleibendem Gewebeschmerz zur biochemischen Gewebsneutralisation
und bei gebotener Eile in der kassenärztlichen Routine.
c) Chirotherapie und entsprechende
Techniken der Osteopathie stellen
eine Reiztherapie dar,
1. deren häufigere Wiederholung zur
Gewöhnung führt und nicht mehr
den gewünschten Effekt erzielt.
2. die zu ernsteren Komplikationen
führen kann und aus forensischen
Gründen auch eine vorausgegangene Röntgen- und bei Verdacht
auf Prolaps eine MRT- oder CTAufnahme erfordert.
3. die kontraindiziert sein kann bei
fortgeschrittener Osteoporose oder
Arthrose,
Bewegungsschmerz
beim Probezug, fehlendem Tumorausschluss und Ablehnung von
Seiten des Patienten.
Gelegentlich kann auch eine einfache
Manipulation indiziert sein. Die fehlende Entspannung auf einen sanften
Annäherungsversuch braucht manchmal keine in diesem Fall vergebliche
Suche nach SF, sondern, wie auch
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Schwörer
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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sonst schon mal im Leben eine etwas
herzhaftere Überwindung des Widerstandes.
4. Zusammenhänge mit dem
Lymphsystem
Bei nicht ausreichender oder fehlender Entspannung einer oder mehrerer Irritationszonen können
a) die zugehörigen neurolymphatischen Punkte ( NLP) nach Chapman
und
b) die interdigitalen Lymphpunkte
(IDL) manuell, mit Akupunktur, Laser
oder Lokalanästhetika behandelt werden.
zu b) Die interdigitalen Lymphpunkte
(Extrapunkte der Akupunktur) an
Händen und Füßen werden bei Behandlungsresistenz und insbesondere
auch bei peripheren Stauungszuständen oder Temperaturregulationsstörungen, wie kalten oder heißen Füßen,
auf Druckschmerzhaftigkeit untersucht, massiert, gelasert, axial genadelt oder am effektivsten mit je 0,5 ml
LA im Sinne der Lymphtherapie nach
ULRICH injiziert. Wichtig ist die
manuelle Entlastung der Leiste und
des Sternums, optimal wäre eine
begleitende Lymphdrainage. Auf ausreichendes Trinken von Wasser ist
natürlich auch hier zu achten.
5. Störfeldsuche und
-behandlung
Anamnese und Inspektion gehen der
Störfeldsuche voraus und begleiten sie.
1. Die typischen Störfelder sind :
a) alle Narben, unabhängig von
Größe und Lokalisation, inklusive Tonsillen, Nabel, Damm.
Die Entstehungsgeschichte im
Hinblick auf tiefe Verwachsungen gibt Hinweise auf die einzuschlagende Entstörungstechnik.
b) Drüsen: Tonsillen, Schilddrüse, Prostata
c) Zähne
d) Ohren
e) Nase und Nasennebenhöhlen
f) Gelenke
2. Der Störfeldverdacht ergibt sich
klassischerweise aus dem Krankheitsverlauf bei Verschlechterung
oder nicht ausreichender Besserung auf ein angemessenes Behandlungsverfahren. Dabei sind
manche Erkrankungen, wie die
chronische Schultersteife per se
störfeldverdächtig. Typische SF,
deren häufige Zuordnung und
Behandlung sind nachzulesen z. B.
bei KLAUS WEBER: Neuraltherapie.
Im Rahmen der hier vorgestellten
Methode zeigen sich Hinweise auf
Vorliegen eines SF schon während
der Behandlung aus der fehlenden
Entspannung des verspannten
Muskels oder irritierten Gelenkes
auf ein angemessenes manuelles
Entspannungsangebot.
3. Die Störfeldbestätigung
Die potenziellen SF und Störzonen
werden mithilfe eines einfachen
Muskeltests hier beschrieben, am
M. rectus femoris verifiziert. Die
Möglichkeiten und das fachübergreifende Hintergrundwissen der
Kinesiologie werden umfassend
beschrieben im Lehrbuch: Applied
Kinesiology (AK) von W. GERZ.
1. Der liegende Patient wird aufgefordert, das in Hüfte und
Knie um 90 Grad gebeugte
Bein fest gegen die Therapeutenhand zu beugen. Im
Normalfall erkennt man so das
Kraftmaximum des Patienten
und versucht es kurz zu überwinden.
2. Die vordere Oberschenkelmuskulatur wird im entspannten,
ausgestreckten Zustand mit
beiden
Therapeutenhänden
mehrfach kurz angenähert
(Spindelzell-Manipulation)
und der Grundtest (1) wiederholt. Der Muskel muss jetzt
schwach testen, damit er als
Testmuskel verwendet werden
kann. Ansonsten kann das an-
dere Bein oder ein anderer
Muskel auf Testbarkeit untersucht werden oder eine erneute
Testung nach probatorischer
Entstörung versucht werden.
Auf die kinesiologischen Methoden zur Schaffung einer
Testbarkeit durch Stressreduktion im System wird hier nicht
weiter eingegangen.
3. Der Patient berührt nun den
fraglichen Störherd und drückt
gleichzeitig sein gebeugtes
Bein gegen die Therapeutenhand. Bei Vorliegen eines
Störherdes ist das Gehirn durch
diese Berührung so sehr irritiert, dass es die Koordinationsleistung zur Oberschenkelbeugung nicht erbringen
kann und der Muskel testet
schwach. Störzonen, die der
Patient nicht mit der eigenen
Hand berühren kann, können
zur Testung vor dem Muskeltest kurz angeklopft werden.
Mit etwas Übung spürt der
Therapeut auch ohne Test, ob
die berührte Narbe stört.
4. Bei Narben ist zunächst die
Berührung des ganzen Narbenstranges erforderlich. Für die
Tonsillenregion reicht die äußere Berührung des Halses im
Bereich der Tonsillen. Der Kiefer kann zunächst nach beiden
Seiten, Ober- und Unterkiefer
durch Auflage der Patientenhand überprüft werden, anschließend durch Berührung
der einzelnen Zahnwurzeln.
Die Mittelohrregion wird über
den äußeren Gehörgang, die
Nasenregion
entsprechend
überprüft. Bei Kleinkindern
und Säuglingen gelingt eine
Testung manchmal über eine
zwischengeschaltete Person.
Problematisch ist die Testung
der empirisch sowie auch aus
Sicht der Akupunkturgeographie sehr wichtigen Dammoder vaginalen Hysterektomienarben. Diese sollten immer
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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mitbehandelt werden. Ein kooperationsbereiter Gynäkologe
(In) ist da hilfreich.
5. Bei Zweifeln des Patienten
oder Therapeuten an der Testung empfiehlt sich das Berührenlassen eines Areales in
Narbennähe, wo der vorherige
Muskel sofort stark testet.
6. Direkt im Anschluss an die
Entstörung sollte zur Überzeugung des immer wieder
verblüfften Patienten kinesiologisch nachgetestet werden.
Nur ganz selten bleibt die
Störung. Dann ist zu prüfen, ob
ein anderer Störherd, meist auf
dem gleichen Meridian, z. B.
Nabel bei Kaiserschnitt, noch
stört, oder die Störung wie
auch manchmal am Nabel zu
tief liegt für eine Lichtentstörung und neuraltherapeutisch behandelt werden muss.
4. Entstörung:
1. Akupunktur:
a) In der klassischen Akupunkturlehre wird die Unterbrechung
des Energieflusses in einem
Meridian durch Narben als wesentliche Ursache für Krankheiten gesehen. Die Narben
werden in jeder Sitzung durch
direkte Nadelung mitbehandelt
oder durch Nadelung des
Meridians beiderseits der Narbe.
b) Einen Erklärungsversuch für
die Auswirkung der Nadelung
eines Akupunkturpunktes auf
den übrigen Körper bieten die
Modelle des Grundsystems
nach Prof. PISCHINGER oder des
Matrix-Systems nach Prof.
HEINE.
2. Neuraltherapie:
a) In der klassischen Vorgehensweise werden alle potenziellen
SF in einer Sitzung mit Lokalanästhetika behandelt. Dies
wird regelmäßig bis zur Befundstabilisation wiederholt.
Prinzipiell sind auch der gy-
näkologische Raum, die Prostata, die Schilddrüse und tiefe
Nervengeflechte potenzielle
SF für die Behandlung durch
erfahrene Neuraltherapeuten.
3. Osteopathie:
a) Klassische Vorgehensweise:
In der Osteopathie weiß man
um die Einflussnahme von
weit voneinander entfernten
Zonen über das Fasciensystem,
das neurolymphatische System, hormonelle Faktoren und
das Nervensystem. (s. auch R.
SCHLEIB, Z. f. Osteopathie
1/03). Wenn eine klassische
Behandlung zu einer außergewöhnlichen Erstverschlimmerung oder zu keiner bleibenden
Besserung führt, gehört auch
hier die Behandlung von Narben oder sonstigen Störzonen
zum Programm des erfahrenen
Osteopathen.
4. Lichttherapie:
a) Lichttherapien nutzen die
Wirkung unterschiedlicher Frequenzen und Veränderungen
der sichtbaren elektromagnetischen Strahlung zur mittel- und
langfristigen Stimulation regenerativer biologischer Prozesse. Die kürzeste, notwendige
Einwirkzeit wird bei der Stimulation von Akupunkturpunkten mit fünf bis zehn Sekunden angegeben.
Zur Entdeckung des Effektes
von Licht auf SF führte mich
Anfang 2006 die relative Kontraindikation für die Entstörung mit Lokalanästhetika bei
einer vom Knöchel zur Leiste
reichenden Narbe eines herzoperierten, alten Marcumarpatienten. Auf diesen Anfangserfolg folgte eine begeisterte
Phase des Experimentierens
mit unterschiedlichen Bestrahlungszeiten und Lichtquellen
verbunden mit einer Beobachtung des jeweiligen Behandlungverlaufes. Eine Internetrecherche zeigte, dass die ent-
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Homviora
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störende Wirkung des Lasers,
insbesondere im Rahmen der
Ohrakupunktur, von Dr. BAHR
bereits beschrieben wurde. Auf
diese Methode der Störfeldfeststellung und -behandlung
wird nicht näher eingegangen und auf die Webseite
www.stoerfeld.de sowie das
sehr detaillierte Buch dazu:
„Das Störfeld und seine Entstehung“ verwiesen.
Die eigenen Erfahrungen führten unabhängig davon zu folgenden Erkenntnissen:
a) Zur Entstörung geeignet
sind alle polarisierten Lichtquellen. Das heißt die Lichtwellen müssen parallel schwingen. Das Laserlicht in Softlaserstäben, wie sie auch in der
Akupunkturtherapie üblich
sind, aber auch ein einfacher
Laserpointer erfüllt diese Bedingungen. Die zusätzlichen
Eigenschaften des Laserlichtes
wie Monochromasie (Licht nur
einer Wellenlänge) und Kohärenz (feste Phasenbeziehung
der Lichtwellenzüge) haben
keine verbessernde Wirkung
bei der Entstörung. Andere
Lichtquellen, wie das polarisierende Bioptron oder das
nicht polarisierende, pulsierende Stream-Licht aus der Airnergy-Technik entstören ebenfalls. Eigene Beobachtungen
führen zu einer Bevorzugung
des Stream-Lichtes bei großflächigen Störzonen und eines
kleinen Laserpointers für normale Narben.
b) Die Entstörung geschieht
blitzschnell, auch z. B. bei
Tonsillen oder Tonsillennarben. Im Bereich des Kiefers
kann bei globalem SH-Verdacht die Zahnschleimhaut
komplett bestrahlt und nachgetestet werden. Bei dem seltenen Verbleib einer kinesiologischen Schwäche, vor allem
aber zur genauen SH-Loka-
lisation empfiehlt sich das
Testen erst quadrantenweise
und dann Zahn für Zahn. Hier
ist oft die wiederholte NT bzw.
zahnärztliche Sanierung erforderlich.
c) Die Entstörungswirkung
zeigt sich direkt nach der Bestrahlung des SH in einer lokalen Entspannung des betroffenen Verspannungs- und
Schmerzareales und einer
sicht- und spürbaren Entspannung des Patienten. Entweder
lösen sich die Verspannungen
und Blockaden komplett oder
partiell spontan oder sie sind
jetzt einer sanften, manuellen
Behandlung zugänglich.
d) Die Entstörungsdauer ist
primär nicht zeitlich begrenzt.
Kurzfristige Rezidive v. a. bei
tiefen, verwachsenen Narben
machen gelegentlich eine neuraltherapeutische Behandlung
notwendig. Dabei lässt sich
kinesiologisch genau bestimmen, welcher Anteil der Narbe
einer solchen Behandlung bedarf. Meist weisen kurzfristige
Rezidive jedoch auf Vorliegen
eines noch nicht beachteten
SH, oft z. B. von einem
Dammriss oder einer transvaginalen Hysterektomie, die
dann gynäkologisch zu entstören wäre. In zahlreichen
Krankheitsverläufen bildet diese Entstörung dann den erfolgreichen Abschluss der Behandlung. Ein späteres Rezidiv
durch Reaktivierung einer Narbe meist in einer Stressphase
kann durch erneute Entstörung
im Allgemeinen gut aufgefangen werden.
5. Sonstige Störquellen:
Häufigere Rezidive können
Anlass geben nach Störquellen
außerhalb des Patientenkörpers
zu suchen. Die Frage nach Verschlimmerungszeiten und sonstigen vegetativen Beschwerden, wie Schlafstörungen, Mü-
digkeit oder Kopfschmerzen
während der Arbeit, Verbesserung in Ferien, familiären Problemen etc. kann Hinweise
geben auf psychische, systemische oder elektromagnetische
Belastungen. Manchmal reicht
es, die Front des Radioweckers
oder die Rückseite des PC aus
dem Beeinflussungsbereich
des Patienten oder das Bett aus
einer ungünstigen elektromagnetischen Zone zu verschieben. Psychotherapeuten
können manchmal zu Wundern
verhelfen, durch Auflösung
von systemischen Störquellen.
Chronische Verschlackungen
bedürfen gelegentlich einer
Fastenkur evtl. in Verbindung
mit einer Darmreinigung z. B.
im Rahmen einer Ayurvedaoder Mayrkur und einer Ernährungsumstellung, evtl. auch
mit Suche nach Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Empfehlung: Pro Immun M Test bei
R. MEYER Rodalben, Tel.
06331/18712).
6. Psychologie der
Entstörung
Grundsätzlich versucht die Entstörungsbehandlung, genau wie viele
andere ganzheitliche Behandlungen,
körperliche, seelische oder spirituelle
Schulen, dem Patienten dabei zu helfen, seinem individuellen, ihm innewohnenden Zustand der unversehrten
Ganzheit näher zu kommen. Wie in
der Psychotherapie können Verletzungen lange zurückliegen oder ganz
unbedeutend erscheinen und auch aus
einem unbedeutenden Latenzzustand
durch ein zusätzliches Stressereignis
aktiviert werden. Die Verbindung von
Körper und Seele, aber auch von
Untersucher und Untersuchtem zeigt
sich bereits in der kinesiologischen
Untersuchung. Der Muskel testet
genauso schwach bei Berührung eines
Störherdes wie beim Denken an eine
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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unangenehme Situation. Aber auch
die Erwartungshaltung des Untersuchers oder Patienten, zum Beispiel
eine Schwächung bei Berührung von
Amalgam zu sehen, kann den Muskel
schwächen oder eine elektromagnetische Testung in Testgeräten wie
Vega, Bioresonanz oder EAV positiv
beeinflussen, ohne dass sich Untersucher oder Patient dessen bewusst
werden müssen. Dies kann zu Missbrauch, Fehlinterpretationen und Verwerfen der Methode verleiten. Eine
entspannte, aufmerksame, achtsame
und absichtslose Einstellung ist die
beste Voraussetzung für eine objektive
Testung. Dies gilt auch für eine die
tatsächlichen Bedürfnisse des Patienten und nicht die Vorstellungen des
Therapeuten vom schmerzfreien
Idealzustand berücksichtigende Behandlung. Das Lösen von Blockaden
und Störquellen zeigt eine weitere
Verbindung von Körper, Psyche und
Geist in der direkt spürbaren, körperlichen und atmosphärischen Entspannung und manchmal auch in frei
werdenden Emotionen. Letztere lassen manchmal einen Bezug zu der mit
der Verletzung oder Operation verbundenen, emotionalen Belastung erkennen. Körpertherapeuten kennen
Muskelgruppen, wie Nacken, tiefe
Rückenstrecker oder Oberschenkelmuskeln, die Stress lagern. Bei der
Entstörungsbehandlung sind es meist
diese Muskelgruppen mit einem besonderen Verspannungsbild, z. B. der
kleinen Halsmuskeln oder tiefen
Rückenstrecker, die Hinweise geben
auf einen Störherd. Die während der
Entstörung und Entspannung frei
werdenden „Stressschlacken“ führen
insbesondere bei berührungsintensiver Körperarbeit auch zur energetischen und immunologischen Belastung des Therapeuten. So wie der
Patient sich die Zeit nehmen sollte,
die erhaltenen Impulse angemessen
zu verarbeiten, sollte sich der Therapeut über diese Belastung bewusst
sein und in seinen Tagesablauf
ausreichend Regenerationsmöglichkeiten einplanen.
7. Physiologie der
Entstörung
Erste Forschungen über die biologische Wirkung von Laser führte ich
in Zusammenarbeit mit dem physikalischen Institut als Leiter der Akupunkturambulanz der orthopädischen
Universitätsklinik Münster durch. Im
Rahmen einer Doppelblindstudie
konnte damals keine signifikante
Temperaturerhöhung an den Händen
nach Bestrahlung des Akupunkturpunktes DE 5 am distalen Unterarm
festgestellt werden. Die jetzige Wirkung von Laser oder auch des polarisierten Lichtes auf kinesiologisch
störende Narben ließe sich, wie damals auch, durch eine technische
Apparatur mit nur dem PC bekannter
Zufallsauswahl zwischen Laser und
Infrarot und apparativ kontrolliertem
Muskeltest doppelblind testen. Die
Veränderungen am Bewegungsapparat
im Hinblick auf Muskelentspannung
und Auflösung von Blockaden könnten durch eine neutrale, nicht über die
Art des Lichtes informierte Kontrollperson überprüft werden. Aber sowohl
Patient als auch Untersucher brauchen
keine solche Bestätigung. Ich empfehle jedem Kollegen oder Therapeuten
den vorhandenen Laser oder für 15 bis
20 Euro einen Laserpointer zu nehmen und mit der Störfeldbehandlung
anzufangen. Dass es wirkt, ist dann in
Kürze keine Frage mehr, aber wie es
wirkt. Wegweisend sind die Arbeiten
von Forschern wie POPP über Photonen, die Erforschung von Polarisationsebenen des Körpers und die
Arbeiten von BAHR und Mitarbeitern.
Die Berücksichtigung der Koexistenz
verschiedener Wirklichkeitsebenen,
wie zellulärer, energetisch-informativer oder der von unserem Bewusstsein projizierten Ebene ist Voraussetzung für eine entsprechende Weiterentwicklung der Medizin.
8. Kasuistik
Krankenblatt-Daten
Rückenbeschwerden:
Frau H. E. geb.1941
25.1.06:
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An: Klagt über chron. Schmerzen im
Lumbalbereich trotz NT beim HA,
sowie schon länger wieder über
Schmerzen im re. Kniegelenk bei Z. n.
operierter Meniscusverletzung vor 4 J.
B: Hartnäckige Irritation L 3 li., L 5
bds. und des ISG bds. als Ileum
posterior, dorsalisierte Sacrumbasis,
Irritation der Symphyse und der
Hüftadduktoren rechts, inklusive des
Pes anserinus sowie Femurvorschub
über die Tibia re. An der Narbe an
beiden Leisten und am re. Knie
kinesiologischer Verd. auf Vorliegen
eines Störherdes mit leichter Besserung von Druck- und Bewegungsschmerz der LWS nach Narbenbehandlung der Leisten und deutlicher
Besserung nach Entstörung am Knie
D: Chronisch rezidivierende Lumbalgie und postoperative Gonalien re. bei
Narbenstörherd
Th: Weiche manualtherapeutische Behandlung und Störfeldbehandlung mit
Licht
31.1.06
An: Es ist eine deutliche Besserung
eingetreten. Hat verstärkt Krämpfe in
den Beinen seitdem.
B: An der Narbe am re. Knie erneut
Verd. auf Störherd mit deutlicher
Besserung von Druck- und Bewegungsschmerz der LWS nach Narbenbehandlung bei nur noch leichter
Irritation D 10 re. und ISG re. Unter
Gabe von Phosetamin (Mg+K+Ca)
direkt Nachlassen des DS in der
Wade.
Th: Manualtherapie und Störfeldbestrahlung re. Knie und bd. Beine an
kleinen Venenop.narben
26.4.06
An: Es war eine deutliche Besserung
eingetreten bis zur Vorwoche nach
Verheben.
B: Irritation D 12 re. mit Verspannung
des M. quadratus lumborum und Blockade des Iliosacralgelenkes rechts,
Tibiaderotation in Bezug zum Femur
re., Narben oB
Th: Weiche osteopathische Behandlung und Akupunktur
20.7.06: Bis dato kein bekanntes
Rezidiv
Diskussions-Forum
Schwindel und Übelkeit
Frau V. A., geb. 1978
2.3.06
An: Klagt seit heute früh akut über
starke Schwindelneigung mit Erbrechen.
Hat eben Vertigo heel i. v. bekommen.
Nackenschmerzen seit 1 Woche und
schon länger Schmerzen im Lumbalbereich mit Ausstrahlung in bd. Beine
B: Irritationen im Bereich der HWS
bei C 3 und 5 li. sowie des Sternoclaviculargelenks links mit Verspannung des M. sternocleidomastoideus
li., DS der neurolymphatischen Punkte der HWS und des Ohres li., Irritation D12 bds. mit Verspannung des
M. quadratus lumborum li. und Blockade des Iliosacralgelenkes links bei
posterior Stellung des Darmbeines,
Romberg und Unterberger-Versuch
unsicher, jedoch keine sicheren neurologischen Defizite,
An den Tonsillektomienarben kinesiologischer Verd. auf Vorliegen eines
Störherdes mit Besserung des Schwindels erst nach Narbenbehandlung
Th: Weiche manualtherapeutische Behandlung und Laserentstörung
D: Akute Cervikalgie mit Schwindel
und Übelkeit bei Tonsillennarbenstörherd und chron. pseudoradikuläre
Lumboischialgie bds.
20.7.06: Bis dato kein bekanntes
Rezidiv
Rezidive:
Prinzipiell reicht eine einmalige Entstörung. Rezidive und Verschlimmerungen weisen auf übersehene Störherde. Zum Beispiel traten eine Stunde nach erfolgreicher Behandlung der
Rückenschmerzen eines Patienten mit
Narbenentstörung heftige Knieschmerzen an einem vorher relativ
friedlichen, vor Jahren arthroskopisch
operierten Knie auf. Die osteopathische Behandlung zeigte keine Beeinflussbarkeit der punktuellen
Schmerzen am medialen Gelenkspalt.
Der Verdacht auf Aktivierung eines
übersehenen Störherdes durch die
Entstörung anderer Herde konnte
durch intraartikuläre Entstörung mit
Procain bestätigt und der Patient
anhaltend von seinen Beschwerden
befreit werden.
9. Zusammenfassung und
Diskussion
1. Die meisten orthopädischen Beschwerden lassen sich auf sanfte,
nicht invasive Weise lindern oder
beheben.
2. Narben und andere Störherde
stellen ein prinzipiell bekanntes
Therapiehindernis dar, das in
schulmedizinischen Kreisen noch
keine ausreichende Berücksichtigung gefunden hat.
3. Die hier vorgestellte Entstörungsbehandlung kann prinzipiell auch
ohne kinesiologische Untersuchung und meist mit einem Laserpointer, also ohne Injektion von
Lokalanästhetika an allen potenziellen Störherden durchgeführt
werden. Eine neuraltherapeutische
Entstörung ist nur selten bei tiefen
Narben, wie z. B. am Nabel, nach
peri- und postoperativen, lokalen
Entzündungen und im Kieferbereich erforderlich.
4. Die Entstörung ist nur effektiv,
wenn sie vollständig ist, das heißt
alle SH entstört sind. Erstverschlimmerungen oder Rezidive
eines SH geben Hinweis auf
verbliebene SH. Insbesondere
Dammnarben sollten zumindest
bei Therapieresistenz immer mit
entstört werden. Die Entstörung
hält entweder auf Dauer oder bis
zur nächsten Krisensituation. Die
Heilung ist manchmal vollständig,
je nach bestehenden Schäden kann
aber ohne Aufwand zumindest
eine partielle Entlastung erreicht
werden.
5. Die Größe von Narben oder Seitenlokalisation spielt selten eine
Rolle. Gehäufte Korrelationen finden sich bei chronischen Schultersteifen und gleichseitigen Problemen im Eckzahnbereich oder
Symphysenirritationen bei Nabeloder Unterleibsnarben. Die Entstörung akupunkturanatomisch
bedeutender Narben wie am
Damm sollte zur gynäkologischen
Routine werden.
6. Die probatorische Entstörung von
Narben könnte ohne Aufwand zum
Bestandteil jeder ärztlichen oder
physiotherapeutischen Erstuntersuchung und Behandlung gehören.
Chirurgen, Gynäkologen und
Zahnärzte könnten ihre OP-Narben prophylaktisch mit einem
Laserpointer beleuchten. Eine Bereicherung in der Diagnostik und
optimale Behandlungsergebnisse
ergeben sich jedoch vor allem,
wenn die Entstörung den empfohlenen Platz in der individuellen
Behandlungsroutine des Therapeuten findet.
Literatur
BEATE STRITTMATTER: Der Störherd und seine
Entstörung.
WEBER/WIESE: Lehrbuch der Orthobionomy.
WEBER/BAYERLEIN: Neurolymphatische Reflextherapie nach Chapman und Goodheart.
KLAUS WEBER: Neuraltherapie in der Praxis.
WOLFGANG GERZ: Applied Kinesiology.
MANFRED A. ULLRICH: Neue Schmerztherapien
(Lymphfaltentherapie).
HANS DIEPOLD: Arbeitsbuch Softbälle sowie
Lernkarten in der Ortho-Bionomy.
Nähere Informationen zu weiterer Literatur
beim Verfasser.
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
662
Akupressur und Schröpfen
sind therapeutische Methoden
Stellungnahme des ZAEN zu einer Anfrage des Regierungspräsidiums Hessen,
ob Akupressur und Schröpfen Tätigkeiten
sind, die ausschließlich von approbierten
Ärzten und Personen nach der Zulassung
per Heilpraktikergesetz durchgeführt werden sollen oder auch von anderen Berufsgruppen angewandt werden dürfen.
der Weiterbildungsordnung eine Methode
der Zusatz-Qualifikation Naturheilverfahren der Ärztekammer. Auch hier gilt
Entsprechendes wie bei der Akupressur.
Diagnostik, Differenzialdiagnostik und
Therapie müssen lege artis durchgeführt
werden. Das blutige Schröpfen ist darüber
hinaus ein invasives Verfahren mit
Verletzung der Körperoberschicht. Kontraindikationen wie Blutgerinnungsstörungen sind bei allen Formen der
Schröpfkopfbehandlung zu beachten. Die
Schröpfkopfbehandlung sollten ebenfalls
ausschließlich Ärzten und Heilpraktikern
vorbehalten bleiben.
Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob
diese Methoden quasi als Volksmedizin in
der eigenen Familie als Behandlungsversuch durchgeführt werden oder ob sie
gewerbsmäßig gegen Entgelt angewandt
werden.
Wenn sie gewerbsmäßig den Patienten angeboten
werden, bedarf es, wie bei jeder medizinischen Behandlung, vor der Therapie einer Diagnostik, diese ist
per Gesetz nur approbierten Ärzten und Personen nach
dem Heilpraktikergesetz erlaubt. Akupressur und
Schröpfen sind therapeutische Verfahren und keine
Wellness-Methoden.
Die Anwendung der Methoden bedarf einer Ausbildung. Akupunktur ist mittlerweile eine 200-stündige
Ausbildung nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer mit Prüfung und Anerkennung als Zusatzbezeichnung, das Curriculum im Kursbuch Akupunktur
der Ärztekammer festgelegt. Die Akupressur bedient
sich sowohl gleicher Reizpunkte als auch gleicher
differenzialdiagnostischer und therapeutischer Regeln.
Ohne Beachtung dieser Regeln ist auch die Akupressur
keine seriöse Therapie. Darum sollte sie nur den
ausgebildeten und berechtigten Personengruppen wie
Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten bleiben.
Auch wenn Akupressur und Schröpfkopfbehandlung
„anwenderfreundliche Methoden“ sind, d. h. wenig
Nebenwirkungen zu erwarten sind, bedürfen sie einer
Indikationsstellung und einer Anwendung lege artis.
Die weit höhere Gefahr besteht darin, dass ohne
Differenzialdiagnostik behandelt wird und folgenschwere Erkrankungen von Nichtärzten übersehen
werden. In der gewerblichen Anwendung hat der
Patient einen Anspruch auf Therapiesicherheit, die von
Nichtärzten nicht erfüllt werden kann.
Publikumswirksame Literatur über Akupressur und
Schröpfen suggeriert, es seien leichte und nebenwirkungsfreie Methoden und von jedermann anwendbar – eine populistische Sichtweise. Jedermann bleibt es
unbenommen, sich auszubilden, um nach der Approbation oder dem Heilpraktikergesetz zugelassen zu
werden. Eine weitergehende Berechtigung der Anwendung würde Scharlatanerie fördern.
Dr. Antonius Pollmann
Präsident des ZAEN
Die Schröpfkopfbehandlung ist Bestandteil des Kursbuches Naturheilverfahren der Ärztekammer und nach
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
663
ZAEN Termine und Informationen ZAEN Termine und Informationen
Aus dem ZAEN
DÄGfA
® Mehr als 11.500 Mitglieder
® Forschungsförderung
® Umfangreiches Weiter- und
® Internationale Zusammen-
Fortbildungsprogramm
® Herausgabe der Deutschen Zeit-
arbeit und Kooperationen mit
chinesischen Universitäten,
Mitglied des ICMART
DÄGfA
schrift für Akupunktur
® Bundesweit über 140 Quali-
55 Jahre
® Patientenzeitschrift
Kompetenz und Erfahrung
in Akupunktur sowie
Chinesischer Medizin
„Akupunktur Magazin“
Termine und Informationen
Akupunktur
Weiterbildung–
Fortbildung
Ärztekammer-Diplom
Die DÄGfA bietet in vielen deutschen Städten Kurse
zur Erlangung des Ärztekammer-Diploms. Der Ausbildungsweg umfasst insgesamt 200 Stunden.
tätszirkel für Akupunktur und
chinesische Medizin
Jährlich organisiert die Deutsche Ärztegesellschaft
für Akupunktur (DÄGfA) mehr als 400 Fortbildungveranstaltungen und wissenschaftliche Kongresse.
Die Kurse und Ausbildungswege sind anerkannt und
zertifiziert.
l
l
e
u
t
k
top a
Akupunktur für das LWS-Syndrom
und Knieschmerzen wird ab
1. Januar 2007 Kassenleistung!
Das hat jetzt der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen entschieden.
Start neuer Kurse 2006 / 2007:
l 14. Oktober: München
l 21. Oktober: Düsseldorf
l 28. Oktober: Baden-Baden
l 02. Dezember: Hamburg und Berlin
l 13. Januar: Stuttgart und Nürnberg
l 10. Februar: München
l 17. Februar: Berlin und Dresden
l 24. Februar: Düsseldorf und Hamburg
Behandelnde Akupunkteure müssen 200 Stunden
Akupunktur-Ausbildung nachweisen. Ein ÄrztekammerDiplom ist bis zum 31.12.2007 nicht erforderlich.
Die DÄGfA bietet Ihnen die Möglichkeit, fehlende
Stunden kurzfristig zu absolvieren. An vielen Orten
in Deutschland finden Kurse mit unterschiedlichen
Themen statt.
Diplom Vollausbildung
Für die anschließende Vollausbildung bietet die
DÄGfA verschiedene Wege: curricular, modular oder
als Block.
Für die künftig zusätzlich erforderlichen 80 Stunden
Psychosomatische Grundversorgung und 80 Stunden
Schmerztherapie können Sie sich schon jetzt vormerken lassen.
DÄGfA Akademien
Kurse im In- und Ausland zu speziellen Themen für
fortgeschrittene Akupunkteure und Absolventen
der Vollausbildung.
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Alle Termin r
te
n
u
t
im Interne
e
.d
fa
g
www.dae
Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V., gegr. 1951
Fortbildungszentrum, Würmtalstr. 54, 81375 München
Tel. 089/710 05 11, Fax 089/710 05 25, e-mail: [email protected]
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Termine der Arbeitskreise
der Internationalen
Medizinischen
Gesellschaft für
EIektroakupunktur
nach Voll e.V.
Arbeitskreis Hamburg
25. Oktober 2006
22. November 2006
Anmeldung erfolgt bei:
Dr. Thomas Heinrici
Neuer Wall 61, 20354 Hamburg
Telefon (0 40) 34 68 88
Fax (0 40) 35 27 19
Arbeitskreis Nord
11./12. November 2006
Anmeldung erfolgt bei:
Dr. Michael Rönspiess
Ton Hogenbargen 24
24629 Kisdorf
Telefon (0 41 93) 41 44
Fax (0 41 93) 96 86 26
Arbeitskreis
Westdeutschland
17. Oktober 2006
12. Dezember 2006
Anmeldung erfolgt bei:
Dr. med. dent. Johannes
Mauksch
Kaiserstraße 1
51643 Gummersbach
Telefon (0 22 61) 6 64 66
Fax (0 22 61) 2 86 00
E-Mail: [email protected]
12.–14.10.2007
EAV-Sonderseminar für Mitglieder
18./ 19.11.2006 in Frankfurt/ M.
Samstag, den 18. November 2006
„Die Psyche hinter der Krankheit“
Testen psycho-emotionaler Bezüge mit dem MindLINK Testsystem
Referent: Dr. med. dent. Johann Lechner
9.00- 9.45 Uhr
1. Bewusstseinsfelder und Skalarwellen – kurze Einführung
in die Physik der Biogravitation
9.45-10.30 Uhr
2. Aufbau von MindLINK TEST
11.00 -12.30 Uhr
3. Praxis und Technik des Testens psycho-emotionaler
Bezüge unter EAV - Erfolgskontrolle
12.30 – 13.00 Uhr
Diskussion
15.00 – 16.00 Uhr
"Ist Aids mit EAV heilbar?"
Referent: Dr. med. Georg F. Schroeder
„Kunststoff. Der Universalwerkstoff in der Zahnmedizin?“
Referent: Zahnarzt D.-M. Braun, Pinneberg
16.30 – 17.15 Uhr
1. Kunststoff als ästhetischer Werkstoff in der
konservierenden Zahnheilkunde und in der Prothetik.
17.30 – 18.00 Uhr
2. Wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse über
Intoxikationen von zahnmedizinischen Kunststoffen
3. Therapiekonzepte
Sonntag, den 19. November 2006
9.00 – 9.45 Uhr
Zahnärztliche Kunststoffe, eine absolute Bio-IN-Kompatibilität
im Körper?
Referent: Dr. med. Hans Heyer, Bad Ahrweiler
1. Allergotoxische Belastung durch zahnmedizinische
Kunststoffe nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
10.00 – 10.45 Uhr
2. Klinische Erfahrungen mit der EAV auf zahnmedizinische
Kunststoffe und Werkstoffe
11.15 – 11.45 Uhr
Kunststoffe – Fluch oder Segen für die Menschheit
Referent: Dr. med. dent. W. Stute, Bielefeld
Kunststoffe in allen Bereichen der Zivilisation und die
Wirkung auf die Menschheit sowie Umwelt
11.45 – 12.30 Uhr
Diskussion mit allen 3 Referenten
Tagungshotel:
Tryp Hotel Frankfurt, Braunfelsstraße 17, 60486 Frankfurt /M.
Tel. 069/ 707 300, Fax 069/ 707 30 333
Teilnahmegebühr:
Mitglieder der Internationalen medizinischen Gesellschaft für Elektroakupunktur
nach Voll: 80,-- a Tagungs- und Esspauschale für das Wochenende
Nichtmitglieder: 250,-- a Tagungs- und Esspauschale für das Wochenende
Anmeldung:
Internationale Medizinische Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll e.V.
Am Promenadenplatz 1, 72250 Freudenstadt
Tel. 07441/ 92 48 50; Fax 07441/ 92 48 52
E-Mail: [email protected], http://www.eav.org
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
665
E-Mail: [email protected]
EAV-Sekretariat und
Ausbildungsorganisation:
Gabi Möhrle
Am Promenadenplatz 1
72250 Freudenstadt
Tel. (07441) 92 48 50
Fax (07441) 92 48 52
Internet: http://www.eav.org
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.eav.org
23.–25.3.2007 bzw.
7.–9.9.2007
72250 Freudenstadt Tel. (07441) 92 48 50
2.–4.2.2007 bzw.
15.–17.6.2007
Am Promenadenplatz 1
Internationale Medizinische Gesellschaft
für Elektroakupunktur nach Voll e.V.
EAV
20.–22.4.2007
EAV-Sonderseminar
Tagungsort:
Frankfurt/M.
Seminar I
Die Elektroakupunktur nach Voll – Werkzeug für den
Umgang mit vernetzten biologischen Systemen
Tagungsort:
Kassel
Seminar II
Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und ihre Bedeutung
in der EAV
Tagungsort:
Bad Homburg
Seminar III
Umwelt- und Inweltbelastungen des Menschen/Das
Erkennen der Zusammenhänge zwischen Um- und Inwelt
als Plurikausales Gesamtgeschehen
Tagungsort:
Bad Dürkheim
Seminar IV
Kopfherde, zahnmedizinische Dysfunktion und systemische
Bezüge im Organismus
Tagungsort:
Kassel
Fax (07441) 92 48 52
EAV-Seminare 2006/2007
18.–19.11.2006
IGNH
Am Promenadenplatz 1
72250 Freudenstadt
Tel. 07441 / 91858-0, Fax 07441 / 91858-22
http:/www.ignh.de
E-Mail: [email protected]
4. Seminar Neuraltherapie nach Huneke in Greifswald
Da war er wieder – nach
sehr langer Zeit sofort wieder vertraut – der Geruch
nach Formalin!
Vom 25. bis 27. Mai fand das
jetzt 4. Seminar der IGNH in
Zusammenarbeit mit dem
Anatomischen Institut der
Universität Greifswald statt.
40 neuraltherapeutisch tätige Kollegen kehrten dabei
in den Präpariersaal zurück,
um wie in lang zurückliegenden Zeiten anatomische
Strukturen an der Leiche zu studieren.
JÜRGEN GIEBEL, Privatdozent am Anatomischen
Institut Greifswald, hatte alles bestens organisiert, so
dass wir in 3 Gruppen aufgeteilt unser Studium
aufnehmen konnten.
Angeleitet und betreut wurden wir dabei vom neuen
Leiter des Anatomischen Instituts, Herrn Professor
Dr. ENDLICH, seinem Oberarzt Dr. KOPPE und Privatdozent Dr. GIEBEL selbst.
Unsere Injektionstechnik beschreibend, beginnend
bei der Einstichstelle, konnten wir den Weg unserer
Nadel Schicht für Schicht verfolgen. Insbesondere im
Kopfbereich war es sehr lehrreich, Größenverhältnisse von Knochenteilen sowie Entfernungen zu
hirnwärts ziehenden Gefäßnervensträngen zu studieren und sich wieder als „Bild“ vor Augen zu führen.
Alle Teilnehmer waren mit Begeisterung dabei und
nutzten die Möglichkeit des erneuten Anatomiestudiums an beiden Seminartagen.
Die Arbeit im Präpariersaal fand jeweils als Abschluss
eines Vortragsabschnittes statt. Die Vorträge waren
thematisch breit gestreut und behandelten theore-
tische Grundlagen wie die moderne Physik, neuroanatomische Grundlagen, aber auch aktuelle Kasuistiken und neue Injektionstechniken.
Bei den theoretischen Themen und neuroanatomischen Grundlagen fanden wir interessierte Unterstützung von unseren gastgebenden Anatomen.
Professor ENDLICH ist nicht nur Mediziner, sondern
auch Physiker und hat daher einen besseren Zugang
zu unserer Therapie. In Greifswald zeigte er sich sehr
offen und freundlich und versprach, JÜRGEN GIEBEL
und uns weiter zu unterstützen.
Im Anschluss an die Vortragsveranstaltung fanden
neben den anatomischen Studien im Präpariersaal
natürlich auch praktische Übungen statt. In 3 Gruppen
jeweils betreut von erfahrenen Neuraltherapeuten
wurden an einbestellten Patienten Injektionstechniken
demonstriert.
Nach bekanntlich anstrengender Tagung war der
Erfolg der gut organisierten Abende eigentlich vorprogrammiert. An beiden geselligen Abenden nahmen über 50 Kollegen teil, die die fröhliche und
begeisterte Stimmung des Seminars im Restaurant
fortsetzten.
Obwohl Greifswald rein geographisch nicht gerade
zentral gelegen ist, war die Teilnehmerliste international. Österreichische, schweizer und sogar
türkische Kollegen hatten den weiten Weg auf sich
genommen, um an dieser Tagung teilzunehmen – und
ich könnte mir denken, dass sie es nicht bereut
haben.
Insgesamt war das 4. Greifswalder Seminar also
wieder ein voller Erfolg und wir hoffen, diese recht
neue Art der Tagung noch oft wiederholen zu können.
Dr. Uta Rehder
Vorstandsmitglied der IGNH
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Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
667
Ernährungstherapie
Aktuelles aus der ReformhausFachakademie
Tagesplan für Untergewichtige
Die Ursachen für Untergewicht bei Gesunden sind vielfältig. Eine
wichtige Rolle spielen die Gene, der Grad von Aktivität und der
Bedeutung, den die Betroffenen dem Essen beimessen.
Untergewicht wird definiert als Body-Mass-Index unter 18,5 und ist
nicht gleichbedeutend mit Unter- oder Mangelernährung.
iel der Ernährungstherapie ist die
Gewichtszunahme, die langsam
erfolgen und 2 Kilogramm pro Monat
nicht überschreiten sollte. Im Mittelpunkt der Beratung steht die Erhöhung der Kalorienaufnahme um etwa
500 kcal pro Tag. Der Patient sollte
motiviert werden, regelmäßig zu
essen, eine Fixierung auf feste Essenszeiten ist nicht notwendig.
1. Frühstück: Müsli aus Getreideflocken, Nüssen bzw. Nussmus, Rosinen und Sahnejoghurt. Zusatz von
Weizenkeimen und Fruchtdicksäften.
2. Frühstück: Brot mit Frischkäse
und in Öl eingelegtem Gemüse (z. B.
Oliven) oder Frucht-Nussschnitte
Mittag: Gemüsecremesuppe, Kartoffeln, Fisch oder Fleisch, leicht verdauliches Gemüse mit Ölen, Nüssen,
Saaten und Nährhefeflocken zuberei-
Z
tet, Gemischter Salat mit Käsewürfeln, Essig-Öl-Dressing, Sahnequarkspeise mit Obst und Süßungsmittel
Zwischenmahlzeit: Kakao mit
Sahne, Milch-Mix mit Nussmus,
Rührkuchen mit Mohn oder Nüssen
Abendessen: Vollkorntoast überbacken mit Käse, Schinken, Salat mit
Oliven oder Avocado, Brot mit Lachsoder Makrelenfilet
Spätmahlzeit: Milchreis bzw.hirsebrei mit Bananen, Sahne, Zimt
und Zucker
NAHRUNGSERGÄNZUNG
Aufnahme und Wirkungen
sekundärer Pflanzenstoffe
Der gegenwärtige Kenntnisstand
reicht noch nicht aus, um Zufuhrempfehlungen für einzelne sekundäre
Pflanzenstoffe zu geben. Sie scheinen
eine Vielzahl an gesundheitsrelevanten Wirkungen auszuüben. Die Ergebnisse stammen vielfach aus Tierversuchen und In-vitro-Studien. Häufig
sind die Wirkungen beim Verzehr von
Lebensmitteln mit hohem Anteil an
sekundären Pflanzenstoffen nachweisbar, nicht aber bei der Aufnahme
isolierter Verbindungen. Die DGE
geht daher nicht dazu über, Empfehlungen in Form von Nahrungsergänzungen auszusprechen.
Zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe werden mehrere Tausend
Substanzen gerechnet, die in Obst,
Gemüse, Salat, Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Vollkormprodukten vorkommen. Sie lassen sich aufgrund
ihrer chemischen Struktur in verschiedene Klassen einteilen wie Carotinoide, Polyphenole, Phytoöstrogene,
Sulfide. Auch Phytinsäuren, Lektine
und Chlorophyll gehören dazu.
Der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen ist genetisch festgelegt und
kann auch durch Sortenauswahl, Reifungsgrad und Umweltbedingungen
beeinflusst werden. Die Gehalte können dadurch schwanken. Der Mensch
nimmt Schätzungen zufolge mit einer
gemischten Kost etwa 1,5 g pro Tag
auf. Bei einer vegetarischen Kost kann
die Aufnahmemenge weitaus höher
liegen.
Carotinoide
Es gibt über 700 verschiedene Carotinoide, die von Pflanzen, Algen und
Bakterien synthestisiert werden, nur
etwa 50 haben Provitamin-A-Aktivität.
Zu den sauerstofffreien Carotinoiden
zählen α- und ß-Carotin und Lycopin.
Lutein, Zeaxanthin und ß-Cryptoxanthin zählen zu den sauerstoffhaltigen Xanthophyllen.
Die durchschnittliche Zufuhr beträgt
etwa 5 bis 6 mg pro Tag. Carotinoide
sind vor allem antikanzerogen, antioxidativ. Sie werden eingesetzt als
Schutz vor Augenerkrankungen sowie
zur Immunmodulation.
Phytosterine
Sie sind Bestandteile der Zellmembran. Sie kommen in fettreichen
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
668
Ernährungstherapie
6I^ITXI
(für 4 Portionen)
Bioverfügbarkeit liegt etwa zwischen
3 und 15 %. Die gesundheitsrelevanten Wirkungen beziehen sich vor
allem auf die Senkung des PlasmaCholesterolspiegels.
1 Kilo Kartoffeln, 3 Fenchelknollen, ca.
500 g Tomaten (aus dem Glas oder von
frischen Tomaten), Meersalz, Pfeffer,
2 Stück Mozzarella je 150 g, 150 ml
Sahne, etwas Hefestreuwürze, 1 zerdrückte Knoblauchzehe, 80 g geriebener
Hartkäse, 30 g grob gehackte
Haselnüsse
Senfdip: 40 g Parmesan, 1 zerdrückte
Knoblauchzehe, 8 EL kalt gepresstes
Olivenöl, 4 EL Estragon- oder Bärlauchsenf, 1/2 Bund glatte Petersilie, Meersalz, Pfeffer
Saponine
Sie schmecken stark bitter und kommen
in Hülsenfrüchten, Soja, Spargel, Hafer
und Lakritze vor. Die durchschnittliche
Zufuhr liegt etwa bei 15 mg pro Tag.
Die Bioverfügbarkeit liegt unter 3 %.
Saponine wirken in Tierstudien
antikanzerogen, antibiotisch, immunmodulierend und Cholesterol senkend.
ReformhausKURIER / C. P. FISCHER
Kartoffel-Fenchel-Lasagne mit
Senf-Dip
Das mache ich:
Kartoffeln schälen und in dünne Scheiben schneiden, Fenchelknollen vorbereiten, in dünne Ringe scheiden. Kartoffeln
und Fenchel kurz in kochendem Wasser
blanchieren. Leicht salzen und pfeffern.
Tomaten gut abtropfen lassen (frische
Tomaten enthäuten und entkernen) und
würfeln. Mozzarella in dünne Scheiben
schneiden. Die Hälfte der Kartoffeln und
des Fenchels in eine gefettete Auflaufform geben. Die Tomaten und den geschnittenen Mozzarella darauf verteilen.
Mit restlichem Fenchel und Kartoffeln
abdecken. Die Sahne mit Hefestreuwürze verquirlen und auf die Lasagne träufeln. Mit Hartkäse und Haselnüssen bestreuen. Im vorgeheizten Backofen bei
180 bis 200 Grad zirka 35 bis 40 Minuten goldgelb überbacken. Zwischenzeitlich Parmesan, zerdrückte Knoblauchzehe, Olivenöl, Senf und abgezupfte
Petersilienblättchen zu einem Dip vermixen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und zu der Lasagne servieren.
Pflanzenteilen wie Sonnenblumenkernen und Sesamsaat vor. Entsprechend
sind sie in Ölen und Margarinen in
Abhängigkeit ihrer Verarbeitung enthalten.
Die durchschnittliche Zufuhr liegt
etwa bei 170 bis 440 mg pro Tag. Die
Glucosinolate
Sie enthalten Schwefel, der von den
Pflanzen gebildet wird. Kreuzblütler
wie Senf, Kresse, Meerrettich und
Kohlgemüse enthalten Glucosinolate,
welche den typischen Geschmack
bedingen. Ihr Gehalt nimmt bei
Wachstum und Reife der Pflanzen ab.
Die durchschnittliche Zufuhr liegt
etwa bei 50 mg pro Tag. Die Bioverfügbarkeit liegt über 15 %. Ihnen
werden gesundheitsrelevante Wirkungen zugeschrieben wie antikanzerogen, antioxidativ, antibiotisch und
immunmodulierend.
Polyphenole
Sie kommen überwiegend in den
Randschichten von Gemüse, Obst und
Vollkorngetreide vor. Man unterscheidet Untergruppen wie Phenolsäuren aus Kaffee, Vollkorn, Weißwein
und Nüssen und Flavonoide aus vielen
Obst- und Gemüsearten wie Äpfeln und
Zwiebeln, Soja und grünem Tee.
Die durchschnittliche Zufuhr bei den
Phenolsäuren pro Tag beträgt etwa
200 bis 300 mg und bei den Flavonoiden 50 bis 100 mg.
Die Bioverfügbarkeit liegt zwischen 3
und 15 %. Sie wirken antikanzerogen,
immunmodulierend, antithrombotisch, antioxidativ und antibiotisch.
Phytoöstrogene
Sie können eingeteilt werden in
Isoflavone, Lignane und Coumestane.
Phytoöstrogene können beim Menschen aufgrund ihrer Interaktion mit
den Östrogenrezeptoren die Östrogenaktivität nachahmen oder blockieren.
Lignane sind enthalten in Ölsaaten
und Vollkorn, Isoflavone in Soja. Die
durchschnittliche Aufnahme beträgt
etwa 5 mg pro Tag. Die Bioverfügbarkeit beträgt über 15 %. Ihnen
werden eine antikanzerogene Wirkung
aus Fall-Kontroll- und Kohortenstudien zugesprochen, antioxidative
Wirkungen aus Tier- und Humanstudien, eine Cholesterol senkende
Wirkung durch den Verzehr von
Sojaprodukten und protektive Wirkungen auf den Knochenstoffwechsel
sind ebenfalls beschrieben.
Seminare für gesundes Leben an der Reformhaus-Fachakademie
Ernährungs- und Diätberaterin
Beginn: 20.10.2006
für Arzthelferin
oder 09.02.2007
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E-Mail: [email protected]
Internet: www.reformhaus-fachakademie.de
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
669
Aus Industrie und Forschung
Kurznachrichten
Das unter dieser Rubrik veröffentlichte Material wird von den Firmen zur Verfügung gestellt.
Deshalb erscheinen diese Meldungen außerhalb der Verantwortung der Schriftleitung.
Regulation der Blutfette mit Omega-3
plus Niacin
Neu bei Quiris: Telcor® Omega plus
Die positiven Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren sind
durch eine Vielzahl von Studien belegt und nicht nur bei
Fachleuten bereits bestens bekannt. Wegen ihres breiten
Wirkspektrums sind Omega-3-Fettsäuren ein wichtiger
Ernährungsbaustein zur Vorbeugung der Arteriosklerose und
ihrer gefürchteten Folgen wie Herzinfarkt
und Schlaganfall. Insbesondere die Senkung
von Triglyzeriden und
Gesamtcholesterin,
Förderung der Durchblutung und ihre antiarhythmische Wirkung
stehen hier im Vordergrund.
Mit Telcor® Omega plus Kapseln steht jetzt ein hochgereinigtes Omega-3-Konzentrat zur Verfügung, welches
zusammen mit dem gut verträglichen B-Vitamin Niacin
gezielt die Balance der Blutfettwerte unterstützen kann.
Niacin ist als typisches B-Vitamin im Eiweiß-, Fett- und
Kohlehydratstoffwechsel beteiligt und trägt zur Energiegewinnung bei. Schon 1950 wurde festgestellt, dass Niacin
das LDL-Cholesterin sowie den Lipoprotein-A-Spiegel
senken kann, während gleichzeitig die HDL-Werte ansteigen. Durch die synergistischen Effekte von Omega-3Fettsäuren und Niacin kann TELCOR Omega plus den
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Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
670
Therapiereport
Alternative Therapie
bei Coxarthrose
Studie zeigt: Behandlung mit
Enzymen ist wirksam und gut
verträglich
Wie eine aktuelle Studie zeigt,
eignet sich zur Therapie der Coxarthrose die orale Gabe von Enzymkombinationen. In der konservativen
Therapie wird meist mit Cox-2Hemmern oder nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt, durch
Letztere erhöht sich allerdings das
Risiko für Magenulzera oder gastrointestinale Blutungen. Die Enzymtherapie erreicht die gleiche Wirkung
bei besserer Verträglichkeit und weniger Nebenwirkungen.
Die antientzündliche Wirkung der
systemischen Enzymtherapie bei
Arthrose wurde in mehreren Studien
nachgewiesen. Ein bewährtes Präparat
ist Phlogenzym®, das die Proteasen
Bromelain und Trypsin sowie das
Flavonoid Rutosid enthält.
In der von KULLICH et al. initiierten doppelblinden, randomisierten
Studie wurden 90 Patienten mit
schmerzhafter und radiologisch bestätigter Coxarthrose über sechs Wo-
chen behandelt. 45 Patienten erhielten
eine Enzymkombination (Phlogenzym® Filmtabletten mit jeweils 90 mg
Bromelain, 48 mg Trypsin und 100
mg Rutosid), die andere Hälfte nahm
über den gleichen Zeitraum Diclofenac (Filmtablette à 50 mg Diclofenac-Natrium) ein. Als Wirksamkeitskriterien wurden der Lequesneund der WOMAC-Index gewählt. Der
Lequesne-Index ist ein international
etabliertes Assessmentverfahren, das
seit 2001 als evaluierte deutsche Version in Form eines Selbstbeurteilungsbogens besteht und die Parameter
Schmerz, Gehleistung und Alltagsaktivität beurteilt. Der WOMAC-Index als validiertes Verfahren zur Beurteilung der Behinderung bei Arthrose ist ebenfalls ein Selbstbeurteilungsbogen, und zwar zu den Kriterien Schmerz, Gelenksteifigkeit und
Funktionsfähigkeit.
In beiden Gruppen gingen die
Beschwerden der Patienten deutlich
zurück. In der mit Phlogenzym® behandelten Patientengruppe wurde auf
der WOMAC-Subskala „Schmerz“
ein Rückgang von -10,3 (± 1,2) (Diclofenac: -9,5 ± 1,2) Punkten verzeichnet. Auf der „Steifigkeit“-Subskala waren es -3,9 (± 0,5) (Diclofenac: -3,6 ± 0,5) und bei der
Funktionsfähigkeit -31,7 (± 3,5)
(Diclofenac: -29,7 ± 3,5) Punkte. Bei
dem Lequesne-Index wurde in der
Enzymtherapiegruppe eine Verbesserung von -2,89 ± 0,47, beziehungsweise -2,27 ± 0,47 in der DiclofenacGruppe ermittelt. Die Ergebnisse der
Studie zeigen die Nicht-Unterlegenheit der Enzymtherapie im Vergleich
zu Diclofenac bezüglich der Einzelendpunkte der WOMAC-Subskala
„Schmerz“ (p = 0,0033), Steifigkeit (p
= 0,0061), „Funktionsfähigkeit“ (p =
0,0039) und beim Lequesne-Index (p
= 0,0008).
Eine Tendenz zugunsten von
Phlogenzym® ergab der Test auf
Nicht-Unterlegenheit für den Datensatz der Per-Protocol-Analyse (Phlogenzym®: n = 36; Diclofenac: n = 36; p
= 0,0006) bei einem Behandlungsunterschied von 1,05 ± 0,79 und einer
95-%-Konfidenzgrenze von -2,63/
0,53. Der Anteil guter oder sehr guter
Gesamtbeurteilungen der Wirksamkeit durch den Untersucher betrug in
der Phlogenzym-Gruppe 71,1 Prozent
und in der Diclofenac-Gruppe 61,4
Prozent (Test auf Nicht-Unterlegenheit: p = 0,0011). Die Verträglichkeit
wurde in beiden Patientengruppen
überwiegend als gut oder sehr gut
eingestuft.
Die Untersuchung der Arbeitsgruppe um KULLICH zeigt, dass bei
Patienten mit schmerzhaften Coxarthrosen die Systemische Enzymtherapie eine wirksame und gut verträgliche Alternative zu NSAR bietet
und zur Behandlung empfohlen werden kann. Eine äquivalente Wirksamkeit der Enzymtherapie war bei allen
primären Kriterien zu verzeichnen,
außerdem wurde die Wirkstoffverträglichkeit des Enzympräparates von
Patienten und Untersuchern insgesamt
als besser bewertet.
Kontakt:
MW Office PR, Simone Ahrens
Steinheilstraße 10
D-85737 Ismaning
E-Mail:
[email protected]
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
671
Therapiereport
Positive Erfahrungen
mit Retterspitz
Äußerlich
Die medizinische Betreuung im
Spitzensport umfasst einerseits die
Therapie von akuten Erkrankungen
und Verletzungen, andererseits aber
auch die Prävention von Verletzungen
und Krankheitszuständen sowie die
Beratung bezüglich der Regeneration,
die bei immer höher werdenden
Trainingsumfängen und -intensitäten
im Spitzensport zunehmende Bedeutung erlangt. Komplizierend kommt
hinzu, dass Spitzenathleten häufig
aufgrund der belastungsassoziierten,
physiologischen Schwächung des
Immunsystems anfälliger für Krankheiten aller Art sind als vergleichbare,
untrainierte Personen. Bei Verletzungen und Krankheiten im Spitzensport
sind schnelle Wiederherstellung der
Gesundheit und der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit der Sportfähigkeit erstes Ziel der Behandlung.
Die häufigsten, in der sportmedizinischen Betreuungspraxis auftretenden medizinischen Probleme sind
Infekte der oberen Atemwege von
internistischer und stumpfe Traumata
von orthopädischer Seite.
Anwendung
Stumpfe Traumata und offene
Sturzverletzungen
Der Verletzungsmechanismus bewirkt in der Regel die Ausbildung
eines Hämatoms mit Begleitödem,
welches Verklebung von Begleitstrukturen wie Faszien und Kapsel
verursacht, was wiederum zu Bewegungseinschränkung, Schmerz und
Schonhaltung führt.
Die Behandlung erfolgt in der
Regel multimodal durch eine Kälteapplikation mit Kompression zur
Vermeidung/Reduzierung der Hämatom- und Ödembildung und manuelle
Therapie zur Mobilisation der Begleitstrukturen, Vermeidung von Verklebungen und neuromuskulärer Bahnung. Im Rahmen dieses Therapiekonzeptes wurde „Retterspitz Äußerlich“ in der Phase der Kälteapplikation eingesetzt. Hier wurde ein mit
der Substanz getränkter Wickel verwendet (in der Regel ein einfaches
Handtuch), der einerseits den Vorteil
bot, dass eine Kompression im Vergleich zu einer Eisapplikation besser
möglich ist und der Kältereiz vom
Athleten angenehmer empfunden
wurde als eine direkte Eisapplikation.
Im subjektiven Vergleich konnte
bezüglich der posttraumatischen
Schwellungsausbildung kein Unter-
Abb. 1: Behandlung von Traumen und Regeneration mit „Nassen Strümpfen“
und Retterspitz Äußerlich®.
schied zwischen Eisapplikation und
Retterspitz Äußerlich festgestellt werden. Ein weiterer Vorteil besteht in der
Tatsache, dass Eis zur Kühlung unter
Wettkampfbedingungen auf dem
Spielfeld oder an der Rennstrecke
nicht immer verfügbar ist.
Ein weiterer Einsatzbereich war
die begleitende Behandlung von
offenen Sturzverletzungen. Solche
Verletzungen treten häufig in Form
von „Degloving Injuries“ bei Dezellerationstraumen (z. B. Sturz im
Radsport und anderen Geschwindigkeitssportarten) auf. Durch die Abscherung der verschiedenen Hautschichten voneinander bei plötzlichem
Abbremsen des Körpers bei Sturz
(„Degloving“) ist der Heilungsverlauf
oft langwierig und wird durch Serombildung erschwert. Initial kompliziert zumeist eine offene oberflächliche Wunde die Behandlung des
sich ausbildenden Ödems und Hämatoms. Durch um die Wunde herum
unter Aussparung der Wundfläche
angelegte Umschläge mit „Retterspitz
Äußerlich“ konnte hier ebenfalls in
vielen Fällen eine schnelle Reduktion
der Begleitödeme erreicht werden,
was sich wiederum positiv auf den
Heilungsverlauf auswirkte. Aufgrund
der angenehmen Kühlung, Einfachheit und Schmerzlosigkeit der Behandlung war die Akzeptanz dieser
Therapieform von Seiten der Athleten
sehr hoch.
Infekte der oberen Atemwege
Die von internistischer Seite am
häufigsten auftretende Problematik
beim Athleten sind Infekte der oberen
Atemwege, zumeist ohne weitere systemische Beteiligung wie Fieber oder
Gliederschmerzen. Diese Symptomatik wird in den meisten Fällen
durch virale Erreger hervorgerufen.
Da eine kausale Behandlung solcher
Virusinfekte nicht möglich ist, zielt
hier jegliche Behandlung auf eine
Linderung der Symptome. Ein
leichtes Training ist bei Abwesenheit
von Fieber oder Lymphknotenschwellung und bei ungestörtem Allgemeinbefinden des Athleten möglich. In
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Therapiereport
diesem Zusammenhang wurde mit
„Retterspitz Quick“ Salbe und
„Retterspitz Erkältungsöl“ adjuvant
therapiert.
„Retterspitz Quick“ Salbe wurde
in Form von Einreibungen des Brustbereiches der betroffenen Athleten
eingesetzt und führte, wohl aufgrund
des hohen Anteils an abschwellenden
Substanzen (Menthol, Kampher), zu
schneller Dekongestion des HalsNasenbereiches. Dies machte sich
insbesondere nachts bemerkbar, als
Athleten mit Infekten über eine
deutlich verbesserte Nachtruhe wegen
befreiter Atemwege berichteten.
Durch die verbesserte Nachtruhe wird
die Regeneration und damit die
Abheilung solcher Infekte in der
Regel günstig beeinflusst.
Auf die gleiche therapeutische
Wirkung der Inhaltsstoffe (Eukalyptusöl) abzielend, wurde „Retterspitz
Erkältungsöl“ mehrfach in Form von
Inhalation angewendet. Hier wurde
sowohl mit der üblichen Hausmethode
über „Handtuch und heißem Wasser“
wie auch mit einem Inhaliergerät
gearbeitet. Beide Applikationsformen
wurden vom Athleten problemlos
toleriert und als angenehm empfunden. Die so erreichte Abschwellung
der Schleimhäute hielt in der Regel
über einige Stunden an und brachte
dem Athleten subjektiv Linderung
seiner Beschwerden.
Für die Regeneration des Athleten
spielt bei vielen Sportarten die
Massage, traditionell durchgeführt
nach dem Training, eine entscheidende Rolle. Hier wurde in unseren
Mannschaften „Retterspitz Massageöl“ zur Probe eingesetzt. Das Feedback von Physiotherapeuten und
Athleten war durchweg positiv. Es
war einfach zu verarbeiten, gut hautverträglich und zeigte nur eine milde
Geruchstönung, was es von vielen
anderen, recht intensiv riechenden
Produkten abhebt und von den
Athleten als angenehm empfunden
wurde. Zudem zog es schnell ein, so
dass nach der Massage kein störender
Film auf der Haut verblieb.
Prellung,
Verstauchung,
Schwellung,
Zerrung?
Abb. 2: Behandlung von Kniebeschwerden mit Retterspitz Quick®.
Zusammenfassende Beurteilung
Im Bereich des Hochleistungssports haben wir mit „Retterspitz
Äußerlich“, „Retterspitz Erkältungsöl“, „Retterspitz Quick“ und „Retterspitz Massageöl“ durchweg positive
Erfahrungen gemacht. Bei den behandelten Athleten trafen die Produkte
wegen ihrer Wirkung auf große Akzeptanz; auch ist die Tatsache, dass
sämtliche Inhaltsstoffe natürlicher
Herkunft sind und keine Konflikte mit
bestehenden Dopingrichtlinien zu erwarten sind, für Athleten und betreuende Ärzte und Physiotherapeuten
wichtig. Ebenso positiv zu vermerken
ist die einfache und nebenwirkungsarme Anwendung, die es dem Athleten erlaubt, eine Therapie auch ohne
Beisein von medizinischem Fachpersonal (z. B. zu Hause) einzuleiten
und so möglicherweise seinen Verletzungs- oder Erkrankungsverlauf frühzeitig günstig zu beeinflussen.
Aus diesem Grunde können die
getesteten Produkte uneingeschränkt
für den Bereich des Hochleistungssports empfohlen werden.
PD Dr. Y. O. Schumacher
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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Äusserlich
Die einzige gebrauchsfertige Lösung für
Wickelanwendungen.
Mehr Information unter:
www.retterspitz.de
Retterspitz Äusserlich: Zusammensetzung:
100 g enthalten 0,552 g Alumen (Aluminiumkaliumsulfat-Dodekahydrat), 0,234 g
Zitronensäure-Monohydrat, 0,080 g Weinsäure, 0,1 g Rosmarinöl, 0,03 g Thymol,
2,0 g Arnikatinktur. Anwendungsgebiete:
Retterspitz Äusserlich ist ein topisch zu
applizierendes Antiphlogistikum bzw. Antipyretikum gegen Traumafolgen, infektiöse
Prozesse, Abszedierungen, Exantheme,
entzündliche Organerkrankungen und Fieber. Gegenanzeigen: Sind nicht bekannt.
Nebenwirkungen: Sind keine bekannt.
Dosierung: Retterspitz Äusserlich ist
gebrauchsfertig in der Flasche. Retterspitz
Äusserlich wird unverdünnt oder mit
frischem Wasser (Trinkwasserqualität!)
verdünnt als Wickel, Umschlag oder in der
Anwendungsform Nasse Strümpfe kalt
angewendet. Einwirkungsdauer 1 1/2 bis
2 Stunden. Handelsformen: Flaschen mit
350 ml und 1 Liter. Apothekenpflichtig.
Weitere Informationen auf Anfrage möglich.
Retterspitz GmbH, 90571 Schwaig.
Buchbesprechungen
Regulationsmedizin in Theorie
und Praxis Band 1
Regulationsmedizinische Verfahren werden von Patienten
zunehmend gefordert und deshalb verstärkt von Ärzten
angeboten. Die hierfür erforderlichen Ausbildungen sind nicht
immer leicht zu durchblicken und primär praktisch ausgerichtet, deshalb stehen die schulenden wissenschaftlichen
Fachgesellschaften unter besonderer Verantwortung, wenn
sie den gesetzten Standard halten wollen. Ein genereller
Mangel besteht hierbei in kompetenter Literatur zur Unterstützung der offerierten Ausbildungscurricula zur theoretischen sowie praktischen Stabilisierung. Dieser Anspruch
wird meistens durch entsprechende Kursskripten abgedeckt
und gibt primär die Auffassung des Unterrichtenden wieder,
die sich jedoch nicht immer mit der der angeschlossenen
Gesellschaft deckt. Dieses vorliegende Buch beantwortet die
wesentlichen Belange der täglichen Praxis und eignet sich
auch für den erfahrenen EAV-Nutzer als Nachschlagewerk.
Somit füllt es eine Lücke, die zwischen Theorie, didaktischer
Vermittlung und Praxis klafft. Hauptsächlich wird in diesem
hier vorliegenden Werk – wie der Hinweis auf die elektronische Systemdiagnostik bereits avisiert – auf die Belange
der Elektroakupunktur nach Voll (EAV) eingegangen. In verständlicher Form berichtet der Text über elektrophysikalische
Messungen an definierten Hautarealen und erfasst damit die
individuelle Regulationssituation des jeweiligen Patienten
ebenso, wie er biokybernetische Modelle zur Ermittlung von
möglichen ursächlichen Krankheitsfaktoren nutzt. Gleichwohl
betreffen die hier dargestellten systemischen Zusammenhänge die theoretische Basis sämtlicher regulationsmedizinischer Verfahren. Eine geräteorientierte komplementäre
regulationsmedizinische Methode wie die EAV nutzt mit der
für sie spezifischen technischen Ausrüstung die für alle Verfahren verbindlichen gemeinsamen theoretischen Grundlagen.
Auch wenn sich die Thematik dieses Buches primär an die
Anwender der EAV (Elektroakupunktur n. Voll) richtet, ist sie
jedoch nicht technokratisch fixiert und trägt zum Verständnis
regulationsmedizinischen Denkens schlechthin bei.
Aus der Sicht der EAV liegt im Aufbau des vorliegenden
Buches ein Schwerpunkt auf der Didaktik und der Interpretation aussagefähiger Hilfen zum praktischen Procedere.
Hierdurch werden dem Spezialisten wie dem Nicht-Spezialisten eine schnelle Orientierung über die wesentlichen
Merkmale regulationsbiologischer Besonderheiten geboten
sowie deren Einführung in den medizinischen Alltag mit allen
Konsequenzen des heute notwendigen Verständnisses der
konventionellen und der komplementären Interventionen.
Im ersten Teil werden die Sinngebungen der Medizindiagnostischen System- und Regulationsprinzipien abgehandelt, die Messpunkte der äußeren Körperfläche mit
Bedeutung, Lokalisation und Dynamik aufgewiesen sowie
die Aspekte der Arzneimittelbeurteilung dargestellt. Bereits
hier kann der Leser auf bedeutungsvolle Grundlagen stoßen,
die zum Allgemeinverständnis der komplementären Medizin
gehören, aber auch wichtigste Fundamente der konventionellen Physiologie pointieren. Die Autoren stammen aus
Wissenschaft und angewandter Praxis; die Texte berühren
hautnah den Tagesbedarf an medizinischer Information.
Im zweiten Teil kommen interkulturelle Vergleiche zur
Geltung, die in unserer globalisierenden medizinischen Welt
nicht fehlen dürfen. Biorhythmen der Traditionellen Chinesischen Medizin und westliche Basis des Verständnisses von
Komplexität (der Wissenschaft nach der Chaosforschung,
Anm. der Verfasser) und Systemtheorie verschmelzen über
die Präsentation der Resonanztests.
Der dritte Teil des Werkes besticht durch eine subtile Analyse
des Biologischen Systems und seiner Belastungen. Der
vierte Teil konzentriert den Leser dann auf die notwendigen
diagnostischen und therapeutischen Strategien.
Aus der Sicht der EAV gibt dieses Buch übersichtlich und
kompetent Aufschluss über praktische Fragen, die sich
häufig erst in der Anwendung ergeben, zugleich ermöglicht
die strukturelle Darstellung eine standardisierte Vorgehensweise. Durch dieses verbindliche Procedere werden die
Glaubwürdigkeit der Testabläufe sowie deren Reproduzierbarkeit unterstützt.
Dieses Lehrbuch ist ein Wegweiser im Dschungel der leider
entweder streng konventionell-wissenschaftlichen oder
andererseits esoterisch-formalistischen Literatur, indem es
nicht nur die modernen Grundlagen integrativer Medizin,
sondern ebenso deren Wertungen im Lichte der Praxis
darstellt. Die „Regulationsmedizin in Theorie und Praxis“
gehört daher in die Handbibliothek des Arztes, Zahnarztes
und der Studenten dieser Medizin, die sich systemischen
Betrachtungen verschrieben haben.
Wir werden dieses Buch in die Bibliothek des HochschulStudienganges Nachhaltige Gesundheitswissenschaften
aufnehmen und seine Lektüre unseren Studenten empfehlen, um sie darauf zu konzentrieren, dass kompetente Autoren mit der Biologischen Medizin und ihrer praktischen
Anwendung lehrreich und handlungsfähig umzugehen
wissen.
Die Unterzeichneten warten auf den zweiten Band des
Gesamtwerkes, nachdem der erste Band bereits besticht.
R. H. Hommel und H. Spranger
Regulationsmedizin in Theorie und Praxis, Band 1. Ein
Lehrbuch zur elektronischen Systemdiagnostik für Einsteiger und Fortgeschrittene. 2006, 448 Seiten, gebunden, EUR 85,–, zzgl. Versandkosten. Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 1151/1152,
D-29501 Uelzen. ISBN 3-88136-240-1
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 10 (2006)
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