40 Jahre Feinstahlstraße 31 in Neunkirchen

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40 Jahre Feinstahlstraße 31 in Neunkirchen
E
in Dienstjubiläum besonderer Art gilt es zu feiern:
und über Rechner steuerbare Zugriff auf das im Hochre-
40 Jahre Feinstahlstraße… und sie läuft und läuft
gallager gestapelte Vormaterial, ein Hubherdofen mit
und läuft. Seit dem 12. Juni 1972. Damals wurde sie
Wendeeinrichtung und die mit einer
nach zweieinhalbjähriger Bauzeit unter höchster Anspan-
Schnellwechseleinrichtung ausge-
nung aller Beteiligten angefahren. Und absolvierte einen
statteten Walzgerüste, um nur die
erfolgreichen Probelauf: Exakt um 12.58 Uhr lief der erste
wichtigsten techni-
Knüppel über die neue Straße, dem seitdem unzählige wei-
schen Neuerun-
tere folgten.
gen zu nennen,
Im Dezember 1969 hatte der Aufsichtsrat der Neunkir-
machten die Straße
cher Eisenwerk AG, vormals Gebrüder Stumm, beschlossen,
zu einer der moderns-
97 Millionen DM für den Bau einer kombinierten Stab- und
ten und leistungsfähigsten ihrer Zeit.
Draht-Feinstahlstraße freizugeben. Mit dieser Großinvestition reagierte man auf die steigenden Anforderungen der
Glückwünsche also an die
Adresse der Jubilarin! Denn
Kunden und zielte auf die Sicherung der Wettbewerbsfä-
bis heute steht die „Hausnum-
higkeit. Denn die neue Straße war nicht nur produktiver
mer“ 31 für höchste Flexibilität
als die in Betrieb befindlichen Walzstraßen, sondern er-
und Produktqualität made in Neunkirchen.
möglichte auch eine qualitative Verbesserung des Walzprodukts hinsichtlich der Oberfläche und der Toleranzen
sowie eine Erhöhung der Ringgewichte auf 2 Tonnen.
Die Feinstahlstraße, in der Presse damals als das „interessanteste Projekt“ des Neunkircher Eisenwerks gelobt, ersetzte vier alte offene Fein- und Mittelstraßen. Der schnelle
Vom Probennehmer zum
Schichtmeister
und geldmäßig bergauf. 1984 war ich 1. Fertigwalzer, 1986
Oberwalzer und dann wurde ich 1996 Schichtmeister. Ich
habe gerne geschafft und auch gerne Überstunden gemacht, vor allem, nachdem ich 1978 gebaut hatte.
ch bin am 21. August
Josef Wagner erinnert
sich an 40 Jahre
Feinstahlstraße
Mit dem Werk Neunkirchen bin ich in gewissem Sinne
I
1972 zusammen mit
verwurzelt, ich bin schließlich seit 1963 hier beschäftigt.
fünf anderen Männern
Meine Generation – ich bin Jahrgang 1948 – ist dem Un-
von der 450er Walzstraße
ternehmen vielleicht noch stärker als die jüngere Genera-
an die Feinstahlstraße gekommen. Damals war noch
tion verbunden. Als wir auf der Hütte anfingen, gingen wir
nicht alles fertig, und auch an den Aggregaten lief noch
fest davon aus, wir haben einen Job fürs Leben, und dach-
nicht alles rund, aber das hat sich in den nächsten Mo-
ten deshalb auch in schwierigen Zeiten nicht an einen
naten eingespielt.
Wechsel. Gerade in den 1980er Jahren und in Konkurszei-
Der Abschied von der alten Walzstraße im Südwerk fiel
nicht schwer, im Gegenteil, ich war froh, dort wegzukom-
ten gab es Bangen und Hoffen, aber letztlich haben wir
hier jahrzehntelang gutes Geld verdient.
men. An ihr haben wir nämlich den Stab noch mit Zangen
Seit 2010 bin ich in der Freistellungsphase der Alters-
bewegt. Zwischen der Knochenarbeit dort und der Arbeit
teilzeit. Aber ich komme immer wieder gern an meinen
an der Feinstahlstraße lagen Welten. Bei der Feinstahl-
Arbeitsplatz zurück, lasse mir die spezielle Feinstahlstra-
straße war alles größer dimensioniert, die Arbeit war an-
ßen-Luft um die Nase wehen und rede mit meinen ehema-
genehmer und leichter, weil die Prozesse mit weniger
ligen Kollegen. Ich brauche das von Zeit zu Zeit. Hier war
Handarbeit abliefen; dadurch war auch die Hitzebelastung
doch schließlich jahrzehntelang meine berufliche Heimat.
geringer und die Arbeit viel sicherer.
Auf der Feinstahlstraße fing ich als Probennehmer an.
Das war eigentlich ein Rückschritt, weil ich zuvor schon 1.
Walzer an der Fertigstraße im Südwerk war, aber man hat
diese Abstriche hingenommen, weil man ja wusste, dass
die alte Straße nicht mehr lange produzieren wird. Und es
ging in den nächsten Jahren für mich auch immer voran
ls ich 1974 in Neun-
wurde. Alle warteten auf den ersten Knüppel. Als der dann
kirchen anfing, war
aus dem neuen Ofen kam, liefen unser Aufsichtsratsvorsit-
die Feinstahlstraße nicht
zender Jean Lang und unser Werkleiter Dr. Otto Goergen
einmal zwei Jahre in Be-
neben diesem Knüppel her, bis er die neue Vorstraße pas-
trieb. Ich war Sachbearbei-
siert hatte und in die Fertigstraße kam. Ich erinnere mich
terin in der Personal-
aber auch noch gut daran, wie viele Belegschaftsmitglieder
abteilung für Angestellte
damals das Anfahren der modernisierten Straße miterleben
und hatte daher mit den
wollten; viele waren nach der Mittagsschicht dageblieben
A
Ellen Neumann, Vorsitzende des Betriebsrats
des Werks Neunkirchen
Produktionsstätten zunächst einmal wenig zu tun, aber
und andere, die zur Nachtschicht wollten, schauten zuvor
man lernte ja doch nach und nach die Hütte kennen. Die
noch in der Halle der Feinstahlstraße vorbei, um zu sehen,
Feinstahlstraße empfand ich damals im Vergleich zu allen
ob alles glatt läuft. Da konnte man hautnah den Gemein-
anderen Betriebsbereichen, die wir damals noch hatten,
schaftsgeist der Belegschaft spüren.
wie Hochofen, Koksanlage, Stahlwerk oder die Walzstraßen
„erster Hitze“, als sehr modern und nicht so düster.
Der Standort Neunkirchen musste oft um das Überleben
kämpfen, hat aber letztlich bis zum heutigen Tag mit sei-
Als Betriebsratsmitglied und später Betriebsratsvorsit-
nen beiden Straßen, man darf ja auch die Straße 32 nicht
zende habe ich selbstverständlich immer an der Entwick-
vergessen, die nächstes Jahr ihren 50. Geburtstag feiert,
lung dieser Straße und ihrer Belegschaft Anteil genommen.
seinen Beitrag im Saarstahl-Verbund geleistet. Für die
Ich erinnere mich beispielsweise noch lebhaft an den
Straße 31 – oder die WF, wie wir Neunkircher heute noch
Abend im September 1992, als die Straße nach einer ersten
sagen – wünsche ich mir, dass weitere Investitionen getä-
großen Neu- und Umbaumaßnahme wieder angefahren
tigt werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Frank Brauer, Werkleiter
Neunkirchen und Leiter
der Walzwerke und
Weiterverarbeitung der
Saarstahl AG, über die
Stärken der Straße 31
legenheit, die Straße als Besucher zu erleben. Schon zu der
Zeit beeindruckte sie durch die Vielfalt der hergestellten
Profile und Produkte.
Die besondere Stärke der Feinstahlstraße liegt eben
darin, dass sie äußerst universell ist. Sie kann sowohl
Stabstahl als auch Walzdraht produzieren; aktuell stellen
um ersten Mal kam ich Mitte der 1990er Jahre mit der
wir ca. 55 % Draht und 45 % Stab her. Ferner wird die
Feinstahlstraße in Berührung. Damals war ich als Pro-
Walzstraße auch für unterschiedliche Profilformen einge-
duktionsingenieur im Werk Burbach tätig und hatte die Ge-
setzt, d. h. neben den konventionellen Rundabmessungen
Z
werden auch Sechskant-, Vierkant- und Flachabmessungen
flächenäquivalente Flachabmessungen und Sonderprofile
sowie verschiedene Sonderprofile gewalzt. Über den 2006
werden hergestellt.
in Betrieb genommenen RSB-Block, einen fünfgerüstigen
Seit Inbetriebnahme der Feinstahlstraße wurde konse-
Präzisionsendblock, werden in Dreiwalzentechnik alle
quent modernisiert, einzelne Bereiche wurden auf den neu-
Rund- und Sechskantprofile fertig gewalzt. Auch der
esten Stand der Technik gebracht. Ich hoffe, dass dies auch
Abmessungsbereich ist weit gespreizt: Rundabmessungen
in Zukunft so weiter geführt wird und weitere Investitionen
von 16 bis 70 mm, Sechskantabmessungen von 15 bis 60
in den nächsten Jahren erfolgen.
mm, Vierkantabmessungen von 14 bis 62 mm sowie
V
ier Jahrzehnte schon werden auf der Feinstahlstraße Draht und
Stab gewalzt – eine lange Zeit und doch nur eine kurze
Spanne in der Geschichte des Neunkircher Werks, das
schon altehrwürdig war, als ihm Johann Wolfgang Goethe
1770 einen Besuch abstattete.
Bereits im 16. Jahrhundert wird hier Eisen geschmolzen und in Form gebracht. Nachweislich seit
1593. Mit seinen 419 Jahren ist Neunkirchen älter
als die anderen Saarstahl-Standorte und gehört
auch weltweit zu den traditionsreichsten Werken. In dieser Zeit hat es viele Metamorphosen
durchlebt und seine Wandlungsfähigkeit bewiesen. Von einer kleinen Eisenschmelze, wie
es sie vielerorts gab, wächst es während des
19. Jahrhunderts zu einem weltweit renommierten Großunternehmen heran. 1982 tritt
das Werk dann in ein neues Stadium seiner
Geschichte ein: Mit der Verschmelzung
der saarländischen Langproduktehersteller
unter einer zentralen Geschäftsführung wird
Neunkirchen nach Völklingen und Burbach
der dritte Standort im Saarstahl-Verbund.
Heute gehört das Werk Neunkirchen mit
seinen beiden Walzstraßen und seiner hochqualifizierten Belegschaft zu den besten Adressen für
Stabstahl und Ringmaterial in Grund-, Qualitätsund Edelstahlgüten.
Saarstahl AG | Werk Neunkirchen | Zum Eisenwerk | 66538 Neunkirchen