1 Schwerbehinderung I nhaltsverzeichnis A

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1 Schwerbehinderung I nhaltsverzeichnis A
Schwerbehinderung
Inhaltsverzeichnis
A.
Nachteilsausgleiche für mich
I.
Altersrente für Schwerbehinderte
II. Steuerfreier Pauschbetrag
III. Arbeitsrechtlicher Sonderkündigungsschutz
IV. Sonderurlaub
V. Vollständige und teilweise Befreiung von der Kfz-Steuer
VI. Kraftfahrzeughilfe
VII. Parkausweis
VIII. Freie Fahrt mit Nahverkehrsmitteln
B. Antragstellung, Ablehnungsbescheid und Kosten
I.
Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung/Verschlimmerungsantrag
II. Widerspruch gegen Ablehnungsbescheid/Herabsetzungsbescheid
III. Klage vor dem Sozialgericht
IV. Kosten
C. Begriffe – Erklärende Worte
I.
Schwerbehinderung – was heißt das?
II. Grad der Behinderung (GdB) / Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
III. Merkzeichen
IV. Gleichstellung
V. AHP – Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
VI. Ablauf der Heilungsbewährung
A.
Nachteilsausgleiche für mich
Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bringt eine Reihe von
Vergünstigungen/Vorteilen mit sich. Welche das sind, erfahren Sie hier:
I.
Altersrente für Schwerbehinderte
Wissenswertes zur Altersrente für Schwerbehinderte finden Sie unter dem Punkt
Rentenversicherung → Altersrente → Altersrente für Schwerbehinderte.
II.
Steuerfreier Pauschbetrag
Personen, die anerkannt schwerbehindert sind, erhalten folgende steuerrechtlichen
Vorteile:
Steuerfreier Pauschbetrag von 310-1.420 €
Behinderte Menschen erhalten, je nach Grad der Behinderung einen jährlichen
steuerfreien Pauschbetrag:
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Stufe
1
2
3
4
5
6
7
8
GdB
25-30
35-45
45-50
55-60
65-70
75-80
85-90
95-100
Pauschbetrag
310,00 €
430,00 €
570,00 €
720,00 €
890,00 €
1.060,00 €
1.230,00 €
1.420,00 €
Steuerfreier Pauschbetrag von 3.700 €
Gilt für schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen „Bl“ oder „H“.
Steuerfreier Pauschbetrag von 924 €
Gilt für die Pflegeperson eines schwerbehinderten Menschen mit Merkzeichen „H“.
Erhöhte Aufwendungen für PKW zur Arbeitsstelle pro km 0,30 €
Gilt für schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen „G“ oder einem GdB ab 70.
Aufwendungen für Privatfahrten bis 3.000 km à 0,30 €
Gilt für schwerbehinderte Menschen mit einem GdB von 80 oder einem GdB von 70 bei
gleichzeitiger Geh- oder Stehbeeinträchtigung (Merkzeichen „G“ oder „aG“).
Aufwendungen für Privatfahrten bis 15.000 km à 0,30 €
Gilt für schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen „aG“ oder „H“.
Absetzung der Kosten einer Haushaltshilfe i.H.v. 924 €
Gilt für schwerbehinderte Menschen mit einem GdB von 50 oder höher.
Erläuterungen zu den einzelnen Merkzeichen finden Sie unter dem Punkt
Begriffe-Erklärende Worte weiter unten.
III. Arbeitsrechtlicher Sonderkündigungsschutz
Schwerbehinderte Menschen genießen gemäß § 85 SGB IX weitergehenden
Kündigungsschutz. Die Vorschrift bestimmt den Grundsatz, dass eine Kündigung durch
den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.
Es handelt sich hierbei um ergänzenden Kündigungsschutz, d.h. er tritt dem
allgemeinen Kündigungsschutz (z.B. nach dem Kündigungsschutzgesetz) hinzu. Keine
Rolle spielt hierbei die Betriebsgröße des Arbeitgebers und damit auch nicht die Frage,
ob der Arbeitgeber aufgrund der geringen Beschäftigtenzahl überhaupt verpflichtet ist,
schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
Der Sonderkündigungsschutz gilt gemäß § 68 Abs. 3 SGB IX nicht nur für schwerbehinderte, sondern auch für diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Mehr hierzu
unter Punkt „Gleichstellung“. Begünstigte im Sinne des § 85 SGB IX sind
Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter), die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Hierzu
zählen auch Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Angestellte.
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Die Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch der Kündigung ist
Wirksamkeitsvoraussetzung. Ist eine Kündigung ohne die Zustimmung ausgesprochen
worden, so ist sie gemäß § 134 BGB unwirksam.
Anwendbarkeit des § 85 SGB IX
Voraussetzung für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes ist gemäß § 90 Abs. 1
Nr. 1 SGB IX, dass das Arbeitsverhältnis wenigstens sechs Monate bestanden hat.
Keine Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber Kenntnis von der
Schwerbehinderteneigenschaft des Mitarbeiters hat.
Nachweis der Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung
Der Arbeitgeber bedarf zur Kündigung gemäß § 90 Abs. 2a SGB IX nicht der
vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten
Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen, d.h.
entweder nicht offenkundig oder der Nachweis über die Eigenschaft als
schwerbehinderter Mensch nicht durch Vorlage eines Feststellungsbescheides i.S.v.
§ 69 Abs. 1 SGB IX bzw. Schwerbehindertenausweises geführt worden ist.
Etwas anderes gilt nur, wenn das Verfahren zur Feststellung der Eigenschaft als
schwerbehinderter Mensch zwar beim Versorgungsamt anhängig ist, über den Antrag
aber ohne Verschulden des Antragstellers im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht
entschieden ist.
Zweck dieser Vorschrift ist die Vorbeugung vor Missbrauch des Kündigungsschutzes.
Es soll verhindert werden, dass ein Arbeitnehmer ein von Anfang an aussichtsloses
Feststellungs- oder Gleichstellungsverfahren mit dem Ziel einleitet, für die Dauer des
Verfahrens Kündigungsschutz in Anspruch nehmen zu können.
Beantragungs- bzw. Erklärungsfrist des Arbeitgebers
Hat der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantragt
und ist diese erteilt worden, so kann der Arbeitgeber die Kündigung gemäß § 88 Abs. 3
SGB IX nur binnen eines Monats aussprechen. Die Frist beginnt mit Zustellung der
Zustimmungserklärung an den Arbeitgeber.
Bei der außerordentlichen (fristlosen Kündigung) unterliegt der Arbeitgeber gemäß § 91
Abs. 5 SGB IX nicht der Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Während die
Kündigung hiernach eigentlich nur binnen zwei Wochen ab Kenntnis vom
Kündigungsgrund zulässig ist, kann der Arbeitgeber in diesem Fall die Kündigung auch
noch nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt aussprechen. Dies hat
jedoch unverzüglich, d.h. „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erfolgen. Allerdings hat der
Arbeitgeber auch hierbei das Recht, die Zwei-Wochen-Frist des § 622 Abs. 2 BGB voll
auszuschöpfen. Sollte also eine Kündigung nach bekannt gegebener Zustimmung des
Integrationsamtes nicht „unverzüglich“ ausgesprochen worden sein, so ist entscheidend,
dass sie innerhalb der „Zwei-Wochen-Frist“ des § 622 Abs. 2 BGB erfolgt ist.
Bei der außerordentlichen Kündigung hat der Arbeitgeber insbesondere zu beachten,
dass die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden
kann. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die
Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, so z.B. Kenntnis darüber, dass
der Arbeitnehmer Betriebsmittel gestohlen hat.
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Rechtsbehelf gegen Zustimmung
Der betroffene Arbeitnehmer kann in den Fällen, in denen das Integrationsamt der
Kündigung zugestimmt hat, hiergegen Widerspruch beim Integrationsamt einlegen.
Bleibt dieser erfolglos, so muss er eine Anfechtungsklage beim zuständigen
Verwaltungsgericht erheben. In dieser Zeit ist die Kündigung jedoch schwebend
wirksam. Hebt der Widerspruchsausschuss bzw. das Verwaltungsgericht die
Zustimmung auf, so wird die Kündigung nichtig und entfaltet keine Wirkung.
Gleichstellung
Behinderte Menschen mit einem festgestellten Grad der Behinderung von weniger als
50 (fünfzig), mindestens jedoch 30 (dreißig), können auf Antrag von der zuständigen
Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden (§ 68 Abs. 2
SGB IX). Voraussetzung hierfür ist, dass sie ohne die Hilfe des
Schwerbehindertenrechts eine Beschäftigung auf einem geeigneten Arbeitsplatz nicht
erlangen bzw. behalten können.
Diese Voraussetzung ist eng auszulegen. Ist nicht die Behinderung des Arbeitnehmers,
sondern z.B. die wirtschaftliche Lage des Betriebes der Grund für die Gefährdung des
Arbeitsplatzes, wird die Agentur für Arbeit dem Antrag auf Gleichstellung nicht
entsprechen.
Die Gleichstellung gilt rückwirkend vom Tag der Antragstellung. Dies ist insbesondere
für den Kündigungsschutz der §§ 85 ff SGB IX von Bedeutung, falls die Kündigung
nach Antragstellung, jedoch vor der Entscheidung hierüber ausgesprochen wird.
Unabdingbarkeit
Der Kündigungsschutz des § 85 SGB IX ist als öffentlich-rechtlicher Kündigungsschutz
unabdingbar. Es ist daher nicht möglich, ihn durch einzelvertragliche Vereinbarungen,
Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen einzuschränken oder gar auszuschließen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können jedoch wirksame Aufhebungsverträge oder
Prozessvergleiche abschließen.
Kriterium der Sozialauswahl
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine
Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl bei einer
betriebsbedingten Kündigung zu berücksichtigen. Auch wenn sich keine spezielle
Regelung findet, ist eine
Gleichstellung (siehe oben) nach allgemeiner Ansicht im Rahmen der Sozialauswahl
ebenso zu berücksichtigen.
Es gilt jedoch ein zweistufiges Verfahren, d.h. der Arbeitnehmer hat zunächst nach
§ 86 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen und erst anschließend
die Bewertung der Sozialkriterien unter Einbeziehung des schwerbehinderten Menschen
in die Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer vorzunehmen.
Erweiterter Bestandsschutz
Grundsätzlich gilt § 85 SGB IX nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Jedoch ist
wird das Erfordernis der Zustimmung durch das Integrationsamt gemäß § 92 SGB IX
auch auf andere Fälle ausgeweitet. Hiernach bedarf es ebenfalls einer vorherigen
Zustimmung, wenn das Arbeitsverhältnis im Falle des Eintritts einer teilweisen
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Erwerbsminderung, einer Erwerbsminderung auf Zeit oder bei Eintritt der Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit auf Zeit anders als durch Kündigung beendet wird. Diese
Vorschrift soll insbesondere vor Auflösungsklauseln (z.B. in Tarifverträgen) schützen.
Hat der Arbeitnehmer die Rente beantragt und wird sie daraufhin bewilligt, so hat der
Arbeitgeber das Zustimmungsverfahren einzuleiten, sobald er hiervon Kenntnis erlangt.
Im Falle der Erwerbsminderungsrente prüft das Integrationsamt, ob nicht eine
anderweitige Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers, d.h. insbesondere
die Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes (§ 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX) in Betracht
kommt. Eine Zustimmung zur Kündigung wird demnach nur erteilt werden, wenn ein
solcher Teilzeitarbeitsplatz dem Arbeitgeber nicht möglich oder aber nicht zumutbar ist.
Bei einer Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ist die Zustimmung regelmäßig zu erteilen, wenn
dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitsplatz für den schwerbehinderten
Arbeitnehmer bis zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit offen zu halten.
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit schwerbehinderten Arbeitnehmern oder
Gleichgestellten ist grundsätzlich zulässig und eine Zustimmung des Integrationsamtes
nicht erforderlich.
Jedoch ist in diesen Fällen unbedingt zu beachten, dass das Integrationsamt, im
Einvernehmen mit dem Landesarbeitsamt, dem schwerbehinderten Menschen gemäß
§ 117 Abs. 1 SGB IX für max. sechs Monate die besonderen Hilfen für
Schwerbehinderte entziehen kann, wenn er seinen Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund
aufgibt.
Anfechtung des Vertrages
Keinen Schutz durch das Integrationsamt erhält der schwerbehinderte Mensch oder
Gleichgestellte, wenn der Arbeitgeber das Angebot zum Abschluss eines
Arbeitsvertrages anficht. Hierzu bedarf es keiner Zustimmung durch das
Integrationsamt. Eine Anfechtung hat zur Folge, dass ein Vertrag als von Anfang
nichtig anzusehen ist. Jedoch sollen Ansprüche aus dem Vertrag grds. nur für die
Zukunft entfallen, empfangene Leistungen wie z.B. Arbeitslohn müssen nicht
zurückgewährt werden.
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit den Vertrag wegen Irrtums anzufechten. Bei
einer Behinderung handelt es sich um eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ i.S.v. §
119 Abs. 2 BGB, wenn diese die Fähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten
Leistung in erheblicher Weise einschränkt. Dies bedeutet, der Arbeitgeber kann u.U.
den Arbeitsvertrag durch Anfechtung „zerstören“, wenn die Leistung durch die
Behinderung erheblich eingeschränkt ist und er von der Behinderung bei
Vertragsschluss nichts wusste. War die Behinderung offenkundig und hätte der
Arbeitgeber dies erkennen müssen, so ist die Anfechtung ausgeschlossen. Wirkt sich die
Behinderung nicht auf die Erbringung der Arbeitsleistung aus, so führt die
Fehlvorstellung nicht zu einer Anfechtungsmöglichkeit.
Die Anfechtung hat „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erfolgen. Wird diese Frist
überschritten, ist die Anfechtung nicht mehr möglich.
Eine weitere Möglichkeit der Anfechtung liegt bei der arglistigen Täuschung über
Tatsachen vor. Eine Falschauskunft im Rahmen des Vorstellungsgesprächs kann zu
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einer Anfechtung führen, wenn die Frage an sich zulässig war. Andernfalls darf der
Bewerber auch die Unwahrheit sagen.
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ein
uneingeschränktes Fragerecht, egal, ob sich eine mögliche Behinderung auf die
ausgeschriebene Tätigkeit nachteilig auswirkt oder nicht. Dies ist spätestens seit der
europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie nicht unumstritten Arglist liegt demnach
bereits vor, wenn der Täuschende die Absicht hatte, den Arbeitgeber zur Einstellung zu
veranlassen. War die Behinderung offenkundig, so fehlt es an einer arglistigen
Täuschung.
Befristung des Arbeitsverhältnisses
Der Gesetzgeber hat die Befristung von Arbeitsverhältnissen den besonderen
Anforderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) unterstellt. Danach ist
eine Befristung für eine Dauer von max. zwei Jahren möglich. Danach bedarf es für eine
weitergehende Befristung eines wichtigen Grundes.
In Fällen der Einstellung schwerbehinderter Menschen hat der Arbeitgeber gemäß § 90
Abs. 3 SGB IX eine befristete Einstellung auf Probe dem Integrationsamt innerhalb von
vier Tagen anzuzeigen. Beabsichtigt er, das Arbeitsverhältnis nach Auslaufen der
Befristung nicht zu verlängern, so hat er hierüber auch das Integrationsamt zu
informieren.
Es besteht jedoch grundsätzlich nicht die Verpflichtung, die Zustimmung des
Integrationsamtes einzuholen.
IV.
Sonderurlaub
Jeder Schwerbehinderte Mensch hat nach § 125 SGB IX einen Anspruch auf einen
einwöchigen bezahlten Zusatzurlaub. Dies gilt gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX jedoch nicht
für gleichgestellte behinderte Menschen, sie erhalten lediglich den gesetzlichen
Mindesturlaub von 24 Tagen gemäß § 3 BurlG.
Dauer
Gemäß § 125 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf bezahlten
Zusatzurlaub. Dieser beträgt grundsätzlich 5 Arbeitstage, was in der Regel einer
Arbeitswoche entspricht. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder
weniger als 5 Arbeitstage in der Kalenderwoche, so erhöht oder vermindert sich der
Zusatzurlaub entsprechend. Keine Rolle spielt dabei die, ob der schwerbehinderte
Arbeitnehmer in Voll- oder in Teilzeit beschäftigt ist.
Erstes Beispiel: Ein Betroffener, der an sechs Tagen der Woche insgesamt 30 Stunden
(6 x 5 Std.) arbeitet, erhält auch an sechs Tagen Zusatzurlaub. Das Arbeitsentgelt ist
ihm für die Zeit des Zusatzurlaubs (30 Std.) fortzuzahlen.
Zweites Beispiel: Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hingegen, der an vier Tagen der
Woche ebenfalls insgesamt 30 Stunden (4 x 7,5 Std.) arbeitet, erhält an vier Tagen
Zusatzurlaub. Auch ihm ist das Arbeitsentgelt für die Zeit des Zusatzurlaubs (30 Std.)
fortzuzahlen.
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Teilurlaub
Auch wenn § 125 SGB IX nur den sog. „vollen Urlaubsanspruch“ behandelt, ist zu
beachten, dass für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer im Hinblick auf den
Zusatzurlaub nichts anderes gilt, als für den allgemeinen Urlaubsanspruch aller
Arbeitnehmer.
Damit erwirbt er gemäß § 4 BurlG einen vollen Anspruch auf Zusatzurlaub erst, wenn
das Arbeitsverhältnis sechs Monate besteht. Davor kann er keine Befreiung von der
Arbeitspflicht verlangen, auch nicht für einen Teil des Jahresurlaubs.
Einen Teilurlaubsanspruch, d.h. einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs für
jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der schwerbehinderte
Arbeitnehmer hingegen dennoch gemäß § 5 BurlG, wenn
• das Arbeitsverhältnis nach dem 30.06. beginnt und er daher nicht mehr die volle
Wartezeit bis zum Ablauf des Kalenderjahres zurücklegen kann (§ 5 Abs. 1a)
• wenn er zwar vor dem 30.06. eintritt, aber vor Ablauf von sechs Monaten wieder
ausscheidet (§ 5 Abs. 1b)
• wenn er zwar insgesamt schon länger als sechs Monate beschäftigt wird, aber in der
ersten Hälfte des nächsten Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis
ausscheidet (§ 5 Abs. 1c)
Beispiel: Das Arbeitsverhältnis dauerte vom 01.10.06 – 30.04.2007
Der Arbeitnehmer, welcher sein Arbeitsverhältnis im Laufe des 2. Halbjahres beginnt,
kann seinen Teilurlaubsanspruch sogleich verlangen. Er kann nicht einwenden, er
schulde wegen der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses keine oder eine geringere
Freistellung von der Arbeitsverpflichtung.
Sofern die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres
besteht, so ist zu beachten, dass dem Betroffenen für jeden vollen Monat der im
Arbeitsverhältnis bestehenden Schwerbehinderteneigenschaft nur ein Anspruch auf ein
Zwölftel des Zusatzurlaubs zusteht (§ 125 Abs. 4 SGB IX). Hierbei entstehende
Bruchteile, von Urlaubstagen, die, sofern sie mindestens einen halben Tag ergeben,
gemäß §125 Abs. 2 S. 2 SGB IX auf volle Urlaubstage aufzurunden sind.
Übertragbarkeit
Für den Fall, dass das Versorgungsamt die Schwerbehinderteneigenschaft gemäß
Antragstellung rückwirkend anerkennt, findet sich in § 125 Abs. 3 SGB IX eine
Regelung zu der Frage, ob der Zusatzurlaub in das nächste Kalenderjahr übertragen
werden kann.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer beantragt mit Datum vom10.01.2006 die Anerkennung als
Schwerbehinderter gemäß § 69 SGB IX. Am 15.12.2006 ergeht ein Bescheid, wonach
rückwirkend zum 10.01.2006 ein GdB von 50 festgestellt wird.
Hierzu wird auf die für den Grundurlaub geltenden Vorschriften verwiesen. Danach ist
eine Übertragung des Zusatzurlaubs auf das folgende Kalenderjahr nur statthaft, wenn
dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies
rechtfertigen. In diesen Fällen muss der Zusatzurlaub auch in den ersten drei Monaten
des Folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden, da er andernfalls
verfällt.
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Tip: Der Betroffene sollte während des laufenden Antragsverfahrens seinen Anspruch
auf Zusatzurlaub gegenüber dem Arbeitgeber verlangen. Hat er dies getan und lehnt der
Arbeitgeber den Zusatzurlaub ab, so hat der Betroffene gegenüber seinem Arbeitgeber
einen sog. Ersatzurlaubsanspruch, wenn für den Arbeitgeber der Anspruch noch vor
Ablauf des Urlaubsjahres erfüllbar war.
Abdingbarkeit
Da es sich beim Zusatzurlaub für Schwerbehinderte um einen gesetzlichen Anspruch
handelt, kann der Betroffene hierauf nicht verzichten.
V.
Vollständige bzw. teilweise Befreiung von der Kfz-Steuer
Vollständige Befreiung
Diese erhalten Schwerbehinderte, die einen Ausweis mit orangefarbenem
Flächenaufdruck und Merkzeichen „H“ (hilflos), „Bl“ (blind) oder aG
(außergewöhnlich gehbehindert) besitzen. Darüber hinaus gilt die vollständige
Befreiung auch für Kriegsbeschädigte und andere Versorgungsberechtigte, bei denen
bereits am 01.06.1979 die Steuer erlassen war und bei denen der GdB mindestens 50
betrug.
Hälftige Steuerbefreiung
Eine 50%ige Ermäßigung erhalten Schwerbehinderte, die einen orangefarbenen
Flächenaufdruck im Ausweis (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) oder das Merkzeichen „G“
haben. Der Schwerbehinderte muss jedoch auf das Recht zur unentgeltlichen
Beförderung verzichten. Eine Bindung an diese Entscheidung besteht nicht, es kann
jederzeit von der Steuerermäßigung zur Freifahrtberechtigung gewechselt werden.
Sowohl die Steuerbefreiung- als auch die Ermäßigung gelten jeweils nur für ein
Fahrzeug. Dies können sowohl PKW als auch Krafträder oder Wohnmobile sein.
Entscheidend ist darüber hinaus, dass das Fahrzeug auf den Behinderten zugelassen ist,
auf die Eigentumsverhältnisse kommt es dagegen nicht an.
Die Steuervergünstigung entfällt, wenn der Behinderte das Fahrzeug zur Beförderung
von Gütern oder zur entgeltlichen Beförderung von Personen einsetzt. Nicht gemeint ist
damit die gelegentliche Mitnahme anderer Personen wie z.B. Arbeitskollegen, auch
nicht im Rahmen einer Fahrgemeinschaft. Die Benutzung durch Dritte ist stets dann
unschädlich, wenn diese zur Fortbewegung oder Haushaltsführung des Behinderten
dient.
Eine steuerschädliche Benutzung muss dem Finanzamt angezeigt werden. Für die Dauer
dieser Nutzung ist dann Kfz-Steuer zu entrichten (mindestens 1 Monat).
VI.
Kraftfahrzeughilfe
Ein schwerbehinderter Mensch hat gemäß § 40 SGB VII i.V.m. der KraftfahrzeughilfeVerordnung (KfzHV) unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine
Kraftfahrzeughilfe.
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Die Kraftfahrzeughilfe umfasst Leistungen
• zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs
• für behinderungsbedingte Zusatzausstattung
• zur Erlangung der Fahrerlaubnis
Die Voraussetzungen hierfür sind erfüllt, wenn
• das Kfz infolge der Behinderung zum Erreichen des Arbeits- und Ausbildungsortes
erforderlich ist.
• das Kfz nach Größe und Ausstattung behinderungsgerecht ist.
• eine eventuell erforderliche behinderungsbedingte Zusatzausstattung ohne
unverhältnismäßigen Mehraufwand möglich ist.
• der Verkehrswert eines Gebrauchtwagens mindestens 50 Prozent des
Neuwagenpreises beträgt.
Ein Anspruch besteht grundsätzlich nicht, wenn der Verletzte öffentliche Verkehrsmittel
zumutbar benutzen kann. Nicht erforderlich ist, dass der Antragsteller ein Kfz selbst
führen kann, es reicht aus, wenn jemand anderes dies für ihn tut.
Die Beschaffung eines Kfz wird als „Zuschuss“ und zwar bis zu einem Betrag in Höhe
des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 9.500 € gefördert. Der
Zuschuss richtet sich gemäß § 6 KfzHV nach dem Nettoeinkommen des Versicherten.
Die Hilfe soll nicht vor Ablauf von 5 Jahren seit der Beschaffung des zuletzt
geförderten Fahrzeugs gewährt werden (§ 6 Abs. 4 KfzHV). In besonderen Härtefällen
kann ein höherer Zuschuss zur Anschaffung eines Kfz gewährt werden.
Die Kraftfahrzeughilfe umfasst Leistungen für die behinderungsbedingte
Zusatzausstattung wie z.B. Automatik-Getriebe, Standheizung etc. sowie die technische
Überprüfung und Wiederherstellung (§ 7 KfzHV). Diese Kosten hiefür werden in voller
Höhe übernommen. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug schon serienmäßig über die
Zusatzausstattung verfügt.
Zu den Kosten, die für die Erlangung einer Fahrerlaubnis notwendig sind, wird
ebenfalls ein Zuschuss geleistet, der wiederum abhängig vom Einkommen des
Verletzten ist (§ 8 KfzHV).
Achtung:
Der Antrag auf Kraftfahrzeughilfe soll vor dem Abschluss des
Kaufvertrages und dem behindertengerechten Umbau gestellt werden, d.h.
die Hilfe steht dem Antragsteller - außer in Ausnahmefällen - nicht zu, wenn
der Kaufvertrag bereits vor der Bewilligung geschlossen wurde.
Zuständig für die Gewährung der Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation ist
gemäß § 16 SGB VI der Rentenversicherungsträger.
Für die Fälle der sozialen Rehabilitation, also solche Fälle, in denen das Kfz nicht zu
beruflichen Zwecken benötigt wird, ist der Unfallversicherungsträger zuständig. Hier
wird Hilfe gewährt, wenn das Kfz erforderlich ist, um die Auswirkungen der
Unfallfolgen zu erleichtern, d.h. insbesondere um die Teilnahme am Leben in der
Gemeinschaft zu ermöglichen.
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VII. Parkausweis
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Interessenlagen und Bedürfnisse werden
insbesondere in direkter Nähe zu öffentlichen Einrichtungen, in der Innenstadt und an
anderen zentralen Orten Behindertenparkplätze eingerichtet.
Außergewöhnlich Gehbehinderte und Blinde (Merkzeichen „aG“ und „Bl“ haben
grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur
Parkerleichterung. Diese berechtigt zum Parken auf allgemeinen
Behindertenparkplätzen. Unter bestimmten Voraussetzungen haben o.g. Personen auch
einen Anspruch auf einen personenbezogenen Behindertenparkplatz, z.B. an der
Privatwohnung oder am Arbeitsplatz.
Die Ausnahmegenehmigung ist personenbezogen, so dass es für die Berechtigung zur
Benutzung eines Behindertenparkplatzes erforderlich ist, dass der Behinderte entweder
selbst Fahrzeugführer ist oder aber mit im Fahrzeug sitzt.
VIII. Freie Fahrt mit Nahverkehrsmitteln
Gemäß § 145 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer
Behinderung in ihrer Beweglichkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder
hilflos oder gehörlos sind, im öffentlichen Personennahverkehr gegen Vorzeigen eines
entsprechenden Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX unentgeltlich befördert. Der
Ausweis muss durch einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck
gekennzeichnet sein. Zusätzlich muss darin das Merkzeichen „G“, „H“ oder „Gl“
vermerkt sein.
In seiner Beweglichkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (G) ist, wer infolge
einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von
Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche
Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im
Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt
werden. Diesen Nachweis kann ein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von
wenigstens 80 nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenen
Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen „G“ führen.
Hilflos (H) ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf
eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 33b Abs. 6 EStG).
Unter dem Begriff „Gehörlos“ (Gl) sind sowohl Hörbehinderte mit beiderseitiger
Taubheit als auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit
beidseits und einhergehenden schweren Sprachstörungen zu verstehen.
Neben dem Ausweis ist eine Wertmarke erforderlich. Diese erhält der Behinderte vom
zuständigen Versorgungsamt auf Antrag. Diese Wertmarke wird grundsätzlich nur
gegen Entrichtung eines Betrages in Höhe von 60 € (Gültigkeitsdauer 1 Jahr) oder von
30 € (Gültigkeitsdauer ½ Jahr) ausgegeben. Etwas anderes gilt grds. nur für Personen d
die blind oder hilflos sind. Für sie ist die Wertmarke kostenfrei. Dies gilt ebenfalls für
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Begleitpersonen des Behinderten, sofern im Ausweis das Merkzeichen „B“ eingetragen
ist, weil der Behinderte einer ständigen Begleitung bedarf.
Eine entsprechende Wertmarke wird nach § 145 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nicht
ausgegeben, solange der Ausweis einen gültigen Vermerk über die Inanspruchnahme
einer Kraftfahrzeugsteuerermäßigung enthält.
Darüber hinaus wird schwerbehinderten Menschen in vielen (öffentlichen)
Einrichtungen ermäßigter oder freier Eintritt gewährt.
B.
Antragstellung, Ablehnungsbescheid und Kosten
Wie beantrage ich die Feststellung der Schwerbehinderung? Was kann ich tun,
wenn der Antrag abgelehnt wird. Und welche Kosten entstehen hierfür? Hier die
Antworten:
I.
Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung/ Verschlimmerungsantrag
Sollten Sie bislang noch keinen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung gestellt
haben, müssen Sie einen Erstantrag beim für Sie zuständigen (örtlichen)
Versorgungsamt stellen. Ein entsprechendes Antragsformular erhalten Sie dort oder
auf dieser Seite unter Download (bitte verlinken).
Sollte bei Ihnen bereits ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt sein, so können Sie
einen sog. Verschlimmerungsantrag stellen. Hierfür können Sie das gleiche
Antragsformular verwenden, wie für den Erstantrag.
In beiden Fällen müssen Sie neben Angaben zur Person auch Angaben zu Ihren
ärztlichen Behandlungen, Krankenhausbehandlungen und Kuren machen. Das
Versorgungsamt wird zur Entscheidung über Ihren Antrag Befundberichte und
Auskünfte Ihrer behandelnden Ärzte, Krankenhäuser etc. einholen.
Das Verfahren kann erfahrungsgemäß einige Zeit dauern. Abschließend wird das
Versorgungsamt über Ihren Antrag entscheiden und einen Bescheid erlassen. Wird
Ihnen ein GdB von mindestens 50 (fünfzig) zugebilligt, so erhalten Sie auch einen
Schwerbehindertenausweis.
II.
Widerspruch gegen Ablehnungsbescheid/Herabsetzungsbescheid
Wird die Feststellung eines GdB gänzlich abgelehnt, wird der feststehende GdB nicht
erhöht oder fällt der GdB aus Ihrer Sicht zu niedrig aus, so haben Sie die Möglichkeit,
binnen eines Monats nach Zugang des Bescheids Widerspruch beim Versorgungsamt zu
erheben.
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Der Widerspruch ist zu begründen, andernfalls verspricht dieser keinen Erfolg.
Sollten Sie den Widerspruch nicht von vornherein begründet haben, so setzt Ihnen
die Behörde hierfür eine Frist.
Anschließend prüft das Versorgungsamt, ob Ihrem Widerspruch abgeholfen werden
kann. Falls nein, so wird der Widerspruch an die nächsthöhere Widerspruchsbehörde
abgegeben, die dann abschließend entscheidet.
Vertritt auch diese die Auffassung, Ihr Widerspruch sei unbegründet, so erlässt sie
einen Widerspruchsbescheid.
Der Widerspruch hat eine sog. aufschiebende Wirkung, d.h. sollten Sie bereits
anerkannt schwerbehindert sein und setzt das Versorgungsamt den GdB durch
Bescheid herab, so bleiben Sie solange anerkannt schwerbehindert, bis der
Herabsetzungsbescheid bestandskräftig wird. Dies geschieht nicht, solange Sie den
Widerspruch oder die Klage betreiben.
III. Klage vor dem Sozialgericht
Gegen den Widerspruchsbescheid können Sie wiederum binnen eines Monats ab
Zugang Klage beim Sozialgericht erheben.
Das Gericht holt in der Regel im Rahmen eines Beweisbeschlusses medizinische
Gutachten ein. Hierzu werden Sie aufgefordert, sich bestimmten, vom Gericht
benannten Sachverständigen (Ärzten) vorzustellen.
Sollten die Gutachten für Sie negativ ausfallen, so haben Sie die Möglichkeit, eigene
Ärzte zu benennen (§ 109 SGG). Diese werden dann eigene Gutachten anfertigen.
In den meisten Fällen kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, in welcher für die
Gegenseite ein Vertreter der Behörde erscheint. Hat die Klage Erfolg, wird Ihnen der
beantragte GdB zugesprochen, andernfalls wird die Klage abgewiesen. Darüber hinaus
besteht häufig die Möglichkeit, einen Vergleich zu schließen.
IV.
Kosten
Widerspruchs- und Klageverfahren
Sie möchten wissen, welche Kosten im Schwerbehindertenverfahren auf Sie
zukommen? Hierbei ist zu unterscheiden zwischen behördlichen Verfahren
(Widerspruch etc.) und sozialgerichtlichen Verfahren (Klage) einerseits sowie den
Anwaltskosten andererseits. Es gilt grundsätzlich folgendes:
Kosten für das behördliche Verfahren (Widerspruch etc.) fallen gemäß § 64 SGB X
grds. nicht an, d.h. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Während Gebühren
die Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltungsbehörde
darstellen, fallen unter den Begriff Auslagen tatsächliche Aufwendungen wie
Zustellungskosten, Telefon- und Faxkosten oder Fahrtkosten.
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Diese Kostenfreiheit gilt für sämtliche Amtshandlungen und das gesamte
Verwaltungsverfahren, also auch für das Widerspruchsverfahren. Ausnahmen ergeben
sich aus §§ 19, 25 SGB X. Kostenfreiheit bedeutet allerdings auch, dass kein Anspruch
des Beschwerdeführers auf Erstattung von Auslagen gegenüber der Behörde besteht.
Das Verfahren vor den Sozialgerichten ist gemäß § 183 SGG (Sozialgerichtsgesetz)
für Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte kostenfrei, soweit sie in dieser
Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Diesen Personen steht gleich, wer
im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Es gibt jedoch auch
Ausnahmen von der Kostenfreiheit. Die Kosten für Abschriften (§§ 93, 120 SGG), für
die Anhörung eines bestimmten Arztes (§ 109 SGG) und Mutwillenskosten (§ 192
SGG) können einem Beteiligten auferlegt werden.
Die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts richten sich grundsätzlich nach
dem RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz). Maßgeblich hierfür sind Art und Umfang
der Tätigkeit.
Je nach Ausgang des Verfahrens oder Billigkeit werden die Kosten des Anwalts
auch erstattet. So sind die Gebühren des Anwalts im Widerspruchsverfahren
(außergerichtlich) gemäß § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung
eines Anwalts notwendig war. Dies ist grds. der Fall, wenn das Verfahren rechtlich oder
tatsächlich nicht einfach ist. Im Gerichtsverfahren hingegen ist die Vergütung eines
Anwalts gemäß § 193 SGG, falls Sie obsiegen, stets erstattungsfähig.
Wenn Sie wissen möchten, welche Kosten Sie ggf. erwarten und ob Sie diese im Falle
des Obsiegens erstattet bekommen, rufen Sie mich an oder gehen Sie über Kontakt
(bitte verlinken) und schicken mir eine E-Mail.
Rechtsschutzversicherung
Falls Sie eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, so trägt diese in der
Regel alle Kosten des Klageverfahrens, d.h. die Kosten des Anwalts sowie etwaige
Sachverständigenkosten. Hierzu sollten Sie, um sicher zu sein, Rücksprache mit Ihrer
Rechtsschutzversicherung halten. Gerne übernehme ich dies auch für Sie.
Hinweis: Rechtsanwalt Dirkmann hat sich auf Widersprüche und Klagen im
GdB/MdE-Verfahren spezialisiert. Um bestmögliche Erfolge zu
erzielen, arbeitet er mit kompetenten Ärzten zusammen. Profitieren Sie
hiervon. Gerne übernimmt Herr Dirkmann auch Ihre Vertretung.
C.
Begriffe – Erklärende Worte
Kennen Sie das? Sie erhalten einen Bescheid oder lesen eine Info-Broschüre und
verstehen nur die Hälfte? Fachbegriffe machen häufig das Verstehen schwer oder gar
unmöglich – hier finden Sie Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen:
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I.
Schwerbehinderung – Was heißt das?
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem
für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft beeinträchtigt ist.
II.
Grad der Behinderung (GdB) / Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
Innerhalb des Verfahrens zur Feststellung als schwerbehinderter Mensch bzw.
Gleichgestellter wird der Antragsteller medizinisch begutachtet. Anschließend wird auf
Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse ein Grad der Behinderung festgestellt.
Dieser wird, entsprechend der Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft, nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine solche Feststellung ist
nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Die MdE wird nach den gleichen Grundsätzen bemessen. Sie unterscheidet sich vom
GdB lediglich dadurch, dass die MdE kausal (nur auf die Schädigungsfolgen) und der
GdB final (auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache) bezogen sind.
Sie sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen
einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
III. Merkzeichen
Neben der Feststellung eines bestimmten Grades der Behinderung wird auch über die
Zuerkennung eines Merzzeichens entschieden. Die einzelnen Merkzeichen berechtigen,
bestimmte Nachteilsausgleiche und Rechte in Anspruch zu nehmen.
Merkzeichen
Voraussetzungen
aG
Außergewöhnlich Gehbehinderte
Hierzu zählen Personen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens
dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung
außerhalb ihres Kfz bewegen können.
G
Gehbehinderte
Hierunter fallen Personen, die in ihrer Beweglichkeit im
Straßenverkehr infolge einer Einschränkung ihres Gehvermögens
beeinträchtigt sind.
Gl
Gehörlos
Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung
Gehörlos und deshalb in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind.
H
Hilflos
Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und
regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer
persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe
dauernd bedarf (§ 33 b Abs. 6 EStG).
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Bl
Blind
Hierzu zählen Personen, die seit der Geburt blind sind oder das
Augenlicht später verloren haben. Solche Menschen, die eine sehr
geringe Sehschärfe haben und sich daher in einer vertrauten
Umgebung ohne fremde Hilfe nicht zurechtfinden, sind blinden
Menschen gleichgestellt.
B
Begleitung
Dieses Merkzeichen erhält, wer ständiger Begleitung bei der
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedarf, weil er infolge
seiner Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich und
andere ständig fremde Hilfe benötigt.
1. Kl.
1. Klasse
Dieses Merkeichen erhalten Kriegsbeschädigte mit einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 70%, so
dass die Unterbringung aufgrund ihres körperlichen Zustands die
Unterbringung in der 1. Wagenklasse der Eisenbahn erforderlich
macht.
RF
Rundfunkgebührenbefreiung
Dieses Merkzeichen erhalten schwerbehinderte Menschen, die
blind sind bzw. eine erhebliche Sehminderung (GdB 60 und mehr)
haben oder gehörlos sind bzw. einen GdB von 80 aufweisen und
aus diesem Grund an öffentlichen Veranstaltungen nicht
teilnehmen können.
IV.
Gleichstellung
Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50, mindestens aber
30, können auf Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen
gleichgestellt werden. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 2 Abs. 3 i.V.m. § 68 Abs. 2 u.
3 SGB IX jedoch, dass sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen
geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten können. Wettbewerbsnachteile auf
dem Arbeitsmarkt müssen auf die Behinderung als die entscheidende Ursache
zurückzuführen sein. Betriebliche oder andere persönliche Ursachen wie z.B.
Betriebseinstellungen, Auftragsmangel, fortgeschrittenes Alter etc., von denen auch
nicht behinderte Arbeitnehmer betroffen sind, können eine Gleichstellung nicht
begründen.
Indizien für die behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes können u.a. sein:
• häufige behinderungsbedingte Fehlzeiten
• verminderte Belastbarkeit
• häufige oder ständige Hilfestellung durch andere Mitarbeiter
Der entsprechende Antrag ist bei der zuständigen Agentur für Arbeit am Wohnort des
Betroffenen zu stellen. Hat der Antrag Erfolg, so wirkt die Gleichstellung ab dem Tag
der Antragstellung.
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V.
AHP – Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
Die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht
und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) beschreiben unter anderem die
GdB/MdE- Bildung und Bewertung von Gesundheitsstörungen im sozialen
Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht. Außerdem enthalten Sie Vorgaben
zur Kausalitätsbeurteilung (Ursächlichkeit) von Krankheitszuständen. Sie sind weder
Rechtnormen noch allgemeine Verwaltungsvorschriften, haben dementsprechend auch
keine Rechtsnormqualität.
Es handelt sich hierbei nach ständiger Rechtsprechung um ein sog. antizipiertes
Sachverständigengutachten, das den aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand der
Schulmedizin wiedergibt. Auch wenn aufgrund der fehlenden Ermächtigungsnorm und
klaren gesetzlichen Vorgaben verfassungsrechtliche Bedenken gegen die AHP bestehen,
wird vorerst von einer vorläufigen Beachtlichkeit der AHP und der damit verbundenen
normähnlichen Wirkung ausgegangen. Die AHP unterliegen nur einer Evidenzkontrolle,
d.h. einer eingeschränkten Kontrolle durch die Gerichte. Sie beschränkt sich auf die
Vereinbarkeit der AHP mit höherrangigen Gesetzen und dem Gleichbehandlungsgebot.
VI.
Ablauf der Heilungsbewährung
Nach der Behandlung von Krankheiten, die zu Rezidiven neigen (so z.B. bösartige
Geschwulstkrankheiten) oder nach Transplantationen innerer Organe wird der Grad der
Behinderung (GdB) aufgrund des ungewissen Verlaufs für die Dauer von 5 Jahren
heraufgesetzt. Nach Ablauf dieser Zeit prüft das Versorgungsamt von Amts wegen, ob
weiterhin ein entsprechend hoher GdB gerechtfertigt ist.
Wenn seit dem Ende der Behandlung keine Rezidive (z.B. neue Tumore) o.ä.
aufgetreten sind, spricht man von einem Ablauf der Heilungsbewährung. Dieser stellt
eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. In der Regel setzt das Versorgungsamt
den GdB dann wieder herab.
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