Diagnostik der Lese- Rechtschreibstörung (LRS)
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Diagnostik der Lese- Rechtschreibstörung (LRS)
Diagnostik der Lese- Rechtschreibstörung (LRS) Vortrag am 05.01.10 im Seminar „Pädagogisch-psychologische Diagnostik“ Referent: Sebastian Schoppe 1. Definition, Klassifikation und Häufigkeit der LRS Definition laut WHO: - Hauptmerkmal = gestörte Entwicklung von Fertigkeiten des Lesens und Rechtschreibens, die sich nicht durch geistige Behinderung, unzureichenden Unterricht, Hör- oder Sehstörungen oder anderen neurolog. Erkrankungen erklären lässt - deutliche Beeinträchtigungen der schulischen Leistungen - Lese- und Rechtschreibleistungen liegen deutlich unter dem Niveau, das aufgrund des Alters, der allg. Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist 1. Definition, Klassifikation und Häufigkeit der LRS Klassifikation: ICD 10: F 81 Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten F 81.0 Lese- und Rechtschreibstörung F 81.1 Isolierte Rechtschreibstörung . . DSM IV: Lernstörungen 315.00 Lesestörung . . 1. Definition, Klassifikation und Häufigkeit der LRS Häufigkeit: - Grundschüler in Deutschland : ca. 3-5 % - Verhältnis Jungen/Mädchen: ca. 3:1 2. Ätiopathogenese der LRS - Genetische Einflüsse Auswirkungen auf hirnstrukturelle und hirnfunktionelle Korrelate zentralnervöser Informationsverarbeitung - Störungen der lautsprachlichen Informationsverarbeitung - Störungen der visuellen Informationsverarbeitung - Störung von Basisfunktionen, die für Lesen / Schreiben essentiell (z.B. Arbeitsgedächtnis) 3. Symptomatik der LRS Symptomatik der Lesestörung: - verzögertes Lesenlernen - Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Worten und Wortteilen - verlangsamtes Lesetempo - Startschwierigkeiten beim Vorlesen, Verlieren der Zeile, nicht sinnentsprechende Betonung - Gelesenes wird nur unzureichend verstanden 3. Symptomatik der LRS Symptomatik der Rechtschreibstörung: - Reversionen = Verdrehungen von Buchstaben im Wort (z.B. b-d, p-q) - Umstellungen von Buchstaben im Wort (z.B. Maus-Muas) - Auslassen von Buchstaben (z.B. zwanzig-zwazig) - Einfügungen falscher Buchstaben - lautliches Schreiben (z.B. während- wernt) - Wahrnehmungsfehler (z.B. Grund-Krunt) - niedrige Schreibgeschwindigkeit 3. Symptomatik der LRS Begleitsymptomatik: (im Sinne sekundärer Symptome) - Symptome von ADHS - allgemeine Lern- und Leistungsstörungen - emotionale Symptome im Sinne von Versagensängsten, depressiven Verstimmungen, Schulangst - somatische Symptome - Störungen im Sozialverhalten - Hausaufgabenkonflikte 4. Diagnostik der LRS Überlegungen zur Diagnostik: Differentialdiagnostische Abgrenzung der LRS zu: - durch Hirnschädigung erworbene Lese- und Rechtschreibstörungen (Dyslexie) - Lese- und Rechtschreibstörungen aufgrund neurologischer Erkrankungen oder Sinnesfunktionsstörungen - Lese-Rechtschreibschwächen infolge anderer psychischer Erkrankungen (z.B. F 93 emotionale Störungen des Kindesalters) - Lese-Rechtschreibschwächen infolge unangemessenen Unterrichts (Analphabetismus) - Lese-Rechtschreibschwächen infolge geistiger Behinderung 4.1 Anamnese und Exploration Hauptbestandteile der Anamnese: - Familienanamnese (Eltern, Geschwister, Großeltern) - Schwangerschaft, Geburt und Neonatalperiode - Meilensteine der Entwicklung (insb. Sprachentwicklung, motorische Entwicklung) - Verlauf der frühkindlichen Entwicklung - Krankheitsanamnese - schulische Laufbahn und Hausaufgabensituation 4.1 Anamnese und Exploration Häufige Schilderungen der Eltern: u.a. - Bewältigung der Schwierigkeiten durch intensive Hausaufgabenhilfe dennoch regelmäßiges Versagen - wenig Schwierigkeiten mit dem Abschreiben von Wörtern und Texten, dem Zahlenlesen, Buchstabenlesen und Lautieren von einzelnen Buchstaben Aber: Häufiges Scheitern bei Synthese einzelner Laute zu einem Wort sowie umgekehrt - Beginn psychischer und erzieherischer Konflikte im Zusammenhang mit Lern-/Leistungssituationen nach Einschulung - Klagen der Kinder über somatische Beschwerden v.a. während der Schulzeit - Leistungsunterschiede zu anderen Schulfächern 4.2 Psychopathologische Untersuchung - Standardisierte Erhebung des psychopathologischen Befundes - Befragung des Klassenlehrers über schulisches Kindverhalten (CAVE: Zustimmung der Eltern notwendig) - Elternfragebogen zu psychischen Symptomen des Kindes nach Achenbach (CBCL) 4.3 Körperliche Untersuchung - Internistische + neurologische Untersuchung (Konsil) - Ausschluss von Seh- und Hörstörungen sowie feinmotorischen Störungen 4.4 Psychometrische Erfassung der Lese- und Rechtschreibleistung Standardisierte Rechtschreibtests: - Bielefelder Screening zur Früherkennung von LeseRechtschreibschwierigkeiten (BISC) Einschätzung zu erwartender LeseRechtschreibschwierigkeiten im Vorschulalter - Diagnostischer Rechtschreibtest (DRT 1-5) Quantitative Erfassung der Rechtschreibleistung + qualitative Auswertung durch Fehleranalyse - Salzburger Lese-und Rechtschreibtest f. 1.-4. Klasse (SLRT) Kombiniertes Verfahren; gut im unteren Leistungsbereich - Hamburger Schreibprobe (HSP 1-9) Salzburger Lese- und Rechtschreibtest f. 1.-4. Klasse (SLRT) Salzburger Lese- und Rechtschreibtest f. 1.-4. Klasse (SLRT) Salzburger Lese- und Rechtschreibtest f. 1.-4. Klasse (SLRT) Hamburger Schreibprobe (HSP 1-9) Diagnostischer Rechtschreibtest (DRT 1-5) 4.4 Psychometrische Erfassung der Lese- und Rechtschreibleistung Standardisierte Lesetests: - Zürcher Lesetest (ZLT) Lesegenauigkeit und Lesetempo Häufig in der Praxis aber mit schlechteren Gütekriterien als neuere Verfahren (Ende 2.Klasse – Ende 6.Klasse) - Würzburger Leise-Lese-Probe (WLLP) Erfassung der Lesegeschwindigkeit; Multiple Choice Format (Ende 1.Klasse – Ende 4.Klasse) - Knuspels Leseaufgaben (KNUSPEL-L) Überprüfung der Basisfertigkeiten des Lesens (Ende 1.Klasse – Ende 4.Klasse) Zürcher Lesetest (ZLT) Zürcher Lesetest (ZLT) 4.5 Psychometrische Bestimmung der Intelligenzentwicklung - Auswahl eines ausführlichen Tests HAWIK; K-ABC; AID 4.6 Entscheidungsschema für die Diagnostik der LRS (gemäß Steinhausen) Diagnose einer LRS, falls alle nachfolgenden Kriterien erfüllt: - PR im Lese-Rechtschreibtest < 10% - IQ > 70 - Lese-Rechtschreibleistung mind. 1 bis 1,5 Standardabweichungen (oder 12 T-Wertpunkte) < IQ - LRS infolge erworbener zerebraler Schädigung, primärer psychischer oder organischer Erkrankung sowie mangelhafter Gelegenheit zum Erlernen schulischer Fähigkeiten kann ausgeschlossen werden