Fun, Fun, Fun - Bertz + Fischer Verlag
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Fun, Fun, Fun - Bertz + Fischer Verlag
Cameron Diaz Fun, Fun, Fun I Fun, Fun, Fun m Spätsommer 1998 war die Welt plötzlich verrückt nach Mary. Mary das ist das hübscheste Mädchen der Schule, das den schüchternsten Jungen mit den größten Zahnspangen zu ihrem Begleiter für den Abschlussball wählt, weil er ihren geistig behinderten Bruder vor einem Rowdy in Schutz genommen hat. Mary das ist die Frau, die sich um die Nachbarn kümmert und für jeden ein freundliches Wort übrig hat. Mary liebt Ballspiele, Bier und Hotdogs. Mary hält HAROLD AND MAUDE (1972; R: Hal Ashby) für die tollste Liebesgeschichte der Welt, weil wahre Liebe nicht mit dem Alter, sondern mit dem Charakter zu tun hat. Mary ist die Frau, die noch immer auf den richtigen Mann wartet und in der Zwischenzeit den Vibrator benutzt. Mary ist das All-American-Girl, für das die Männer einfach alles tun. Mary ist perfekt. Mary das ist Cameron Diaz. Jedenfalls in der grotesken romantischen Komödie THERES SOMETHING ABOUT MARY (Verrückt nach Mary; 1998) der gewitzten Brüder Bobby & Peter Farrelly, deren Film sich durch Mundpropaganda zum Überraschungserfolg des Jahres entwickelte und wohl auch in den Augen des Publikums, das die Schauspielerin von jeher mit den Attributen identifiziert, die auch die liebenswerte Mary Jensen beschreiben: sympathisch, sexy, humorvoll, erdgebunden, zielstrebig und selbstbewusst. Allerdings ließ sich dieses Image kaum auf die Rollen zurückführen, die Cameron Diaz in den Jahren zuvor verkörpert hatte: Da hatte sie als graduierte Psychologiestudentin in THE LAST SUPPER (Last Supper Die Henkersmahlzeit; 1995; R: Stacy Title) gemeinsam mit ihren Mitbewohnern politisch missliebige Zeitgenossen gemeuchelt, war als zwangsverheiratetes Halbweltgeschöpf in FEELING MINNESOTA (1996; R: Steven Baigelman) mit Keanu Reeves durchgebrannt und hatte in 7 Sympathisch, humorvoll, erdgebunden: Cameron Diaz als Mary SHES THE ONE (1996; R: Edward Burns) als arrogante Börsenmaklerin und Ex-Callgirl das Liebesleben zweier Brüder durcheinander gebracht. Und Ewan McGregor, dem ungeschickten Kidnapper aus A LIFE LESS ORDINARY (Lebe lieber ungewöhnlich; 1997; R: Danny Boyle) zeigte sie als gelangweilte reiche Erbin sogar, wie man eine Entführung or- 8 Stars! 2 Fun, Fun, Fun Cameron Diaz Fun, Fun, Fun dentlich organisiert. Eigentlich besaßen diese Filme nur zwei Gemeinsamkeiten: Mit Ausnahme von FEELING MINNESOTA (einem Film, der sich nie so ganz entscheiden kann, ob er lieber Krimi-Melodram, Roadmovie oder eine unfreiwillige Parodie sein möchte) handelte es sich ausschließlich um Komödien und kaum jemand hatte sie sehen wollen. Trotzdem war Cameron Diaz ein Star und das bereits seit ihrem allerersten Filmauftritt: Als Model ohne vorherige Schauspielerfahrung war sie als Gangsterliebchen Tina Carlyle in der Fantasy-Komödie THE MASK (Die Maske; 1994; R: Charles Russell) auf hochhackigen Schuhen und im hautengen roten Kleid mit Schlitz bis zur Hüfte noch während der Titelsequenz in eine Bank gestöckelt und hatte dem schüchternen Angestellten Stanley Ipkiss (Jim Carrey) mit himmelblauen Augen und strahlendem Lächeln den Kopf verdreht. Ausführlich hatte die Kamera dabei Camerons physische Attraktionen gewürdigt: blonde Haare, endlos lange Beine und ein üppiges Dekolleté, dem wie man später erfuhr allerdings mit einem Stütz-BH ein wenig nachgeholfen werden musste. Eine fleischgewordene Männerfantasie ironisch gebrochen allenfalls durch die komödiantische Übertreibung, mit der Cameron ihre Verführungskraft zelebrierte. So sehr entwickelte sich die Sequenz zu einem Teil der amerikanischen Populärkultur, dass sie in CHARLIES ANGELS (3 Engel für Charlie; 2000; R: Joseph McGinty Nichol) bereits als ironische Selbstreferenz zitiert werden konnte: Wenn die im Umgang mit Männern ein wenig schüchterne Agentin Natalie (Diaz) auf einem Empfang versucht, mit dem Kellner Pete (Luke Wilson) anzubändeln, geben ihr die Kolleginnen Dylan und Alex praktische Regieanweisungen per »Knopf im Ohr«. Dann schüttelt Natalie ganz im Stile Tina Carlyles in Zeitlupe die blonden Haare, als wolle sie ein Haarspray bewerben, und Pete wird durch den »Vertigo-Effekt« (die Kombination einer Kamerafahrt nach vorn mit einem Zoom zurück) förmlich aus dem Bild hinaus gesaugt und zu ihr hingezogen genau wie einst Stanley Ipkiss und sein Kollege Charlie Shoemaker in THE MASK. 9 THE MASK: Cameron Diaz verdreht ... Diaz Einstand im Filmgeschäft hätte kaum günstiger ausfallen können: Jim Carrey galt nach seinem Erfolg mit ACE VENTURA: PET DETECTIVE (Ace Ventura Ein tierischer Detektiv; 1994; R: Tom Shadyac) als der kommende Superstar, und bei den von der GeorgeLucas-Firma Industrial Light & Magic kreierten Computeranimationen, 10 Stars! 2 Fun, Fun, Fun Cameron Diaz Fun, Fun, Fun ... Jim Carrey den Kopf ... die Stanley Ipkiss vom hilflosen Verlierertypen in den grüngesichtigen Cartoon-Helden Die Maske verwandelten, handelte es sich um das Neuste, Beste und Teuerste, was die Tricktechnik zu bieten hatte. An den Kinokassen entwickelte sich THE MASK zum Hit und spielte weltweit rund 321 Millionen Dollar ein. Für massive mediale Berichterstat- 11 ... als Fleisch gewordene ... tung war somit gesorgt und natürlich stürzte sich die Presse auch auf Cameron Diaz. Kein Wunder: Mit ihrem Breitwandlächeln hätte man einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen können. Vor allem jene Zeitschriften, die ihre Filmberichterstattung gern mit einem ausführlichen Bildteil schmücken, erkoren Diaz zur neuen 12 Stars! 2 Fun, Fun, Fun Cameron Diaz Fun, Fun, Fun ... Männerfantasie Heldin: Obwohl THE MASK ihr bis dahin einziger Leinwandauftritt war, setzte das britische Magazin Empire sie in einer Liste der »100 sexiest Stars« auf Platz 13 [1] und bezifferte ihren Marktwert nur wenig später bereits auf eine runde Million Dollar [2]. Auch bei den für den Jugendmarkt so wichtigen MTV-Awards konnte sie abräumen und für THE 13 MASK die Auszeichnungen als »Begehrenswerteste Frau« sowie für die »Breakthrough Performance« und (gemeinsam mit Jim Carrey) für die beste Tanzsequenz mit nach Hause nehmen [3]. Selbst angesichts der kommerziellen Misserfolge der kommenden Jahre blieb ihr die Presse weithin gewogen. Man lobte ihr komödiantisches Talent und pries die Entscheidung, ihre Fähigkeiten an kleineren Rollen in Independent-Filmen zu schulen, auf denen nicht die Last der Erwartung eines großen Kassenerfolges lag. Vor allem aber wurde das Sexbomben-Image, das THE MASK heraufbeschworen hatte, gleich wieder ad acta gelegt. »Was den Vergleich zu Marilyn Monroe angeht«, erläuterte MARY-Regisseur Peter Farrelly später, »so endet er mit den blonden Haaren. Marilyn besaß auf eine dumm-blonde Art eine gewisse Straßenschläue. Cameron verfolgt einen viel energischeren Kurs. Sie lässt sich von niemandem für dumm verkaufen und würde niemals auch nur eine Minute lang so tun.« [4] Wie Diaz amüsiert feststellte, schienen die Journalisten dann allerdings doch nicht ausschließlich der Kunst wegen zu den Presseterminen anzureisen: »In der Zeit nach THE MASK tat ich mich schwer mit einem weiteren Erfolg und doch gab ich ständig Interviews. Und da bemerkte ich, dass es überhaupt nichts mit meinen schauspielerischen Fähigkeiten zu tun hatte, dass diese Typen Meilen gefahren waren, um mit mir zu sprechen. Aber wir profitierten ja gegenseitig davon. Schließlich wird eine Schauspielerin, die gerade ordentlich zu kämpfen hat, ein bisschen gute Werbung kaum ablehnen, nicht wahr?« [5] In den Interviews jener Tage plauderte Diaz recht ungehemmt und fröhlich drauflos: Sie parlierte über das Vergnügen des Daseins als Model, berichtete von ihrer Liebe zu Pommes frites und selbst gedrehten Zigaretten, outete sich als Partygängerin, die auch gern mal einen über den Durst trank (Alkoholvergiftung inklusive), bekannte sich zu ihrer schlechten Haut (»Ich habe ein ernstes Pickelproblem«) und äußerte eine Vorliebe für Heavy-Metal-Musik. Es waren diese Interviews, in denen sie sich so offen, unkompliziert und natürlich gab, die ihr Bild in der Öffentlichkeit viel stärker be- 14 Stars! 2 Fun, Fun, Fun Cameron Diaz Fun, Fun, Fun Cameron Diaz mit Julia Roberts in MY BEST FRIENDS WEDDING stimmten, als ihre Rollen in Filmen, die kaum jemand anguckte. Insofern war das Publikum gut auf den cleveren Schachzug der FarrellyBrüder vorbereitet, Cameron als Mary zu besetzen zumal ihr zu diesem Zeitpunkt an der Seite von Julia Roberts, Dermot Mulroney und Rupert Everett mit der Hit-Komödie MY BEST FRIENDS WEDDING (Die Hochzeit meines besten Freundes; 1997; R: P.J. Hogan) gerade die Rückkehr in den Hollywood-Mainstream gelungen war. Vor allem aber stand in allen Berichten, Porträts und Gesprächen über, von und mit Diaz immer wieder Spaß, Spaß und nochmals Spaß im Vordergrund: der Spaß, den sie beim Lesen des Drehbuchs gehabt hatte, das Vergnügen mit den Kollegen bei den Dreharbeiten, die Lust, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Und hier liegt von ihren sonstigen Qualitäten und Fähigkeiten einmal vollkommen abgesehen auch das Geheimnis ihres kommerziellen Erfolgs: Wie kein anderer 15 Auf der Sonnenseite des Lebens: Celine Naville in A LIFE LESS ORDINARY 16 Stars! 2 Fun, Fun, Fun Cameron Diaz Fun, Fun, Fun aktueller Star verkörpert Cameron Diaz perfekt die heutige Spaßgesellschaft, in der kaum etwas wichtiger erscheint als das eigene Vergnügen. Nichts vermochte dies deutlicher aufzuzeigen als ihr bislang letzter großer Kassenschlager CHARLIES ANGELS: pures Popcorn-Kino für die MTV-Generation, das sich konsequenterweise nicht einmal mehr selbst ernstnimmt. Diaz Privatagentin Natalie, die wie ihre Kolleginnen Dylan (Drew Barrymore) und Alex (Lucy Liu) für den mysteriösen Millionär Charlie arbeitet, erweckt hier durchweg den Eindruck, als sei der Kampf gegen Superschurken das reinste Vergnügen, bei dem man nebenbei auch mal Rennauto fahren darf und ansonsten die bad guys im Vorübergehen mit einem Handkantenschlag erledigt. In einer Sequenz, in der ausführlich die Schwierigkeit geschildert wird, in einen schwer gesicherten Tresorraum zu gelangen, sagt einmal jemand: »Klingt unmöglich.« Und natürlich ist es Natalie, die entgegnet: »Klingt nach Spaß.« Natalie versprüht so viel Energie, dass sie morgens beim Aufstehen noch in der Unterwäsche einfach tanzen muss in einer Diskothek wird sie später das cool und skeptisch herumstehende Publikum zum Mitgrooven animieren. In seiner Kritik zu CHARLIES ANGELS merkte Todd McCarthy in Variety an, »selten habe eine Schauspielerin derart den Eindruck vermittelt, so glücklich darüber zu sein, in einem ganz bestimmten Film mitzuwirken.« [6] Abgesehen von CHARLIES ANGELS, wo die Arbeit einen großen Teil ihres Spaßes ausmacht, sieht man Diaz in ihren Filmen kaum jemals arbeiten die von ihr verkörperten Frauen stehen finanziell und beruflich in aller Regel auf der Sonnenseite des Lebens: In HEAD ABOVE WATER (Kopf über Wasser; 1996; R: Jim Wilson), MY BEST FRIENDS WEDDING, A LIFE LESS ORDINARY und ANY GIVEN SUNDAY (An jedem verdammten Sonntag; 1999; R: Oliver Stone) spielt Diaz Millionenerbinnen; Heather in SHES THE ONE verdient ihr Geld als Börsenmaklerin an der Wall Street, und Mary Jensen betätigt sich als orthopädische Chirurgin, die allerdings mehr Zeit auf dem Golfplatz als in der Klinik verbringt. 17