Sport als politisches Phänomen Dank der

Transcrição

Sport als politisches Phänomen Dank der
Sport als politisches Phänomen
Dank der Sportförderung durch den Staat und der damit verbundenen direkten und indirekten finanziellen Unterstützungen werden die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Sports nachhaltig verbessert. Damit einher geht die Möglichkeit, aufgrund staatlicher Zielsetzungen lenkend auf
den Sport Einfluss zu nehmen und dessen Dynamik punktuell zu steuern und bestimmte Funktionen zu fördern, zu unterdrücken oder zu eliminieren.
Strebt der Staat die Nutzung der Repräsentationsfunktion des Sports und den spitzensportlichen
Erfolg als Zeichen der Systemüberlegenheit im Vergleich mit andern Nationen an, müssen die Förderkriterien anders ausgerichtet werden als in einem System, in dem der Staat den Sport primär als
sinnvolles Instrument zur Förderung der Gesundheit und einer aktiven Freizeitgestaltung betrachtet.
Rechtliche Normen regeln
den Sport oder Sport in der
Staatsverfassung
Bedeutung
des Sport-Lobbyings
Der Sport findet heute Eingang in die Verfassungen der Staaten und wird über spezifische rechtliche
Normen (Gesetze und Verordnungen) zumeist subsidiären Charakters in einen Handlungsfreiraum
eingegrenzt. Innerhalb dieses Rahmens sind jedoch ebenso der gesellschaftliche Stellenwert sowie
die staatlichen Unterstützungsleistungen definiert.
Ebenfalls Eingang gefunden hat der Sport in das Normenwerk der Europäischen Union und in die
Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs.
Sport-Lobbying
Aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung ist es heute für die Sportorganisationen unerlässlich,
sich Zugang zu politischen Entscheidungsgremien wie Regierungen, Räte und Parlamente zu verschaffen.
Die eingangs zu diesem Kapitel beschriebene Entwicklung des Sports und die damit verbundene
Vernetzung mit fast allen gesellschaftlich relevanten Bereichen der Gesellschaft hatten zur Folge,
dass heute der Sport von beinahe allen legislatorischen Geschäften der Parlamente auf nationaler
und kantonaler Stufe betroffen sind. Das Spektrum reicht von den fiskalischen über die raumplanerischen und umweltrelevanten bis zu den migrations- und gesundheitspolitischen Vorlagen. Spät,
gegen Ende der Siebzigerjahre, erkannten die Sportdachverbände die existenzielle Notwendigkeit
einer politischen Mitbestimmung. Mit der Konstituierung einer offiziellen Lobby auf nationaler Ebene im Jahre 1980 wurde der Grundstein zu einem kontinuierlichen politischen Wirken geschaffen.
Der Sport gewann dadurch an Identität. Dieses neue politische Bewusstsein gipfelte Mitte der Neunzigerjahre in einer vielbeachteten Volksinitiative gegen eine den Sport diskriminierende Mehrwertsteuergesetzgebung. Eine Volksabstimmung wurde obsolet, weil beide parlamentarischen Kammern
die Anliegen des Sports in das Gesetz aufgenommen hatten.
Heute bedient sich der Sport auf allen Stufen des klassischen Instruments der parlamentarischen
Interessenvertretung, mit deren Unterstützung und Hilfe den Anliegen des Sports vermehrt Beachtung geschenkt werden soll.
Die Effektivität solcher Interessenvertretungen wird durch die Heterogenität der Sportwelt, die sich
in Partikularinteressen akzentuiert, wesentlich eingeschränkt. Interessenkonflikte schwächen in
hohem Masse die politische Durchschlagskraft des organisierten Sports. Zudem hat der privatrechtlich organisierte Sport in der Schweiz gegenüber der Wirtschaft sehr beschränkte Möglichkeiten, die
in der Sportlobby eingebundenen Parlamentarier standesüblich zu honorieren. Konsequenz davon
ist, dass die Anliegen des Sports in der Prioritätenhierarchie zumeist sekundär oder tertiär rangieren.
Parlamentarische Gruppe
Sport
Das eidgenössische Parlament verfügt über eine Parlamentarische Gruppe Sport (PGS), bei welcher
rund die Hälfte der Parlamentsmitglieder eingeschrieben sind. In diese Gruppe mit eingebunden
sind die Exponenten der Swiss Olympic, der Eidg. Sportkommission ESK und des Bundesamts für
Sport. Auf kantonaler Ebene verfügen heute rund zwei Drittel der Kantone über eine ähnliche Lobbyorganisation.
1.2.6 Recht
Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs «Recht» gibt es nicht. Im Kontext des Themenbereichs «Sport und Recht» bedeutet Recht «die Gesamtheit aller Rechtsnormen, mithin das gesamte Rechtssystem, innerhalb dessen sich der Sport abspielt; nicht zum Recht gehören deshalb die
Spielregeln, welche den Ablauf eines Spiels vorschreiben». (17)
20
Sportrecht
Bis zum Zweiten Weltkrieg berief sich der Sport weitestgehend auf das Sportverbandsrecht und
selbst gegebene Normen zur Ordnung der Funktionen in den Verbandsstrukturen und zur Regelung
des Wettkampfbetriebs. Als «schönste Nebensache» der Welt hatte der Sport nur wenige Bezugspunkte zum öffentlichen Recht. Erst die Professionalisierung des Sports schuf – wie vorgängig
erwähnt – die Interdependenz zwischen dem Sportrecht und dem öffentlichen und privaten Recht.
Das Sportrecht umfasst die «gesamten rechtlichen Bestimmungen, die den Sport betreffen, also das
gesamte staatliche, den Sport betreffende Recht sowie das von den Sportorganisationen autonom
gesetzte Recht». (18)
Wettbewerbsrecht
Das Sportrecht wird heute in wesentlichen Bereichen (Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht) von der
EU und ihren Institutionen beeinflusst (Bosman Case vom 15.12.1995). Bemerkenswert ist, dass selbst
die EU mit Rücksicht auf gewachsene Sportstrukturen Ausnahmen für den Sport beispielsweise im
Wettbewerbsrecht zulässt.
Tribunal Arbitral du Sport
Court of Arbitration for Sport
www.tas-cas.org
Um seine Autonomie nachhaltig zu stützen, hat sich der Sport früh eine eigene Schiedsgerichtsbarkeit gegeben, die sich in der Schweiz nach den Normen des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit gestaltet.
Auf internationaler Ebene wurde das TAS/CAS (Tribunal Arbitral du Sport/Court of Arbitration for Sport)
in Lausanne geschaffen (vgl. Ziff. 3.11.2). Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids geniessen Urteile
dieser Instanz höchste Anerkennung. Zahlreiche internationale und nationale Sportverbände sind
mittlerweile bestrebt, in ihren Statuten und Verträgen das TAS als letzte zuständige Gerichtsbehörde
für die Erledigung von Streitigkeiten aller Art zu stipulieren.
Rolle der Medien
1.2.7 Medien
Medien und Sportveranstaltungen
Der Bedeutungszuwachs des Sports seit Mitte des letzten Jahrhunderts ist vor allem dem Fernsehen zuzuschreiben: Erst dieses Medium ermöglichte die weltweite und zeitgleiche Übertragung von
Sportanlässen in Bild und Ton, womit sich das Publikum dieser Anlässe vervielfachte.
Nur wenige Medieninhalte faszinieren das breite Publikum so sehr wie die Liveübertragungen von
grossen Sportereignissen: Beim Fussballmatch zwischen der Schweiz und der Türkei an der EURO
2008 fieberten allein in der Deutschschweiz 1,652 Mio. Sportfans am Fernsehen mit. Dies entspricht
einem Marktanteil von über 75%.
Übertragungsquoten Schweiz
Top Ten 2010
Die meistbeachteten Sportsendungen SF 2010
Rang Datum
Sender Sendung
1
11.07.10
2
25.06.10 SF2
3
4
5
6
7
15.02.10
20.02.10
21.06.10
19.02.10
07.07.10
8
16.06.10 SF2
9
23.02.10
10
SF2
SF2
SF2
SF2
SF2
SF2
SF2
20.02.10 SF2
Fussball: FIFA WM 2010 Südafrika
Final Holland – Spanien
Fussball: FIFA WM 2010 Südafrika
Schweiz – Honduras
Vancouver live: Ski alpin Abfahrt Männer
Vancouver live: Skispringen Final 2. Durchgang
Fussball: FIFA WM 2010 Südafrika Chile – Schweiz
Vancouver live: Ski alpin Super-G Männer
Fussball: FIFA WM 2010 Südafrika
Halbfinal Deutschland – Spanien
Fussball: FIFA WM 2010 Südafrika
Spanien – Schweiz
Vancouver live: Ski alpin
Riesenslalom Männer 2. Lauf
Vancouver live: Skispringen Final 1. Durchgang
Personen Marktanteil
in 1000 in Prozent
1369,6
64,1
1285,6
1232,1
1151,9
1082,2
1052,8
68,6
56,7
56,0
74,4
51,1
1010,5
57,7
1000,6
74,2
999,6
947,8
55,0
45,7
21
Mit der gestiegenen Medienpräsenz wuchs das Interesse der Wirtschaft an den Sportveranstaltungen. Sie begann in Form des Sponsorings gezielt und in grösserem Ausmass Geld vor allem in die
medienwirksamen Spitzensportarten zu investieren. Einerseits soll mit der Präsenz an Sportanlässen der Bekanntheitsgrad gesteigert werden, und andererseits will man vom positiven Image des
Sports profitieren. Beinahe klassische Beispiele sind in der Schweiz die Marken Ovomaltine, Rivella
und Swisscom. Marken, die sich nicht zuletzt aufgrund ihres Markenauftritts im Sport erfolgreich am
Markt positioniert haben. International gilt die Marke Red Bull als augenfälligstes Beispiel.
Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass der Sport u.a. durch die Dopingproblematik sowie
Korruptions- und Wettskandale (vgl. Ziff. 1.4 ff.) an Glaubwürdigkeit verloren hat. Insbesondere in
wirtschaftlich angespannten Zeiten machen sich Sponsoren in «kritischen» Sportarten rar. Zusätzlich
sind ganze Wirtschaftsbranchen (u.a. Tabakindustrie) durch die Gesetzgebung aus dem Sponsoring
verbannt worden. Trends im Sponsoring deuten auf ein zukünftig verstärktes Engagement von Unternehmen im Bereich der Social Corporate Responsibility (SCR) hin.
Sportsendungen
Auch ausserhalb der Grossanlässe belegt der Sport einen prominenten Platz in den Medien: Ein
Fernseh- oder Radioprogramm ohne Sportsendungen oder eine Tageszeitung ohne Sportteil sind
kaum mehr denkbar. Darüber hinaus gibt es unter den Printmedien mittlerweile zahlreiche spezialisierte Sportzeitschriften.
Ebenfalls im Internet haben sich Sportangebote etabliert: dies in Form von Sportportalen und Nachrichtenseiten mit Live-Tickern, Websites von Verbänden, Vereinen, einzelnen Sportlern sowie Blogs
und Foren zu Sportthemen; Social Networks (Web 2.0) wie Facebook oder Twitter nehmen mittlerweile einen wichtigen Platz in der Kommunikation von (persönlichen) News und Informationen
rund um den Sport ein.
Informations-, Kritik- und
Kontrollfunktion
Unterhaltungsangebot Sport
Sportberichterstattung
Inhaltlich beschränkt sich die Sportberichterstattung längst nicht mehr auf die Wiedergabe der
Resultate von sportlichen Wettkämpfen. Analog den andern Sendegefässen werden die Akteure im Sport auch mit ihrem privaten Bereich (home stories) in die Berichterstattung einbezogen.
Die Bedeutung der Hintergrundberichterstattung nimmt mittlerweile einen hohen Stellenwert ein.
Beiträge über Börsengänge von Fussballclubs, über Doping und über Sportgerichtsverfahren, über
Affären und Ehen der Sportler und Trainer — um nur einige zu nennen — ziehen das Sportpublikum
während den Wettkampfunterbrüchen in Bann.
Nachdem in den Boomjahren des Sports die Sportressorts der meisten Printmedien stark ausgebaut
worden waren, mussten sie allerdings in jüngster Zeit dem Kostendruck wieder Tribut zollen und
unterliegen Spar- und Kürzungsmassnahmen. Mithin auch eine Folge davon, dass die elektronischen Medien auch bei der Hintergrundrecherche zeitlich näher am Publikum sind.
Sportwettkämpfe sind spannend, weil sich ihr Ausgang nie vorhersagen lässt. Diese Spannung wird
zusätzlich erhöht, wenn das Publikum Partei ergreift; denn der Erfolg der unterstützten Teams oder
Sportler löst intensive Emotionen aus. Zudem ist mit der Parteinahme die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Fangemeinschaft verbunden, so dass die Zuwendung zum Mediensport auch soziale Funktionen erfüllt: Über die Medien mitverfolgte Sportereignisse und deren Protagonisten sind
ein dankbares, da nicht allzu heikles Gesprächsthema. Der Erfolg der Grossleinwandübertragungen
anlässlich der vergangenen Fussball-Welt- und Europameisterschaften macht deutlich, dass der
Konsum von Mediensport auch ein beliebtes Gemeinschaftserlebnis sein kann.
Erste Zahlen zur UEFA EURO 2008 in der Schweiz (19)
Host Cities – Public Viewing und Stadien
Geschätzte Besucherzahlen
Basel
bis und mit Viertelfinals
652’700
UBS-Arenen
Besucher bis und mit Halbfinal
850’000
22
Bern
676’500
Genf
556’300
Zürich
823’000
Total
2’708’500
Sportjournalismus
Mit der Entwicklung der Sportberichterstattung sind die Anforderungen an die Sportjournalisten
gestiegen: Solide Fachkompetenz und Basiswissen in Wirtschaft, Medizin und Rechtswesen sind für
sie ebenso wichtig wie die Kenntnis von medienwirksamen Formaten und Darstellungsformen. So
zeigen Journalistenbefragungen der jüngsten Zeit, dass die Sportjournalisten heute einen ähnlichen
Ausbildungsstand haben wie ihre Kollegen aus anderen Ressorts.
Dass dem nicht immer so war, zeigt das Beispiel der Berner Zeitung (BZ), für die es in den Fünfzigerjahren noch ein besonderes Gütesiegel war, dass die Artikel ihrer Sportseiten von «aktiven
Sportlern» geschrieben wurden und im Sportressort sportinteressierte Laien ohne journalistische
Ausbildung tätig waren. Damals ging es wesentlich noch darum, Abläufe von Wettkämpfen deskriptiv wiederzugeben – eine Aufgabe, die seit geraumer Zeit von den elektronischen Medien in Echtzeit
erfüllt wird.
Fussball-WM 2010, Spiel Honduras –
Schweiz: «Public Viewing» von
Schweizer Fussballfans vor dem
Eishockeystadion Les Vernets
in Genf.
(Bild Keystone)
23