Visionen zum Glück
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Visionen zum Glück
Was wurde bis jetzt aufgezeigt: Hindernisse, glücklich zu sein Glück ist die Fähigkeit, … fdas Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und Verantwortung für das eigene Glück zu übernehmen, f Ängste loszulassen f und sich selbst zu lieben. Es gibt nur ein wirkliches Kapital, das wir besitzen: unsere Fähigkeit, glücklich zu sein. Dieses Kapital schaffen wir uns selbst, wenn wir erkennen, was uns daran hindert, glücklich zu sein, und wie wir unsere Hindernisse zum Glück sind … Glücksgefühle steigern können. f die eigenen Gedanken, f zu hohe Erwartungen an die Außenwelt, selbst zu finden – und auch dort zu lösen. In diesem Kapitel f die Angst, nach innen zu schauen, gehe ich auf zahlreiche Hindernisse ein. Denn ein Hindernis f die Angst vor Veränderung, kommt selten allein. Der Mensch ist ein komplexes Wesen f Vorgaben und Gefühlskonzepte aus der Kindheit. und seine Psyche funktioniert wie der physische Körper: Ist Die größten Hindernisse, um glücklich zu sein, sind in uns zum Beispiel eine Arterie verstopft und das Blut kann nicht mehr richtig zirkulieren, dann kommt es zu schwerwiegenden Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Aneurysma. So verhält es sich auch bei der Psyche. Als erstes Hindernis, um glücklich zu sein, beschreibe ich den Selbstwert. Ist dieser nicht in einem gesunden Maß entwickelt, wirkt sich dieser geringe Selbstwert auf viele Lebensbereiche negativ aus. Selbstwert Die Vorstellung vom eigenen Wert ist die, die jeder mit sich herumträgt, also gewissermaßen sein innerer Selbstwerttopf. 28 29 Dieser kann voll, halb leer oder leer sein, das heißt, der Selbst- lassen, dass wir nicht wertvoll sind. Damit meine ich alles, was wert kann hoch, stabil, niedrig oder wackelig sein. wir aus der Kindheit oder früheren Beziehungen oder sonst Ist der Selbstwerttopf voll, strömen Integrität, Ehrlichkeit, aus unserem Leben mitbringen. Verantwortlichkeit, Leidenschaft und Liebe frei aus dem Menschen hervor. Der glückliche Mensch mit einem vollen Selbst- Selbstwert … werttopf weiß, dass er etwas bedeutet und dass die Welt f ist die Vorstellung von dem, was wir wert sind, durch seine Existenz ein bisschen reicher ist. f ist das, was wir nach außen ausstrahlen, f entsteht durch Erfahrungen. Beim Betrachten unserer Mitmenschen können wir die Auswirkungen des Selbstwertgefühls gut wahrnehmen: Es gibt Menschen, die etwas ausstrahlen. Sie wirken glücklich, lebennerlich bewegt. Man fühlt sich von ihnen angezogen und ihre Das innere Kind oder das Unterbewusstsein positive Ausstrahlung wirkt ansteckend. Alle Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben, dig, lebensfroh, körperlich und seelisch frei, äußerlich und in- Andere Menschen hingegen lassen sich am ehesten mit wurden in uns abgespeichert. Unbewusst greifen wir bei je- „grau“ beschreiben. Ihre Haut ist tatsächlich oft grau oder zu- der Handlung auf diese Erfahrungen zurück. Auch wenn wir mindest blass, ihre Bewegungen sind langsam und ungelenk. vergessen haben, einmal ein Kind gewesen zu sein, lebt das Die Sprache wirkt gehemmt, die Stimme farblos und der Atem Kind in uns weiter. Das innere Kind ist auch verantwortlich für ist flach. In ihrem Verhalten sind sie zurückhaltend und ihre unsere Instinkte und für unser Bauchgefühl. Stellen Sie sich Mimik macht wenig von dem deutlich, was in ihnen vorgeht. vor, Sie hatten als Kind eine Fotokamera. Mit dieser Kame- Sie scheinen auf Sparflamme zu leben. Es strahlt keine Leben- ra hielten Sie alles, was Ihnen widerfahren ist, in Bildern fest. digkeit und seelische Wärme, nichts zeigt sich in ihren Bewe- Diese Bilder werden abgespeichert und im Erwachsenenalter gungen, nichts drückt sich in Gestik, Mimik und Sprache aus. unbewusst abgefragt. Wenn wir bei der Geburt als Kind lie- Sie wirken unsicher, körperlich und seelisch unfrei, äußerlich bevoll begrüßt werden und angenommen werden und Liebe und innerlich unbewegt. erfahren, dann sind die Bilder stärker und positiv. Diese po- 30 Wieso ist das so? sitiven Erinnerungen werden dann unbewusst in unsicheren Es sind alte Erfahrungen, die in uns das Gefühl entstehen Situationen abgerufen und dadurch finden wir Halt. 31 In diesem Kapitel möchte ich aufzeigen, dass wir nur das Meine eigene Kindheit und die Entwicklung meines Selbst- sein können, was wir in der Kindheit erlernt haben. Vergleich- wertes möchte ich als Beispiel anführen: Gleich nach meiner bar den Wurzeln eines Baumes. Geburt ging meine Mutter wieder arbeiten. Da der Arbeitsplatz meiner Mutter in einer entfernten Stadt war und mein Vater ebenso dort als Lastwagenfahrer tätig war, kam ich zu Kindheit und Selbstwert den Nachbarn meiner Großmutter. Bei meiner Großmutter Zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr wird die Basis konnte ich nicht bleiben, denn sie hatte selbst noch kleine für einen gesunden Selbstwert geschaffen – es ist die Zeit, in Kinder zu versorgen und musste den Bauernhof bewirtschaf- der am meisten gelernt wird. Es entstehen Muster, nach denen ten. Die ersten drei Lebensjahre verbrachte ich bei den Nach- sich unser späteres Verhalten ausrichtet. Das innere Kind, oder barn, die mich gern hatten und bei denen ich auch gerne war. auch das Unterbewusstsein, bestätigt uns entweder ständig Bei den seltenen Besuchen meiner Mutter versteckte ich mich („wir sind gut genug“) oder lässt uns zweifeln, ob wir das errei- hinter der blauen Arbeitsschürze meines „Onkels“ und wollte chen können, was wir wollen. Es stoppt uns auf unserem Weg. nicht mit ihr mitgehen. Betrachten wir die Kindheit genauer: Kinder, wenn sie auf Als der älteste Bruder meiner Mutter heiratete und das die Welt kommen, sind glückliche Kinder. Wir verlernen aber Dorf verließ, mussten meine Eltern in das Dorf zurückkommen das Glücklichsein im Laufe der Zeit. Einen starken Einfluss und den Hof meiner Großmutter übernehmen. Meine Mutter üben die Erlebnisse während unserer Kindheit und die Bezie- kehrte nicht gerne ins Dorf zurück, aber als zweitälteste Toch- hung zu unseren Eltern aus. ter hatte sie keine andere Wahl – und so kam ich dann doch Schon als Kinder hören wir: „Das darfst du nicht tun.“ „Das kannst du nicht.“ „Das macht die Mami, du bist noch zu klein.“ „Wenn Erwachsene sprechen, dann hältst du den Mund.“ zu meinen Eltern. Als ich sechs Jahre alt war, ist meine Mutter an Tuberkulose erkrankt und war monatelang im Krankenhaus. Mein Vater war Eltern, die ihr Kind nicht fördern und unterstützen, die dem beruflich noch immer viel unterwegs, und so war meine Groß- Kind nicht zu verstehen geben, dass es gut ist, wie es ist, prä- mutter die einzige Bezugsperson. Doch es war, als wäre ich gen bei ihrem Kind schon in frühester Kindheit Verhaltens- nicht vorhanden. Mit meinen Bedürfnissen und meinen Ängs- muster, die im späteren Leben zu mangelndem Selbstwertge- ten war ich allein. Ich habe natürlich versucht, Anerkennung fühl führen. oder zumindest Aufmerksamkeit zu erhalten, doch stattdessen 32 33 bekam ich Prügel und wurde für alles, was im Haushalt schief- men. Ich habe mir immer wieder vorgesagt: „Ich will es schaf- ging, verantwortlich gemacht – selbst wenn die Katze eine fen – und ich schaffe es.“ Durch diesen Grundsatz ist mein Vase umgeworfen hatte. Selbstvertrauen gewachsen. Meine Mutter verwendete mir gegenüber immer wieder Sät- Hier möchte ich deutlich unterstreichen, dass es bei der Be- ze, die mich spüren ließen, dass ich ein ungewünschtes Kind trachtung unseres Lebens nicht darum geht, einen Schuldigen war. Um diese Situation zu bewältigen, wandte ich als Kind die zu finden. Heute bin ich zum Beispiel überzeugt, dass meine Strategie der Verdrängung an und lebte in Tagträumen. Zu mei- Mutter aus Verzweiflung, Schwäche und Überforderung her- ner Mutter bestand nie eine emotionale Bindung – ich glaube, aus so gehandelt hat. sie nahm mir auch übel, dass sie durch meine Existenz nach wie vor an ihr Heimatdorf gebunden war. Wäre ich nicht gewesen, hätte sie sich möglicherweise gegen die Großmutter durchge- Überbehütung ist Entmündigung setzt und wäre mit meinem Vater zurück in die Stadt gegangen. Meine eigene Erfahrung stellte sich – aus heutiger Sicht – viel- Erzählungen zufolge war die Beziehung meiner Eltern bes- leicht sogar als die bessere Variante zum Verhätscheltwerden ser, solange sie noch in der Stadt lebten. Erst nachdem sie ins heraus. Verhätschelung kommt einer Entmündigung gleich, Dorf gezogen waren, begann mein Vater ständig fremdzuge- und wer sie erfahren hat, wird sich schwer tun, auf eigenen hen. Die Beziehung meiner Eltern wurde immer schlechter. Füßen zu stehen. Da ich als Kind viel am Hof meiner Eltern Meine Mutter drohte abwechselnd damit, sich umzubringen mitarbeiten musste, hatte ich keine Zeit für die Schule, weder oder mit meinen beiden jüngeren Schwestern fortzugehen. die Hausübungen für den Schulunterricht zu erledigen noch Mich hätte sie bei meinem Vater zurückgelassen, was ich unter zu lernen. keinen Umständen wollte, da auch zu ihm keine gute Verbin- In der Schule wurde ich dafür natürlich bestraft. Bei Tests dung bestand. Die einzige behutsame Berührung, an die ich ließen mich Schulkollegen abschreiben, aber auch nur, weil mich von meiner Mutter erinnere, war die, als sie mich nach sie Angst vor mir hatten. Ich war bekannt dafür, dass ich den einer Mandeloperation vom Krankenhaus abgeholt hat und Jungs in Sachen Schlägereien in nichts nachstand. Im Winter mich an der Hand nahm, als wir die Straße überquerten. rieben die Burschen meiner Schule die Mädchen gerne mit So schlimm meine Kindheit auch war, sie hat mich bereits Schnee ein. Das haben sie einmal mit mir gewagt und dafür als Kind gelehrt, Verantwortung für mich selbst zu überneh- habe ich sie der Reihe nach verprügelt, die anderen Mädchen 34 35 schrien nach ihren Müttern. Selbstverständlich erwuchs meine ruhen auf Erfahrungen, die wir in frühester Kindheit gemacht Reaktion auch aus einer Schwäche heraus, denn niemand hät- haben. Ohne diese Erfahrung wäre es uns nicht möglich, einen te mir geholfen. So wusste ich, dass nur ich mir selbst helfen Beruf auszuüben, in die Schule zu gehen oder zu studieren. kann beziehungsweise muss, denn sonst wäre ich übergeblieben. In meine Praxis kommen immer wieder Menschen, die in einem überbehüteten Umfeld aufgewachsen sind. Sie sind Das innere Kind hat Zugang zu Gefühlen wie Traurigkeit, Liebe, Schmerz, Verletzungen und Ängsten. Auch diese Gefühle haben wir in der Kindheit gelernt und gleichzeitig auch verlernt, wenn es zum Beispiel hieß: unfähig, in ein normales Arbeitsleben einzusteigen, denn sie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Eine Prinzes- haben sich nie etwas erarbeiten müssen. Sie haben nicht ge- sin hat sich zu benehmen und darf nicht weinen.“ Wir rufen lernt zu streiten oder Niederlagen einzustecken und konnten nur Erfahrungen ab, die aus unserer heutigen Sicht dienlich nicht die Erfahrung machen, sich selbst zu wehren. scheinen. Das, was uns gefühlsmäßig steuert und uns befreien Meinen Selbstwert habe ich auf eine sehr raue Art und Wei- würde, das verdrängen wir. Schmerz und Ängste haben wenig se entwickeln müssen. Doch auch in weniger extremen Fäl- Platz in unserer schnelllebigen Zeit. Im Erwachsenendasein len spüren Kinder immer, wenn sie nicht geliebt werden oder wollen wir funktionieren, unseren Platz in der Gesellschaft ha- nicht erwünscht waren oder sind. Es bedarf dazu keiner Worte. ben, erfolgreich sein und unterschiedlichen Ansprüchen oder Menschen, die das erfahren mussten, benötigen viel Zeit und Rollen entsprechen. Für Schwächen und kindliche Bedürfnisse müssen an sich arbeiten, damit sie dieses Minus an Selbstwert ist kein Platz, auch wenn unser inneres Kind unser ständiger wieder in ein Plus umwandeln können. Begleiter ist. Als ein Klient zu mir kam, gab es nur ein Thema: seine Arbeit. Er erzählte mir, dass er nach drei Jahren Arbeitslosigkeit Zugang zu Gelerntem und zu verdrängten Gefühlen einen Job als Lagerleiter in einer großen Firma fand und dass Alles, was wir als erwachsener Mensch können und tun, haben rungen nicht zu entsprechen und den Job zu verlieren, leb- wir als Kind gelernt. Wir rufen uns täglich das Gelernte aus der te er dann nur mehr für seine Arbeit. Über jedes Lob seines Kindheit ab, sei es beim Essen, Schlafen, Sprechen, Gehen Vorgesetzten freute er sich sehr und lehnte jede Einladung oder Arbeiten. All diese scheinbar einfachen Tätigkeiten be- von Kollegen auf ein Bier nach Feierabend ab, um zum Bei- 36 er viel Verantwortung trägt. Aus Angst, den hohen Anforde- 37 spiel noch seinen Schreibtisch aufzuräumen. Irgendwann wur- den Postkasten finden könnte, aber so wäre er nun einmal. de er nicht mehr eingeladen, seine Kollegen zogen sich von Das Gefühl von damals, die Beklemmung in der Brust, über- ihm zurück und begannen, hinter seinem Rücken zu tuscheln. kam ihn als erwachsenen Mann wieder, als er sich allein und Er verstand das nicht, denn er war der Meinung, dass seine ohnmächtig fühlte. Kollegen doch froh sein sollten, so einen gewissenhaften Kollegen wie ihn zu haben. Eines Tages, als er allein an seinem Arbeitsplatz saß, wurde ihm plötzlich schlecht und schwarz vor den Augen. Er spürte eine Beklemmung in der Brust und hatte Beziehungsprobleme von Eltern und Scheidungskinder Todesangst – zum ersten Mal seit Jahren fiel ihm auf, dass er Bei meinen Klienten mache ich immer wieder die Erfahrung, einsam war. dass sie Beziehungsprobleme und Trennungen ihrer Eltern als Er erzählte mir von seiner Kindheit und von seinen Eltern Kinder nicht gut verarbeitet haben. Kinder sind sehr sensibel und dass er ihnen nicht von seiner langen Arbeitslosigkeit er- und viele Eltern glauben, das Kind sei noch so klein und mer- zählt hatte – viel schlimmer, er gab tatsächlich vor, täglich zur ke von den Spannungen nichts oder bekäme die Trennung Arbeit zu gehen, stattdessen ging er spazieren oder ins Kino. gar nicht mit. Dass dem überhaupt nicht so ist, zeigt, dass vie- Seine Mutter hatte immer wieder gesagt, dass Menschen le Kinder im Glauben leben, Schuld an Trennungen und Strei- ohne Arbeit Versager seien. Schon während seiner Schulzeit tereien zu haben. Kinder sind stark mit ihren Eltern verbunden war es seiner Mutter wichtig, dass er gute Noten mit nach und spüren, wenn es diesen nicht gut geht – und dann geht es Hause brachte. Eine prägende Kindheitserinnerung war, als er den Kindern auch nicht gut. mit ungefähr zehn Jahren einen Brief zum Postkasten bringen Kinder sind gute Beobachter und man kann viel von ihnen sollte. Doch dort, wo sich der Briefkasten gewohnterweise lernen, weil sie achtgeben und ein gutes Gespür haben. Wenn befunden hatte, stand dieser nicht mehr, und so kam er mit sie in einer schwierigen Situation sind, zum Beispiel nach ei- dem Brief in der Hand wieder nach Hause zurück, wo seine nem Schul- oder Ortswechsel, wenn sie verunsichert sind und Eltern gerade Besuch hatten. Die Mutter fragte ihn, wieso die Bezugsperson selbst aber auch schwach ist und gerade er den Brief nicht aufgegeben hätte. Auf seine Antwort, der Hilfe braucht, dann stehen sie plötzlich allein da. Normaler- Briefkasten sei weg, begannen seine Mutter und die anderen weise sind Kinder natürlich und frei, aber in so einem Fall sind zu lachen. Die Mutter meinte, dass ihr Tollpatsch nicht einmal sie übersensibel und denken sich: „Wie muss ich mich verhal- 38 39