Der verbotene Tanz im dritten Reich "Swing"

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Der verbotene Tanz im dritten Reich "Swing"
Der verbotene Tanz im dritten Reich
"Swing"
von Tatjana Aton
Am 12.Oktober 1935 beschloss der Reichssendeleiter Eugen Hadamowsky im großen
Sendesaal des Münchner Funkhauses im Zuge einer Intendantentagung grundsätzliche
Verordnungen, über die künftige Gestaltung des Winterprogramms.
"Der Sprecher erinnerte an die zersetzende Tätigkeit des kulturbolschewistischen
Judentums im deutschen Rundfunkwesen." (Magdeburgische Zeitung)
Er meinte: "Nach 2 Jahren knochenharter Aufräumungsarbeit des Schuttes und der
Verseuchung von Kulturbolschewisten wollen wir in unserem Volk das verschüttete
Bewusstsein für die deutschen Kulturwerte wieder wecken. Es muss Schluss gemacht
werden mit jenen zersetzenden Elementen, die noch in der Tanz- u.
Unterhaltungsmusik vorhanden sind. Mit dem heutigen Tage spreche ich ein
endgültiges Verbot des Nigger-Jazz für den gesamten deutschen Rundfunk aus!"
Danach gab es in der wöchentlich erscheinenden Programmzeitschrift des
Reichsenders Königsberg von Prof. Dr. Paul Graener einen Nachruf mit dem Titel "Das
Ende des Jazz".
Jetzt stellte sich die Frage wie wird Jazz exakt musikalisch definiert? Keiner konnte
eine klare Auskunft geben. War das Saxophon selbst schon ein schuldiges Instrument
- oder die Synkope der Auslöser, der Entartung in der Musik des verteufelten Jazz?
Viele Orchester legten nun rasch das Attribut "Jazz-Orchester" ab und wurden wieder
zur Tanzkapelle.
Am Freitag, den 13.März 1936 veröffentlichte die "B.Z. am Mittag" zwei Bilder.
Eines mit dem Titel: "So war es früher... das nannte sich Rhythmus der Zeit.." (es
zeigte Sam Wooding, der in den zwanziger Jahren im Berliner "Gourmenia" gespielt
hatte).
Das andere Bild hieß: "So ist es heute: Echte deutsche Lebensfreude überall!" (es
zeigte eine Trachtenkapelle beim Tanz)
Besonders auffällig und in Erinnerung geblieben ist durch seine ketzerischen Predigten
gegen den Jazz Herbert Gerigk, jener Musikforscher, der sich auch als
Mitherhausgeber des berüchtigten Lexikon der Juden in der Musik hervorgetan hatte.
In seinen Hetzreden verteufelte er die Gliederverrenkungen der Spieler. Für ihn war
der neue Rhythmus ablehnenswert; die Synkope eine Sinnlosigkeit, welche wie
jüdischer Jahrmarktskram das Ursprüngliche der Musik verstümmelt.
Der Neger verbindet sich seiner Meinung nach mit einem Juden, assimiliert und bleibt
dennoch nur ein billiger Dressurakt. Abgelehnt wurde alles was mit Kapellen negroider
Haltung zu tun hatte: das Saxophon, die gestopften Blasinstrumente, ebenso der
Refraingesang, der nicht germanisch klang.
Mit dem Ende der 30er Jahre wurde der Druck verstärkt spürbar, den die offiziellen
Institutionen des Dritten Reiches gegenüber Musikern, Veranstaltern und
Jazzaktivitäten ausübten.
In Berlin vernahm man noch die heißen Klänge, jedoch in der Provinz wurde bereits
hart durchgegriffen.
Der Gauleiter von Pommern verhängte am 1.Januar 1939 ein sogenanntes "Swingund Niggermusik" - Verbot, das folgendes besagte:
"Der Landeskulturverwalter und Landesleiter für Musik und der
Landesfremdenverkehrsverband auf der einen Seite hat mit der Wirtschaftskammer
der Wirtschaftsgruppe Gaststätten und Beherbergungsgewerbe ein Abkommen
geschlossen, wonach ab 1.Januar 1939 in unserem Gau dem kulturlosen Treiben das
Handwerk gelegt wird. Das Abkommen sieht u .a. vor, dass die Gaststättenbesitzer
Paaren, die sich verpflichtet glauben, Swing-Tänze aufzuführen, die Tanzfläche
verbieten, dass die Kapellen, die "Hot" - Spielereien, das übermäßige Ziehen und
Jaulen auf den Instrumenten sowie das Aufstehen der Musiker während des Spielens
von Schlagern sein zu lassen.
Die Kostümierung der Musiker, das Ankleben von Bärten, Aufsetzen von Perücken und
ähnlich billige Mätzchen werden aufhören. Ausländische Schlagermusik soll nach
Möglichkeit verschwinden - und alle Schlager, die gespielt werden, sollen so zu Gehör
gebracht werden, wie es unserem Empfinden entspricht. Jaulende Musik, abgehackte
Rhythmen und alles was verniggert ist, hat zu unterbleiben!"
Nun ging man schärfer gegen "verbotene, artfremde Musik" vor. Schellack-Platten
wurden sofort beim Zoll kassiert und SS-Männer zertrampelten sie. Es konnte jedoch
genauso möglich sein, dass so mancher Uniformierter sie mit nach Hause nahm, weil
er ein heimlicher Sammler war. Aufnahmen von Artie Shaw zählten zu den
begehrtesten Sammlertrophäen und wurden unter den gefährlichsten Bedingungen
immer wieder im Untergrund angeboten.
Der Musikwissenschaftler Gotthold Frotscher, 1936-1945 Professor an der Berliner
Universität und erstaunlicherweise ab 1950 dann wieder an der pädagogischen
Hochschule Berlin aktiv, verkündete 1943 in der Abhandlung Musik in Jugend und
Volk:
"Vieles von dem, was an volksfremden Bestandteilen gegenwärtig noch unserer Musik
und Musikauffassung anhaftet, kann mit dem Schlagwort des Amerikanismus
gekennzeichnet werden. Als Ausdruck dieser verlogenen, amerikanisierten Unkultur ist
der Jazz nach Europa gedrungen. Wir finden in ihm am deutlichsten jene
Zwiespältigkeit, die nur aus dem Wesen des Amerikanismus erklärt werden kann:
Einer verzerrten, stetig nach Willkür wechselnden Rhythmik steht ein maschinell
gleichförmiges Stampfen des Schlagwerks entgegen, einem raffinierten Aufputz der
Klangfarben und Harmonien eine geradezu armselige Primitivität der Melodik. Die
Musikgesinnung ,die sich in diesen Jazzprodukten kundtut, ist noch längst nicht aus
dem Denken und Fühlen aller bewussten Europäer geschwunden. So droht jene
unwahre Zwitterhaftigkeit des Amerikanismus den Sinn für alles organisch Gesunde
und naturhafte Schlichte zu verderben."
Erfreulicherweise gab es auch noch eine Reihe mutiger, kreativer Menschen, die diese
Wirklichkeit des Regimes nicht akzeptierten. Die Schallplattenfirmen brachten sogar
"Swing-Serien" heraus. An die Stelle von ausdrücken wie "hot" und "Jazz" setzte man
das Wort" Swing".
Es erschienen Aufnahmen von Fletcher Henderson, Benny Goodman, Benny Carter,
Hans Koller u.a.
In den Tanzlokalen tanzte man "Swing", so wie zehn Jahre zuvor Charleston und Black
Bottom. In Berlin, in der Friedrich-, Ecke Leipziger Straße wurden notengetreu
amerikanische Platten kopiert, die Musiker spielten und improvisierten teilweise die
bekannten Nummern wie:
"Sweet Sue", " Some of These Days" und sowie den
"Tiger Rag" u.a.. Im "Delphi Palast", wo Teddy Stauffer und seine "Teddies" spielten,
war es nicht anders. Es gab auch noch die kleinen Lokale und Bars mit den Combos,
z.B. "Sherbini" in der Uhlandstraße, das "Ciro", wie das "Quartier Latin" im Zoo-Viertel
...
In den Jahren von 1936-1944 bildeten sich in Deutschland etwa ein Dutzend Hot Clubs bzw. Jazz - Clubs, in denen sich die Elite der damaligen Jazzliebhaber
zusammenfand, so auch einige Persönlichkeiten, die nach dem Kriege prominent für
den Jazz tätig waren.
Swing ließ sich eben doch nicht wirklich verbieten!
Text: Tatjana Aton