Umbau veralteter erdungsanlagen
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Umbau veralteter erdungsanlagen
Praxisprobleme Umbau veralteter Erdungsanlagen DIN VDE 0190 (VDE 0190), DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540), DIN EN 60728-11 (VDE 0855-1) und DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) Problem In einer Straße werden die Wasserleitungen gegen Kunststoffleitungen ausgetauscht. Diesbezüglich erhielten die Hausbesitzer vom Wasserversorger Karten, auf denen ein Elektriker bestätigen soll, dass auch nach Austausch der Wasserleitungen mit der Erdung alles in Ordnung ist. Nun soll auch ich mir bei einem Kunden diese Sache einmal ansehen. Besagter Kunde hat nach eigener Aussage vor längerer Zeit zwei Kupferrohre als »Erdspieß« einbringen lassen. Bei dem Gebäude handelt es sich um einen Altbau ohne Fundamenterder. Das Netz vom Stromversorger ist TN-C, im Haus TN-C oder TN-C-S (ich habe es leider noch nicht besichtigen können). 1) Ist hier beim Wegfall der (leitfähigen) Wasserleitung ein Erdspieß überhaupt gefordert? Oder wäre das nur bei einem TT-Netz notwendig? 22 2) Darf ich die zwei Kupferrohre als Erdung anerkennen, wenn messtechnisch deren Funktion »zum aktuellen Zeitpunkt« nachgewiesen wurde? Bezüglich der Langlebigkeit von (vermutlich oxidiertem) Kupfer und die Verbindungen der daran angeschlossenen Leiter habe ich diesbezüglich doch arge Bedenken. Sehe ich das richtig? M. R., Nordrhein-Westfalen expertenAntwort Betrachtung der Historie Eigentlich sollte dieses Thema schon seit Jahren gelöst sein, da nach DIN VDE 0190 (VDE 0190) Wasserleitungsrohre nicht mehr als Erder verwendet werden dürfen. Das gilt auch für bestehende Anlagen. Im §3 von DIN VDE 0190 (VDE 0190):1973-05 war festgelegt, dass in neu zu errichtenden Verbraucheranlagen Wasserleitungsrohre nicht mehr als Erder verwendet werden dürfen. Ausnahmen gab es für solche Rohrnetze / Rohrleitungen, bei denen es eine Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und Wasserversorger gab, wonach die Eignung der Wasserrohre als Erder auf Dauer erhalten bleibt. Außerdem war festgelegt, dass bestehende elektrische Anlagen, bei denen das Wasserrohrnetz als Erder verwendet wurde, mit einer Übergangszeit von 20 Jahren umgerüstet werden müssen. Allerdings enthielten die Folgenormen von DIN VDE 0190 (VDE 0190) und auch in DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540) hierzu immer wieder aufweichende Festlegungen. Fakt ist aber, dass seit Juni 2007 Wasserleitungsrohre für Neuanlagen nicht mehr als Erder verwendet werden dürfen. Außerdem gibt es seitdem auch im Abschnitt 542.2.3 von DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540):2007-06 die zwingende Forderung, dass in allen neuen Gebäuden mit einer elektrischen Anlage ein Fundamenterder nach DIN 18014 errichtet werden muss. de 15 – 16.2012 Praxisprobleme Diese Forderung gilt dabei unabhängig vom System nach Art der Erdverbindung, d. h. sie gilt sowohl in IT, TT- als auch in TN-Systemen. Zu Frage 1 Es ist richtig, dass es bis Juni 2007 für elektrische Anlagen, die als TN-System (TN-C-System, TN-C-S-System oder TN-SSystem) ausgeführt waren, ein Anlagenerder/eine Erdungsanlage nicht gefordert war. Somit wäre aus Gründen des Schutzes gegen elektrischen Schlag in dem von Ihnen zitierten TN-System die Nachrüstung eines Erders nicht notwendig. Hier gilt jedoch zu beachten, dass ein Anlagenerder / eine Erdungsanlage auch aus anderen Gründen notwendig sein kann. Dies wäre z. B. der Fall, wenn eine Blitzschutzanlage errichtet wurde / errichtet werden soll oder wenn eine Antennenanlage (SAT-Anlage oder auch ggf. beim Kabelfernsehen) vorhanden ist bzw. vorgesehen werden soll. Es ist aber sicherlich richtig – so wie auch von Ihnen zitiert wurde – dass bei TTund IT-Systemen (IT-Systeme in der normalen Gebäudeinstallation kaum relevant) ein Anlagenerder nachgerüstet werden muss, wenn die leitfähige Wasserleitung wegfällt. www.elektro.net Zu Frage 2 Grundsätzlich kann es nicht verboten sein, andere Erderarten als den Fundamenterder für den Schutz gegen elektrischen Schlag auszuführen. Sonst wäre der gesamte Abschnitt 542.2, einschließlich der Tabelle 54.1 von DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540):2007-06 überflüssig. Ich sehe daher einen Widerspruch zur Forderung nach einem Fundamenterder in der neuen Norm. Ganz sicher wird es aber für die Nachrüstung eines Erders möglich sein, alle Varianten, die in der Tabelle 54.1 bzw. im Abschnitt 542.2.3 angeführt sind, anzuwenden. Bei Verwendung der in Ihrer Anlage vorhandenen Kupferrohren als Erder müssten aber auch die Anforderungen der Tabelle 54.1 aus DIN VDE 0100-540 (VDE 0100540):2007-06 erfüllt sein. Ob diese z. B. bezüglich Mindestquerschnitt, mit den beiden bei Ihnen vorkommenden Kupferrohren erfüllt sind, müssen Sie selbst klären. Außerdem müssen auch die Verbindungen entsprechend ausgeführt sein, dass es nicht zu Korrosionsproblemen kommen kann, was aber aus meiner Sicht beherrschbar ist. Zum messtechnischen Nachweis sei noch angemerkt, dass es nach den neueren Normen für den Anlagenerder im TN-Sys- tem keine Vorgaben über den einzuhaltenden Erdungswiderstand gibt. Auch die in DIN VDE 0100-600 (VDE 0100-600) geforderte Messung des Erdungswiderstandes ist nur für den Netzbetreiber relevant, der ggf. die Erfüllung der Spannungswaage nachweisen muss. Zumindest aber sollte die »Funktionalität« geprüft werden, auch wenn der Erder für den Schutz gegen elektrischen Schlag nicht gefordert wäre. Zu beachten wäre noch, dass für Erdungsanlagen, die für Blitzschutzanlagen / Blitzschutzsysteme vorgesehen sind, nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) ggf. »härtere« Anforderungen – z. B. ein empfohlener maximaler Erdungswiderstand von 10 Ω – zu erfüllen sind. Für Antennenanlagen müssen die Anforderungen von DIN EN 60728-11 (VDE 0855-1) erfüllt werden. Fazit Ungeachtet dessen, ob nun ein Erder nachgerüstet wird oder nicht, muss auf alle Fälle – das ist sehr wichtig – in jedem Gebäude ein »Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene«, früher als Hauptpotentialausgleich bezeichnet, durchgeführt werden, sofern er nicht schon vorhanden ist, da ein solcher schon immer geforWerner Hörmann dert war. 23