„Prosit“ oder „Gesundheit“ ? Kräuterliköre – damals und heute
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„Prosit“ oder „Gesundheit“ ? Kräuterliköre – damals und heute
Wahlpflichtarbeit von Katrin Fischer und Isabella Otto Fachbereich Pharmaziegeschichte „Prosit“ oder „Gesundheit“ ? Kräuterliköre – damals und heute Abbildung 1 Einführung Im Rahmen unserer Wahlpflichtarbeit im Fachbereich Pharmaziegeschichte beschäftigten wir uns mit dem Thema Arznei und Konfekt. Besonders interessiert haben wir uns für das Thema Kräuterliköre, wobei wir alte, traditionelle Rezepturen mit modernen Likören verglichen. Liköre werden mit Hilfe großer Mengen Zucker hergestellt, daher können sie unter das Oberthema Konfekt eingeordnet werden. Sie sind jedoch auch besonders nützlich nach reichlichem, fettem Essen, sie beruhigen den gereizten Magen, beheben das Völlegefühl und regen die Verdauung an. Deshalb kann man sie auch im weiteren Sinne als „Arzneimittel“ ansehen. In einem Lexikon aus dem Jahre 1744 wurde der Magen folgendermaßen beschrieben: „Magen, ist ein Stück des Eingeweides, und ein Theil eines belebten Körpers. Er ist wie ein Säckgen gestaltet und dienet dazu, daß er aus den Speisen und Getränke, so er durch den Schlund und linken Magenmund zu sich genommen, einen Nahrungssafft bereite, daß aber, was davon als Unnütze übrig bleibt, und aus dem Magen kommen muß, zur hinteren Pforte hinausschaffet, und vermittelst seine Gefäße und Drüsen, den Verdauungssafft vom Geblüt absondert, wozu noch diese Eigenschafft kommet, daß er den Menschen und Vieh, durch eine Empfindlichkeit die Erinnerung tuht, daß er leer sei und neue Nahrung nöthig habe.“ 1 Die Essgewohnheiten der niederen Bevölkerung unterschieden sich in der frühen Neuzeit von denen der reichen Bürger. Bei den Bauern und gewöhnlichen Bürgern war das Hauptnahrungsmittel Dinkel-, Hafer- oder Hirsebrei, aber auch verschiedene Mus-Arten. „Man aß Gieselitze, einen sauren Mehlbrei, und dazu ein Gemisch aus Kraut und Rüben.“ 2 Außerdem standen Kräuter und Gemüse je nach Jahreszeit, Ernteertrag und Konservierungsmöglichkeit, wie z.B. Kohl, Zwiebeln, dicke Bohnen, Rüben meist eingekocht als Eintopf auf dem Speiseplan. Sehr selten standen Butter, Käse, Eier, Fisch und Fleisch zur Verfügung. Da diese Kost meist leicht verdaulich war durch geringen Fett- und Eiweißanteil blieben die Menschen von Beschwerden in Magen und Darm eher verschont. Gewürze, sowie Zucker waren für diese Bevölkerungsschicht unerschwinglich und die Verwendung von Kräuterlikören daher weitgehend unbekannt. 1 2 Georg Heinrich Zinke, Des Oeconomischen Lexici 2. Teil, 1744, S. 1731 Heidi Grun, Auf Spurensuche, Auflage 2005, MV-Verlag, S. 133 Anders war es bei den besser gestellten und wohlhabenden Menschen. Hier wurden fremdländische Gewürze und exotische Früchte, die teils sogar in den eigenen Gärten angebaut wurden verzehrt, einheimische Pflanzen waren für Adel und Oberschicht zu gewöhnlich. Speisen wurden sehr stark gewürzt, es wurde mit viel Käse, Eiern, gebratenes Fleisch, Pasteten und Weißbrot sehr reichlich und fett gegessen. Dabei wurden die aus fernen Ländern importierten Gewürze als Symbol für Reichtum und Wohlstand angesehen. Bei großen Festen wurden bis zu 30 Gängen serviert, was oft Magen- und Verdauungsbeschwerden zur Folge hatte. Hier wurden oft Kräuterliköre zur besseren Verdauung angewandt. Ábbildung 2 Solche Kräuterliköre wurden auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt: Herstellungsverfahren Eine klare Trennung der Verfahren zur Herstellung von Extrakten ist aus heutiger Sicht schwierig, besonders aufgrund der Tatsache, dass nicht klar ist, ob sich aus der Anwendung der Verfahren eigenständige Arzneiformen ergaben, oder ob es sich lediglich um Zwischenschritte im Herstellungsprozess handelte. Destillation Von Lateinisch destillare = Herabtröpfeln Allgemein wurde jeder Prozess, bei dem es zum Abtropfen von Flüssigkeiten kam, als Destillation eingeordnet. Verwendet wurden frische und getrocknete Pflanzen, Früchte, Samen, aber auch tierische und mineralische Stoffe. Es gab viele verschiedene Destillationsverfahren, aber alle verliefen nach demselben Grundprinzip: Die Droge wurde in einem Medium erhitzt, der dabei entstehende Dampf stieg auf, schlug sich als Kondensat an den kühleren Stellen des Gefäßes nieder und tropfte in ein an die Apparatur angeschlossenes Auffanggefäß. Dieses Produkt (wässrig/weinig oder Branntwein) wurde dann als Grundlage für die Likörherstellung weiterverwendet. Abbildung 3 Mazeration/Digestion Von Lateinisch macerare = Einweichen Die Mazeration wurde in der damaligen Zeit als Sonderfall der Digestion angesehen, die dann zum Einsatz kam, wenn die zu verwendenden Drogen sehr trocken waren. Diese wurden vor Weiterverwendung eingeweicht, um eine höhere Ausbeute an Inhaltsstoffen zu erlangen. Allerdings wurde der Begriff der Mazeration damals nicht häufig verwendet, sondern eher mit den Begriffen „Digestion“ und „Infus“ umschrieben. Bei der Digestion wird zusätzlich unter erhöhter Temperatur von 3750ºC gearbeitet. Hierbei zirkuliert die Flüssigkeit in einem geeigneten, geschlossenen Gefäß. Ein Infus oder Aufguss ist ein wässriger Extrakt, der durch Übergießen von festen Drogen mit heißem Wasser gewonnen wird. Dekoktion Von Lateinisch decoquere, decoctum = Abkochen Die Dekoktion spielte überwiegend für die Selbstmedikation eine große Rolle. Die Drogen wurden zunächst in unterschiedlichen Medien (Wasser, Wein, Essig, Molke) eingeweicht, bis zu 10 Stunden lang gekocht und anschließend ausgepresst. Wenn das Kochen in geschlossenen Gefäßen durchgeführt wurde, in denen der aufsteigende Dampf kondensieren und wieder abtropfen konnte, war die Abgrenzung zur Destillation kaum noch möglich. Im Gegensatz zur Destillation war der Geräteaufwand bei der Dekoktion jedoch geringer. 3 Alte Rezepte für Kräuterliköre Das Hausarzneibüchlein von Balthasar Sumer aus dem Jahre 1599 enthält einige Rezepte für Kräuterliköre: 1. „Nimm ein halbes Lot langen Pfeffer/ein halbes Lot Ingwer/ein Quentlein Zitwer/ein Quentlein Zimmetrinde/ein halbes Quentlein Cardimomen/ein Quentlein Pariskörner/ein halbes Quentlein Galgant/ein Quentlein Lorbern/ein Quentlein Wacholderbeeren/ein halbes Lot Zucker/das alles klein geschnitten/und eine Frume Rockenbrod als ein Ey groß darzu genommen/darauff Geuß ein Löffel starken Wein/und ein Löffel Krauseminzwasser/laß es stehen/davon trinke abends und morgends einen guten Trunk als drey Löffel voll. Und wenn das abgetrunken ist/so Geuß wider Wein und Krauseminzwasser auf die Würze/jedes halb/und trinks wieder ab/es hilft gar wol.“ 4 2. „Ein gar gut Pulver vor Wehtage und Schwachheit des Magens Nim Zimmetrinde und Ingwer jedes zwey Loth/Cubeben ein Loth/Coriander in Essig eine Nacht gebeißt/und Nelcken/jedes ein Quentlein/das alles groblich zu stossen/und mit zwey Loth Zucker vermischt/des Pulvers ise trunken alle Morgen und Abend als eine Bohne groß“ 5 3 Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer und gebrannter Wein als Arzneimittel zu Beginn der Neuzeit, S. 80 ff. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 4 Arzeybüchlein von Balthasar Sumer Sehr gut und nützlich, einem jedem Haußvater zu Gebrauche/darinnen etliche auserlesene und offt probierte Rezept und Stücke/fast für alle des Menschen Leibergebrechen und Beschwerunge/von der Scheitel des Hauptes an/bis auff die Fußssohlen, ordentlich in etliche gewisse Kapitel eingetheilet/gefunden werden. Zusammengetragen von einem Gelahrten und erfahrenen Liebhaber der Artzney/und jetzt erst zu Nutz und besten dem gemeinen Man in Druck verfertiget. Item: Zu Ende findet man etliche Stück/ein in der Haushaltung dienstlich Cum gratia & Privilegio Gedruckt zu Wittenberg/Bey Lorentz Sauberlich Im Jahr MDXCIX S. 118 5 vergleiche Arzneybüchlein, S. 120 3. „Nim Wermuthkörner/und des besten römische Kümmels/koche jedes ein Lot in ein Löffel Wein/das trink vielmals warm ein guten großen Trunk/es bleibet kein Böses bei Dir“ 6 4. „Ingwer und Kramkümmel in Wein gesotten und getrunken/erwermet den Magen/und reiniget den Darm“ 5 Eine neuere Zusammenstellung von historischen Rezepten, überwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, beinhaltet unter anderem folgende Kräuterliköre: 5. Boonekamp Magenbitter: 750g Weingeistspiritus/100g Apfelsinenstücke/30g geriebene Apfelsinenschale/60g Enzianwurzel/30g Faulbaumrinde/15g Curcumawurzel/25g Zimtrinde/7,5g Rhabarberwurzel/Alles in einer verschlossenen Flasche 8 Tage mazerieren, abfiltrieren/1650g Wasser mit 250g Zucker aufkochen, mit gefiltertem Alkohol mischen und 40g Sternanisöl zugeben 7 6. „Mentha“ Pfefferminzschnaps 1 l Weingeistspiritus/je 1 winziges Fläschchen Pfefferminzöl, Tannin und Anisöl/80g Zucker/600g Wasser/Pfefferminz und Tannin zu gleichen Teilen und 12 Tropfen Anisöl zu 25g mischen/davon 1g in Weingeist geben/80g Zucker in Wasser abkochen/Lösung nach dem Erkalten in den Alkohol gießen und ggf. tropfenweise Aromat nachgeben 8 Herstellungsverfahren in der heutigen Zeit Mazeration Auch heute noch wird die Mazeration zur Herstellung von Extrakten verwendet. Sie dient dazu, bestimmte Inhaltsstoffe einer Droge durch Einweichen in Wasser, Öl oder Alkohol zu gewinnen. Das DAB beschreibt den Prozess folgendermaßen: „Die Droge wird in der vorgeschriebenen Zerkleinerung mit der angegebenen Menge Wasser von Raumtemperatur übergossen und unter gelegentlichem Umrühren 30 Min. lang bei Raumtemperatur stehen gelassen. Nach dieser Zeit wird der Auszug koliert und durch Nachspülen auf das vorgeschriebene Gewicht aufgefüllt.“ 9 Wird dieser Prozess durch Wärmezufuhr unterstützt, spricht man von Digestion. Die Mazeration ist die einfachste und preisgünstigste Form des Drogenauszugs. 10 Dekoktion Ein Dekokt ist ein wässriger Extrakt, der durch Kochen von festen Drogen (Wurzeln, Hölzern, Rinden) gewonnen wird. Laut DAB wird die Dekoktion folgendermaßen durchgeführt: „Die Droge wird in der vorgeschriebenen 6 vergleiche Arzneybüchlein, S. 122 5 Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ und anderer Fürsten, Weltbild-Bücherdienst GmbH, 1985, S.122 8 Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ und anderer Fürsten, Weltbild-Bücherdienst GmbH, 1985, S.125 f. 9 DAB 7 (1968), S. 503 10 www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=mazerate 7 Zerkleinerung in Wasser von über 90ºC geschüttet. Der Ansatz wird in ein Wasserbad eingehängt und unter wiederholtem Umrühren 30 Min. lang auf dieser Temperatur gehalten. Danach wird heiß koliert. Ist nach schwachem Auspressen des Drogenrückstands das vorgeschriebene Gewicht der Abkochung nicht erreicht, so wird der Drogenrückstand mit der erforderlichen Menge siedendem Wasser übergossen und schwach ausgepresst. Mit diesem Auszug wird das vorgeschriebene Gewicht aufgefüllt.“ 11 Diese Methode ist heutzutage in der Apotheke weitgehend unbedeutend und wird kaum noch angewandt. Sie findet allerdings noch Anwendung in der Zubereitung von Arznei- oder Kräutertees. 12 Destillation Die Destillation ist ein thermisches Trennverfahren, um ein flüssiges Gemisch verschiedener ineinander löslicher Stoffe zu trennen. Zunächst wird das Gemisch zum Sieden erhitzt. Der dabei entstehende Dampf wird in einem Kühler kondensiert und das flüssige Kondensat aufgefangen. Die Trennung beruht auf den unterschiedlich hohen Siedepunkten bzw Dampfdruckkurven der Flüssigkeiten. Die Destillation von Alkohol zum Genuss bezeichnet man als Brennen. Das noch unverdünnte Destillat hat einen Gehalt von 60% vol oder mehr und ist somit pur ungenießbar. Die Verdünnung erfolgt mit Trinkwasser auf einen Gehalt von ca 40% vol. 13 Abbildung 4: Destillationsapparatur Neue Rezepte für Kräuterliköre Wohltuender Kräuterlikör 1 Zweig Rosmarin/2 Blätter Basilikum/3 Blätter Minze/5 Blätter Salbei/0,5 TL Oregano/4 Blüten Kamille/300 ml Weingeist 90%/0,5 Zitronenschale/300g Zucker/300 ml Wasser/12 Tage Kräuter und Alkohol ziehen lassen, filtrieren und einige Wochen an einem dunklen Ort stehen lassen 14 Einige Bestandteile im Kräuterlikör „Kümmerling“ Angelikawurzel/Gewürznelke/Guajakharz/Kalmus/Minze/Süßholz/Wermuth/Zimtrind e15 Ausgewählte Inhaltsstoffe in Kräuterlikören 11 12 DAB 7 (1968), S. 503 www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=decocte www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=destillate 14 www.chefkoch.de/rezepte/653801166889609/Sivi-s-wohltuender-Kraeuterlikoer.html 15 Aufschrift auf Kümmerling-Flasche 13 Abbildung 5: Zimtrinde - Zimt gehört zu den am längsten bekannten und verwendeten Gewürzen. Ihm wurde eine „windzerteilende“ Wirkung zugeschrieben. Außerdem galt er als verdauungsfördernd und wurde als Stomachikum verwendet. Seine Beliebtheit spiegelt sich in der häufigen Verwendung in den alten Rezepten wieder. 16 Heute kennt man die Inhaltsstoffe der Zimtrinde (ätherisches Öl, vor allem Zimtaldehyd, Eugenol, andere Phenylpropane, Monosesquiterpene und Cumarin) und nutzt sie weiterhin gerne als Stomachikum, Carmiativum, bei Völlegefühl, Blähungen, gastrointestinalen Spasmen und zur Appetitanregung. Außerdem wird es gern als Geschmackskorrigens in der Likörzubereitung eingesetzt. 17 Auch von unseren Kommilitonen wurde Zimt bei der Herstellung der Schokolade und den Nervenkeksen von Hildegard von Bingen in großen Maßen verwendet. - Enzian war in der Antike schon bekannt und wurde gegen Magen- und Leberleiden, Krämpfe und innere Zerreißungen eingesetzt. Auch in den Kräuterbüchern des Mittelalters wurde seine heilende Wirkung gelobt. Vor allem wurde es als Stomachikum und Stimulans verwendet. 18 Auf heutigem Wissenstand enthält die Enzianwurzel Gentiopikrosit, Amarogentin und andere Bittermittel (Amarum purum), welche für die appetitanregende Wirkung und als Tonikum verantwortlich sind. Außerdem wirkt Enzian cholagog. 19 Abbildung 6: Enzian - 16 Ingwer wird neben der Verwendung als Gewürz als Stomachikum, Tonikum und Digestivum bei allen Arten gastrointestinaler Beschwerden eingesetzt.20 Schon früher wusste man die Wirkung von Ingwer als Husten Mittel, gegen Reisekrankheit, aber vor allem bei Verdauungsbeschwerden jeglicher Art zu schätzen.21 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1000 f. Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 154 18 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1438 ff. 19 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 255 20 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 632 21 www.wikipedia.org/wiki/Ingwer 17 Abbildung 7: Ingwer - Wermut wurde in der früheren Zeit gern und viel in Kräuterlikören verwendet. Er diente vorwiegend als Mittel zur Stärkung des Magens, wirkte wurmvertreibend, stuhlerweichend und auch gegen Seekrankheit. Weitere wichtige Anwendungsgebiete waren die Appetitanregung und er war auch hilfreich bei Blähungen und Verdauungsschwäche.22 Heutzutage wirken die in der Droge enthaltenen Bitterstoffe wie Absinthin und die ätherischen Öle gegen Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden, ferner auch als Carinativum, Choleretikum und bei Krämpfen in Darm und Gallenwegen23 Abbildung 8: Wermutkraut - Minze wirkt seit jeher bei Magen- und Verdauungsproblemen, Würmern und Flatulenzen.24 Diese Wirkung kann heutzutage durch die Inhaltsstoffe belegt werden. Pfefferminz enthält vor allem ätherisches Öl, als wirksame Komponenten können Menthol, Menthon und Menthofuran betrachtet werden. Auch heute wird sie noch eingesetzt vor allem in Form von Tees und Ölen als Carminativum, Spasmolytikum und Cholagogum. 25 Handelte es sich bei der im Mittelalter und frühen Neuzeit verwendeten Pflanze noch um Krauseminze, wurde ab dem 18. Jahrhundert die Neuzüchtung Pfefferminze verstärkt eingesetzt. Abbildung 9: Krauseminze 22 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 1, Georg Olms Verlag 1976, S. 374 ff. Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 36 24 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1875 ff. 25 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 392 23 Interpretation der alten Rezepte im Vergleich zu den neueren Betrachtet man die altertümlichen Rezepte für Kräuterliköre, so fällt auf, dass die ältesten Rezepte, die aus dem 16. Jahrhundert stammen, auf Weinbasis beruhen, während die neueren Rezepte aus der Hof-Apotheke (19. Jahrhundert) schon Weingeistspiritus als Grundlage enthalten. Bei den Rezepten aus der Hof-Apotheke sind die Herkunft und das genaue Alter der Rezepte nicht genau belegt und bekannt. Auffallend ist, dass sich in den Rezepten einige Zutaten oftmals wieder finden, bei diesen gehen wir davon aus, dass sie eine gewisse Wirkung auf den Magen gezeigt haben müssen. Zu nennen sind hier Zimtrinde, Ingwer, Wermut, Kümmel, Anis und Pfefferminze. Vereinzelt finden sich auch Enzian, Nelken und Coriander. Vergleicht man unser erstes Rezeptbeispiel mit Rezept 3 oder 4, so wird deutlich, dass in Rezept 1 viele verschiedene Zutaten verwendet werden, von denen wir ausgehen, dass sie eher teuer in der Anschaffung waren. Dieses Rezept wurde wahrscheinlich eher von den besser gestellten Bürgern und Adeligen verwendet, die Mahlzeiten gut und in reichlichem Maße zu sich genommen haben. Rezept 3 und 4 enthalten jeweils nur zwei verschiedene Kräuter, die in Wein gekocht werden sollen. Besonders bei Rezept 3 gehen wir davon aus, dass Wermut und Kümmel nicht allzu teuer waren und dieses Rezept auch für die ärmeren Bürger erschwinglich war. Alternativ zu den Kräuterlikören oder –weinen gab es damals auch verbreitet Rezepte für Magenpulver (siehe Rezept 2), die vor dem Verzehr aufgelöst wurden. Gerne wurden auch Latwergen (auch: „Leckschmiere“), eine Art dickflüssiger Mus aus Früchten und anderen Pflanzenteilen, eingesetzt. Mit den uns heute bekannten Kräuterlikören haben die altertümlichen Liköre wenig gemein. Der Zuckeranteil damals war wesentlich geringer und somit die Konsistenz flüssiger und die Süße weniger stark ausgeprägt. Aus Erzählungen von Frau Dr. Gabriele Wacker erfuhren wir, dass der Zucker damals nicht so reichlich vorhanden und teuer war. Der Geschmackssinn der Menschen unterschied sich von dem heutigen, Zucker galt überwiegend als Energiequelle und die Menschen waren auch nicht an allzu viel Zucker gewöhnt. Diese These können wir auch vertreten, nachdem wir die Nervenkekse von Hildegard von Bingen, die Gemüsesäfte und die altertümliche Schokoladenherstellung unserer Kommilitonen probiert haben. Alle diese Rezepte waren nicht besonders süß und somit für unseren Geschmack ungewohnt. Bei den Keksen konnte man den Unterschied zwischen der alten zuckerfreien Version und dem neuen zuckerhaltigen Rezept deutlich schmecken. Auch bei dem von uns hergestellten „Mentha“ Pfefferminzschnaps konnten wir dieses Phänomen beobachten. Er war nicht besonders süß und zu flüssig für einen Likör nach unseren heutigen Vorstellungen. Heutzutage werden die Liköre mit viel mehr Zucker hergestellt. Sie werden vielmehr als Genuss- als als Arzneimittel verwendet. Bei der Suche nach neueren arzneilich wirksamen Kräuterlikörrezepten traten Probleme auf. Die Hersteller der gängigen Kräuterliköre, wie z. B. Jägermeister, Ramazzotti, Underberg und Averna geben die Zutaten nicht preis und halten ihr Rezept geheim. Auf unsere Anfrage bei Jägermeister in Wolfenbüttel bekamen wir keine Antwort. Lediglich beim Kräuterlikör Kümmerling konnten wir einige Zutaten herausfinden. Hier ist ein Vergleich bezüglich der Kräuter mit den alten Rezepten möglich. Es werden Gewürznelke, Minze, Wermut und Zimtrinde verwendet, diese Zutaten waren damals schon beliebt und gebräuchlich. Sonst stießen wir bei unserer Suche zwar auf zahlreiche Rezepte, hier vermuten wir jedoch, dass die Liköre vordergründig als Genussmittel verwendet werden sollen. Herstellung und Probe von „Mentha“ Pfefferminzschnaps Als praktischen Teil unserer Arbeit fertigten wir den Pfefferminzschnaps nach oben genanntem Rezept aus der Hof-Apotheke an. Hierbei lösten wir Zucker unter Erwärmen in Wasser, gaben Pfefferminzöl, Anisöl und Tannin in Weingeistspiritus (Ethanol 90%) und vereinigten die flüssigen Phasen zu einem Schnaps. Dieser musste nur noch auskühlen und war dann für den Verzehr geeignet. Diesen Schnaps verteilten wir dann unter Kommilitonen und Professoren und nahmen ihre Bewertungen auf. Dabei fanden von 25 Probanden 52% den Schnaps gut, 44% mittelmäßig und nur einer Person hat er nicht geschmeckt. Viele erinnerte der intensive Pfefferminzgeschmack an ein Mundwasser, einige fanden unser Produkt zu flüssig, zu wenig süß und den Alkohol haben einige nicht deutlich genug herausgeschmeckt. Aber allgemein bekamen wir doch eine positive Resonanz. Die meisten fanden den Schnaps erfrischend und lecker. Wenn wir dieses Rezept nach heutiger Zeit im großen Maßstab produzieren würden, würden wir den Zuckergehalt erhöhen, um eine sirupartigere Konsistenz zu erzielen und anstatt nur Öl noch echte Pfefferminzblätter mit verwenden. Dies käme auch der Optik zugute. Als Abschluss kann man über unsere theoretische und praktische Arbeit sagen, dass es uns viel Spaß gemacht hat, über dieses Thema Informationen zu sammeln, in alten Büchern zu stöbern und natürlich den Likör herzustellen und ihn zu testen. Bei unserer „Ausschankrunde“ durch die Uni hörten wir des öfteren folgenden Satz: „Wenn ihr morgen wieder nen Likör herstellt, könnt ihr gerne noch mal bei mir vorbeischaun !!!“ Literaturverzeichnis 1. Georg Heinrich Zinke, Des Oeconomischen Lexici 2. Teil, 1744 2. Heidi Grun, Auf Spurensuche, Auflage 2005, MV-Verlag 3. Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer und gebrannter Wein als Arzneimittel zu Beginn der Neuzeit, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 4. Arzeybüchlein von Balthasar Sumer Sehr gut und nützlich, einem jedem Haußvater zu Gebrauche/darinnen etliche auserlesene und offt probierte Rezept und Stücke/fast für alle des Menschen Leibergebrechen und Beschwerunge/von der Scheitel des Hauptes an/bis auff die Fußssohlen, ordentlich in etliche gewisse Kapitel eingetheilet/gefunden werden. Zusammengetragen von einem Gelahrten und erfahrenen Liebhaber der Artzney/und jetzt erst zu Nutz und besten dem gemeinen Man in Druck verfertiget. Item: Zu Ende findet man etliche Stück/ein in der Haushaltung dienstlich Cum gratia & Privilegio Gedruckt zu Wittenberg/Bey Lorentz Sauberlich Im Jahr MDXCIX 5. Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ und anderer Fürsten, Weltbild-Bücherdienst GmbH, 1985 6. DAB 7 (1968) 7. Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag, 1976 8. Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: www.illesbalears.es/downloadServlet?id=00006134&table=1 Abb. 2: www.upload.wikipedia.org/wikipedia/commons/f/fa/State_Banquet_Surfing_ the_Peacock_Fac_simile_of_a_Woodcut_in_an_edition_of_Virgil_folio_ published_at_Lyons_in_1517.png Abb. 3: Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer und gebrannter Wein als Arzneimittel zu Beginn der Neuzeit, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, S. Abb. 4: www.versuchschemie.de/upload/files/DSC01914.JPG Abb. 5: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-039.jpg Abb. 6: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-066.jpg Abb. 7: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-146.jpg Abb. 8: www.caliban.mpiz-koeln.mpg.de/stueber/koehler/ABSINTH.jpg Abb. 9: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-096.jpg