Pillen mit alarmierendem Inhalt

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Pillen mit alarmierendem Inhalt
Pillen mit alarmierendem Inhalt
Von Susanne Rohlfing, 04.02.10, Kölner Stadtanzeiger
Die Dopingexperten an der Deutschen Sporthochschule haben eine alarmierende
Entdeckung gemacht. Bei der Analyse von angeblich harmlosen Ergänzungspillen fand
sie Designersteroide, Asthamittel und sogar Hormone.
Dopingexperte Hans Geyer vom Institut für Biochemie an der
Deutschen Sporthochschule in Köln. (Bild: Roth-Foto)
KÖLN - Die Biochemiker im Dopinglabor an der Deutschen Sporthochschule Köln
beschäftigen sich nicht nur mit Blut und Urin von Spitzensportlern. Sie analysieren auch
Nahrungsergänzungsmittel, die in der Wellness- und Fitnessbranche angeboten werden, mit
Vorliebe solche, die von den Herstellern besonders angepriesen werden. Das, was dabei
heraus kommt, sei „sehr bedenklich“, sagt Hans Geyer, stellvertretender Leiter des Instituts
für Biochemie der Sporthochschule und Geschäftsführer des angegliederten Zentrums für
Präventive Dopingforschung.
Wo einst zumindest zugelassene Steroide beigemengt wurden, werden heute
Designersteroide, unerforschte, künstlich hergestellte Varianten genutzt. Zunehmend findet
Geyer auch Stimulantien, also Aufputschmittel in den von ihm getesteten Produkten. Auch
beta-2-Agonisten (Asthmamittel) und sogar Peptidhormone, wie etwa das HGH releasing
Peptid, das zur Ausschüttung von Wachstumshormon führt, wurden schon entdeckt. Die
Substanzen oder ihre Baupläne sind auf dem Schwarzmarkt offenbar relativ problemlos
erhältlich.
Keine harmlosen Pillen
Die Hersteller mischen sie bei, damit ihre Mittelchen auch tatsächlich die versprochene
Wirkung haben. Abnehmen, Muskelaufbau, ein Energieschub - das alles sind jedoch Dinge,
die eine harmlose Pille nicht auslösen kann. Geyer sagt: „Die Situation ist brenzlig, was da
passiert, ist Wahnsinn.“ Designersteroide wie etwa THG, das einst vom kalifornischen Labor
Balco entwickelt und etwa von der inzwischen gesperrten Sprinterin Marion Jones
eingenommen worden war, sind nicht als Wirkstoffe für Arzneimittel zugelassen. Ihre
Nebenwirkungen sind nicht erforscht, und über die Langzeitfolgen durch die Einnahme
solcher Hormone ist nichts bekannt.
Aber auch die Stimulantien bereiten Geyer Sorgen. „Wir befürchten da eine neue Welle“, sagt
er, einen neuen Trend auf dem Markt der vermeintlichen Wundermittel. So tauchten vermehrt
so genannte „Neuro-Drinks“ auf, die Motivation, Wahrnehmung, Leistungsbereitschaft
fördern sollen. „Aber das Zeug wirkt ja nicht einfach so“, sagt Geyer. „Deshalb befürchten
wir, dass auch da bald Stimulantien auftauchen.“ Und diese eigentlich
verschreibungspflichtigen Wirkstoffe gefährden dann bei unsachgemäßer und ohne ärztliche
Betreuung erfolgter Einnahme die Gesundheit der Konsumenten. Zu den Nebenwirkungen der
Stimulantien zählen schwere Erschöpfungszustände, Zusammenbrüche, Übelkeit,
Desorientierung, Herz-Rhythmusstörungen und Kreislaufversagen. Bei Spitzensportlern
führen sie zudem zu positiven Dopingtests, da sie auf der Verbotsliste der Welt Anti Doping
Agentur (Wada) stehen.
Aber die Werbebotschaften klingen nun mal verlockend, für den Ottonormal-Menschen
ebenso wie für den Hobbysportler oder eben den Spitzensportler. Eine neue Studie des
Deutschen Forschungszentrums für Leistungssport der Sporthochschule hat festgestellt, dass
etwa 80 Prozent der vorwiegend jugendlichen Athleten Nahrungsergänzungsmittel zu sich
nehmen. Ob das nötig ist oder nicht, ist umstritten. Die einen glauben, bei drei
Trainingseinheiten am Tag sei der Nährstoffbedarf nicht mehr über die normale Ernährung zu
decken. Andere meinen, das sei durchaus möglich und außerdem viel gesünder. Oliver Heine
vom Olympiastützpunkt verweist gar auf Studienergebnisse, wonach die Einnahme von
Nahrungsergänzungsmitteln die natürliche Trainingsanpassung des Körpers hemmen kann.
Auf jeden Fall sollten Sportler sich davor hüten, es mit Geranium-Wurzelextrakt zu
versuchen, einem Wirkstoff, der die Motivation und den Fettabbau steigern soll. Tut er auch denn es ist das Stimulanzium Methylhexanamin enthalten. Hans Geyer vermutet, dass im
Zuge der vermehrten Dopingkontrollen rund um die Olympischen Spiele auch vermehrt
Sportler wegen der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln „in die Falle tappen“ könnten.
Das sei zuletzt wahrscheinlich auch vor der Leichtathletik-WM in Berlin geschehen. Damals
wurde bei fünf jamaikanischen Athleten die Einnahme von Methylhexanamin nachgewiesen.
Sie hätten ein Erkältungsmittel genommen, gaben sie an. Geyer hingegen vermutet, dass sie
auf das Wundermittel Geranium-Wurzelextrakt gesetzt hatten. Wunder haben aber in der
Regel eine Ursache, und diese ist im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel nicht immer
gesund und für Spitzensportler zudem nicht immer legal.