american apartheid - Universität Zürich
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Universität Zürich Stadtsoziologie SUZ_12_FS Dr. Prof. Jörg Rössel AMERICAN APARTHEID Alexandra Bini, Thomas Anderhalden, Leo Grob, Irene Sebesta, Ursina Markwalder 23. April 2012 STRUKTUR UNSERES VORTRAGS 1. Einleitung/ Definition von Apartheid 2. Segregation in den USA (Tom) • Entwicklung der Segregation • Indikatoren der Segregationsmessung 3. Ursachen der Hypersegregation (Leo) 4. Konsequenzen der Hypersegregation (Alexandra) 5. Vergleich Innerstädtische Armutsgebiete der USA mit europäischen Beispielen (Ursina) 6. Fragen 7. Quellen EINSTIEG Was ist unter „American Apartheid“ zu verstehen? „Amerikanische Variante des Apartheid-Systems, das eine Trennung von Schwarzen und Weissen im öffentlichen Leben vorsah und erst 1954 durch die Entscheidung des Supreme Court schrittweise abgeschafft wurde.“ (vgl. Glossar: Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, 1828-1996, Marion G. Müller, Berlin 1997 ) HISTORISCHE ECKDATEN • 1861-1865: amerikanischer Bürgerkrieg, u.a. Befreiung der Sklavenherrschaft durch Präsident Abraham Lincoln. • 1883: System der Rassentrennung tritt im Süden der USA in Kraft (beruhend auf den „Jim Crow-Gesetzen“) • 1896: Supreme Court (höchste gerichtliche Instanz des Landes) erklärt diese Gesetze für verfassungsgemäss ( Grundsatz „seperate but equal“) • 1954: Rassentrennung wird für verfassungswidrig erklärt ENTWICKLUNG DER SEGREGATION INDIKATOREN DER SEGREGATIONSMESSUNG Thomas Anderhalden ZENSUS 1980: 26.5 Millionen ‚African Americans‘ (11.7%) 1990: 30.0 Millionen ‚African Americans‘ (12.1%) 2000: 36.4 Millionen ‚African Americans‘ (12.9%) Davon lebten 86.5% in ‚Metropolitan Areas‘ Anteil der ‚non-Hispanic Whites‘ 1970: 83.5% 1990: 75,8% 2000: 69,1% Prognose 2050: 52,2% US Census Bureau. 2001. Profiles of General Demographic Characteristics 2000. 2000 Census of Population and Housing, Table DP-1 DIVERSITÄT USA • Nation wird zunehmend ethnisch diverser • Rascheres Bevölkerungswachstum der Minderheiten (Asians, Pacific Islanders, Hispanics, African Americans, American Indians, Alaska Natives) als das der ‚Weissen‘ John Iceland, Beyond Black and White: Metropolitan residential segregation in multi-ethnic America, Social Science Research, Volume 33, Issue 2, June 2004, Pages 248-271 INDIKATOREN DER SEGREGATION • Dissimilaritätsindex Mass der Gleichmässigkeit der Verteilung. Weit verbreitetes Mass. African American und non-Hispanic Whites über alle US Metropolitan Areas: 1980: 73% 1990: 68% 2000: 64% • Absolute Centralization Index Verteilung der Minderheit zum Zentrum hin. Zwischen -1 und +1 1980: 0.75 2000: 0.724 John Iceland, Beyond Black and White: Metropolitan residential segregation in multi-ethnic America, Social Science Research, Volume 33, Issue 2, June 2004, Pages 248-271 BEISPIELE ENTWICKLUNG DER METROPOLITAN AREAS (MA‘S) Auswertung des US Zensus über Metropolitan Areas als Bezugsgebiet 220 MA‘s in den USA mit 3% oder 20‘000 African Americans Beispiele Auswertung nach Dissimilaritätsindex Jahr 2000 - Über alle 220 MA‘s in den USA: 0.64 - Nordosten am höchsten, Westen am tiefsten - Höher bei grossen Metropolen - Weniger bei tiefem Anteil African Americans - MA‘s mit höchster Segregation: Detroit, Milwaukee, New York - MA‘s mit tiefster Segregation: Orange County, San Jose, Phoenix Wie sieht die Segregation innerhalb von Metropolitan Areas aus? STUDIE VON FISCHER ET AL. (2004) Daten von Volkszählungen von 1960 – 2000 für Metropolitan Areas Messung mit Indikator: Theil‘s H Kategorien der Segregation: Rasse/Ethnie: Black, Non-Hispanic white, Hispanic, Foreign born Life Cycle: Alter 0-14, 18-29, 65+, Verheiratet Klasse: Höchstes Einkommensquintil, tiefstes Einkommensquintil, Hausbesitzer RESULTATE AFRICAN AMERICANS • Von 1960 – 2000 • Es gibt eine Hierarchie der Segregation Rasse/Ethnie vor Klasse vor Life Cycle • Allgemein eine Abnahme der Segregation von African-Americans • Zunahme der Segregation auf innerhalb der Quartiere • Abnahme zwischen Stadt – Vororte • Zunahme zwischen den Vororten Fischer, C., Stockmayer, G., Stiles, J., Hout, M. (2004). Distinguishing the geographic Levels And Social Dimensions of U.S. Metropolitan Segregation, 1960 – 2000. Demography, 41 (1). 37-59. WEITERE RESULTATE • Junge Erwachsene und Unverheiratete vermehrt in Stadtzentren als Vororten • Zunahme Segregation unter den ‚im Ausland geborenen‘ • Segregation nach Klasse nahm ab 1970 zu Fischer, C., Stockmayer, G., Stiles, J., Hout, M. (2004). Distinguishing the geographic Levels And Social Dimensions of U.S. Metropolitan Segregation, 1960 – 2000. Demography, 41 (1). 37-59. THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR ERKLÄRUNG VON HYPERSEGREGATION Leo Grob DEFINITION HYPERSEGREGATION (I) Definition entlang von fünf Dimensionen: evenness (Dissimilaritätsindex) exposure (Isolationsindex) centralisation (absolute centralisation index) clustering (spatial proximity index) concentration. DEFINITION HYPERSEGREGATION (II) Hypersegregation ist eine besondere und stark ausgeprägte Form von Segregation. Hypersegregation liegt vor, wenn hohe Werte für mehrere Dimensionen von Segregation vorliegen. Im Jahr 2000 waren Schwarze in 29 städtischen Gebieten der USA von Hypersegregation betroffen. ERKLÄRUNGSMODELLE DER HYPERSEGREGATION (I) spatial assimilation model place stratification model KONSEQUENZEN DER HYPERSEGREGATION Alexandra Bini HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER AMERIKANISCHEN GHETTOS • 1920er Jahre: • Massenmigration von Schwarzen aus dem ländlichen Süden in den industriellen Norden • Entwicklung eines grossen, kompakten und hoch segregierten Ghetto • Existente Parallelwirtschaft in den Ghettos (eigene Banken, Zeitschriften, Shops «Black Businesses») • «Black America» sah Urbanisierung als Chance für Unabhängigkeit von «White Society» (optimistische und positive Gestimmtheit) vgl. Massey/Denton 1993: 115f. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER AMERIKANISCHEN GHETTOS • 1930er Jahre: • Weltwirtschaftskrise zerstörte Positivismus in den Ghettos im Norden • Hohe Arbeitslosigkeit der Schwarzen aufgrund von Schliessungen der Fabriken • «Black Businesses» gingen ein und die Ghettos verarmten • Entwicklung einer starken räumlichen Segregation (sog. color line in den Städten) • 1970er Jahre: • Wieder zunehmend wirtschaftliche Umbrüche • Keine andere ethnische Gruppe weist einen so hohen Grad an räumlich konzentrierter Armut auf Die Armutkonzentration richtete sich sowohl 1930 als auch 1970 ausschliesslich auf die Ghettos der Schwarzen KONSEQUENZEN DER HYPERSEGREGATION Hypothesen von Massey (1990) und Wilson (1987) Gemeinsamer Ansatzpunkt: Armutskonzentration in den US-Städten hat in den 1970er Jahren massiv zugenommen mit insbesondere Konsequenzen für Minoritäten Gegensätzlichen Positionen: • Massey 1990: Bildung der Underclass und Entstehung der innerstädtischen Ghettos als Konsequenz der Hypersegregation • Wilson 1987: Entstehung der innerstädtischen Ghettos als Folge einer starken Wirtschaft, demographischen Kräften und dem Verlassen der Ghettos von Schwarzen aus der Mittelklasse vgl. Massey 1990: 330ff. MASSEY (1990) • Massey ergänzte Wilsons Theorie mit der moderierenden Schlüsselvariable «residential Segregation» • Ziel: soziale Transformation (zur Armutkonzentration) der innerstädtischen Ghettos aufzeigen • Massey ist nicht einverstanden mit der These Wilson’s, dass die Transformation zur Armutskonzentration in den Ghettos durch die Abwanderung der Mittelklasse stattgefunden habe • Erklärung für die Entstehung der Unterschicht (Underclass) / Ghettos Starke Interaktion zwischen dem Ausmass der Segregation und der Strukturveränderung der Einkommensverteilung Gruppen, die eine hohe Armutsrate sowie einen hohen Grad an «residential Segregation» aufweisen, zeigen die höchste Armutskonzentration Höchster Anstieg der Armutskonzentration in innerstädtischer Umgebung (extremste Verlagerung der Einkommensverteilung in einer stark segregierten Umwelt. Bsp. Chicago und New York) • ABER: auch industrielle, strukturelle und gesetzliche Veränderungen etc. sind wichtig für die Entstehung der Underclass / Ghettos • Hypersegregation ist jedoch der verantwortliche Schlüsselfaktor für die soziale Transformation der Schwarzen Gemeinschaft und die Armutskonzentration in den 1970er Jahren VERGLEICH INNERSTÄDTISCHE ARMUTSGEBIETE DER USA MIT EUROPÄISCHEM BEISPIEL Ursina Markwalder WACQUANT’S UNTERSUCHUNG La Courneuve (Banlieue im Nordosten von Paris, ca. 36.000 Einw.) Woodlawn (Ghetto in der South Side von Chicago, ca. 100.000 Einw.) Gemeinsame Charakteristika • Hohe Arbeitslosenquote • Sinkende Bevölkerungszahl • Schiefe Alters- und Klassenstruktur (Dominanz von Jugendlichen und einfachen Arbeitern) • Hohe Konzentration von Minoritäten Wichtigster Unterschied Der Grund für die Ausgrenzung in den USA ist die Hautfarbe, in Frankreich ist es die Klassenzugehörigkeit TERRITORIALE STIGMATISIERUNG Gemeinsamkeiten • Unterste Stufe des sozialen Wohnungsbaus, Physischer Verfall des Ghettos • Wohnort führt zu sozialer Abwertung der Person. • Annahme von schwindender Moral und geringem sozialen Wert der Bewohner • Wohnort Hürde bei der Arbeitssuche, verachtender Blick von Aussenstehenden Unterschiede • Französisches Stigma ist hauptsächlich der Wohnort, in den USA ist es vom rassischen Stigma nicht zu trennen • Bewohner der Banlieue tragen kein wahrnehmbares physisches oder kulturelles Stigma Möglichkeit, ihr Stigma vorübergehend abzulegen, •für Bewohner der Ghettos ist dies fast unmöglich KONSEQUENZEN DER STIGMATISIERUNG Chicagoer Ghetto Pariser Banlieue Zuschreibung • von negativen Eigenschaften? • Pauschalisierung, Verteufelung des schwarzen, städtischen (Sub-)Proletariats. Abgrenzung von anderen Bewohnern im Ghetto. • Verachtung wird von Bewohnern wahrgenommen, jedoch intern differenziert: „Andre“ sind Problemfälle Welche Folgen • hat „territoriales • Stigma“ für die Bewohner? • Territoriale Stigmatisierung ist nicht zentrale Ursache der Desintegration. Amerikanische Ideologie schreibt Individuum Verantwortung zu. Hautfarbe ist die eigentliche soziale Grenze, weniger der Wohnort. • Zuweisung in separierten Raum institutionalisierter Minderwertigkeit ist Verstoss gegen nationale französische Ideologie der Partizipation und Gleichheit. Bewohner können dem Stigma zumindest vorübergehend entkommen, räumliche Mobilität, Freizeit in „besseren Vierteln“. • KONSEQUENZEN DER STIGMATISIERUNG Welche kriminellen Handlungen werden verübt? Chicagoer Ghetto Pariser Banlieue • • • • • Reale physische Gefahr, Extrem hohe Tötungsrate. Mord eine Haupttodesursache Gewalt ökonomisch begründet. • • • Kleinkriminalität Jugendlicher, v.a. „weiche“ Drogen, Strassenraub, Vandalismus, Keine erhöhte Tötungsrate. Weitgehend normales öffentliches Leben. Auch expressive Dimension der Delinquenz (z.B. Feuer in Hauseingängen), Gewalt auch als gesellige Erlebnisform. KONSEQUENZEN DER STIGMATISIERUNG Chicagoer Ghetto Soziale Organisationen / Institutionen? • • • Multi-Ethnizität • oder „Apartheid“? Wie stark ist die ethnische • Isolation ausgeprägt? Pariser Banlieue Weitgehender Rückzug des ohnehin • eher schwachen öffentlichen Sektors. Polizei kann Sicherheit nicht gewährleisten • Überfüllung der Gefängnisse. Dichotomische Spaltung Schwarz vs. Weiss, historischbedingt (Skalverei) Ghettobewohner haben kaum Kontakt zu Weissen. • • • Vielfältige staatliche Interventionen, (Schulen, Kultur, etc.)soziale und gesundheitliche Dienste. Mangel an Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Bewohner nehmen Intervention als Stigmatisierung wahr! Jugendliche gegen alle Anderen. Gruppen sind multiethnisch. Alle sind Franzosen, wenig nationale und religiöse Restriktionen in den sozialen Netzwerken Sogar gute Assimilation der 2. Generation, Ausbildungserfolge. FRAGEN - Wie wird sich das stärkere Wachstum der Minderheiten als das der Weissen auf die Segregation auswirken? - Die Indikatoren zu Segregation gehen nur sehr langsam zurück. Woran liegt dieser langsame Rückgang? - Findet ihr Massey’s Forschung über die Hypersegregation plausibel für die Erklärung der Entstehung der innerstädtischen Ghettos? - Ist die Erklärung Massey’s heute noch aktuell mit dem stockenden Rückgang der Hypersegregation? - Worin seht ihr mögliche neue Indikatoren / Entwicklungen, welche die Entwicklung der Unterschicht und der innerstädtischen Ghettos beeinflussen könnten? - Kann man von einer „Amerikanisierung“ der Situtation in Europa sprechen? QUELLEN Fischer, Claude S./Stockmayer, Gretchen/Stiles, Jon/Hout, Michael (2004): Distinguishing the geographic Levels And Social Dimensions of U.S. Metropolitan Segregation, 1960 – 2000. In: Demography 41 (1), S. 37-59. Iceland, John (2004): Beyond Black and White: Metropolitan residential segregation in multi-ethnic America. In: Social Science Research, Volume 33 (2), S. 248-271. Massey, Douglas S. (1990): American Apartheid: Segregation and the Making of the Underclass. In: The American Journal of Sociology 96 (2), S. 329-357. Massey, Douglas S./Denton, Nancy A. (1993): American Apartheid. Segregation and the Making of the Underclass. Cambridge / London. Müller, Marion G. (1997): Glossar: Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, 1828-1996. Berlin. US Census Bureau (2001): Profiles of General Demographic Characteristics 2000. 2000 Census of Population and Housing, Table DP-1 Wacquant, Loic J. D. (2004): Roter Gürtel, Schwarzer Gürtel: Rassentrennung, Klassenungleichheit und der Staat in der französischen städtischen Peripherie und im amerikanischen Ghetto. In: Häußermann, Hartmut/Kronauer, Martin/Siebel, Walter (Hrsg.): An den Rändern der Städte. Frankfurt am Main, S. 148-200. Wilkes, Rima/Iceland, John (2004): Hypersegregation in the Twenty-First Century. In: Demography 41, S. 23-36. Wilson, William J. (1978): The Declining Significance of Race: Blacks and Changing American Institutions. Chicago. Wilson, William J. (1987): The Truly Disadvantaged: The Inner City, the Underclass, and Public Policy. Chicago. Zubrinsky Charles, Camille (2003): The Dynamics of Racial Residential Segregation. In: Annual Review of Sociology 29, S. 167-207.