Warum ist Gott verborgen? - Arbeitskreis "Naturwissenschaft und

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Warum ist Gott verborgen? - Arbeitskreis "Naturwissenschaft und
WarumistGottverborgen?
Vor zwei Jahren gründete sich der Arbeitskreis „Naturwissenschaft und Glaube“ der EMK in Deutschland. Initiator war der Physiker Dr. Klaus Bratengeier, Laienmitglied unserer Gemeinde in Würzburg. Der Kreis hat mittlerweile über 50 Mitglieder und versteht sich als Dolmetscher in einem spannenden Dialog. „Wie beeinflussen die modernen Naturwissenschaften das Gottesbild?“ hieß das Thema der 3. Jahres‐
tagung des Arbeitskreises am 17. 01. 2015. Wegen des großen Andrangs erwies sich die Würzburger EMK‐Kapelle als zu klein; aber die benachbarte Neue Universität stellte einen Hörsaal zur Verfügung, in dem sich etwa 150 Personen versammelten. Dr. habil. Hansjörg Hemminger entfaltete das Thema zunächst aus der Sicht eines Biologen und Verhaltenspsychologen. Er stellte dar, wie sich Naturwissenschaften und Theologie aktuell wieder annähern. Beide Seiten würden zunehmend lernen, dass die Vielfältigkeit der Welt durch die Ein‐
deutigkeit der Naturwissenschaft nicht infrage gestellt ist. Auf naturwissenschaftlicher Seite seien es besonders die theoretischen Physiker, die ein Bewusstsein für die Grenzen der Erkenntnis entwickelt hätten. Die Naturwissenschaften könnten aber helfen, das Verhältnis Gott – Mensch immer wieder neu zu beschreiben. Das gelte gerade auch im Blick auf die Evolution als „Heldengeschichte des Lebens“. Noch spannender wurde es im Referat des Theologen Prof. Dr. Armin Kreiner aus München. Er setzte sich mit dem Anspruch des sogenannten Naturalismus auseinander, welcher in seiner erweiterten Form als „ontologischer Naturalismus“ davon ausgeht, „dass es nichts gibt, was die wissenschaftliche Methode nicht erhellen und aufklären kann“ (Peter Atkins). Wie kann man aus christlicher Sicht auf die Annahme, das gesamte Universum sei prinzipiell ohne Gott begreifbar und erklärbar, reagieren? Kreiner erwog zwei Möglichkeiten. Die erste nannte er „Beat them – Schlag sie!“ Man könne auf die ungelösten Rätsel bei der Welterklärung hinweisen. Richard Swinburne, ein Verfechter dieser Möglich‐
keit, sagt: „Es gibt Rätsel, die sind zu groß für die Wissenschaft. Die Lösung muss außerhalb des Rahmens der Wissenschaft liegen.“ Solche ungelösten Rätsel seien: (1) die Komplexität, vor allem lebender Organismen, deren Entstehung oft ungeklärt scheint (Hier setzt „intelligent design“ an.); (2) die Feinabstimmung der Naturkonstanten und –gesetze im Kosmos, die schon bei geringster Abweichung die Entstehung von Leben unmöglich machen würden und die Hugh Ross „the fingerprint of God“ nennt; (3) die Frage nach dem „Urknall“, dem Anfang von allem, hinter den man nicht zurückfragen kann; (4) die Entstehung des Bewusstseins. Nun überraschte Professor Kreiner das Auditorium mit einem persönlichen Statement: Er halte diesen Weg – „Beat them“ – für wenig erfolgversprechend. Denn es handle sich hier lediglich um die Suche nach „Lücken im System“. Kann man wirklich sicher sein, dass es wissenschaftlich unlösbare Rätsel gibt? Und wenn eines, wie z.B. die Entstehung von Komplexität, doch gelöst ist? Befindet sich der „Lückenbüßer‐Gott“ nicht schon seit Jahrhunderten auf dem Rückzug? Empfehlenswerter sei die andere Möglichkeit: „Join them“ – Schliess dich an!“ Es war kein Geringerer als Dietrich Bonhoeffer, der gerade aus theologischer Sicht forderte, wir müssten von der Welt reden und in ihr handeln „als ob es Gott nicht gäbe“ (lat. „etsi deus non daretur“). Gott als Arbeitshypothese sei nicht redlich. Aus christlicher Sicht stellt sich dann aber eine andere Frage: Wenn Gott existiert – warum ist die Welt so beschaffen, dass wir sie ohne Gott erklären können? Warum ist er so verborgen, dass man ihn nicht wissenschaftlich nachweisen kann? Hat seine Verborgenheit, die wir ja alle kennen und unter der wir nicht selten leiden, gar einen tieferen Sinn und Zweck? Der Referent bot drei Antworten an: (1) Vielleicht ist Gott kein Wesen, das in einer kausalen Erklärung eine Rolle spielt. Vielleicht ist er kein Seiendes, sondern das Sein selbst, die „Tiefe des Seins“ (Paul Tillich). (2) Vielleicht bleibt Gott deshalb verborgen, weil er festhalten möchte: Die Welt – seine Schöpfung – ist auch in sich selber wertvoll, unüberbietbar schön und logisch. Sie funktioniert auch, wenn er ruht – wie am siebten Schöpfungstag. (3) Vielleicht ermöglicht die Verborgenheit Gottes „Dinge“, die anderenfalls nicht möglich wären: Glaube, Hoffnung, Liebe. Denn Glaube ist Vertrauen ohne Beweise; Hoffnung ist der Blick auf das, was man noch nicht sieht; Liebe ist freie Zuwendung ohne eine offensichtliche Instanz, die dazu verpflichtet. Am Schluss lud Kreiner ein zu einem Gedankenexperiment: Wenn tatsächlich eines Tages alle natur‐
wissenschaftlichen Rätsel gelöst wären und der Mensch wüsste, wie die Welt funktioniert, ließe sich immer noch fragen: „Warum ist die Welt, wie sie ist?“ (Leibnitz). Und die Antwort des Herzens an den Verstand ist nach wie vor möglich. www.emk‐naturwissenschaften.de