Gute Pillen – Schlechte Pillen 5/09 Elektrische Zigaretten
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Gute Pillen – Schlechte Pillen 5/09 Elektrische Zigaretten
Gute Pillen – Schlechte Pillen 5/09 Elektrische Zigaretten Einstieg statt Ausstieg aus der Sucht Besonders gefährdet sind kleine Kinder: Die Nikotinpatronen der EZigaretten sind so klein, dass Kinder sie in den Mund nehmen und die nikotinhaltige Lösung herauslutschen können. Denkbar ist auch, dass sie die Patronen verschlucken – und das ist lebensbedrohlich. Elektrische Zigaretten sehen fast aus wie die echten, werden jedoch nicht angezündet und entwickeln keinen Rauch. Bei manchen Modellen wird eine Zigarette in einem Heizelement erhitzt. Die meisten E-Zigaretten enthalten aber eine kleine Patrone, die Nikotin, ein Lösungsmittel und eventuell Aromastoffe enthält. Ein kleiner Akku sorgt dafür, dass über einen Heizdraht Nikotin vernebelt oder verschwelt wird, wenn man am Mundstück saugt. Gekrönt wird das Ganze von einer Leuchtdiode, die an der Spitze der Zigarette bei jedem Zug die Illusion von Glut erzeugt. Bei E-Zigaretten, die nur Nikotin enthalten, entstehen keine Verbrennungsstoffe wie Teer, Kohlenmonoxid und die vielen anderen Verbindungen, die das Rauchen konventioneller Zigaretten extrem schädlich machen. Bei der Variante von E-Zigaretten, die durch Erhitzen (also nicht Verbrennen) von Tabak Nikotin freisetzen, ist die Menge der meisten Schadstoffe geringer, dafür wird viel mehr krebserzeugendes Formaldehyd freigesetzt.1 mit phantasievollen Geschmackssorten – sogar den Einstieg ins Rauchen fördern. Unklar ist bisher, wie viel blutdrucksteigerndes und abhängig machendes Nikotin aus den verschiedenen Produkten tatsächlich inhaliert wird und welche weiteren chemischen Verbindungen dabei in den Körper gelangen.3 Die US-amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA warnt jetzt vor elektrischen Zigaretten.2 Im Gegensatz zu Behauptungen von Anbietern, dass E-Zigaretten sogar zur Tabakentwöhnung geeignet sein sollen, befürchten Berater der FDA, dass elektrische Zigaretten gerade für Jugendliche höchst attraktiv sind. Sie können vermutlich – zumal Skrupellose Firmen bieten „natürliche“ Nahrungsergänzungsmittel an, die stark wirkende chemische Stoffe enthalten. Wir nennen Gefälschtes beim Namen: 999 Fitness Essence, BioEmagrecim, tramin. Und nicht nur das: In Bio Slimbionic, Xsvelten Emagrecim fanden sie sogar den Diese Präparate werden als pflanzliche Appetithemmer Fenproporex (kann Nahrungsergänzungen zum Abneh- gefährlichen Lungenbluthochdruck men verkauft. Analytiker entdeckten auslösen, in Deutschland seit mehr darin aber das verschreibungs- als zehn Jahren nicht mehr im Hanpflichtige appetithemmende Sibu- del), das entwässernde Mittel Furose- 14 Ungeahnte Risiken Bei der Untersuchung von zwei viel verkauften Modellen entdeckte die FDA in einer Probe das Frostschutzmittel Diethylenglykol, dessen Schädlichkeit seit dem Weinskandal in den 1980er Jahren bekannt ist. In einigen anderen Proben fanden sich krebserregende Stoffe einschließlich Nitrosamine, die als starke Kanzerogene (Krebserreger) gelten. Weder die Funktionsweise der Geräte noch die Inhaltsstoffe der Füllungen werden bei uns behördlich kontrolliert. Bisherige Untersuchungen lassen unkalkulierbare Risiken durch nicht deklarierte Schadstoffe befürchten. E-Zigaretten sind zur Raucherentwöhnung ungeeignet. Aussagekräftige Studien zum Erfolg bei Entwöhnungswilligen fehlen. Außerdem erhalten E-Zigaretten die Nikotinabhängigkeit aufrecht. Weil sie Rauchen durch technischen Schnickschnack besonders interessant machen und „sauber“ erscheinen lassen, ist zu befürchten, dass sie die Nikotinsucht fördern – und womöglich sogar den Einstieg in das Rauchen. Brasilien hat E-Zigaretten kürzlich verboten. In Deutschland dagegen fühlt sich keine Behörde zuständig. 1 BfR, Stellungnahme Nr. 013/2008 des BfR vom 5. Januar 2008: BFR rät zur Vorsicht im Umgang mit elektronischen Zigaretten www.bfr.bund.de/ cm/216/bfr_raet_zur_vorsicht_im_umgang_mit_ elektronischen_zigaretten.pdf 2 FDA News Release 22. 7 2009: FDA and Public Health Experts Warn About Electronic Cigarettes 3 Das ist bei Nikotinersatzpräparaten wie Kaugummi, Pflastern oder zum Einatmen (Inhaler) anders. Sie sind als Arzneimittel zugelassen. Vorsicht! Gepanschtes aus dem Internet www.gutepillen-schlechtepillen.de Foto: Christian Noval/ Fotolia Rauchern, die auch bei strömendem Regen vor der Tür ihrer Stammkneipe ausharren, wird vor allem im Internet eine Lösung angeboten: die elektrische Zigarette. Eine gesündere Art „zu rauchen“ und sogar die Chance, ganz mit dem Rauchen aufzuhören, wird ihnen da vorgegaukelt. Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit 5/09 mid und Fluoxetin, ein Mittel gegen Depressionen. Herbal Xenicol Der Name soll wohl nicht zufällig an das verschreibungspflichtige Abnehmmittel Xenical® (Orlistat, GPSP 2008-6, S. 11 und 2009-4, S. 16) erinnern. Herbal Xenicol ist aber kein pflanzliches Mittel, wie der Name „Herbal“ vorgibt, sondern erwies sich bei der Überprüfung als gepanscht. Es enthielt Cetilistat. Das ist ein noch unzureichend geprüfter chemischer Wirkstoff, der dem Orlistat ähnlich ist. Nutzen und Risiken sind nicht überschaubar. Air Ikan Haruan, Arthro Ace, Cao Gen Bai Lin Wan, Delima Raja Urat, Neovidan In diesen Nahrungsergänzungsmitteln, die gegen eine Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise als natürliches Mittel gegen Gelenkschmerzen (Arthro Ace) angeboten werden, wurde das synthetische Kortikoid Dexamethason entdeckt. In Neovidan fanden Analytiker das Kortikoid Prednisolon und das schlecht magenverträgliche Rheumamittel Mefenaminsäure, das als Arzneimittel seit 2004 außer Handel ist. Cao Gen Bai Lin Wan und Delima Raja Urat sind nicht nur mit dem Kortikoid Dexamethason gepanscht, sondern auch mit einem Antihistaminikum, Delima Raja Urat zusätzlich mit dem verschreibungspflichtigen Abnehmmittel Sibutramin. Stamin-Rx, XP Tongkat Ali Supreme In diesen als Kräutermittel für den Mann angepriesenen Nahrungsergänzungsmitteln wurden der verschreibungspflichtige erektionsfördernde chemische Wirkstoff Tadalafil beziehungsweise ein chemisch ähnlicher Wirkstoff nachgewiesen. www.gutepillen-schlechtepillen.de Leserbrief Ocuvite bei Makuladegeneration? „Darf ich das Nahrungsergänzungsmittel Ocuvite gegen altersbedingte Makuladegeneration (AMD) nehmen? Eine neue Studie soll ja positive Ergebnisse auf vorbeugende Langzeitbehandlung bei der trockenen AMD ergeben haben.“ C.R. GPSP: Ocuvite ist ein Nahrungsergänzungsmittel. Im Gegensatz zu Arzneimitteln darf zu Nahrungsergänzungsmitteln keine direkte therapeutische Versprechung (wie „zur Behandlung von …“) abgegeben werden. Deshalb wird die Anwendung von Ocuvite Complete 12 mg Lutein unkonkret als „ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von degenerativen Augenerkrankungen“ umschrieben. Unter anderem wird dabei auch die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) genannt. Ocuvite Complete Lutein ist ein typisches Mischpräparat, das neben diversen Extrakten (Tomate, Heidelbeere, Zitrus), Vitaminen, Spurenelementen und Fischöl auch Lutein enthält. Lutein ist ein natürlich vorkommender Farbstoff, der vor allem in Pflanzenblättern und Blüten enthalten ist. Es wird auch als Lebensmittelfarbstoff und als Futtermittelzusatz verwendet, z.B. um kräftiger gelb gefärbte Eidotter zu erhalten. Positive Ergebnisse von aussagekräftigen Studien zur vorbeugenden Langzeitbehandlung bei der trockenen AMD, die mit einem solchen Produkt durchgeführt worden sind, fanden wir bei orientierender Datenbankrecherche nicht. Insofern können wir Ihren Hinweis auf positive Ergebnisse nicht bestätigen. Impressum © 2009 Gute Pillen - Schlechte Pillen. Diese Zeitschrift erscheint ohne Einflussnahme von Industrie, Behörden oder sonstigen Institutionen und finanziert sich durch Abonnements. Redaktion: August-Bebel-Str. 62, D-33602 Bielefeld Internet: www.gutepillen-schlechtepillen.de E-Mail: [email protected] Herausgeber: Gute Pillen - Schlechte Pillen Gemeinnützige Gesellschaft für unabhängige Gesundheitsinformation mbH, Berlin. Bergstr. 38A, 12169 Berlin, HRB 98731B Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Geschäftsführer: Wolfgang Becker-Brüser, Jörg Schaaber, Prof. Dr. Walter Thimme Gute Pillen - Schlechte Pillen wird getragen von den kritischen Fachorganen arznei-telegramm, DER ARZNEIMITTELBRIEF, Arzneiverordnung in der Praxis und Pharma-Brief. Redaktion: Wolfgang Becker-Brüser (Arzt und Apotheker), Dr. rer. nat. Elke Brüser, Dr. med. Dietrich von Herrath, Prof. Dr. med Bruno Müller-Oerlinghausen, Dipl. Soz. Jörg Schaaber MPH, Stefanie Schenk (Ärztin); Prof. Dr. med. Walter Thimme, Dr. rer. nat. Christian WagnerAhlfs (verantwortlich). Titelbild: Annika Ucke Foto Seite 2: Jörg Schaaber Cartoon: Thomas Kunz Herstellung und Vertrieb: Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn, Töpchiner Weg 198/200, 12309 Berlin, Tel. (030) 7 45 20 47; Fax (030) 7 45 30 66, [email protected] Bezugsbedingungen: Erscheinungsweise: 6 Ausgaben pro Jahr. Abonnement für Einzelpersonen 15 €, für Praxen, Firmen, Behörden und sonstige Institutionen 30 € (jeweils inkl. Versand). Kündigung des Abonnements: drei Monate zum Jahresende. Preise für Mehrfachabos auf Anfrage. Einzelpreis 3 €, alle Preise inkl. MwSt. Daten der regelmäßigen Bezieher werden mit EDV verarbeitet. An Dritte werden die Daten nicht weitergegeben. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 7. Sep. 2009 GPSP Heft 6/2009 erscheint am 23. Nov. 2009 Uns fällt auf, dass im Bereich der AMD auch Anbieter, die früher reine Arzneimittelproduzenten waren, zunehmend Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. Da für diese keine behördliche Überprüfung von Nutzen und Risiken erforderlich ist, ist ihr Vertrieb für die Firmen einfacher und kostengünstiger. Kranke und gesundheitsbewusste Menschen sind die Dummen. Sie erhalten meist Produkte, deren Nutzen und Risiken nicht oder nur unzureichend geprüft sind. 15