Meister des Schrägen Sprit aus Blaualgen - Hu

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Meister des Schrägen Sprit aus Blaualgen - Hu
EIN SONDERTHEMA DER BERLINER ZEITUNG
HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN
SEITE 27
NUMMER 201 • MITTWOCH, 27. AUGUST 2008
AN DER HUMBOLDT-UNIVERSITÄT DISKUTIEREN FORSCHER ÜBER DAS WERK DES SPANISCHEN REGISSEURS PEDRO ALMODÒVAR
WAS WAR
Portal für Promovierende
eingerichtet
Die HU hat derzeit etwa 3 500
Doktoranden und jährlich mehrere hundert Studierende, die sich
für eine Promotion interessieren. Um diese besser über Möglichkeiten und Bedingungen der
Promotion an der HU zu informieren, haben die Forschungsabteilung und die Humboldt Graduate School ein Promovierendenportal eingerichtet, auf dem
die wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet werden.
www.hu-berlin.de/promovierende
Lehre und Studium an
der HU analysiert
Im Sommersemester 2007
führte die Hochschul-Informations-System GmbH eine Befragung von mehr als 10 000 Studierenden der HU zur Qualität in
Studium und Lehre durch. Inzwischen liegt eine Auswertung
der Studie vor. Unter anderem
lobte die Mehrzahl der Befragten die fachliche Qualität der
Lehre und die Erreichbarkeit
der Professoren in den Sprechstunden. Verbesserungsbedarf
sehen die Studierenden dagegen im Bezug zwischen Studium
und Praxis sowie bei den Rückmeldungen der Dozenten zu
Hausarbeiten, Klausuren und
Übungen.
Meister des Schrägen
Im Diskussionsforum der Internet
Movie Database zu Pedro Almodóvar
stehen zwei Beiträge direkt nebeneinander: Einer ist mit „Der beste Regisseur
aller Zeiten“ übertitelt, der andere lautet
„Der schlechteste Regisseur aller Zeiten“. Das zeigt deutlich, wie das Werk Almodóvars polarisiert. Der spanische Regisseur, der innerhalb von 26 Jahren neben Essays und Features 16 Spielfilme
gedreht hat, bietet mit seiner eigenwilligen Filmsprache, die gerade in den frühen Filmen Stilelemente von Camp bis
Kitsch verarbeitet, immer wieder Reibungsflächen.
Das ist jedoch nur einer der Gründe,
warum sich vom 26. bis 28. September
Film- und Kulturwissenschaftler aus aller Welt an der HU in Berlin versammeln,
um über die Arbeiten Almodóvars zu
sprechen. „Pedro Almodóvar ist einer
der bedeutendsten kulturellen Exportschlager der iberischen Halbinsel“, sagt
Dieter Ingenschay. Der Almodóvar-Kenner ist Professor für romanische Philologie an der HU und Initiator der anstehenden Tagung. „Mit seinen Spielfilmen hat
Almodóvar ein Abbild der spanischen
Kulturgeschichte des ausgehenden
20. Jahrhunderts geschaffen“, sagt In-
genschay. Insbesondere die frühen Filme, angefangen von „Pepi, Luci, Bom
und die anderen Mädchen vom Haufen“
(1980) bis hin zu „Frauen am Rande des
Nervenzusammenbruchs“ (1987), seien
ein Zeugnis des zerfallenden Spätfrankismus und spiegelten den Übergang
von der Diktatur zur Demokratie wider.
Diese Werke sind geprägt von der Auseinandersetzung mit der Diktaturzeit,
der Kirche und spanischen Traditionen
wie dem Stierkampf. „Almodóvar arbeitet dabei mit einer Ästhetik des Schrägen, die darauf abzielt, die Mythen zu destruieren, indem sie lächerlich gemacht
werden“, sagt Dieter Ingenschay.
Daher haftet den frühen Werken des
spanischen Regisseur auch etwas
Schrilles und Exaltiertes an. Almodóvar
zeigt die spanische Gesellschaft des
Postfrankismus in grotesker Überzeichnung. Ingenschay sieht in dieser Schaffensphase Almodóvars durchaus Verbindungslinien zu den Filmen von Rainer
Werner Fassbinder, der mit seiner Bestandsaufnahme der bundesdeutschen
Gesellschaft ähnliches leistete, wie Almodóvar in Spanien. „Darüber hinaus
verbindet der spielerische Umgang mit
Geschlechterrollen das filmische Schaf-
fen beider Regisseure“, sagt der Romanist. Das Überschreiten von GenderGrenzen kommt auch in den späteren
Filmen von Pedro Almodóvar zum Ausdruck. So etwa in „La Mala Educación –
Schlechte Erziehung“ (2004) und in „Alles über meine Mutter“ (1999), der im
Jahr 2000 unter anderem mit dem Oscar
als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde.
Im Zuge des internationalen Erfolgs,
zu dem auch die Gründung der eigenen
Produktionsfirma „El Deseo“ beitrug,
wandte sich Almodóvar von den spanienspezifischen Themen hin zu ethischen
Fragestellungen, die für die gesamte
westliche Gesellschaft relevant sind. Mit
dem Melodram „Sprich mit ihr“ (2002)
feierte der spanische Regisseur seinen
bis dato größten Erfolg: Ein Oscar für das
beste Original-Drehbuch, fünf Europäische Filmpreise, drei BAFTA-Awards, ein
César und zahlreiche weitere Auszeichnungen waren der Lohn.
„Im Vergleich mit dem internationalen Echo, den Almodóvars Filme her vorrufen, erfährt der spanische Regisseur
sowohl in den Kinos als auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung
hierzulande eine stiefmütterliche Be-
handlung“, sagt Dieter Ingenschay. Daher habe das Symposium auch eine doppelte Zielsetzung. Einerseits soll der
Stand der Almodóvar-Forschung in
Deutschland dokumentiert und intensiviert werden. Andererseits sind die bedeutendsten internationalen Spezialisten auf diesem Gebiet eingeladen, um
sich mit den deutschen Forschern auszutauschen und Anregungen zu geben.
Zur Eröffnung der Tagung am
26. September sprechen fünf Wissenschaftler aus fünf Länder über die Rolle
Almodóvars zwischen Provokation und
Mainstream. Die öffentliche Diskussionsrunde wird in spanischer Sprache
mit Simultanübersetzung um 19.30 Uhr
im Instituto Cervantes, Rosenstr. 18-19
in Mitte abgehalten.
Jan Steeger
UNI FÜR ALLE
Mittwoch, 27.8.2008 bis
Freitag, 10.10.2008
Ausstellung: „Holt die Wäscheleine rein...“ Sinti und Roma –
Mythos und Realitäten. Veranstalter: Institut für Europäische
Ethnologie. Ort: Institut für
Europäische Ethnologie, Mohrenstr. 41, Mitte.
Informationen: Wolfgang Kaschuba, Tel. 20 93 37 03.
Dienstag, 2.9.2008
Das Symposium „Pedro Almodóvar:
deutsche Echos – internationale
Echos“ findet vom 26. bis zum
28. September an der HU im Institut
für Romanistik, Boeckhstr. 65 in Mitte,
statt. Das Programm und weitere Informationen zur Tagung können unter
[email protected] angefordert
werden.
ORTE DES FORSCHENS
Ausstellungseröffnung: „Szenen
des deutschen Lebens in Chile“.
Der Botschafter der Republik
Chile, Alvaro Rojas, wird anwesend sein. Ausstellungsdauer:
3. bis 26. September. Veranstalter: Humboldt-Universität und
Botschaft der Republik Chile.
Ort: Foyer der Kommode, Gebäude der Juristischen Fakultät, Bebelplatz 1, Mitte, 16 Uhr. Informationen unter Tel. 726 20 35.
Mittwoch, 10.9.2008 bis
Freitag, 12.9.2008
Internationale Konferenz:
„Menschen – Zahlen – Transformationen: Verdatung des Organischen“. Veranstalter: Graduiertenkolleg „Geschlecht als
Wissenskategorie“. Ort: Hauptgebäude, Audimax, Unter den
Linden 6, Mitte.
Informationen: Viola Beckmann,
Tel. 20 93 82 48.
http://lehre.hu-berlin.de/
SQM-HU2007.pdf
WAS KOMMT
Hinter Humboldts Türen
blicken
Studierende der HU bieten dreimal täglich Führungen durch
das Hauptgebäude Unter den
Linden an. Die Teilnehmer
www2.hu-berlin.de/
gkgeschlecht/data
Donnerstag, 11.9.2008
Vortrag: Riffe im Blickpunkt.
Thema „500 Millionen Jahre
Riffe“. Referent: Prof. Dr.
Wolfgang Kießling. Veranstalter:
Museum für Naturkunde.
Ort: Museum für Naturkunde,
Invalidenstr. 43, Mitte,
19.30 Uhr. Informationen unter
Tel. 20 93 85 91.
www.naturkundemuseumberlin.de
DDP/AXEL SCHMIDT
Denkwürdiges Gebäude: Schon
Hegel und Einstein lehrten hier.
Dienstag, 16.9.2008
erhalten Einblicke in die Geschichte der ältesten Berliner
Universität und besuchen die
Wirkungsstätten von Albert Einstein, Max Planck und anderen
Nobelpreisträgern der HU. Die
Führungen beginnen Montag bis
Samstag jeweils um 11, 14 und
17 Uhr. Tickets sind für 6 und
ermäßigt 4 Euro im Humboldtstore im Hauptgebäude, Unter
den Linden 6, erhältlich.
www.humboldt-fuehrungen.de
Kurse in Biophysik für
Abiturienten
Ab dem 16. September bietet
die Biophysikalische Schülergesellschaft monatliche Vorlesungen für Schüler der Klassenstufen 11 bis 13 an. Mit den Vorträgen soll gezeigt werden, in welchen Gebieten Biophysiker heutzutage forschen. Die Anmeldung
ist noch möglich bis zum
12. September per E-Mail unter
[email protected].
www2.hu-berlin.de/biologie/bpi/
Wie aus Bildern Waffen
werden
Im September startet die neu
eingerichtete Kolleg-Forschergruppe „Bildakt-Forschung“ an
der HU mit ihrer Arbeit. Die Wissenschaftler wollen unter der
Leitung von Kunsthistoriker
Horst Bredekamp und dem
Philosophen John Michael Krois
Prozesse erforschen, mit denen
Bilder Sinn erzeugen – als Information, Affekte und Gedanken.
Unter anderem wird dabei auch
die Instrumentalisierung von
Bildern im Irakkrieg untersucht.
HU/HEIKE ZAPPE
Vom 9. bis 30. September öffnet die Humboldt-Kinder-Uni
wieder ihre Tore. Bereits zum fünften Mal findet die Vorlesungsreihe für Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren
an der HU statt. In der Eröffnungsvorlesung am 9. September laden Wissenschaftlerinnen vom NordeuropaInstitut zu einer literarischen Entdeckungsreise durch
Skandinavien ein. Eine Woche später erklärt der Chemiker Stephan Hecht, welche Bestandteile die Luft enthält.
In der dritten Vorlesung am 23. September geht der Informatiker Joachim Fischer der Frage nach, ob Erdbeben
vorhergesagt werden können. Zum Abschluss der Kinder-Uni am 30. September gibt Xavier Bihan vom Institut
für Romanistik Einblicke in die Welt der Comics. Die Vorlesungen beginnen jeweils um 17 Uhr und finden im Audimax, Hauptgebäude, Unter den Linden 6 in Mitte statt.
Für Gruppen von mehr als zehn Kindern ist eine Anmeldung möglich. Weitere Informationen zum Programm
gibt es im Internet unter www.hu-berlin.de/kinderuni.
BIOLOGEN DER HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ERFORSCHEN DIE HERSTELLUNG VON BIOKRAFTSTOFF AUS BAKTERIEN
Dienstag, 16.9.2008
Sprit aus Blaualgen
Bisher wird Bioethanol in Deutschland aus pflanzlicher Biomasse von Zuckerrüben, Weizen oder Roggen gewonnen. Dieses Verfahren wird jedoch zunehmend kritisch betrachtet, da die Verwendung von Nutzpflanzen zur Herstellung von Biokraftstoff dazu führen könnte, dass sich die Lebensmittel verknappen und verteuern. Aus diesem Grund
beschäftigt sich ein Forschungsprojekt
an der HU mit der Gewinnung von Bioethanol durch Cyanobakterien. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt, das der
Genetiker Prof. Dr. Thomas Börner leitet, mit knapp einer Million Euro in den
kommenden drei Jahren.
Professor Börner, wie lässt sich Bioethanol aus Bakterien gewinnen?
Da gibt es zwei Möglichkeiten, mit
denen wir uns befassen. Einerseits
könnten die Cyanobakterien, die auch
als Blaualgen bezeichnet werden, als
Biomasse genutzt werden. Aus der Biomasse ließen sich dann durch weitere
Prozesse Biodiesel oder Bioethanol gewinnen. Andererseits produzieren die
Cyanobakterien auch selbst Ethanol als
natürlichen Teil ihres Stoffwechsels.
Allerdings nur geringe Spuren von Ethanol, die nicht wirtschaftlich genutzt werden können. Die Idee unseres Projekts
ist, den Stoffwechsel der Bakterien so
zu verändern, dass sie mehr Ethanol
produzieren. Das hätte den Vorteil, dass
man Bioethanol herstellen könnte, ohne
den Umweg über die Ernte und Verarbeitung von Biomasse zu gehen.
Warum konzentrieren Sie sich bei Ihrer
Forschung auf die Blaualgen?
Im Unterschied zu anderen Bakterien, von denen einige deutlich mehr
Ethanol produzieren als die Blaualgen,
sind die Cyanobakterien zur Photosynthese fähig. Auf diese Weise könnten wir
mithilfe der Cyanobakterien preiswert
das Sonnenlicht zur Herstellung von Bioethanol nutzen.
Das heißt, die Cyanobakterien brauchen
nichts weiter als das Sonnenlicht zum
Leben?
Nicht viel mehr. Blaualgen lassen
sich sehr einfach kultivieren. Am besten
im Wasser, selbst Meerwasser ist möglich. Dann muss man noch Kohlendioxid
und ein paar Spurenelemente zuführen.
Die Kulturgefäße mit den Bakterien
Vorlesung für Schüler: „Infektion einer Zelle durch InfluenzaViren – Eine biophysikalische
Sicht“. Referent: Prof. Dr.
Andreas Herrmann, Institut für
Biologie. Veranstalter: Biophysikalische Schülergesellschaft
Berlin. Ort: Institut für Biologie,
Neubau, Zentrallabor 3. Etage,
Invalidenstr. 42, Mitte,
16.15 Uhr. Informationen:
Peter Müller, Tel. 20 93 86 91.
P R I VAT
Thomas Börner (62) ist Professor für Genetik am Institut für
Biologie. Er leitet das Forschungsprojekt zur Gewinnung
von Bioethanol an der HU. Das
Projekt ist eingebettet in einen
Forschungsverbund mit den
Unis in Gießen und Freiburg,
das von der Berliner Cyano Biofuels GmbH koordiniert wird.
könnten theoretisch auch in Wüsten
oder Steppen aufgestellt werden. Dafür
müsste keine wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche verwendet werden wie
bei der Herstellung von pflanzlichem
Bioethanol. Hauptsache die Bakterien
bekommen ausreichend Licht.
Wie wollen Sie erreichen, dass die Blaualgen mehr Ethanol produzieren?
Wir müssen zuerst einmal zusammen mit Biochemikern aus unserem Institut die Stoffwechselprozesse genau
analysieren. Dabei befassen wir uns mit
Synechocystis, einem Modellorganismus unter den Cyanobakterien, dessen
Genom bereits vor mehr als zehn Jahren
detailliert erforscht worden ist. Insofern
können wir schon auf zahlreiche Forschungsergebnisse zurückgreifen. Zudem arbeiten wir eng mit Kollegen aus
der Theoretischen Biologie zusammen,
die Stoffwechselprozesse im Computer
modellieren können. Gemeinsam wollen
wir herausfinden, wie der Stoffwechsel
der Cyanobakterien funktioniert, um ihn
dann optimieren zu können.
Könnten dabei auch Stoffwechselprodukte entstehen, die uns und der Umwelt schaden?
Nein, das ist ausgeschlossen. Allerdings ist es möglich, dass bestimmte
Veränderungen im Stoffwechsel dem
Wachstum der Organismen schaden
könnten. Daher müssen wir die Prozesse im Organismus genau analysieren
und verstehen. Interview: Jan Steeger
Vortrag zur Ausstellung: „Robert Koch in Japan 1908“.
Referentin: Beate Wonde. Die
gleichnamige Ausstellung läuft
noch bis zum 21. Oktober. Veranstalter: Mori-Ogai-Gedenkstätte in Kooperation mit der
Deutsch-Japanischen Gesellschaft. Ort: Mori-Ogai-Gedenkstätte, Raum 2, Luisenstr. 39,
Mitte, 18 Uhr. Informationen:
Beate Wonde, Tel. 282 60 97.
Donnerstag, 18.9.2008
Vortrag: Wissenschaftler live im
Zoo. Thema: „Programm zur
Rettung der letzten lebendgebärenden Krötenart der Welt“.
Referent: PD Dr. Mark-Oliver
Riedel. Veranstalter: Museum
für Naturkunde, Zoo-Aquarium
Berlin. Ort: Zoo-Aquarium,
Budapester Str. 32, Charlottenburg, 20 Uhr. Informationen
unter Tel. 20 93 85 50.
K O N TA K T
Redaktion: Raufeld Medien,
Mehringdamm 57, 10961 Berlin,
Tel. 030/69 56 65-0, Fax -20,
E-Mail: [email protected]