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Mittwoch, 23. April 2014 -
Mexiko und Kolumbien verneigen sich vor Gabriel Garcia Marquez
Kultur
MEXIKO-STADT/BOGOTA (APA/dpa).
Tausende haben in Mexiko-Stadt Abschied
von Gabriel Garcia Marquez genommen.
Drei Stunden lang defilierten sie im Palast
der Schönen Künste an der Urne vorbei
(Bild). Am Ende regnete es gelbe Blütenblätter. In Aracataca im Norden Kolumbiens
fand eine symbolische Beisetzung statt. Posthum soll der Roman „En agosto nos vemos“
(„Wir sehen uns im August“) erscheinen. ©
Amores Difíciles – schwierige Liebschaften
PERSÖNLICHER NACHRUF AUF GABRIEL GARCÍA MÁRQUEZ: Gabo, das Kino, die Revolution – aber die Liebe
ON H ELMUT G ROSCHUP
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MEXIKO-STADT. Es war vor vielen Jahren am Ritten in einer Buschenschank, als mir mein
Freund Hans Kohl, der damals
noch bei Leo Kirch arbeitete, das
Angebot machte, sechs Filme, zu
denen Gabriel García Márquez
die Drehbücher schrieb, zu verleihen.
„Amores Difíciles“ eine Reihe
von Filmen von lateinamerikanischen Regisseuren, die vom spanischen Fernsehen anlässlich
des 500. Jahrestag der Conquista
produziert wurden. Darunter
war auch ein Film, in dem Hanna Schygulla eine deutsche Gouvernante für eine mexikanische
Großbürgerfamilie spielte („El
verano de la senora Forbes“ –
Sommer mit Frau Forbes).
Ich war begeistert, kannte die
Filme aus Havanna und konnte
sie gleich weitergeben an den indischen Filmemacher Shaji N.
Karun. Beim Filmfestival in Kerala wurden sie begeistert aufgenommen und Shaji widmete seinen naechsten Film dem kolumbianischen Romancier.
Kurz nach dem Ausbruch des
Booms lateinamerikanischer Literatur, verursacht durch die
Frankfurter Buchmesse 1976,
begeisterte mich ein Literaturprofessor an der Universität für
Gabriel García Márquez. Das Ergebnis war eine Analyse der kritischen Aufnahme lateinamerikanischer Literatur im deutschen Sprachraum mit all den
damals üblichen Vorurteilen.
Ich machte mich auf nach Kuba, um den Dingen auf den
Grund zu gehen. Havanna war
damals die Hauptstadt der lateinamerikanischen Filmemacher und Gabriel García
Márquez war deren Mentor.
Dort hat Gabo, wie wir ihn
Anton Christian: Der marquez’sche Engel hat ihn inspiriert.
Gabriel García Márquez beim Internationalen Film Festival 1998
nannten, gerade die Internationale Film- und Fernsehschule
gemeinsam mit Fernando Birri
und Fidel Castro gegründet. Um
den Erfolg lateinamerikanischer
Filmemacher zu wahren, richtete er auch die Stiftung „Neuer lateinamerikanischer Film“ ein,
und der Italo-Argentinier Birri
drehte den ersten Film „Un senor muy viejo con unas alas
enormes“ nach der gleichnamigen Erzählung von Gabo („Ein
sehr alter Mann mit großen Flügeln“). Der Film gewann in Venedig 1988 den Preis für die beste Filmmusik und wurde in Havanna wegen seiner Obszönität
verrissen. Eine der aufregendsten Verfilmungen eines GGM
Buches und deren gibt es viele,
so auch die von Francesco Rosi
„Chronik eines angekündigten
Todes“ (1987). Den Nordtiroler
Maler Anton Christian hat die
Geschichte vom marquez’schen
Engel zu einem wunderbaren
Bild animiert. „Gabo ist einer
meiner Lieblingsautoren“, so
Christian.
Die Verwahrlosung der interkontinentalen Kommunikation
und die Vereinnahmung lateinamerikanischer Kultur durch
Europa hatte viele Facetten und
eine hieß Solidarität mit den unterdrückten Völkern. Gabo verwies darauf in seiner Nobelpreisrede 1982.
Es war ein magisches Erlebnis
ihn neben Oliver Stone im Teatro
Karl Marx stehen zu sehen, wo er
der Eröffnung des Filmfestivals
beiwohnte, und es war wunderbar, ihm gegenüberzustehen im
Präsidentenpalast als er gemein-
Helmut Groschup
sam mit Fidel Castro die internationalen Gäste des Filmfestivals
begrüßte.
Fernando Birri, den ich als
Biograf begleitete, hat mir beide
vorgestellt. So lernte ich den Nobelpreisträger kennen, den
Freund und Redenschreiber von
Fidel Castro, den der gegen die
Einsamkeit des Subkontinents
anschrieb und mit seinem Welthit „Hundert Jahre Einsamkeit“
der lateinamerikanischen Geschichte ein Gesicht gab, das
nicht bestimmt war von kolonialer Redensart.
Aber es waren die schwierigen
Liebschaften, die Gabo entwarf,
in einer Welt der Caudillos, des
Machismo, des Fatalismus und
der Violenz, die ihn in der Welt
der Literatur und des Films beliebt machten. Gabo war ein po-
1986 wurde die Internationale Filmschule EICTV in San Antonio de los
Banos eröffnet. Im Bild Gabo, der Commandante Fidel Castro und der
Gründungvater der Schule Fernando Birri.
Foto: Archiv Fernando Birri
pulärer Schriftsteller, seine Romane hatten eine andere Dimension von Zeit und Raum,
von Politik und Privatem, vom
Verhältnis zwischen Mann und
Frau. Auf GGM passt keine Etikette und das macht ihn unsterblich. „Die revolutionäre
Aufgabe eines Schriftstellers ist,
gut zu schreiben.“ Das war sein
Credo. Gabo hat den Blick auf einen Kontinent verändert.
In der Cafeteria seiner Stiftung
wurde mir bewusst, dass Gabo
vom Kino verführt wurde und
ihn zu einem modernen Schriftsteller Lateinamerikas gemacht
hat. Er hat nie selbst Filme gemacht und auf meine Frage warum, antwortete er mir: „Für mei-
ne Romane brauche ich nur meine Schreibmaschine und für einen Film müsste ich eine ganze
Industrie bewegen.“
© Alle Rechte vorbehalten
쮿 Literatur: Fernando Birri – Kino
der Befreiung (Hrsg.: Helmut
Groschup/Renate Wurm),
Salzburg-Innsbruck-Wien 1991
(Südwind Verlag) – García
Márquez, Drehbuchautor: Amores
Difíciles (Hrsg.: Helmut Groschup)
(Südwind 1995) – „Die Rezeption
von Gabriel García Márquez in den
überregionalen Zeitungen der
Bundesrepublik Deutschland.“
Dissertation zur Erlangung des
Doktorgrades der Philosophie von
Helmut Groschup
Monumentale Klangfarben
Dem Jubilar zu Ehren
MUSIK: Festliche Klänge beim Osterkonzert der Musikkapelle Villnöß
NEUERSCHEINUNG: „Der Schlern“ widmet die April-Ausgabe Christoph Mayr
VILLNÖSS (ste). Dass Toni Profanter nach 30 Jahren den Taktstock der Musikkapelle Villnöß
niedergelegt hat, ist bekannt –
dass Hans Pircher, seit drei Jahren Kapellmeister der Bürgerkapelle Brixen, auch die Leitung
der Villnösser übernommen hat,
ebenso. Entsprechend erwartungsvoll war das „Premierenpublikum“ beim Osterkonzert,
dem ersten Auftritt der Kapelle
unter der neuen Führung.
Es ist kein Leichtes, in Profanters Fußstapfen zu treten. Pircher ist es hörbar gelungen, die
Kapelle darin zu begleiten und
eigene Spuren zu hinterlassen.
Die festlichen Bläserklänge der
„Prozession der Adeligen“ von
Nicolai Rimsky Korsakov haben
zu Beginn die musikalische
Handschrift des neuen Mannes
am Dirigentenpult erkennen lassen: auf einem breiten Harmonieteppich lässt er den Melodien
und Themen breiten Raum, um
sich entfalten zu können. Eine
ausgewogene
Klangbalance,
hervorragende Solisten, die sich
ohne Starallüren ihrer orchestralen Aufgabe unterordnen, und
Musik auf höchstem Niveau
wurden präsentiert.
Für das dreisätzige Fagottkonzert von Frigyes Hidas wird die
Kapelle auf ein kleines Kammermusikensemble dezimiert, damit die Solistin Birgit Profanter
BOZEN (bea). „Mit dem Schlern
im Herzen“ – mit diesem Titel ist
Heft 4 der Monatszeitschrift für
Südtiroler Landeskunde überschrieben. Im Mittelpunkt steht
dabei, wie die Titelseite zeigt,
Christoph Mayr, der in diesen
Tagen seinen 80. Geburtstag feiert. Josef Nössing widmet dem
Jubilar einen sechs Seiten langen Aufsatz – er charakterisiert
ihn so: „Wollte man für Christoph Mayr ein persönliches
Wappen entwerfen (...) dann
müsste man das Schild in viele
Felder teilen und versuchen, folgende Objekte in Einklang zu
bringen: Bücher, Kalender, Fotoapparat, halbvolles Schnapsund Weinglas, Pilze, Weinstock
mit Rebe, Reisetasche, Buchhaltungsunterlagen, Nudelgericht,
Kuchen, Blumen, Kräuter, Pilze
und Heilpflanzen, gute und böse
Geister, Landschafts- und Blumenbilder usw.“. Gerald Mair
würdigt den Jubilar mit dem Titel „Christoph Mayr und der Museumsverein Bozen“. Außerdem
gibt Josef Nössing ein umfangreiches „Verzeichnis der Veröffentlichungen von Christoph
Mayr“.
Erinnerungen
an
„die
Schlernrunde“ stehen im Mittelpunkt des Aufsatzes von Hans
Grießmair. „Die Schlernrunde
ist eine Art Stammtisch, insofern, als sich Leute regelmäßig
Birgit Profanter begeistert mit anmutigem Spiel, klanglicher Raffinesse
und technischer Virtuosität.
alle klanglichen und technischen Möglichkeiten ihres Fagotts ausloten und mit ihrem anmutigen Spiel begeistern kann.
Das Werk ist farbig instrumentiert und eröffnet mit der Hinzunahme von Harfe, Celesta (Keyboard) und Percussionsintrumente neue Klangwelten.
Der typische Sousa-Marsch
„Hands Across the Sea“ in rasantem Tempo leitet zu einem Höhepunkt hin. In der „Danza Sinfonica op. 117“ variiert James
Barnes spanische Tanzmusik
und fordert alle Register. Mit
technischer Virtuosität und
klanglichen Farbmustern beschreiten die Villnösser neue
Wege. Der Schweizer Armeemarsch „Bellinzona“ von Gian
Battista Mantegazzi, ein Juwel
der Europäischen Marschmusik,
dient der wohltuendenden Entspannung, bevor Gustav Holst's
„Jupiter“ aus seiner PlanetenSuite mit seinen monumentalen
Klangeffekten und Klangfarben
beeindruckt. Die einfache, würdevolle und elegante Melodie
der „Pavane pur une infante
défunte“ von Maurice Ravel in
einer hervorragenden Blasorchesterbearbeitung von Johan
de Meij und die mystisch-quirlige „Arabesque“ von Samuel R.
Hazo setzen den Schlusspunkt
auf einen grandiosen Blasmusikabend. Das Konzert wurde von
RAI Südtirol aufgezeichnet und
wird am 9. und 16. Mai um 18.05
Uhr ausgestrahlt. © Alle Rechte vorbehalten
„Der Schlern“ im April.
zu bestimmter Zeit und an einem festgelegten Ort zusammenfinden. Das geistige Band,
das diese Gruppe zusammenhält, ist die Landes- und Heimatkunde in einem nicht zu strengen Sinn“ erklärt Grießmar. Josef Nössing geht in seinem Aufsatz „Wie die Zeitschrift ,Der
Schlern' zu ihrem Namen kam...
und wie der Schlern zum Wahrzeichen Südtirols wurde“ auf die
Geschichte der Monatszeitschrift ein.
Hildegard Herrmann-Schneider widmet sich dem Thema
„Im Contrapunkt abgehaltene
Gesänge“ und „üblich gewester
Choralgesang“. Musik zur Karwoche in Tirol: Prägnante neue
Quellenfunde. Sie geht auf den
Kirchenmusiker Johann Kerer
genauso ein, wie auf den „Cantus ecclesiasticus“ und das Miserere von Anton von Mayrl.
Georg Tengler schreibt über
„Russische Kriegsgefangene in
Südtirol im 1. Weltkrieg“. Der
Autor geht auf die Gemeinden,
in denen Gefangene untergebracht waren genauso ein, wie
auf die Bauarbeiten oder die
Landwirtschaft, wo sie eingesetzt wurden. Akzeptanz in der
Bevölkerung und Überlebensstrategien sind weitere Schwerpunkte. Helmut Stampfer stellt
ein barockes Votivbild aus Lajen
vor. Er widmet seine Ausführungen dem Jubilar. Günter Niederwanger stellt „Bus de la Spia. Eine Höhle mit periodische einsetzenden Überflutungen“ vor. Die
Höhle ist seit den Jahr 1607 bekannt, der Autor stellt ihre Besonderheiten vor. Diagramme
zeigen die Überflutungen.
Abgerundet wird die lesenswerte Ausgabe von der Literaturrundschau: Erika Kustatscher
bespricht die Biografie des Nikolaus von Kues, die der Kirchenhistoriker Josef Gelmi verfasst
hat (Weger Verlag).
© Alle Rechte vorbehalten
쮿 Die Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde „Der Schlern“
ist erhältlich im Abonnement
sowie in allen Athesia-Filialen.