An Vorbildern orientieren – Dietrich Bonhoeffer - RPI
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An Vorbildern orientieren – Dietrich Bonhoeffer - RPI
An Vorbildern orientieren – Dietrich Bonhoeffer Dietrich Bonhoeffer wurde 1906 in Breslau geboren. Er studierte Theologie und wurde schließlich protestantischer Pastor. Bonhoeffer gilt als einer der entschiedensten Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Als leitendes Mitglieder der Bekennenden Kirche, einer Vereinigung die 1934 gegründet wurde und sich vor allem gegen den Ausschluss der Juden aus der Kirche, die Verfolgung und Vernichtung Behinderter und Geisteskranker, sowie gegen alle anderen vom verbrecherischen Regime in Berlin durchgeführten Gewaltverbrechen und Verbrechen an der Menschlichkeit wandte, trat er mutig und entschlossen für die Achtung der Menschenwürde ein. Als er erkannte, dass nur durch Hitlers Ermordung Millionen Menschenleben gerettet werden könnten, bejahte er den gewaltsamen Widerstand und plante gemeinsam mit anderen Weggefährten ein Attentat auf Adolf Hitler. Diese Haltung führte ihn jedoch in einen tiefen inneren Konflikt: Er war Anhänger von Gandhis Idee des gewaltlosen Widerstandes. Darum begegnete er den Nazis zunächst mit zivilem Ungehorsam, also gewaltfrei. Doch in ihm reifte die Erkenntnis, dass es Situationen gibt, in denen ein Christ aus Liebe zu seinem Mitmenschen schuldig werden muss. Wer untätig bliebe, würde größere Schuld auf sich laden. Nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944, wurde Dietrich Bonhoeffer inhaftiert und am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg umgebracht. Dietrich Bonhoeffer wurde einmal gefragt, wie er sein Mitwirken an der gewaltsamen Beseitigung Hitlers mit seiner christlichen Überzeugung vereinbaren könne. Darauf antwortete er mit einem Gleichnis: „Wenn ein Betrunkener mit seinem Auto auf der Straße herumkurvt und sich und andere gefährdet, dann kann man nicht am Straßenrand mit dem Verbandspäckchen warten, bis etwas passiert ist. Man kann nicht nur die Opfer unter dem Rad verbinden, man muss dem Rad in die Speichen fallen!" 1. Versuche zu erklären, was Bonhoeffer mit diesem Gleichnis meint! 2. Ist Bonhoeffers Handeln mit dem christlichen Glauben vereinbar? Diskutiere diese Frage mit deinen Mitschülern und stellt euer Ergebnis der Klasse vor! 3. Nenne Alltagsbeispiele, in denen man „dem Rad in die Speichen fallen muss“! Im Dezember 1944, wenige Monate vor seiner Hinrichtung, schrieb Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Die sieben Strophen legt er am 19.12.1944 dem letzten Brief an seine Braut Maria von Wedemeyer als Weihnachtsgruß bei, „... für Dich und die Eltern und die Geschwister“. Bonhoeffer schreibt von der Erfahrung, dass ein Mensch auch in den schwierigen Zeiten des Lebens "von guten Mächten" begleitet sein kann und darum zuversichtlich, ja froh bleibt. Es kommt nicht nur darauf an, ob Glück oder Unglück dem Menschen begegnen, sondern vielmehr auf die Art und Weise, wie er mit beidem umgehen kann. 4. Höre dir die vertonte Fassung des Gedichtes an! Welche Grundstimmung kommt darin zum Ausdruck? 5. An welchen Zeilen des Gedichtes kannst du erkennen, dass Dietrich Bonhoeffer einen festen Halt in seinem Glauben gefunden hat? 6. Stelle einen Zusammenhang zwischen der Karikatur und dem Gedicht her! 7. Übt das Lied in der Gruppe und tragt es der Klasse vor! Natürlich könnt ihr auch ein Instrument verwenden. © 2006 – M. Reinhardt An Vorbildern orientieren – Dietrich Bonhoeffer Von guten Mächten wunderbar geborgen Wer bin ich? Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben, und mit euch gehen in ein neues Jahr. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten. Noch will das Alte unsre Herzen quäle, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das Du uns geschaffen hast. Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und geliebten Hand. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen? Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg? Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann woll'n wir des Vergangenen gedenken, und dann gehört Dir unser Leben ganz. Lass warm und hell die Kerze heute flammen, die Du in unsre Dunkelheit gebracht, führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang. Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend uns am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! ... der nächste Schritt: Im Gedicht „Wer bin ich?“ fragt Bonhoeffer zuerst, wie seine Mitmenschen ihn sehen um schließlich selbst herauszufinden, wer er ist. Vergleiche diese beiden Sichtweisen miteinander! Stelle eine Zusammenhang zwischen Psalm 139,1-3.8-10.13-14 und der letzten Zeile des Gedichtes her! Schreibe ein eigenes Gedicht mit dem Titel „Wer bin ich“! Schau dir den Film „Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ an. Informiere dich über das Leben und Wirken Dietrich Bonhoeffers! Jemand hat mal gesagt: „Dietrich Bonhoeffer ist ein Heiliger mit schmutzigen Händen“. Was könnte damit gemeint sein? © 2006 – M. Reinhardt