Raimon Panikkar: Gott Mensch und Welt • Gott - RPI

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Raimon Panikkar: Gott Mensch und Welt • Gott - RPI
Raimon Panikkar: Gott Mensch und Welt
 Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit. Hg. Roland Ropers. Petersberg: Via Nova 1999,
212 S.
 La experiencia filosófica de la India. Trotta Parádigmas 16. Madrid: Trotta 1997, 191 S.
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 Iconos del mistério. La experiencia de Diós. Barcelona: Ed. Península 1999 , 125 S.
Deutsche Ausgabe: Das Göttliche in Allem. Der Kern spiritueller Erfahrungen. Aus dem Katalanischen
von Ruth Heimbach. Herder Spektrum 4971. Freiburg u.a.: Herder 2000
Bereits im RIG-Band „Engel-Elemente-Energien“ haben wir uns über die Wichtigkeit der Arbeit Raimon
Panikkars (geb. 1918) für ein pluralistisches Verständnis religiöser Heilswege geäußert (R. Kirste/ H. Schröter/
U. Tworuschka: RIG 2/1992, S. 549-555). Die vorliegenden Bücher vertiefen und erweitern das damals Gesagte,
insofern sie den religiösen Weg Panikkars bestätigen. Er hat ja von sich gesagt, dass er als Christ fortging, sich
in Indien als Hindu fand, als Buddhist zurückkehrte und bei allem Christ blieb. Wir erinnern uns: Er ist der Sohn
einer spanischen (katholischen) Mutter und eines indischen (hinduistischen) Vaters, der nach vielen
Wegstationen besonders in Asien und Amerika nun zurückgezogen im Angesicht der Pyrenäen im katalonischen
Tavertet lebt.
1992 haben wir folgende Bücher besprochen: Der unbekannte Christus im Hinduismus (1964, deutsch 1965),
Den Mönch in sich entdecken (deutsch 1989), Der Weisheit eine Wohnung bereiten (deutsch 1991), Der neue
religiöse Weg (deutsch 1990, amerikanische Ausgabe 1978: The intra-religious dialogue).
Weitere wichtige Titel sind m.E. das schon 1979 erschienene Werk: Rückkehr zum Mythos (Frankfurt/M. 1992).
Entscheidend zum Verständnis ist bei allem jedoch Panikkars anthropologisch ausgerichtete Trinitätslehre, was
schon im Titel eines Buches zum Ausdruck kommt: Trinität. Über das Zentrum menschlicher Erfahrung (1989,
deutsch: München 1993). Über seine Nähe zum Buddhismus klärt auf: Gottes Schweigen. Die Antwort des
Buddha für unsere Zeit (1970, deutsch: München 1992 mit guter Literaturübersicht). Das beste
Literaturverzeichnis für die Zeit von 1944-1993 bildet ein Buch, das als Hommage an Panikkar zu verstehen ist:
Joseph Prabhu (Hg.): The intercultural challenge of Raimon Panikkar. Maryknoll, NY: Orbis 1996. Auch das
menschlich sehr sympathisch wirkende, aber inhaltlich nicht so konvergierende Streitgespräch mit Pinchas
Lapide sei angemerkt: Meinen wir denselben Gott? (München 1994).
Den für diese Rezension zusammengestellten Büchern kommt bereits eine Aufsatzsammlung nahe: Invisible
harmony: essays on contemplation & responsibility. (Mahwah, NJ: Paulist 1978), denn gerade in Aufsätzen und
kleineren Beiträgen bricht sich das Ungewöhnliche im Denken des Dialogikers Panikkar Bahn. Das ist m.E.
darum in dem vom Freund Roland Ropers herausgegebenen Band „Gott, Mensch und Welt“ offenkundig, weil
Panikkar an einer scheinbar traditionellen dogamtischen Formel festhält: Der Trinitätslehre. Diese Formulierung
verschiebt aber schon die eigentliche Intention: Es geht Panikkar nicht um die Lehre, sondern um das „Symbol“
der Trinität. Die von Ropers ausgewählten Beiträge aus verschiedenen deutschen Veröffentlichungen und einer
Rede Panikkars zwichen 1967 und 1996 kreisen letztlich alle um die Drei-Einheit der Wirklichkeit, d.h. um eine
Neuinterpretation der indischen Advaita-Vedanta-Lehre mit christlicher Konnotation. Diese Neuintepretation
geschieht dialogisch zwischen Christentum und Hinduismus (S. 19-28), taucht in mannigfaltigen Facetten in den
Beispielen aus der Korrespondenz auf (S. 29-68), um dann in ihren kosmologischen-psychologischen
Zusammenhängen zur Sprache zu kommen (Die kosmotheandrische Intuition, S. 69-121). Himmel und Erde,
Mensch und Gott, Universum und Seele gehören untrennbar zusammen!
Die welt-ethische Konsequenz (lange vor Hans Küngs Weltethos) ist eine ökologisch ausgerichtete Spiritualtät,
die die unzulänglichen naturwissenschaftlichen Kategorien von Naturerkenntnis zugunsten eines neuen
„ökosophischen“ Umgangs erweitert und in der Hinsicht vertieft, dass die Natur als „unser“ Leib erfahren wird.
Diese neue kosmotheandrische, ökosophische Spiritualität lebt aus dem Geheimnis, über das man nicht reden,
sondern vor dem man nur noch schweigend anbeten kann (Kap. 5: Die Macht des Schweigens, S. 135-148) und
auf die Panikkar versucht, einige hermeneutische Lichtstrahlen gebündelt zu richten: Im Hören der Stille, im
Aktivieren des dritten Auges, werden wir zu Empfangenden einer neuen Schöpfung, die die Unzulänglichkeiten
unseres unfreien Daseins und einer geknechteten Welt transzendiert (S. 146f). Theologische Formulierungshilfe
bildet dabei das Neuentdecken der Funktionen von Vater, Sohn und Geist, Ikonen des Geheimnisses, die
zugleich Gotteserfahrung sind, wie das spanische Buch „Iconos del misterio“ zum Ausdruck bringt.
Auf verschiedenen Wegen zeigt Panikkar Möglichkeiten neuer Spiritualität auf (Kap. 7, S. 175-211), die in
religiösen Begegnungen, basierend auf Glaube, Hoffnung, Liebe eine Nachhaltigkeit, ihre menschlichen
Ausdrucksformen entwickeln. So wird Gott erfahrbar, eingebunden in die jeweilige religiöse Tradition, gleichzeitig
aber nicht nur offen für die anderen Traditionen, sondern vielmehr so, dass die Heilskraft der Gotteserfahrung
ihre Blüten aus dem jeweiligen Nährboden entlässt, aber nicht die einzelne Blume macht die Wiese, sondern erst
alle zusammen. In dieser Weise plädiert Panikkar für die Gleichwertigkeit der Religionen im religiösen
Pluralismus, aus christlicher Sicht jedoch so, dass Christus nicht den Christen allein gehört, sondern allen
Menschen.
Genau dieses Wandern zwischen den Welten, die doch ganz ein-deutig eine Welt sind, zeigt Panikkar auch in
den beiden spanischen Büchern, eher Büchlein, deren Dichte, jedoch manches Druckseiten starke Werk an
Erkenntnis übertrifft, weil es ihm gelingt, Sprachhilfe für das zu geben, was eigentlich nicht möglich ist: Das
Unsagbare zu sagen. Dies wurde und ist für Panikkar aber offensichtlich nur dadurch möglich, dass sein
indischer „Vaterboden“ ihm auch philosophische Sprachmuster bereitlegt, deren Transponierung Interkulturaltät
auf spiritueller Ebene ermöglicht.
In „la experiencia filósofica de la India“, die philosophische Erfahrung Indiens, schreibt er, dass er mindestens
die Hälfte seines Lebens damit zugebracht hat, was es interreligiös bedeutet, dass niemand über seinen eigenen
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kulturellen Schatten springen kann. In meinem Verständnis baut Panikkar mit diesen „Schattenerfahrungen“ von
Ost nach West und umgekehrt Konvergenzen auf, die in dem Begriffspaar Karma-Gnosis kulminieren.
Die non-dualistische Advaita-Theologie kommt ihm dabei als Movens zu Hilfe. Es hat sich in der europäischamerikanischen Debatte um Religionen und Philosophien Indiens als verhängnisvoll herausgestellt, dass der
Westen nur allzu gern von indischer Philosophie redete und die theologischen Implikationen entweder
unterschlug oder nicht zur Kenntnis nahm. Gegen diesen Fehler geht Panikkar an und nimmt auf diese Weise
auch selbst verändert sein frühes Werk von 1964 „Der unbekannte Christus im Hinduismus“ (Mainz: Grünewald
1990, 2. Aufl.) wieder auf. Seine interreligiös ausgerichtete Theologie wird zur Philo-Sophia, Liebe zur Weisheit,
die sich nicht menschlich vereinnahmen lässt, sich aber menschlich auswirkt und zur Demut führt, die alle
großen Philosophen sich vergegenwärtigten, wenn sie nach langem Suchen und Klassifizieren entdecken, dass
sie eigentlich nichts wissen.
Wir verneigen uns vor dem Geheimnis, das unsere Wirklichkeit ist. Ewigkeit und Zeit kommen in einem größeren
„Gesamt“ zusammen. „The Real“, wie John Hick sagen würde, umfasst die Ebenen der Immanenz und
Transzendenz. Dieses lässt sich in einer „Kosmo-Vision“ flüchtig schauen, aber es gibt nicht höherwertige Orte in
einzelnen Religionen, wo diese Schau effektiver wäre. Vielmehr lohnt es, das Geheimnis der Gotteserfahrung an
den verschiedenen indischen und westlichen Begrifflichkeiten systematisch durchzuspielen, oder, um es
mythisch zu sagen: Die Götter Indra und Isis bewegen sich auch heute zwischen Himmel und Erde. Ihre
Symbole und ihre mythischen Geschichten sind für uns, die heute Nachfragenden und Suchenden,
Anhaltspunkte, tiefer in das Gehieminis dessen einzudringen, was die Einheit der Wirklichkeit in Vergangenheit,
Gegenwart, Zukunft, von Zeitalter zu Zeitalter und von Ewigkeit zu Ewigkeit ist.
An dieser Stelle schließt fast nahtlos das Buch: „Ikonen des Geheimnisses“ an, weil es - um es wiederum mit
John Hick und seinem neuesten Buch „The fifth dimension“ (1999, vgl. hier in RIG 6 die Rezension) zu sagen,
die Mystik das Überschneidungsfeld ist, in dem sich Göttliches und Menschliches begegnen. Es ist überhaupt
erstaunlich, wie der einer eher rationalistisch-pluralistischen Theologie zugeordnete Brite in eine (wahrscheinlich
so nicht wahrgenommene) Nähe zu dem spanischen Inder und indischen Spanier gerät.
Auf der einen Seite betont nämlich Panikkar, dass es auf Grund der menschlichen Begrenztheit keine
Gotteserfahrung geben kann. Alle Theo-Logie im Sinne einer ich-bezogenen Annäherung, die letzte Wirklichkeit,
jenseits der Immanenz menschlichen Lebens zu ergründen, führt in eine Sackgasse; aber es gibt einen
dreifachen Horizont in dem das Göttliche (la divinidad) erscheint: Glaube als Lebensfaktor (fé), Handeln (acto),
und Glaubensüberzeugung bzw. Glaubensidentität (creencia). Hier werden nicht theologische Konzepte
verhandelt und weltanschauliche Möglichkeiten ausgelotet, sondern das Symbol (und in einer Reihe von
Aussagen Panikkars auch das Sakrament) schafft gewissermassen einen Rahmen, in dem sich der Mensch dem
Göttlichen und das Göttliche dem Menschlichen annähert.
Ich meine zu merken, dass man diesem Büchlein die Entstehung im Kontext des Klosters von Silos anmerkt (für
Vorträge und Konferenzen, die dort gehalten wurden). Es bedient sich christlicher Konnotationen und
Sprachmuster, was Panikkar auch ausdrücklich betont. Was jedoch hier im Blick auf Gotteserfahrung
ausgesprochen wird, bleibt weder exklusiv noch inklusiv für eine Religion reserviert und hat gleichzeitig seine
besonderen Rahmenbedingungen:
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Man kann von Gott nicht ohne zeitweise innere Stille reden oder einen Diskurs führen.
Über Gott kann man nicht wie über andere Dinge reden.
Die Rede von Gott bzw. ein „Gottes-Diskurs“ betrifft unser ganzes Sein.
Es gibt keine Rede von Gott und keinen Diskurs „über“ Gott ohne irgend eine Kirche, Religion oder
Glaubensüberzeugung.
Die Rede von Gott ist ein Diskurs, der immer durch eine Glaubensüberzeugung vermittelt ist.
Nicht ein Konzept von Gott wird diskutiert, sondern ein Symbol (das selbst die Wirklichkweit ist und sie nicht
nur bedeutet).
Die Rede von Gott ist ein Diskurs, der aus vielfältigem Samen erwächst und sich ana-logisch strukturiert.
Es gibt viele Symbole des Göttlichen, Gott ist nicht das einzige Symbol für Gott (vgl. hier die Nähe zu Paul
Tillich).
Die „sachgemäße“ Rede von Gott führt notwendiger Weise ins Schweigen zurück.
Bedenkt man diese Thesen weiter so wird die Bedeutung Jesu von Nazareth für die Rede von Gott und jeden
Diskurs zum besseren Verstehen des Gottesgeheimnisses offenkundig. Jesus ist der besondere Beitrag des
Christentums zur Annäherung an die „fünfte Dimension“. An ihm und seiner Gottesbeziehung (Gott als „Du“, man
denke an Martin Buber) kommt das zum Ausdruck, aber auch in dem theologischen Versuch des Paulus u.a. ihn
als Gottes-Sohn zu bezeichnen. Nur in diesem Rahmen gibt es besondere Orte, Zeiten und Situationen, die
Erfahrung Gottes in den Bereich des Bewusstseins rücken. In diesem Zusammenhang kommt Panikkar wieder
auf die trinitarischen Bezugpunkte in anthropologischer Auslegung zu sprechen (man denke an
Schleiermacher!): Vater, Sohn und Heiliger Geist, umschlossen vom Atem des Göttlichen (brahman) bringen alle
theologischen Versuche zum Verstummen und öffnen Augen („das dritte Auge“), und Ohren, um im Schweigen
den Anhauch des Göttlichen, und beim Anschauen der Symbole des Göttlichen, Gotteserfahrung zu machen.
Panikkar macht sich die Sprachtraditionen christlicher Theologie zunutze, spiegelt jedoch das Geheimnis des
Göttlichen in anderen Denkhorizonten. Dies führt dazu, dass Gotteserfahrung nicht für bestimmte Religionen
oder spezielle religiöse Menschen reserviert bleibt, sondern vorurteilsfrei der gesamten Schöpfung gilt.
Hier entdecken wir ein Kontinuum im Denken eines Welt-Theologen, wie man vielleicht Panikkars
Grenzüberschreitungen oder Transzendierungen bezeichnen könnte. Wie schön, dass „Die Ikonen des
Mysteriums“ unter dem Titel Das Göttliche in Allem im September 2000 auch auf deutsch in einer sehr
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ansprechenden Übersetzung erschienen sind. So werden auch für die deutschsprachigen Leserinnen und Leser
„Essentials“ für neue Möglichkeiten der Spiritualität benannt. Panikkars asiatisch-europäische Bezüge zur
Gotteserfahrung wissen sich immer dem göttlichen Grunde verpflichtet. Es wäre in diesem Zusammenhang
lohnend, einen Vergleich mit dem Buch von Paul Schwarzenau: Ein Gott in allem (Interreligiöse Horizonte, IH 5.
Köln: Böhlau 1999) vorzunehmen. Nicht nur die Titel lassen solche Nähe vermuten. Zwei Grenzgänger, die sich
noch nie begegnet sind, finden im Staunen angesichts der Gotteserfahrung erstaunliche Worte.
Reinhard Kirste
Überarbeitete Fassung der in RIG 6 (2000): Hoffnungszeichen globaler Gemeinschaft erschienenen Rezension
(dort S. 526-53).
Bearbeitung: Rezens/Rz-Panikkar, 17.03.08
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