Wo südliche Früchte und kräftige Rotweine reifen
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Wo südliche Früchte und kräftige Rotweine reifen
Wo südliche Früchte und kräftige Rotweine reifen Das milde Klima rund um Freinsheim beeinflusst das Pflanzenwachstum Genussvoller Süden: Granatäpfel wachsen nicht nur unter der Sonne des Mittelmeerraumes, sondern auch in der Pfalz. Stephanie Oberholz zieht in der elterlichen Gartenbaumschule in Freinsheim eine ganze Reihe von Pflanzen, die man sonst nur aus dem Urlaub kennt. Die Pfalz ist von der Sonne verwöhnt. Das milde Klima tut nicht nur den Menschen gut, sondern hat auch Einfluss auf die Pflanzen, den Obst- und den Weinbau. So schön und kräftig wachsen und gedeihen Blumen und Bäume, so aromatisch reifen Trauben und Aprikosen kaum anderswo in Deutschland. Das macht sich die Urlaubsregion Freinsheim zunutze. Es ist die Region, in der Zitronen blühen, Feigen reifen und sich der toskanische Flieder rosarot vom azurblauen Himmel abhebt. Wo man sich schon im April auf der Terrasse sonnt und an lauen Abenden 4 bis weit in den Herbst hinein mit Freunden im Garten zusammensitzt. Wenn die Leute hier nicht „sauschää“ statt „splendidamente“ sagen und „Woi“ statt „vino“ einschenken würden, wähnte man sich im sonnigen Italien. Die Deutsche Weinstraße – und damit auch die Urlaubsregion Freinsheim – wird immer wieder mit der Toskana verglichen. Hier ist es besonders sonnig, besonders warm und vor allem besonders trocken. Die Rheinebene mit ihren Ausläufern gehört zu den klimatisch begünstigten Regionen Deutschlands. Im Durchschnitt ist es dort immer ein paar Grad wärmer als im Rest der Republik. Rund fünf bis zehn Prozent mehr Sonnenstunden als das lang- jährige Mittel beispielsweise am Berghang des Kraichgaus oder der Westpfalz zählt man dort. Das gilt auch für das Klima rund um Freinsheim. „Was man allerdings merkt, ist das Kleinklima“, sagt Dr. Wolfgang Lähne. „Gerade im Gebiet um Freinsheim gibt es viele Mulden und dort herrschen andere Temperaturen“, sagt der Diplom-Meteorologe von Klima-Palatina (s. Infokasten Seite 7) weiter. In den Talausläufern, die aus dem Pfälzer Wald kommen, sammelt sich nachts die kalte Luft, wodurch eine höhere Nebelund Frostgefahr besteht, während es auf den sogenannten Riedeln, den schmalen, flachen Geländerücken zwischen den Mul- Andrea I. Andrea Schick, 26 Pfälzische Weinprinzessin, Studentin „Das milde Klima und die leichten Böden der Region bringen einen herausragenden Cabernet Sauvignon hervor. Doch auch andere Pflanzen reifen hier prima: beispielsweise Kiwis und Feigen (die der Opa so gerne nascht). Und weil so viele Leute Olivenbäume haben, gibt es inzwischen sogar spezielle Schnittkurse für die mediterranen Bäume.“ den, stets ein bisschen wärmer bleibt. Die langgestreckten Höhenzüge sind daher die bevorzugten Weinlagen. Zu dem ohnehin schon milden Klima kommt der weltweite Wandel, der auch im Weinbau nicht ohne Folgen bleibt. „Der Beginn der Lese hat sich im Vergleich zu früheren Jahren um etwa zehn Tage nach vorne verlegt und die Trauben treiben zeitiger aus“, sagt Edwin Schrank aus Dackenheim. Der Präsident des Weinbauverbandes Pfalz sieht darin die Chance, früher zu ernten und internationale Rebsorten wie Merlot, Chiraz oder Cabernet Sauvignon zur vollen Reife zu bringen. Denn davon, dass statt 50 Sommertage, also Tage, die Temperaturen von 25 Grad Celsius oder mehr erreichen, inzwischen eher 55 bis 60 pro Jahr gezählt werden, profitieren vor allem Rotweinsorten. Kerngesundes Laub und ebensolche Trauben, viele eingelagerte Aromastoffe – laut Schrank konnten die Winzer im vergangenen Jahr sehr dankbar sein, „mit dem, was ihnen der Herrgott beschert hat“. „Die Trauben waren selten so schön und gesund“, sagt der Weinbaupräsident. Zu den wirklichen Besonderheiten des Klimas am Haardtrand zählt ein leichter Föhneffekt. „Es ist wie eine Mini-Ausgabe des trocken-warmen Fallwindes, wie er in den Alpen vorkommt“, sagt Lähne. Zum anderen gehört das Gebiet von Freinsheim bis nach Grünstadt zu den sogenannten Trockeninseln Deutschlands. Es ist das Gebiet mit dem geringsten Niederschlag Duftige Auswahl: Es gibt inzwischen viele Zitrusgewächse, die in der Region wachsen und reifen – mit oder ohne Winterschutz. Von der Sonne verwöhnt: In der Region rund um Freinsheim ist es sonniger, wärmer und trockener als in anderen Teilen der Pfalz. 5 in ganz Süddeutschland. Mit nur rund 500 Litern pro Quadratmeter im Jahr (oder umgerechnet 500 Millimeter Niederschlag im Jahr) regnet es gerade einmal halb so viel wie im Pfälzer Wald (900-1000 Millimeter im Jahr) und noch weniger als im Odenwald, wo jährlich 1200 Liter pro Quadratmeter Niederschlag erfasst werden. „Die Niederschlagshäufigkeit unterscheidet sich allerdings nicht so deutlich“, sagt der Meteorologe von Klima-Palatina. Wolken gibt es über Freinsheim fast gleichermaßen wie über Kaiserslautern, nur tropft an der Weinstraße lange nicht so viel Regen heraus. Die Trockenheit macht den Pflanzen zum Teil sehr zu schaffen. Die Obstbauern ebenso wie die Baumschulen und Gärtnereibetriebe müssen den fehlenden Regen ausgleichen und stärker bewässern. Die Vorderpfälzer Bauern in der Ebene können teilweise mit mehreren Ernten pro Saison vom warmen Klima profitieren. „Für uns macht das keinen Unterschied“, sagt Stephanie Oberholz. Sie arbeitet in der vierten Generation zusammen mit ihren Eltern in der 1900 von ihrem Urgroßvater Heinrich Oberholz gegründeten Baumschule in Freinsheim. Dort kümmert sie sich mit fünf Angestellten auch um die EdelobstPlantagen, wo vornehmlich Äpfel, Birnen, Mirabellen, Zwetschgen und Aprikosen reifen. Doch auch wenn Familie Oberholz keine Mehrfachernten einfährt, so hat sie sich Melanie I. Melanie Hubach, 27 Weinprinzessin Erpolzheim, Fotografenmeisterin „Wieso sollte man woanders Urlaub machen, wenn man das schönste Klima vor der Tür hat? Bei uns wachsen nicht nur Feigen, Kiwi und Zitrusfrüchte. Es reifen auch Esskastanien und vor allem hervorragender Wein! Ich liebe das Klima und die Natur in dieser Region – eben einfach die Vielseitigkeit unserer Pfalz.“ das besondere Klima der Region zunutze gemacht. Schaut man sich auf dem rund ein Hektar großen Gelände am nordwestlichen Rand Freinsheims um, dann sieht man Feigen, Granatapfelbäume, Kakipflanzen und Zitrusfrüchte. „Wir haben uns auf Südpflanzen spezialisiert“, sagt Gertraud Oberholz. Dazu gehört eben auch das Obst, das sonst nur in Ländern des Mittelmeerraumes reift. Vor rund 40 Jahren hat die Familie erstmals von Reisen südländische Pflanzen mitgebracht, im heimischen Garten eingesetzt oder in Kübeln gezogen. Aus einer privaten Liebhaberei für Zitrusgewächse hat sich im Laufe der Jahre ein auf über 165 Sorten angewachsenes Sortiment angesammelt. Das hat sich herumgesprochen und die Leute kommen weit über die Region hinaus, um die passende Palme, Zypresse, einen Seidenbaum oder Zitronenpflanzen, die man im Urlaub so schön fand, für den eigenen Garten zu kaufen. Dass Bananen, Kakis, Pistazien und Mandarinen in der Urlaubsregion Freinsheim gedeihen, liegt zum einen am besonderen Klima. Die richtige Pflege spielt aber eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Aufgrund des wenigen Niederschlags sind die Pflanzen härter gewachsen und reifen stärker aus. Daher muss man im Sommer kräftig gießen, im Herbst jedoch bereits das Wasser drosseln. So haben auch Paul und Gertraud Oberholz viele Jahre ausprobiert und immer Warten auf den Winter: Im Gartenbaubetrieb Gebrüder Sauer werden Weihnachtssterne für den Großhandel gezogen. 6 wieder neue Sorten auch im Freien getestet. Frostige und lange Winter haben zu mancher Enttäuschung geführt. Und doch ergaben sich daraus eben jene Erfahrungen, die sie heute an ihre Kunden weitergeben können. Zum Beispiel, wie man Bananen erfolgreich überwintert: abschneiden, ein mit Noppenfolie überzogenes Kalthaus darüberstellen und den Boden mit einer elektrischen Heizung an den kritischen Tagen frostfrei halten. Als besonders geeignet für den deutschen Winter gilt die Zierzitruspflanze „Citrus Poncirus Trifoliata“. Sie kann man sogar im Freien bei bis zu Minus 20 Grad Celsius ausgepflanzt lassen. Im Kurgarten in Bad Dürkheim steht seit Jahren ein solches Exemplar. Und in Freinsheim stehen entlang der Straßen die für den mediterranen Raum typischen Steineichen. Auch sie trotzen den eisigen Temperaturen in der kalten Jahreszeit. Weniger unter dem Winter, als vielmehr unter heißen Sommertagen leiden die Pflanzen des Gartenbaubetriebes Gebrüder Sauer in der Nähe von Erpolzheim. Auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern wachsen überwiegend Beet- und Balkonpflanzen unter einer beheizbaren Hochglasfläche. Dazu kommt ein etwa halb so großes Freilandgelände. Das besonders milde Klima der Region ist für Wolfgang Sauer eher zweitrangig, denn unter dem Glasdach wird die Temperatur konstant gehalten. Zusammen mit seinen zwei Brüdern Heinz und Karl-Wilhelm hat Wolfgang Sauer den 1950 vom Vater gegründeten Betrieb übernommen. Die Familiengärtnerei an der Straße zwischen Ungstein und Erpolzheim hat sich auf die Belieferung des Großhandels mit Topfpflanzen wie Hortensien, Chrysanthemen und Weihnachtssternen spezialisiert. Etwa 1,5 Millionen Pflanzen verkaufen die Gebrüder Sauer jährlich in einem Gebiet zwischen Karlsruhe, dem Odenwald, der Rhein-Main-Region und Kaiserslautern. Einen großen Unterschied aufgrund des begünstigten Pfalz-Klimas zu anderen vergleichbaren Anbaugebieten, wie man sie beispielsweise am Niederrhein findet, sieht der gebürtige Kallstadter Wolfgang Sauer nicht. Und doch hat die begünstigte Lage auch auf seine Pflanzen Einfluss. „Vielleicht macht es sich im Frühjahr etwas bemerkbar, weil wir früher mit der Freilandkultur beginnen können“, sagt Sauer. Und: „Bei uns scheint die Sonne im Sommer schon sehr kräftig, dann wird es unter dem Glasdach schnell sehr heiß.“ Italienische Gartenfreuden: Neben mediterranen Pflanzen bringen auch die passenden Accessoires ein Stück Urlaub nach Hause. Info Klima-Palatina e.K. ist ein Büro für meteorologische Dienstleistungen. Die Diplom-Meteorologen und Dipolm-Geographen bieten Wettervorhersagen, Wetteranalysen und geben Auskünfte zum Klima. Daneben verfügt Klima-Palatina über ein großes Archiv mit Dokumentationen von Wetter- und Klimadaten. Das Klimadatenarchiv der Region umfasst mit täglichen Werten inzwischen mehr als 200 Jahre. Auch aktuelle regionale Wettervorhersagen und Unwetterwarnungen werden nicht nur von Winzern und Bauern gerne angefragt. Um Daten zu erfassen, wurden im Bereich der Vorder- und Westpfalz mehrere Klimastationen gegründet. Neben der Gartenbaumschule Oberholz in Freinsheim und dem Gartenbaubetrieb Gebrüder Sauer nahe Erpolzheim gibt es in der Urlaubsregion weitere Betriebe rund um Pflanzen: Garten- und Landschaftsbau Hege Stefan, Weisenheim am Sand Weilbrenner Bernd, Freinsheim Baumschule Hüther, Weisenheim am Sand 7