Ein Traumfinal

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Ein Traumfinal
Neuö Zürcör Zäitung
46 SPORT
Samstag, 7. Juni 2014 ^ Nr. 130
Ein Traumfinal
CARNET DE PARIS
Hoch,
höher, Halep
Am French Open spielen Rafael Nadal und Novak Djokovic um den Titel und die Weltnummer 1
Die zwei besten Tennisspieler
der Gegenwart kämpfen am
French Open im sonntäglichen
Final um einen hohen Einsatz:
Der Spanier Nadal kann die
Nummer 1 nur mit einem 9. Titel
behaupten, der Serbe Djokovic
diese nur mit einem Sieg erobern.
Jürg Vogel, Paris
Ob zu Land (Sand, Hartbelag), zu Wasser (feuchte, langsame Courts im Nieselregen) oder in der Luft (Volley,
Überkopfspiel), im sonntäglichen Final
(SRF 2, 15 Uhr) stehen sich die Besten
des Fachs gegenüber, und zwar erstmals
in Paris: der Titelhalter Rafael Nadal
und sein ewiger Herausforderer Novak
Djokovic (vgl. Grafik). Es sind dies die
zwei führenden Professionals mit der
höchsten Durchschnittsleistung auch an
schwächeren Tagen. Der Spanier peilt
eine weitere Bestmarke an, den 9. Titel
in Roland-Garros, eine Vorlage, die für
Jahrzehnte unerreichbar zu sein scheint.
Für beide Athleten sind die Einsätze
und Erwartungen hoch. Der Linkshänder Nadal kann die Führung im ATPRanking nur mit einem Sieg behaupten,
Djokovic als Nummer 2 wird diesen
Lead nur mit dem ersten Erfolg seit
dem 7. Oktober 2013 zurückerobern.
Dem Serben gelänge mit einem Sieg der
Karriere-Grand-Slam, als achter Spieler
hätte er damit in seiner Laufbahn alle
vier Majors gewonnen.
Im richtigen Moment zeigte freilich
vor allem Nadal einen Formanstieg (ein
Setverlust nur im ganzen Turnier), obschon dessen Leistung in den letzten
Wochen oft kritisiert wurde. Im Halbfinal zerstörte der Mallorquiner mit
Wucht und Topspin den körperlich
etwas stumpfen Schotten Andy Murray
(6:3, 6:2, 6:1). Nadal machte fast doppelt
so viele Punkte wie sein Gegner. Mit der
Rückkehr des warmen Wetters wird die
Effizienz im Spiel des Iberers grösser,
da die Topspin-Bälle vom Boden höher
wegschleudern.
Djokovic unendlich konstant
Auf französischem Territorium fühlt
sich auch Ernests Gulbis wohl. In Marseille Indoor im Frühjahr stand er im
Endspiel, in Nizza auf Sand gewann er
den Titel, und am French Open erlebte
er den vorläufigen Karrierehöhepunkt.
Der 25-jährige Lette kämpfte im Halbfinal gegen seinen früheren Jugendfreund Djokovic verbissen, aber mehr
als ein Satzgewinn lag gegen den Turnier-Mitfavoriten nicht drin (3:6, 3:6 ,6:3
Gian-Franco Kasper
bleibt FIS-Präsident
Eine Abfuhr an Lenzerheide
(si) ^ Der Bündner Gian-Franco Kasper
wird dem internationalen Skiverband
(FIS) weitere vier Jahre als Präsident
vorstehen. Am Kongress in Barcelona
wurde der 70-Jährige für seine bereits
sechste Amtszeit bestätigt. Schon seit
1998 steht Kasper als Präsident an der
Spitze der FIS, nachdem er zuvor 23
Jahre lang als Generalsekretär gewirkt
hatte. Kontinuität hat in der FIS Tradition. Kasper ist nach dem Schweden
Ivar Holmquist (1924 bis 1934), dem
Norweger Nicolai Ramm Östgaard
(1934 bis 1951) und seinem Landsmann
Marc Hodler (1951 bis 1998) erst der
vierte Präsident des Skiverbandes.
Nicht gewählt wurde am Kongress
Lenzerheide als Veranstalter des alpinen Weltcup-Finals 2017. Aspen im USGliedstaat Colorado erhielt den Zuschlag. Die Bündner mit OK-Präsident
Silvano Beltrametti, die im März zum
fünften Mal die abschliessenden Weltcup-Rennen organisierten, hätten den
Anlass auch in den Jahren 2017, 2019
und 2021 gerne durchgeführt. So ist derzeit ungewiss, ob Lenzerheide als Weltcup-Ort überhaupt noch Zukunft hat.
Die Freude über den Finaleinzug ist für Rafael Nadal in Paris riesengross und kaum zu fassen.
3:5). Gulbis gelangen zwei Servicedurchbrüche, er versuchte mit giftigem
Winkel-Spiel ein Feuerwerk zu zünden,
aber ennet dem Netz stand der Meister
der kühlen Konstanz.
Bei hoher Temperatur, die Spieler
benützten während der Seitenwechsel
Eis-Wickel, erspielte Djokovic den Vorteil von 114:102-Punkten. Er erarbeitete
sich doppelt so viele Breakbälle wie der
Gegner. Eine Frage der Erfahrung
auch, spielte doch der Serbe bereits den
22. Halbfinal an einem Major, Gulbis
seinen ersten. Dessen Trainer, der Österreicher Gunter Bresnik, hatte vor
dem Match prognostiziert, der spielerische Hubraum des aufstrebenden Talents liege noch 20 bis 15 Prozent tiefer
als jener der Weltnummer 2. Ganz an
der Spitze sind es die Details, die einen
Match kanalisieren können.
Gulbis bereichert die Szene, ja ein
neuer Star ist angekommen. Für einen
Mitläufer, der vor mehr als einem Jahr
in den Niederungen des ATP-Rankings
rangierte (Nummer 138) und dem die
Der Männer-Final am French Open
Rafael Nadal
Geburtsdatum:
Nationalität:
Grösse:
Gewicht:
Spielhand:
Auf der Tour seit:
3. 6. 1986
Spanien
185 cm
85 kg
Links
2001
ATP-Ranking:
Einzel-Titel:
Doppel-Titel:
Grand-Slam-Titel:
Preisgeld total:
1
63
8
13
68 240 345 $
Head-to-Head-Bilanz der beiden Finalisten
22
Total-Siege
19
7
an Grand-Slam-Turnieren
3
7
auf Hartplatz / Indoor
14
2
auf Rasen
1
13
auf Sand
4
QUELLE: ATP
Novak Djokovic
Geburtsdatum:
Nationalität:
Grösse:
Gewicht:
Spielhand:
Auf der Tour seit:
22. 5.1987
Serbien
188 cm
80 kg
Rechts
2003
ATP-Ranking:
Einzel-Titel:
Doppel-Titel:
Grand-Slam-Titel:
Preisgeld total:
2
44
1
6
61215 267 $
NZZ-INFOGRAFIK / lea.
YOAN VALAT / EPA
Mutter geraten hatte, er solle doch mit
dem Tennis aufhören, war Paris nun
eine Reise wert. Er verbessert sich von
Platz 17 erstmals in die Top Ten (Platz
10), und dies muss nicht unbedingt die
Endstation sein.
Spielerische Trouvaille
Der aus einer wohlhabenden Familie
stammende Lette sagte offen, er spiele
nicht wegen des Preisgelds. Sein Antrieb sind die Emotionen, das Flair fürs
Tennis. Spielerisch ist er eine Trouvaille,
mit dem Handgelenk beschleunigt Gulbis die Bälle vor allem auf der Rückhand meisterhaft. Der Mann aus Jurmala beherrscht weiter sowohl das
Cross- wie das Longline-Spiel, kompletter etwa als Roger Federer. Zudem hat
er abseits der Courts das Gleichgewicht
gefunden, wichtig für einen, der schon
wegen allerlei Intermezzi eine Nacht in
Stockholmer Polizeigewahrsam verbrachte. Den Humor verlor er nie. Das
Gerücht, er fliege im Helikopter des
Vaters durch die Gegend, konterte Gulbis so: «Dann habe ich noch ein U-Boot
und ein Raumschiff.» Im Tennis fliegt er
mit Sicherheit einen Kurs hoch über
einem Grossteil der Konkurrenz.
Zitternde Muskelpakete
Mit dem Stoos-Schwinget beginnt die Saison der Bergkranzfeste – und der Höhepunkt naht
ajk. ^ Einigen Schwingern schlottern
vor dem Stoos-Schwinget die Knie.
Nicht wegen der Kämpfe im Sägemehl,
obwohl es dort meist hart zur Sache
geht. Das sind sie gewohnt. Auch nicht
wegen der Teilnehmerliste, obwohl diese meist eindrucksvoll ist, heuer sogar
imposant. Den Schwingern schlottern
die Knie, weil nicht alle frei von Höhenangst sind – und die Anreise auf den
Stoos mit den Bergbahnen erfolgt.
Berner klare Favoriten
Der Stoos-Schwinget ist mit 1300 Metern zwar nicht das höchstgelegene
Bergfest, das findet jeweils auf der Rigi
statt, auf 1600 Metern. Aber traditionsgemäss wird auf dem Stoos die Saison
der Bergkranzfeste eröffnet. Sechs davon gibt es, Stoos, Schwarzsee, Rigi,
Weissenstein, Brünig und Schwägalp,
und ein Kranzgewinn an einem dieser
Anlässe ist ein besonderer Verdienst.
Ein Sieg ist natürlich noch bedeutender – für Vertreter des organisierenden
Teilverbandes, weil ein Triumph in der
Heimat immer etwas Einprägsames ist,
und für auswärtige Teilnehmer, weil sie
nur alle paar Jahre mittun können.
Denn an Bergfesten werden jeweils
alternierend andere Teilverbände eingeladen. Dieses Jahr sind die Berner
und Südwestschweizer bei den Innerschweizern auf dem Stoos zu Gast.
Das gemeldete Aufgebot der Berner
ist beeindruckend: Die Schwingerkönige Matthias Sempach und Kilian Wenger sowie der Kilchberg-Sieger Christian Stucki treten an, zudem sieben weitere Eidgenossen: Matthias Siegenthaler, Simon Anderegg, Matthias Glarner,
Thomas Sempach, Beat Wampfler,
Bernhard Kämpf, Willy Graber und
Beat Salzmann. Kein Wunder, dass bei
einer solchen Ausgangslage die Sitzplätze längst ausverkauft sind. Auch
wenn die Innerschweizer ebenfalls gute
Schwinger am Start haben, scheint der
erste Berner Sieg seit Adrian Käser
1993 höchst wahrscheinlich.
Einige der Schwinger sind allerdings
noch nicht auf dem Leistungsmaximum
angekommen, Christian Stucki zum
Beispiel hat heuer noch kein Kranzfest
gewonnen. Der Saisonhöhepunkt naht
zwar, steht aber erst in drei Monaten an.
Am 7. September findet auf dem Gut
«Uf Stocken» mit Blick auf den Zürichsee der Kilchberg-Schwinget statt, die
exklusivste Veranstaltung des Traditionssports. Nur alle sechs Jahre findet
das Fest statt, nur die 60 besten Kämpfer dürfen teilnehmen, und die 12 500
Zuschauer erhalten ihre Tickets auf
Einladung der Schwingklubs.
Kein Aussetzer erlaubt
Noch warten die technischen Leiter der
Teilverbände mit den Selektionen für
den Kilchberger zu. Schwinger, die sich
im bisherigen Saisonverlauf noch nicht
gross in Szene setzen konnten, müssen
also um eine Teilnahme zittern. Die
Bergkranzfeste bieten eine gute Gelegenheit, sich zu empfehlen. Wer
schliesslich an den Kilchberger-Schwinget darf, der hat die grösste Hürde aber
noch vor sich: Es gibt nur sechs Gänge,
nicht acht wie bei einem Eidgenössischen – mit einem Aussetzer ist man
quasi schon aus dem Rennen. Bei dieser
Ausgangslage zittern dem einen oder
anderen Muskelpaket vielleicht etwas
die Nerven. Aber immerhin ist die Anreise ohne Bergbahn möglich.
Rod Ackermann ^ Wenig kommt dem
Vergnügen gleich, ein athletisches Ausnahmetalent bei jener Art von Aufstieg
zu beobachten, der in der phantasievollen Sprache der Sportjournalisten
unweigerlich als kometenhaft bezeichnet wird. Egal, ob die 22 Jahre junge
Simona Halep am Samstag in RolandGarros die «Coupe Suzanne Lenglen»
in die Höhe stemmen wird oder ob es
gegen Maria Scharapowa eine Niederlage absetzt, die vierte in bisher vier Begegnungen: Im Ranking der nächsten
Woche belegt die 1,68 Meter grosse
Draufgängerin bereits Platz 3. Dies erfreut nicht zuletzt Haleps mächtigen
Schirmherrn und Landsmann, den grimmigen Antlitzes am Court in seiner
Loge thronenden Ion Tiriac. Sie wäre 36
Jahre nach Virginia Ruzici, ihrer jetzigen Managerin, die zweite Rumänin,
die das French Open gewinnt.
Als sich Simona vor fünf Jahren in
Paris im Juniorinnenturnier durchsetzte,
wurde ihr eine grosse Zukunft vorausgesagt. Aufsehenerregend gross – und
offenbar ein wichtigeres Diskussionsthema – war damals allerdings ihre
Oberweite, doch die wurde wenig später
operativ korrigiert. Erleichtert um die
zwei Hemmnisse, begann Halep den
langen Marsch nach oben. Sie knackte
vor eineinhalb Jahren die Top Fifty,
hatte Ende 2013 den 11. WTA-Rang erreicht und drang im Januar in Australien
erstmals in einen Major-Viertelfinal vor.
Jetzt liegt nach einem Parcours ohne
jeglichen Satzverlust der Gipfel in
Reichweite. Hoch, höher, Halep.
Klein, aber athletisch, schnell auf
den Beinen und von imposanter Schlagkraft, ohne Allüren beziehungsweise
Gestöhn und Geschrei: Simona Halep
könnte als Modell für jene Generation
dienen, die im Begriffe steht, das Frauentennis aufzumischen. In den Top Ten
– Durchschnittsalter: 29,7 Jahre – ist die
Rumänin die Jüngste. An die Türe
klopft auch die Kanadierin Eugenie
Bouchard, mit der Scharapowa im
Halbfinal ihre liebe Mühe hatte. Die
Russin, im Final von heute favorisiert,
sah auf einmal alt aus.
Dritter Titel in Serie
als EM-Ziel
Schweizer Fechter in Strassburg
jeg. ^ Mit den Degen-Einzelwettkämpfen der Männer beginnen am Samstag
die Europameisterschaften im Fechten.
Aus Schweizer Sicht liegt in Strassburg
der primäre Fokus aber auf dem Mannschaftswettbewerb von kommendem
Mittwoch, wird doch nach 2012 und
2013 der dritte Titelgewinn in Folge angestrebt. Kein verwegenes Ziel, wie der
Blick auf die bisherigen Weltcup-Turniere in diesem Jahr zeigt. Die Equipe
mit Fabian Kauter, der Nummer 2 der
Weltrangliste, Max Heinzer (12) und
Benjamin Steffen (35) gewann heuer
bereits in Heidenheim und Paris. Wie
schon in der französischen Kapitale ist
nun auch im Elsass Peer Borsky Ersatz,
ein Degenfechter aus der aufstrebenden, jungen Zürcher Gilde.
Im Fechten geht der kontinentale
Titelkampf jedes Jahr über die Bühne.
2015 wird aus Anlass des 100-jährigen
Bestehens des Schweizer Fechtverbandes Montreux (6. bis 11. Juni) der Austragungsort sein. Auch dannzumal soll
der Titelkampf zum guten Pflaster für
die Schweizer Degenfechter werden.
Olivier Carrard, der Präsident von Swiss
Fencing, war schon 1982 Europameister, den ersten Teamerfolg erzielten die
Schweizer (Kauter, Steffen und der
nachmalige Olympiasieger Marcel Fischer) 2004 auf Madeira. 2007 war
Fabian Kauter sodann EM-Dritter in
Gent, Max Heinzer gewann Bronze
2011 in Sheffield und 2012 in Legnano.
Bei den Schweizer Fechterinnen ruhen die Hoffnungen in Strassburg auf
Tiffany Géroudet. Die Walliserin gewann 2011 überraschend den EM-Titel
und liess zu Jahresbeginn mit einem
Weltcup-Sieg aufhorchen.

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