Die Chronik des Mühlbauernhofs

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Die Chronik des Mühlbauernhofs
Die Chronik des Mühlbauernhofs
Unser Ruhpoldinger Talkessel, seit altersher auch Miesenbacher Tal genannt,
wurde vor etwa 150000 Jahren vom Inn- und Salzach-Ferneis sowie den örtlichen
Gletschern des Rauschbergs, des Unternbergs und des Hochfellns geformt und
gestaltet. Aus frühgeschichtlicher Zeit wissen wir, dass der Chiemgau bis Ende
des 5. Jahrhunderts n. Chr. der römischen Provinz Noricum angehörte. Provinzhauptstadt war das nahegelegene Juvavum, das heutige Salzburg.
Mit der zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. sehr langsam
einsetzenden Besiedelung des
Tales durch die Bajuwaren begann wohl die eigentliche Geschichte unserer Ruhpoldinger
Vorfahren. Im 7. Jahrhundert
kamen Mönche des Hl. Rupert,
er war erster Salzburger Bischof,
zur Christianisierung auch in den
Chiemgau. Bayernherzog Tassilo
III. holte später auch noch den
Benediktinerorden in unser Gebiet.
Dank der überragenden geschichtlichen Aufgabe, die die Benediktiner über Jahrhunderte hinweg bei uns
erfüllten, waren diese Klöster auf den Chiemseeinseln und ihre Stiftskirche im
nahen Baumburg, bis zur Säkularisation 1803, der geistige, wirtschaftliche und
kulturelle Mittelpunkt unserer Heimat. 1245 n. Chr. kam der weitaus größte Teil
des hiesigen Gebietes zum Herzogtum „Baiern“ und verblieb seitdem ununterbrochen beim weiß-blauen Freistaat.
1450 erhielt unser Dorf den ersten eigenen Priester. 1467 ließ die Oberin von
Frauenchiemsee zum Bau der neuen Klosterkirche den berühmten Ruhpoldinger
Rotmarmor aus dem nahegelegenem Steinbruch brechen. Auch König Ludwig
II. ließ für einige seiner Münchner Prachtbauten roten Marmor aus unserem Tal
verarbeiten. Die Türbögen und Säulen des Mühlbauernhofes sind ebenfalls aus
diesem besonders wertvollen Material gefertigt.
Eine der frühesten Beschreibungen des Mühlbauernhofes stammt aus dem Jahre
1553 als erstmals ein „Klement an der Mühle“ erwähnt wird. 1570 wird das erste
hiesige Forstamt errichtet und Valentin Partenkirchner von Herzog Albrecht V.
als Forstmeister eingesetzt. Anno 1619 erfolgte die Gründung des Holzknechtvereins, den es heute noch gibt! 1633 nahmen einige Ruhpoldinger Bauern am
- erfolglosen - Bauernaufstand im Oberland teil und kamen mit ziemlichen Blessuren zurück.
Ein Kriminalprotokoll vom 18. Dezember 1677 überliefert uns, dass in Salzburg
eine gewisse „Mayer Maria, aus dem bairischen Ruhpolding als Hexe prozessiert
und verbrennet wurde.“ 1702 wurden vom Dorf aus, im Verlauf der Erbfolgekriege,
mehrere Verteidigungsmaßnahmen an der nahen Tiroler Grenze organisiert. Was
aber nicht viel nützte, denn kurz darauf drangen die gefürchteten österreichischen Panduren bis zu uns vor und „hauseten dort gar schröcklich!“ Sie brannten zuallererst die Erzschmelze
am Rauschberg und anschließend
alle örtlichen Amtsgebäude nieder...
1729 wurden große Teile des
Mühlbauernhofes neu errichtet.
Zu dieser Zeit trat Karl Albrecht
die bayerische Regentschaft
an. Der Kurfürst, mit einer kaiserlichen Habsburger Tochter
verheiratet, hoffte fest, beim
Aussterben des Habsburger
Mannesstammes reichlich erben und eventuell auch noch
Kaiser in Wien werden zu können. Zu seinem großen Ärger
kam jedoch durch den österreichischen Kaiser Karl VI. die berühmte „Pragmatische Sanktion“ zustande, die auch eine weibliche Thronfolge, in diesem
Fall durch seine Tochter Maria Theresia, ermöglichte. Unser Kurfürst hatte
dafür kein Verständnis und begann Krieg mit Österreich. Er verlor - und musste im Frieden von Füssen große Teile unserer bayerischen Heimat abgeben...
Womit bewiesen ist, dass auch in früheren Zeiten unsere bayerischen Regierungen nicht immer nur die besten Einfälle und Ideen hatten....
1738 gibt es die erste quellenmäßige Nachricht über einen Lehrer im Ort. 1757
wird die, das Dorf hoch überragende, St. Georgskirche nach langjähriger Bauzeit
vollendet.
In dieser Zeit wurden, wohl im Auftrag des Salzburger Erzbischofs Leopold Graf
Firmian (berühmt - berüchtigt durch seine gnadenlosen Protestantenvertreibungen) die beiden großen Malereien an der Vorderfront des Mühlbauernhofes von
italienischen Künstlern, die am Dom in Salzburg arbeiteten, ausgeführt. Sie stellen, mit toskanischem Hintergrund, Hl. Maria und Hl. Joseph dar. Das Salzburger
Domkapitel war Jahrhunderte lang Grundherr des Hofes und seine geistlichen
Mitglieder verlebten wohl lange Zeit ihr „Sommerfrische“ in unserem Dorf.
Der Mühlbauernhof gilt heute mit seinen außergewöhnlich imposanten Ab-
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messungen und seiner zahlreichen baugeschichtlichen Details als besonders
gut gelungenes Beispiel eines Einfirsthofes in der regionalen Ausprägung des
Chiemgaus. Aufgrund seines lokalhistorischen (Salzburger Dombesitz!) und
landschaftsbestimmenden Ranges wurde der Hof schon sehr früh unter Denkmalschutz gestellt.
Als am 14. Dezember 1800, im Zuge
der napoleonischen Kriegsjahre, die
berühmte große Kanonande der Stadt
Salzburg begann, waren in Ruhpolding und im nahen Inzell zahlreiche
französische Truppenteile einquartiert
um den Nachschub zu organisieren.
Die dunklen Kriegsschatten Anfang
1800 streiften dann erneut das Tal und
den Mühlbauernhof. Österreich hatte
Frankreich und dem mit ihm verbündeten Bayern den Krieg erklärt. Tirol,
das 1806 als Kriegsbeute, neben der
Königswürde an die Münchner Herzöge,
von Bayern „eingemeindet“ wurde, war
mit der bayerischen Regentschaft, sehr zu Recht, unzufrieden und ergriff 1809
unter Andreas Hofer die Waffen zum Volksaufstand.
In unserem „Maria-Theresia-Zimmer“ waren mehrere französische Offiziere einquartiert, um von hier aus einen kriegerischen Einmarsch in Tirol zu organisieren.
Mit einer Kompanie Franzosen und der Heeresgruppe des berühmten Generals
von Wrede drang man dann im Oktober 1809 über Reit im Winkl bis nach Melleck
vor und konnte dort den mutigen Freiheitskämpfern eine schwere Niederlage
beibringen. Die Tiroler Volkserhebung war nur kurze Zeit erfolgreich und wurde letztendlich unter sehr großen Opfern auf beiden Seiten niedergeschlagen.
Ein höchst ungutes Kapitel unserer bayerischen Geschichte!
1812 zogen 15 Ruhpoldinger, der französischen Kriegstrommel folgend, mit Napoleon nach Russland. Keiner von ihnen kehrte in seine Heimat zurück...
Im Herbst des Jahres 1835 wurde vom königlichen Forstamtsaktuar Ferdinand
Klein der letzte deutsche Braunbär am Schwarzachenbach in der Nähe des Dorfes
erlegt. Dieser berühmte „Ruhpoldinger
Bär“ steht heute, ausgestopft und klimatisiert, im Naturkundemuseum des
Schlosses Nymphenburg in unserer
Landeshauptstadt. 1864 erhalten die
Bürger des Dorfes ihre erste eigene
Poststation und am 9. Mai 1895 wird
der alte Postwagen abgelöst und die
Eisenbahnlinie in die nahe Kreisstadt
Traunstein höchst prunkvoll eingeweiht.
Vom 27. bis 29. Juni 1914 feierte der
Ruhpoldinger Veteranenverein mit einem glanzvollen Fest sein 100-jähriges
Bestehen. Die Feierlichkeiten wurden
durch die Nachricht von der Ermordung
des österreichischen Thronfolgers Ferdinand in Sarajewo jäh unterbrochen! Die
schrecklichen Folgen dieses Attentats sind ja bekannt!
Im Frühjahr 1933 begann in Ruhpolding die erste Epoche des deutschen Pauschaltourismus. Die Reichsregierung belegte, um Devisen zu sparen, alle Österreichtouristen mit einer Zwangsabgabe von 1000.- RM. Sofort stoppte das Reisen
über die Grenzen schlagartig! Nach diesem Regierungserlass suchte der Berliner
Reiseveranstalter Dr. Carl Degener kurzfristig ein Ausweichquartier für seine
urlaubenden Gäste, die er bisher ins Salzburger Land, nach Hallein, gebracht
hatte. Durch einen Bekannten kam er mit Ruhpolding in Kontakt. Seine Anfrage
an die Gemeinde, ob innerhalb weniger Tage 500 Betten zur Verfügung gestellt
werden könnten, eine große Blaskapelle vorhanden sei, Schuhplattlerabende und
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Bauerntheater geboten werden könne, wurde nach einer Sondersitzung des Gemeinderats mit dem Telegramm: „Ruhpolding ist einverstanden!“ beantwortet.
Schon im ersten Jahr kamen 3000 Gäste mit den Sonderzügen des Dr. Degener ins
Tal, 1934 waren es bereits 9000! Dr. Degener ließ den Gastwirten und Köchinnen
beibringen wie die einheimische Küche aufbereitet werden muss ...“damit sie auch
den Berliner Gästen mundet!“
Und so begann dann recht schwungvoll der Aufstieg unserer kleinen Bauerngemeinde zu einem Zentrum des deutschen Fremdenverkehrs. Die „Tourismuskarriere“ Ruhpoldings ist dann allerdings durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges schnell
abgebrochen, aber selbst 1943 gab es
noch „Fremde“ die ihren Urlaub bei uns
verbrachten. Während dieser Zeit (unter
persönlichem Schutz des Fürsten Botho
zu Stolberg - Wernigerode, dem Hauseigentümer) lebte auch der politisch
strengstens verfolgte, später aber hoch
geehrte, Schriftsteller Kasimir Edschmid
im 2. Stock des Mühlbauernhofes.
Nach dem Kriege ging zuerst gar nichts
mehr mit dem Fremdenverkehr, der
ja die Haupteinnahme unserer Bevölkerung war. Alle Betten waren für
Flüchtlinge und Ausgebombte beschlagnahmt. Und wieder griff Dr. Degener ein,
organisierte erneut Reisen und Ferienaufenthalte in Ruhpolding und es begann
der zweite große touristische Anlauf unseres kleinen Dorfes bis hin zum wohl
bekanntesten aller deutschen Ferienorte.
1949, als sich Pläne zerschlugen im Mühlbauernhof ein Kinderheim oder ein
Pferdegestüt einzurichten, kam ein kleines Kaffee ins Haus. Die Betreiberin, Frau
Richardis von Somnitz, war mit ihren kleinen Kindern von Ostpreußen nach Ruhpolding geflohen und unternahm nun, ohne jede gastronomische Ausbildung und
mit recht wenig Ahnung von Kochen und Backen, die verantwortungsvolle Aufgabesich hier eine neue Existenz aufzubauen. Nicht selten passierte es, dass die
ersten Feriengäste mitbekamen, wie unerfahren sie als Konditorin und Bäckerin
war und sie sich dann hilfreich in die Backstube drängten um ihr Ratschläge und
neue Backrezepte zukommen zu lassen.
Eines Tages kam ein Gast dessen Leibspeise gefüllte Windbeutel waren und zeigt
ihr wie diese zubereitet werden. Als sie Tage später ihren ersten „Alleinversuch“
mit diesem komplizierten Brandteiggebäck unternahm, gab sie viel zu viel von der
Teigmasse auf die Backbleche. Sie hatte schlichtweg vergessen, dass sich die
„Teiglinge“ beim Backen enorm vergrößern würden! So entstanden dann, durch
Zufall, die ersten gigantischen „Riesenwindbeutel“. Gefüllt mit Schlagrahm,
den ihre Kinder von den Bauern der
Umgebung holten, war das Gebäckstück
eine unglaubliche Köstlichkeit in den
Nachkriegsjahren. Diese Windbeutel
wurden dann die Attraktion des Kaffees
und trugen ihr den Namen „Windbeutelgräfin“ ein.
1977 übernimmt Familie Grill die „Windbeutelgräfin“ und baut sie im Laufe der
Jahre zur jetztigen Größe aus.
Familie Stemmer übernimmt 2014 die Windbeutelgräfin und fühlt sich der Tradition des Hauses eng verbunden. Einer Tradition von der sie hofft, dass sie es ihr
auch in Zukunft erlauben wird, der wohltuenden konservativen Beharrlichkeit und
Vernunft unserer Vorfahren nachzuleben. Denn wie schrieb schon unser Pfarrer,
Herr Hochwürden Eder, im Jahre 1927: „... dieses Ruhpolding ist ein vom Schöpfer
reich geschmücktes Fleckchen Erde. Aber was dieses oberbayerische Gebirgsdorf
besonders stark auszeichnet, ist die Ursprünglichkeit, welche seine Bewohner
bislang sich bewahrt haben!“
Helmut Stemmer mit Tochter Stefanie
Windbeutelgräfin
Historisches Bauernhauskaffee
Branderstraße 23 I 83324 Ruhpolding
I e-mail [email protected]
Fax 0 86 63-13 32 I internet www.windbeutelgraefin.de
Telefon 0 86 63-16 85

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