ISPE auf Europa

Transcrição

ISPE auf Europa
ISPE auf Europa-Kurs?
Die erste ISPE Europe Annual Conference setzt ein Zeichen für mehr Europa in der ISPE
Seit November 2013 ist Dr. Thomas Zimmer Europamanager der ISPE und stemmt in diesem Jahr die erste europäische ISPEJahreskonferenz. Im Gespräch mit PharmaTEC erläutert er, warum die europäischen Behörden in der ISPE jetzt mehr mitreden und wie die Konferenz ein neues Qualitätsbewusstsein befördern will.
Das Gespräch führte die Stellvertretende Chefredakteurin PharmaTEC Anke Geipel-Kern.
??Herr Zimmer, die ISPE wird als sehr amerikanisch dominiert wahrgenommen. Ist diese erste ISPE Europe Annual Conference ein Zeichen dafür,
dass die Bedeutung Europas innerhalb des Verbandes wächst?
Zimmer: Die ISPE wird tatsächlich immer noch als sehr US-zentriert wahrgenommen. Doch die Erkenntnis, dass es nötig ist, sich mehr nach Europa
zu orientieren und auch mehr zuzuhören, ist gewachsen. Es würde sonst sicher auch keinen Europamanager geben. Mittlerweile hat die ISPE erkannt, dass Lösungen, die in Amerika gut funktionieren, nicht 1:1 nach Europa übertragen werden können. Schaut man sich den EC-GMP-Guide an,
sieht man wie viele Kapitel in Überarbeitung sind. Da kommt viel Arbeit auf uns zu. Verglichen mit der FDA ist die EMA sehr viel aktiver und vor
allem auch sehr viel spezifischer. Die GMP-Grundprinzipien sind sich zwar sehr ähnlich, unterscheiden sich aber durchaus im Detail. Diese Unterschiede werden, aller Harmonisierungsbemühungen zum Trotz, eher größer als kleiner. Die Europäer haben sich dank der mittlerweile tonangebenden EMA deutlich von den Amerikanern emanzipiert. Das zeigt, dass z.B. die australischen und die chinesischen Regeln entscheidend vom
EC-GMP-Guide beeinflusst sind. Das alles trägt dazu bei dass, bei der Erarbeitung von Lösungen auch die ISPE nicht mehr automatisch die FDA als
Weltstandard gesehen wird und alle anderen müssen sich unterordnen. Europa spielt hier inzwischen eine ganz entscheidende Rolle.
??Wo liegen denn die wesentlichen Unterschiede zwischen Amerika und USA?
Zimmer: Das beginnt schon damit das es in Europa ein komplett anderes regulatorischen System. Zwei Beispiele dafür: In Europa ist die Produktregistrierung überwiegend national organisiert. Etwa 80 bis 85 % aller Arzneimittel sind national zugelassen, bei der EMA sind lediglich 15 bis 20 %
zugelassen. Die EMA führt auch keine Inspektionen durch. Inspektionen sind Ländersache und damit in der Hand der lokalen Behörden, wie etwa
der Regierungspräsidien oder der Gesundheitsämter.
??Das beherrschende Konferenzthema ist die Frage: Wie lässt sich Effizienzsteigerung mit einem neuen Qualitätsgedanken verbinden? Wo
klemmt es momentan in der Branche?
Zimmer: Viele internationale Pharmunternehmen kämpfen momentan mit Qualitätsproblemen. Die Inspektionsbehörden urteilen kritischer und
finden in den Betrieben viele Mängel, die dazu führen, dass die Betriebe nicht GMP-compliant sind. Es wird offenbar nicht so gearbeitet, wie es
die Regularien vorsehen und wie es der Interpretation der Behörden entspricht. Gerade die FDA scheut deshalb auch vor drastischen Maßnahmen
nicht zurück. Werke werden auch bei schwieriger Versorgungslage geschlossen, sodass es zum Teil zu Medikamentenengpässen in der Bevölkerung kommt. Das betrifft die Forschende Pharmaindustrie genauso wie die Generikahersteller oder die OTC-Hersteller.
??Wie will die Konferenz zu einer Verbesserung der Qualitäts-Situation beitragen?
Zimmer: Unsere Botschaft ist ganz eindeutig. Qualitätsprobleme sind nicht durch die Qualitätsabteilung allein zu lösen. In einem Pharmabetrieb
hängen alle voneinander ab. Alle Funktionen der technischen Ebene: Produktion, Qualitätssicherung, Qualitätskontrolle, Logistik und Ingenieure
müssen gemeinsam in einen interdisziplinären Dialog treten und an der Verbesserung der Qualität arbeiten. Qualität muss von vornherein im
Prozess verankert werden und kann nicht nachträglich hinein geprüft werden. Wir wollen deshalb alle Funktionen innerhalb des Betriebes ansprechen.
??Höhepunkte der Konferenz sind das Executive Forum am ersten Tag und die Plenarvorträge des darauffolgenden Vormittags. Welche Themen
werden hier behandelt?
Zimmer: Während des Executive Forums und der Keynotespeaches behandeln wir die großen Herausforderungen in der Pharmazeutischen Produktion. Es geht um Marktrealisierung, Supply-Chain-Kontrolle und die Frage: Wie kann man durch fehlende Compliance hervorgerufene Medikamentenengpässe verhindern? Letzteres ist Thema der Mc Kinsey-Experten, die auf zehn Jahre Erfahrung mit ihrer Probos-Datenbank zurückblicken. Sie
behandeln das spannende Thema: Wie kann der als Zielkonflikt wahrgenommene scheinbare Widerspruch zwischen Lean Production und Compliance aufgelöst werden? Plenarsprecher Prof. Dr. Wolfram Carius, Sanofi Frankfurt, wird die Herausforderungen in der Biopharmazeutischen Industrie
beleuchten. Ein weiteres Highlight wird der Vortrag von John Pinion von Roche sein. Roche wird im Augenblick innerhalb der Community als sehr
innovativ wahrgenommen, als Unternehmen, das es geschafft hat, seine Qualitätssicherungssysteme komplett zu neu aufzustellen.
??Und worum wird es in den Parallelsessions gehen?
Zimmer: Schwerpunkte der Parallelsessions sind Quality by Design, Quality Risk Management und die Facilities of the Future. Beispielsweise behandeln wir das Thema Single Use wir in den Sessions Quality Risk Management und Facility of the Future. Hier stellen wir an praktischen Beispielen dar, wie man eine Umstellung von konventionell auf Single Use durchführt, also ein Post Approval Change Management aufbaut und wie eine
Kostenrechnung aussehen kann. Wenn man nämlich durch solche Ansätze die Validierung vereinfachen kann, spart das unter Umständen eine
Menge Kosten. Natürlich wird es auch um neue Ansätze für die kontinuierliche Produktion gehen. Schwerpunkt ist die Biotechnologie.
„Mittlerweile hat die ISPE
erkannt, dass Lösungen, die
in Amerika gut funktionieren
nicht 1:1 nach Europa übertragen werden können.“
Dr. Thomas Zimmer
Zur Person:
Dr. Thomas Zimmer
Thomas Zimmer bekleidet seit November 2013 das Amt des Europamanagers der ISPE und ist
in dieser Funktion für die Organisation der ersten Jahreskonferenz mit verantwortlich. Er hat
an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt/Main Pharmazie studiert und hier in
Pharmazeutischer Technologie promoviert. Von 1981 bis 2013 war er bei Boehringer Ingelheim in verschiedenen Positionen im In- und Ausland tätig u.a. in der Pharmazeutischen
Entwicklung, der Produktion, im nationalen und internationalen Qualitätsmanangement – zuletzt als Head of Pharma Operations bei Boehringer Ingelheim in Frankreich. Seit August 2013
ist er CEO & Managing Director bei ZS.CTIS Consulting. Hier beschäftigt er sich mit Compliance,
GMP, GDP, Qualitätssicherung, Produktion, Entwicklung, Supply Chain-Fragen, der Organisation
von Geschäftsprozessen und dem Coaching des operativen Managements. Er arbeitete in
diversen Verbandsgremien der internationalen Pharmacommunity z.B. in verschiedenen
Working Groups im Bereich Manufacturing und Qualität der EFPIA und der ISPE.