DIE OLSENBANDE DREHT DURCH
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DIE OLSENBANDE DREHT DURCH
PETER DEHLER DIE OLSENBANDE DREHT DURCH unter Verwendung aller 13 Olsenbandenfilme von Erik Balling und Henning Bahs 1 Peter Dehler schrieb diese Fassung für das Staatstheater Cottbus Uraufführung: 23. August 1997, Regie Peter Dehler PERSONEN Egon Benny Kjeld Yvonne Kommissar Jensen Assistent Holm Dynamitharry Victor Bang Johansen Polizeichor, Leibwächter, Geheime Staatssekretäre PROLOG – Es wird dunkel. Wir hören nur einen gezupften Kontrabaß. Es klingt sehr kriminalistisch. Spot auf Vorhang. Eine kleine dänische Fahne und eine Hand werden sichtbar. 1. Schauspieler tritt auf. Er trägt, wie alle Schauspieler während des Prologs, noch kein Kostüm, sondern einen Bademantel und dazu passende Hauslatschen. Zaghaft geht er an die Rampe. Er hält einen Monolog auf dänisch und verteilt dabei die Fähnchen an das Publikum. Geht über den Steg hinter dem Publikum ab. – Spot wandert wieder auf den Vorhang. Einsatz Schlagzeug. Wieder eine Hand. Diesesmal mit Tuborgbier. 2. Schauspieler tritt auf. Zieht hinter sich einen Kasten Bier. Geht an die Rampe, leert die Flasche auf ex. Die Musik soll die Mühe des Trinkens illustrieren. Wie der erste spricht er dänisch und verteilt dabei das Pils an das Publikum. Geht ab. – Spot. Vorhang. Klavier dazu. Melone. 3. Schauspieler. Er hat viele Melonen. Bevor auch er dänisch spricht, zaubert er aus seinem Mund eine Zigarre hervor. Rampe. Dänisch. Wirft Melonen ins Publikum. Aus der letzten Melone holt er einige Zigarren und wirft diese ins Publikum. Ab. – Spot. Vorhang. Banjo dazu. Hebammentasche. 4. Schauspieler. Er hat riesige Angst. Schweigt deshalb auf dänisch. Holt aus seiner Hebammentasche unendlich viele Gummihandschuhe heraus und schmeißt sie ins Publikum. Will schnell ab. Da fällt ihm ein, daß er noch was vergessen hat. Kommt zurück. Holt das Talkum aus der Tasche und pudert das Publikum. Ab. – Spot. Vorhang. Klarinette dazu. Eine gelbe Socke. Sie muß entsetzlich stinkend aussehen. 5. Schauspieler. Er hält in jeder Hand einen Strumpf. Masochistisch spielt er mit der Erwartungshaltung des Publikums, daß auch die Socken ins Publikum fliegen. Irgendwann zieht er sie sich an und ab. – Spot. Vorhang. Endloser Zirkuswirbel. Dabei öffnet sich der Vorhang. Das Gefängnis Olsens wird sichtbar. Das Tor öffnet sich. Wirbelende. Musiker (Anzählend.) 1,2, 1,2,3,4 – Jetzt knallt das erste Mal das berühmte Olsenbandenmotiv los. Egon erscheint. 1. DIE BEGRÜßUNG Egon tritt aus dem Tor. Unter dem Arm trägt er ein kleines Paket. Er atmet die Luft der Freiheit. Er begrüßt mit großer Geste das Publikum. (Break in der Musik. Geräusch eines um die Ecke quietschenden Autos.) Kjeld (Beide hinter dem Publikum auf dem Steg. Geräusch von klappenden Autotüren. Beide natürlich mit Fähnchen winkend. Benny und Kjeld animieren auf dezente, intelligente Weise das Publikum mitzuwinken.) Er ist schon da. Egon. Dich schickt der Himmel. Benny (Er hält ein Lenkrad in der Hand.) Mächtig gewaltig. Ganz der Alte, bloß noch älter. (Musik geht weiter. Sie fallen sich in die Arme, stecken Egon eine neue Zigarre in den Mund, bewerten sehr auffällig und hoffnungsfroh das kleine Paket. Sie steigen in das imaginierte Auto. Türenklappen. Gehen bzw. Fahren in berühmter Olsenbandenreihenfolge ab. Reifenquietschen.) 2. HOLM, JENSEN Jensen Empörend, skandalös, einfach schamlos. Holm Obendrein schreiben sie den Namen des Chefs noch mit F, jeder weiß, er schreibt sich mit PH. Jensen Ah, nicht mal schreiben können sie, und sie leben vom Schreiben, nicht mal schlecht, wenn sie nicht gerade Sitzung machen von ihrer Gewerkschaft. Journalisten nennen die sich, du meine Güte. Ungebildet und arrogant diese Bande, Gammler, bärtig und ungewaschen. Negativ, negativ. Kein Funken Verantwortung im Leibe. Schreiben, was ihnen paßt, ohne wen zu fragen. Wenn sie wenigstens fragen würden, dann würden sie auch was erfahren. Holm Ja. Wir würden ihnen klarmachen, womit wir uns befassen. Jensen Eben. Holm Womit befassen wir uns? Jensen Mit nichts. Holm Gar nichts? Jensen Absolut gar nichts. Nein. In einer Zeit, die für das Land so schwer ist, darf man sich mit nichts befassen. Mit überhaupt nichts. Haben sie verstanden? Holm Nein. Jensen Wollen sie wissen wieso? Holm Sehr gern. Jensen Aber nur streng vertraulich. Die Politiker haben aufgegeben. Holm Aufgegeben? Jensen Ja. Dänemarks verantwortliche Politiker haben zusammen mit Westeuropas Politikern aufgehört, irgend was zu tun. Handelsdefizite, Inflation, Unruhe auf den Devisenmärkten, nichts mehr. Sie schaffen es nicht, deshalb haben sie das Angebot multinationaler Gesellschaften akzeptiert, die Westeuropas Wirtschaft übernehmen wollen. Die europäische multikontinentale Assoziation EMKA. Sie wird die Wirtschaft ganz Westeuropas übernehmen. So was nennt man Harmonisierung. Wenn das durchgeht, beherrschen sie alles. Holm Was alles? Wie machen die das? Jensen Na, verstehen sie junger Freund. Politiker müssen Rücksicht nehmen auf die Wähler, auf die Bevölkerung. Das tun die nicht. Die multinationalen Gesellschaften haben das nicht nötig. Die kümmern sich nur um die ganz realen Dinge: Budgetfragen, Rohstoffbeschaffung, Management und ihren Profit. Laßt fallen, was sich nicht mehr halten läßt. Die kommen zurecht. Holm Jetzt begreif ich. Das müssen wir denen erzählen, den Herren Journalisten. Jensen Sind sie wahnsinnig. Nicht ein Wort davon. Das gäbe eine Katastrophe. Was soll denn die Bevölkerung denken. Die Bevölkerung muß auch weiterhin denken, daß es die Politiker sind, die bestimmen. Woran soll sie sonst glauben. Das wäre schade um sie, könnte sie an nichts mehr glauben. Holm Ja, das ist wohl wahr. Jensen Die Polizei hat ganz andere Aufgaben. Wir greifen ein, wo es befohlen ist, und geschieht das nicht, lassen wir allen Kräften ihr freies Spiel. 3. ZU HAUSE Benny Los Egon, pack schon aus. Kjeld Ist das gefährlich? Benny Halt jetzt den Mund, Kjeld. Kjeld Was Schweres? Egon Es ist weder gefährlich, noch ist es schwer. Kjeld Was ist es denn? Egon Es ist fast noch legal. Benny Sag mal, Egon, es ist doch ein Coup. Egon Nein, das ist kein Coup, ein Erlebnis ist das. Benny Wie bitte? Egon Ein Erlebnis sage ich. Ein Erlebnis für das ganze Leben. Kjeld Wieso denn, wieso denn das? Benny Mächtig gewaltig, Egon. Kjeld Was wird Yvonne dazu sagen. Yvonne Wenn du fertig bist mit den Gardinen, kannst du dich an die Teppiche machen. Kjeld Ja, ja ich tummle mich schon. Yvonne Und die Blumentöpfe müssen noch umgetopft werden, aber das mach ich lieber selbst. Ich hab den grünen Finger, sagt meine Schwester. Vielleicht sollten wir gleich auch malern und tapezieren, wenn wir schon mal dabei sind. Das schaffen wir ganz bestimmt, wenn du die Decke machst. Aber vielleicht ist das eher was für Benny, der kann das fast ohne Leiter. Guten Tag, Egon. Na fein, daß du da bist. Wir können jede Hilfe brauchen. Da sind noch tausend Dinge und du weißt, Kjeld hat nichts als Mühe, und Benny steht andauernd im Wege. Dir geb ich gleich einen Eimer mit Petroleumwasser, da kannst du die Türen abwaschen. Benny Also ehrlich Yvonne, wo Egon gerade raus ist. Kjeld Ja, würdig empfangen müssen wir ihn. Yvonne Nein, nein, nein. Tausend Dinge haben wir um die Ohren. Kjeld Aber wir haben doch jedesmal ... Benny Genau, das muß ich auch sagen. Yvonne So. Na schön, na schön. Aber höchstens fünf Minuten. Benny Schließlich waren es volle neun Monate, die Egon eingesessen hat. Yvonne Oh ja, ja richtig. Neun Monate. Und du weißt sicher schon, daß in unserem Hause Dinge geschehen sind, die uns zwingen, unseren Lebensstil völlig zu ändern und alles aus anderer Sicht zu sehen. Kjeld ist im Begriff, Großvater zu werden. Benny Und du wirst Großmutter. Yvonne So nicht Benny, gerade darüber mußt du Pflaume dir das Maul zerreißen, wo es hier um Börge geht und die kleine Fie. Jeden Augenblick kann es schließlich so weit sein, dann muß man doch alles vorbereiten. Also bildet euch bloß nicht ein, ihr könnt hier rumsitzen und Bierchen schlucken. (Sie verläßt den Raum.) Egon Ich habe einen Plan. Kjeld Wie denn, gerade jetzt mit dem Baby und Yvonne und ... Benny Es geht wirklich nicht, Egon. Kjeld Das wirst du doch verstehen. Benny Es ist wirklich nichts mehr zu holen. Wo willst du heute noch Geld finden. Egon Nein. Mein Plan dreht sich auch nicht um Geld. Benny Nicht? Sondern? Egon Er dreht sich um Ökonomie. Kjeld Ökonomie? Egon Ja, der Plan, den ich habe, verändert unser gesamtes Leben radikal. Es geht um Bang Johansen, den großen Hintermann! Benny Na denn mal skol. Yvonne Ihr seid ja immer noch nicht fertig. 4. HOLM, JENSEN II Jensen, immer mit rotem Aktenkoffer, summt, sucht nach einer Melodie. Er hat einen Zettel und einen Stift in der Hand und flieht vor Holm. Holm Ich wollte sie gerne wegen des Falls Bang Johansen fragen. Jensen (Hält seinen Koffer fest.) Bang Johansen? Fall? Was für ein Fall? Holm Bang Johansen! Steuerbetrug! 100 Millionen. Sie wissen doch. Jensen Schluß. Bang Johansen. Steuern! Betrug! Millionen. Kein Wort mehr. Ich habe gesagt, ich will nichts mehr davon hören. Ich wollte ja bloß noch ein paar ergänzende Untersuchungen anstellen, das wäre die Chance für mich. Wenn ich den Fall aufklären könnte, dann ... Holm